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Venatrix

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Veröffentlicht am 07.07.2018

Eine Reise in die Vergangenheit

Schwert und Galgen
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Anhand von alten Urkunden, steinernen Überresten von Richtplätzen und Gerichtsprotokollen begeben wir uns mit den Autoren auf Spurensuche.

Warum wurden so häufig Todesstrafen verhängt? Hat sie Verbrecher ...

Anhand von alten Urkunden, steinernen Überresten von Richtplätzen und Gerichtsprotokollen begeben wir uns mit den Autoren auf Spurensuche.

Warum wurden so häufig Todesstrafen verhängt? Hat sie Verbrecher abgeschreckt und die Kriminalstatistik verbessert? Wer waren die Henker?

Nach einem ausführlichen Vorwort und Einleitung tauchen wir in die komplexe Materie der Rechtsprechung Salzburgs ein. In sieben Kapiteln und einen Anhang werden die Themen wie folgt beleuchtet:

1. Strafrecht und Todesstrafe in Salzburg – Ein Überblick
2. Die Richtstätte
3. Von der Gefangennahme bis zur Hinrichtung – Abläufe, Formen und Riten
4. Die Hinrichtung
5. Der Scharfrichter
6. Das 19. Jahrhundert
7. Das 20. Jahrhundert


Ausgehend vom Mittelalter dient die Todesstrafe als Demonstration der Macht des Herrschers. Hochverrat ist immer ein Todesurteil. Das wird sich bis zur NS-Zeit durchziehen.

Jedes Kapitel ist penibel recherchiert und mit Faksimile der Originaldokumente hinterlegt. Tolle Fotos von ehemalige Richtplätzen und Auszüge aus Originaltexten machen dieses Buch zu einem besonderen Juwel.

Schmunzeln musste ich, als ich auf S. 168 die Grundrisse des nun, auf Grund der Bezirksgerichtsreform, leerstehenden Gebäudes des ehemaligen Bezirksgerichtes Saalfelden, entdeckt habe: Genau diese Pläne habe ich unlängst in Händen gehalten, um zu prüfen, ob wir eine unserer Dienststellen dort einmieten können.

Interessant finde ich, dass die Errichtung eines Galgens nicht an einen Handwerksbetrieb vergeben worden ist, sondern dass ALLE Mitglieder der betroffenen Gewerke mitarbeiten mussten. Damit hat man vermieden, dass keiner den anderen als „unehrlich“ bezichtigen konnte. Allerdings, hat sich das gehörig auf die Kosten niedergeschlagen, mussten doch statt einem halben Dutzend Personen fünfzig und mehr entlohnt werden. (S. 46)
Überhaupt werden den Kosten der Rechtsprechung ein breiter Raum eingeräumt. Die Liste der Gebühren, die der Scharfrichter bei der „Peinlichen Befragung“ erhält, sind aus unterschiedlichen Jahrhunderten überliefert.

Im Kapitel 4 „Hinrichtung“ werden die unterschiedlichen Hinrichtungsarten nüchtern aufgelistet. Auffallend ist die Abbildung des Richtschwertes, das keine Spitze aufweist. Es dient ja nicht der Verteidigung, sondern als Fallbeil.

Im Kapitel „Scharfrichter“ werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Scharfrichterclans, die in Salzburg ihres Amtes walteten. Da sie nun untereinander heiraten durften, waren sie meisten miteinander verschwägert.
Interessant ist die Tatsache, dass im 17. Jahrhundert das Amt in Salzburg durchwegs über die weibliche Linie weitervererbt wurde. Im Gegensatz zu einigen historischen Romanen haftet dem Scharfrichterberuf in Wirklichkeit wenig Romantik an. Meist lebten die Familien außerhalb der Dorfgemeinschaft. Allerdings waren nicht alle bitterarm. Auch über einem dilettantischen Scharfrichter wird berichtet, der seine Klienten durch sein Unvermögen unnötige Qualen zugefügt hat.

