Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2018

Familienportrait der Weimarer Republik

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
0

Jahrhundert-Sturm-Serie 3: Weiter geht es mit der Geschichte der Familie von Briest. Zeitpunkt der Handlung ist die Weimarer Republik ab 1921, Schauplatz ist Berlin. Es wird ein einnehmendes Zeitportrait.
Man ...

Jahrhundert-Sturm-Serie 3: Weiter geht es mit der Geschichte der Familie von Briest. Zeitpunkt der Handlung ist die Weimarer Republik ab 1921, Schauplatz ist Berlin. Es wird ein einnehmendes Zeitportrait.
Man sollte mindestens den Vorgänger also kennen. Sonst ist das nicht schön.

Otto von Briest kann wieder als eloquenter Mann überzeugen, aber die Zeiten sind schlecht und finanziell wird es schwer, über die Runden zu kommen.
Und die jungen Figuren rücken mehr in den Vordergrund, besonders Max, der Ziehsohn der Familie und Ottos und Hermines 14jährige Tochter Luisa. Das sind sympathische Figuren.

War letztes Mal die Fliegerei ein großes Thema im Buch ist es diesmal der Autorennsport, von dem Max fasziniert ist. Rennfahrer zu werden ist sein Traum, den er realisiert.
Die Autorennsportszenen sind spannend geschildert.
Zweitens spielt die Filmwelt eine große Rolle.
Interessanterweise tritt eine Berühmtheit im Roman auf: Fritz Lang, der bekannte Regisseur von Dr.Mabuse und Metropolis.
Otto berät ihn bei Drehbuchszenen. Und Luisa verspürt den Wunsch, Schauspielerin zu werden.

Natürlich werden auch gesellschaftspolitisch relevante Ereignisse der Zeit erwähnt, z.B. die Ermordung des Außenministers Walther Rathenau durch eine rechtsextreme Organisation.
Auch die fiktive Geschichte hat viele spannende Momente, besonders zum Ende hin.
Der Epilog entlässt den Leser schließlich mit einem Ausblick in die Zukunft der Figuren.

Der Roman liest sich flott, ist aber meiner Meinung nach unnötig lang. Das ist aber nicht schlimm. Richard Dübell schreibt gewohnt routiniert und gekonnt. Mich hat dieser Teil noch mehr überzeugt als der Vorgänger.
Man muss sich aber fragen, was er dem großen Wurf dieser komplexen Trilogie folgen lassen will.

Veröffentlicht am 02.07.2018

In einer Wiener Sommernacht

Sommernachtsreigen
0

Anna Herzig baut ihren kleinen Reigen in erster Linie auf Gespräche zwischen Bertl und Pawel in einer Sommernacht auf. Das Buch ist sehr dialogbetont!

Die Figuren sind sehr präsent. Der eher gemütliche ...

Anna Herzig baut ihren kleinen Reigen in erster Linie auf Gespräche zwischen Bertl und Pawel in einer Sommernacht auf. Das Buch ist sehr dialogbetont!

Die Figuren sind sehr präsent. Der eher gemütliche Bertl, der eigentlich Albert heißt,, ist ein Gegensatz zu den nüchternen Fotografen Pawel. Trotzdem verstehen sich die beiden von Anfang an gut!
Bertl ist mit Johanna verheiratet, doch nachdem die Leidenschaft nach Jahren eingeschlafen ist, steht ihre Beziehung vor dem Aus. Doch manchmal kann eine einzige Nacht entscheidend sein.

Schauplatz ist Wien, daher sind auch die Gespräche durchdrungen von der Wiener Lebensart und dem wienerischen Dialekt. Dadurch entsteht ein dichter, atmosphärischer Sound, bei dem man sich wünscht, man würde den Roman hören.

Veröffentlicht am 01.07.2018

Das Flair von Lappland

Helle Tage, helle Nächte
0

Helle Tage, Helle Nächte ist ein gut lesbarer Roman um ein Familiengeheimnis und eine lang andauernde Liebesgeschichte. Okay, das gibt es oft, aber hier ist das besondere das Flair in Lappland. Jokkmokk ...

Helle Tage, Helle Nächte ist ein gut lesbarer Roman um ein Familiengeheimnis und eine lang andauernde Liebesgeschichte. Okay, das gibt es oft, aber hier ist das besondere das Flair in Lappland. Jokkmokk bietet reizvolle Landschaftsbeschreibung der Berge, hinzu kommt die Kultur der Samen.
Ausgehend ist die Geschichte aber zunächst in Deutschland. Die 72jährige Anna hat die Diagnose Krebs. Aus diesem Anlass möchte sie eine alte Schuld auflösen und schickt ihre Nichte Frederike nach Jokkmokk, um da Petter zu treffen, der damals ihre große Liebe war. Sie soll ihm einen Brief übergeben.
Für Frederike ist das Land fremd, es fasziniert sie aber auch.
Einen Anteil an der Familiengeschichte haben auch die schon verstorbenen, zum Beispiel Annas Schwester oder ihre Eltern.