Sprachlich finde ich dieses Buch sehr gut gelungen. Obwohl jede Menge „Juristerei“ vorkommt, lässt es sich sehr gut lesen. Der Leser kann eintauchen in eine längst vergangene Zeit. Weder werden die den Angeklagten zur Last gelegten Verbrechen noch die anschließende peinliche Befragung oder die Hinrichtungen voyeuristisch ausgeschlachtet. Der sachlich Schreibstil ist einprägend und doch ein wenig distanziert. Dazu tragen auch die vielen Originalzitate bei. Wenn man sich in die alte Sprache eingelesen hat, kann man in den vielen Briefe, Tagebücher und Gerichtsakten die blutige Spur des Salzburger Gerichtswesens gut verfolgen.
Die letzte Hinrichtung fand am 22. November 1949 statt.

Fazit:

Wir erhalten ein Sach- und Fachbuch, das es zu lesen lohnt und an dessen Ende ein Plädoyer gegen die Todesstrafe steht. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 07.07.2018

Ein imposantes Sachbuch über die Diamanten von Englands Königinnen

Die Diamanten der Queen
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Dieses Buch ist einfach beeindruckend! Nicht nur des Preises wegen, sondern wegen des Inhalts, der Aufmachung, des Formates und des Gewichtes.

Das Buch ist anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von ...

Dieses Buch ist einfach beeindruckend! Nicht nur des Preises wegen, sondern wegen des Inhalts, der Aufmachung, des Formates und des Gewichtes.

Das Buch ist anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von Queen Elizabeth II. erschienen. Es handelt sich hier um Schmuckstücke aus dem Privatbesitz von Englands Königinnen: Fast ausschließlich Diamantschmuck.

Nach einer sorgfältigen Einführung wird die Herkunft der einzelnen Colliers, Tiaren, Ohrgehänge und Armbänder im geschichtlichen Rückblick an Hand Englands Königinnen ab dem 19.Jahrhundert dargestellt.

• Königin Adelaide (1792-1849)
• Königin Viktoria (1819-1901)
• Königin Alexandra (1844-1925)
• Königin Mary (1867-1953)
• Königin Elisabeth (1900-2002)
• Königin Elisabeth II. (geb. 1926)

Ein Stammbaum und Erläuterungen bilden den Abschluss, dieses farbenprächtigen und aufwändig gestalteten Bildband.

Zu jedem Schmuckstück wird (s)eine Geschichte erzählt. Woher die Steine stammen, wer das Schmuckstück geschaffen hat und
zu welchen Anlässen es getragen wird (wurde).

Manche Schmuckstücke werden immer wieder umgearbeitet, weil sich der Geschmack im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat. So wurde Königin Adelaides Strahlen-Collier (S. 29) in eine Tiara (S. 31) umgearbeitet.

Nachdem ich mich mit Schmuck und seiner Herstellung beschäftige, faszinieren mich die großformatigen Fotos, die oft eine ausklappbare Doppelseite groß sind. Bei einigen der prachtvollen Geschmeide ist auch die Rückseite fotografiert. Hier kann man die die aufwendigen Mechaniken erkennen, die es braucht, um die Anhänger des Colliers einzeln oder mit dem kompletten Schmuckstück zu tragen (siehe Dagmar-Collier S. 98-100).

Traurig, dass vom berühmten Cullinan-Rohdiamant, der ursprünglich 3.106 Karat gewogen hat und nach der Spaltung in 9 große und 96 kleine Steine und dem Schleifen, nur mehr 1.055,9 Karat übriggeblieben sind.

Auch die Geschichte so manchen Schmuckstückes klingt abenteuerlich: So hat Queen Victoria zu ihrem silbernen Thronjubiläum von ihrer Dienerschaft eine Diamantbrosche geschenkt bekommen. In Anbetracht der (auch heute noch) schlechten Bezahlung der Bediensteten eine Meisterleistung an Ehrerbietung.

Nochmals muss ich die wunderschönen Fotos hervorheben. Auf einigen davon sieht man ein und dasselbe Schmuckstück an verschiedenen Königinnen (Wladimir-Tiara S. 88/Elisabeth II. und S. 90/Königin Mary). Interessant, wie unterschiedlich die Schmuckstücke bei den Trägerinnen wirkt. Ob das nur an der jeweiligen Haarmode liegt?

Immer wieder verleiht Königin Elisabeth das eine oder andere Schmuckstück an ihre Schwiegertöchter, z.B. die „Liebesknoten-Tiara“ an Diana (S.184).

Fazit:

Ein imposantes Sachbuch, das den privaten Diamantschmuck von Elisabeth II. opulent in Szene setzt. Für Liebhaber von königlichem Schmuck, trotz des hohen Anschaffungspreises (Euro 80,00) eine Empfehlung.

Veröffentlicht am 07.07.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Das korsische Begräbnis
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Dieser Krimi ist der Auftakt einer Serie rund um den Schriftsteller Eric Marchand, der erst bei der Durchsicht des Nachlasses seiner jüngst verstorbenen Mutter entdeckt, dass er korsische Wurzeln hat. ...

Dieser Krimi ist der Auftakt einer Serie rund um den Schriftsteller Eric Marchand, der erst bei der Durchsicht des Nachlasses seiner jüngst verstorbenen Mutter entdeckt, dass er korsische Wurzeln hat. Seine Neugierde ist geweckt und da er ohnehin Abstand von Paris braucht, macht er sich auf, die raue Insel zu entdecken.

Kaum angekommen, gerät er in eine seit Jahrzehnten andauernde Vendetta zweier verfeindeter Clans. Denn er ist, wie sich unmissverständlich herausstellt, der letzte männliche Verwandte …

Doch wie ist die Ermordung des Vizebürgermeisters hier einzuordnen? Hat die mit Marchands Auftauchen zu tun, oder sind die Täter woanders zu suchen?

Meine Meinung:

Vitu Falconi, ist ein fesselnder Krimi gelungen. Hinter dem korsisch anmutenden Namen steckt der deutsche Autor Thomas Thiemeier.

Schon der Prolog zeigt dem Leser deutlich, dass er sich hier mit einem Krimi auseinandersetzen muss, in dem viele archaische Rituale Platz finden.

Geschickt verquickt er die aktuellen (lokal)politischen Probleme mit der langen Tradition der Blutrache. Für viele von uns ist das Thema schlecht vorstellbar, weil wir der Rechtsprechung trauen. Doch in Korsika ticken die Uhren nach wie vor ein wenig anders.

Die Schreibweise ist bildgewaltig und so können wir mit Eric durch die Landschaft streifen oder uns im Gestrüpp der Macchie verstricken, ohne uns von den Dornen zerkratzen zu lassen.

Unheimlich gut und stimmig sind die vielen korsischen Ausdrücke, denen man auch heute anhört, dass Korsika bis 1769 unter Genueser Herrschaft stand. Selbst der bekannteste Sohn der streitbaren Insel Napoleone Buonaparte (korsisch Nabulione) sprach ursprünglich italienisch bzw. korsisch. Erst in der Kadettenschule lernte er Französisch.

Die Charaktere finde ich gut getroffen.

Sehr spannend finde ich die Wandlung von Eric vom „unkonventionelle Städter“, der durch seine analytische Denkweise der Pariser Polizei bei der Aufklärung von Verbrechen zur Seite gestanden ist, zum Korsen, der mit sich ringt ob er sich den Traditionen anschließen oder mit ihnen brechen soll.

Auch gefällt mir Chefinspektor Mahmoud Clément, von der Police Nationale Ajaccio recht gut. Er ist, quasi als Quoten-Araber, neu auf der Insel und merkt schnell, dass hier vieles anderes ist als im Rest Frankreichs. Ein witziger Zeitgenosse ist der windige Journalist, der eine höchst interessante Schwester hat.