Die Handlungsstränge um Anna, die sich doch noch zu einer Therapie entscheidet und Friederike auf ihrer Reise wechseln ab. Das ist gut gemacht, als Leser bleibt man kontinuierlich im Lesefluß. Die Beschreibungen sind eindringlich, man fühlt sich als Leser dabei.
Mir gefällt auch gut, dass es der Autorin Hilde Baier gelungen ist, ihren Figuren Profil und Eigenständigkeit zu verleihen. Dabei sind die Protagonisten alle nicht perfekt, ihre Schwächen machen sie menschlich und realistisch.
Das Buch taugt dazu, lange Zeit am Stück in der Geschichte zu versinken.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Viel mehr bekommen als erwartet

Nie wieder Amore!
0

Sympathische Figuren, sympathische Geschichte, leicht lesbar!
Als die Apothekerin Monika erfährt, dass ihre ehemalige Liebe Vincenzo als Weinbauer in Sizilien doch noch lebt, reist sie zusammen mit ihrem ...

Sympathische Figuren, sympathische Geschichte, leicht lesbar!
Als die Apothekerin Monika erfährt, dass ihre ehemalige Liebe Vincenzo als Weinbauer in Sizilien doch noch lebt, reist sie zusammen mit ihrem Enkel Jan dahin und macht sich auf die Suche nach ihrer großen Jugendliebe.
Begleitet werden sie von Lena und Francesca, die eine Sprachschule aufmachen wollen.
Die kleine Gruppe, die schnell gute Freunde werden, klappern die Weinberge in Sizilien ab, um Vincenzo finden.
Zwischen der romantischen Lena und dem pedantisch deutschen Jan entwickelt sich mehr als Freundschaft.

Die Cover von Tessa Hennig-Romanen sind immer sehr auffällig und deuten auf Humor. Bei “Nie wieder Amore” finde ich das Cover aber eigentlich nicht passend. Der Roman hat zwar Witz, aber er ist kein Klamauk. Die Dialoge möchte ich ausdrücklich loben.
Die Handlung ist gründlich durchkomponiert, man spürt die Routine einer erfahrenen Autorin.

Für Italien-Fans ist der Roman genau das richtige. Das Land wird sehr reizvoll geschildert.

Veröffentlicht am 23.06.2018

November 1938 in einem deutschen Dorf

Ein ganz normales Pogrom
0

Ein Sachbuch mit wichtigen Thema.
Das ein Dorf in Deutschland in jener schlimmen Zeit genauer betrachtet wird, funktioniert, weil es stellvertretend für nahezu alle in Deutschland steht und somit exemplarisch ...

Ein Sachbuch mit wichtigen Thema.
Das ein Dorf in Deutschland in jener schlimmen Zeit genauer betrachtet wird, funktioniert, weil es stellvertretend für nahezu alle in Deutschland steht und somit exemplarisch ist.
Es ist deutlich ein Sachbuch, nicht erzählend. Dabei ist schade, dass man die Täter und die 1938 wenigen im Dorf verbliebenden Juden über die Fakten hinaus nicht besser als Menschen kennen lernt. Das wäre mir wichtiger gewesen als die Klärung von Begriffen und ihre Anwendbarkeit oder irgendwelche Zahlen.
Davon abgesehen ist das Buch gut gemacht, wird mit zunehmender Lesedauer immer packender, obwohl die Schilderungen der Greueltaten stellenweise nur schwer erträglich sind.

Im Mittelpunkt steht der Demütigungsmarsch, zu den die Juden 1938 in Guntersblum getrieben werden. Dabei werden sie geschlagen und verhöhnt. Erschreckend, dass dabei so viele Kinder anwesend waren, die für dieses Spektakel sogar Schulfrei hatten und sich offensichtlich prächtig dabei amüsierten. Das zeigt besonders deutlich, die Verrohung der Gesellschaft. Krasse Minderheit war ein Ehepaar, dass sich später wegen ihren aggressiven Söhnen entschuldigte.

Auch Plünderungen und Verwüstungen waren eine Selbstverständlichkeit. Der Autor schildert das detailliert.
Und im ganzen Lande wurden die Synagogen abgebrannt.

Deutlich wird auch die staatliche Steuerung der Pogrome, die das ganze förderten und den Tätern praktisch frei Hand gaben. Den traumatisierten Opfern drohte noch Flucht oder die Deportation.

Wenn man das alles so liest, fragt man sich auch, ob vergleichbares heute möglich wäre und man kommt zu dem Schluß, dass es nicht unmöglich ist, da das Klima deutlich antisemitische und fremdenfeindliche Züge trägt und Hetzer gibt es genug!

Das Buch schließt noch mit einem Ausblick auf die Zeit nach 1945.
Fazit: Ein wirklich lesenswertes Buch!