Eine besonders liebenswerte Gestalt ist Laurine, die Mateu Santini, dem Sohn des Clan-Chefs die Stirne geboten und die Scheidung abgetrotzt hat. Sie ist, obwohl noch jung so etwas wie eine „weise Alte“ und verbindet Modernes mit Tradition. Durch ihre Erklärungen findet Eric Zugang zur brutalen Vergangenheit seiner Familie, denn allein der Geburtsname seiner Mutter „Giuliani“ wirkt wie die Lunte an einem Pulverfass. Unter dem Lichte der aktuellen Ereignisse bekommt der Unfalltod seines Vaters vor vielen Jahren eine neue Bedeutung. Doch das wird (hoffentlich) der Stoff für eine Fortsetzung sein.

Fazit:

Wer einen spannenden Krimi mit viel Lokalkolorit und authentischen Charakteren lesen möchte, dem kann ich diesen Krimi nur empfehlen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 02.07.2018

Ein verbotene Liebe im Nachkriegsdeutschland

Der englische Liebhaber
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Die junge Filmemacherin Charlotte kehrt anlässlich des bevorstehenden Todes ihrer Mutter Anna von Berlin nach Münster zurück.
Das Verhältnis der beiden Frauen ist unterkühlt und distanziert, denn Charlotte ...

Die junge Filmemacherin Charlotte kehrt anlässlich des bevorstehenden Todes ihrer Mutter Anna von Berlin nach Münster zurück.
Das Verhältnis der beiden Frauen ist unterkühlt und distanziert, denn Charlotte ist ein sogenanntes „Besatzungskind“. Anna hat in den Nachkriegsjahren, um ihre Familie zu erhalten, bei den Englischen Besatzern als Dolmetscherin gearbeitet und sich in einen der Offiziere, Jeremy Fraser, verliebt und ist prompt schwanger geworden. Noch bevor Jeremy die Scheidung von seiner englischen Frau vollziehen kann, wird er abkommandiert. Was Anna nämlich nicht weiß, dass für Jeremy, einem Geheimdienstoffizier des SIS, besondere Regeln des Fraternisierungsverbotes gelten.
Der beiderseitige Briefwechsel wird abgefangen und so muss Anna ihre Tochter ohne Vater aufziehen, im bigotten Nachkriegsdeutschland eine ziemliche Tortur für beide.

Erst 26 Jahre nach Jeremys Verschwinden gelingt es Anna ihren Geliebten ausfindig zu machen. Wird sich Jeremy wieder aus der Verantwortung stehlen?

Erst nach Annas Tod kommt Charlotte ihrer Mutter und Jeremy näher, findet sie doch in derem Nachlass Briefe, Tagebücher und Tonbandaufnahmen.

Meine Meinung:

Ich kenne fast alle Bücher der Autorin und ihren eindringlichen Erzählstil. Mit einfühlsamen und emotionalen Sätzen gelingt es ihr mühelos die Zeit nach 1945 in Deutschland wieder auferstehen zu lassen, ohne kitschig zu wirken. Der Kampf ums tägliche Überleben weicht den Schuldgefühlen an den Gräueln des Zweiten Weltkriegs beteiligt zu sein (die ewig Gestrigen ausgenommen).

Die Handlung selbst ist in zwei Erzählsträngen angelegt. Der eine spielt 1988 und der andere gibt, durch die Tagebucheintragungen Annas Situation ab dem Jahr 1945/46 wieder. Die Leser hungern und frieren mit Anna, können den Schrecken über die Niederlage Hitler-Deutschlands und die Angst vor der Zukunft hautnah miterleben.

Die historischen Hintergründe sind, wie wir es von der Autorin kennen, penibel recherchiert, zumal sie nahe an einer wahren Begebenheit aus ihrer eigenen Familie bleibt. Die Vorurteile, die unverheiratete Mütter und ihre Kinder ausgesetzt sind, lassen uns später Geborene ziemlich wütend werden.

Die Charaktere sind liebevoll gestaltet. Da ist zum einem Annas Herkunftsfamilie: Die Töchter, Linchen und Anna, sind nicht so geachtet, wie der einzige Sohn Manfred, der sich als strammer Nazi entpuppt und letztlich in Russland fällt. Während die meisten auf Hitler hereinfallen, hat sich Annas Mutter einen kritischen Geist bewahrt und trauert ihr Leben lang um ihre jüdische Freundin Nora Tannenbaum, der es nicht mehr gelingt aus Deutschland zu fliehen. Es ist keine Familie, die liebevoll miteinander umgeht. Das färbt auch auf Anna ab. Später wird sie ihre Verschlossenheit auch Charlotte gegenüber an den Tag legen, die mit schroffer Zurückweisung antwortet. Manchmal scheint Charlotte ohne Empathie zu sein. Ich denke, es ist schwierig Gefühle zu zeigen, wenn man selbst diese Erfahrung vermissen musste.
Auch Jeremys Charakter ist voller Ecken und Kanten. Er scheint tiefer Gefühle für Anna fähig, will sein bisheriges Leben aufgeben und mit ihr ein neues anfangen. Seine berufliche Situation als Geheimdienstmitarbeiter hält ihn bis zuletzt gefangen.

Fazit:

Ein historischer Roman, der unter die Haut geht. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 02.07.2018

Ein ganz normales Dorf

Ein ganz normales Pogrom
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Es war einmal ein ganz normales Dorf, irgendwo in Deutschland. So könnte dieses Buch beginnen, steht das beschriebene Weindorf Guntersblum in Rheinhessen, nämlich für viele Dörfer und Städte in der Weimarer ...

Es war einmal ein ganz normales Dorf, irgendwo in Deutschland. So könnte dieses Buch beginnen, steht das beschriebene Weindorf Guntersblum in Rheinhessen, nämlich für viele Dörfer und Städte in der Weimarer Republik.
Die seit Jahren subtil gestreute Saat des Judenhasses geht im November 1938 buchstäblich explosionsartig auf. Im gesamten Deutschen Reich (Österreich inklusive) brennen Synagogen, werden Juden misshandelt und deren Wohnungen zerstört und geplündert. Wie es zu den Ausschreitungen, von den Machthabern zynisch und euphemistisch „Reichskristallnacht“ genannt, gekommen ist, versucht der Autor an Hand von Guntersblum nachzuvollziehen. Bislang hat der geneigte Leser ja den Eindruck, dass die Pogrome eine Erscheinung in den großen Städten sind, doch diese (Irr)Meinung wird mit diesem Buch widerlegt.
Beginnend mit der Urkatastrophe des verlorenen Ersten Weltkriegs und den damit verbundenen Reparationszahlungen erzählt Historiker Kellerhoff, wie sich antisemitische Verschwörungstheorien in den Köpfen der Leute manifestieren und den Nationalsozialisten in die Hände spielen.
Ab 1933 werden jüdische Mitbürger schikaniert. Viele verlassen Deutschland, doch die Mehrheit bleibt. Wo sollten sie auch hingehen? Geschäfte und Beziehungen im Stich lassen?
Gerade anhand von Guntersblum zeigt sich, wie perfide das System funktioniert, da hier ja jeder jeden und seine Vermögensverhältnisse kennt. Die Anonymität der Großstadt, die anfangs ein wenig Schutz bieten könnte, fehlt hier natürlich.
Kellerhoff kann aufgrund von alten Dokumenten und Fotos die systematische Vertreibung (und Ermordung) der jüdischen Familien genau nachvollziehen.
Sehr interessant ist auch der Mangel an Unrechtsbewusstsein nach dem Krieg. Man schiebt die Schuld hin und her, leidet an kollektivem Gedächtnisverlust. Guntersblum ist einfach Deutschland im Kleinen.
Wiedergutmachung und Herausgabe des gestohlenen Eigentums? Meistens Fehlanzeige, langwierige Prozesse und nur teilweise Rückerstattung oder Schadenersatz. So manche Familie wird de facto ein zweites Mal betrogen.

Fazit:

Ein höchst interessantes Buch, das es wert ist ein zweites Mal gelesen zu werden, um die besonderen Details zu entdecken. Gerne gebe ich 5 Sterne.