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Veröffentlicht am 07.08.2018

Schweigen ist nicht immer Gold

Totenbauer
1

Ein junger Mann torkelt durch einen Park. Er wird von einer Joggerin beobachtet wie er auf einer Parkbank zusammenbricht. Sie hört noch, dass er „Toter Bauer“ und „So’n Quatsch“ vor sich hinmurmelt, bevor ...

Ein junger Mann torkelt durch einen Park. Er wird von einer Joggerin beobachtet wie er auf einer Parkbank zusammenbricht. Sie hört noch, dass er „Toter Bauer“ und „So’n Quatsch“ vor sich hinmurmelt, bevor er tot von der Bank stürzt. Hauptkommissar Arno Bremer, Maik Bertram und ihr Team nehmen die Ermittlungen auf. Hauptkommissar Heinnrich Tenbrink, der bisher das Kommissariat geleitet hat, befindet sich noch in der Reha. Er muss nicht nur eine schwere Verletzung auskurieren, auch machen ihn seine Gedächtnisaussetzer Sorgen und er versucht der Ursache auf die Spur zu kommen.
Bertram hat zunehmend Schwierigkeiten mit der Arbeitsweise seines neuen Chefs Bremer und zieht deshalb Tenbrink den Fall betreffend ins Vertrauen. Ab sofort wird der Fall von zwei Seiten her ermittelt und mit viel Bauchgefühl agiert.


Einen kniffeligen Fall haben Maik Bertram und Heinrich Tenbrink zu lösen.
Gleich zu Beginn wird dem Leser deutlich, dass der aktuelle Mordfall mit dem Mord an einer jungen Frau auf Kreta, der 20 Jahre zurückliegt, zusammenhängt. Es wird in verschiedenen Zeitebenen erzählt. Aus dem „damals“,„heute“ und den Erinnerungen von Heinrich Tenbrink entwickelt sich nach und nach für den Leser ein spannender Krimi mit nicht nur regionalem Charakter. Auch wenn ich den ersten Fall der beiden Kommissare nicht gelesen habe, hatte ich nie das Gefühl etwas verpasst zu haben oder Zusammenhänge nicht erkennen zu können. Man bekommt schrittweise Einblick in die Vergangenheit und erfährt alles, was zum Verständnis dieser Geschichte nötig ist.

Kompetenzgerangel und harte Ermittlungsarbeit prägen den Dezernatsalltag. Schmerzlich fehlen da die regional eingefärbte Ermittlungsarbeit von Heinrich Tenbrink und dessen Bauchgefühl.

Die privaten Probleme beider Kommissare, Bertram und Tenbrink, machen den Münsterland Krimi menschlich und auch privat. Der Leser fühlt mit.
Der Krimi ist abwechslungsreich, auch wegen der privaten Nebenschauplätze, und sehr spannend. Fehlende Kommunikation, zu wenig Miteinanderreden und zu wenig dienstlicher Gedankenaustausch sind die großen Themen dieses Krimis.

„Auch das gemeinsame Schweigen war zu einer Art liebgewordenem Ritual zwischen ihnen geworden, wie bei einem alten Ehepaar. Beruhigend und beängstigend zugleich.“ So wird das Verhältnis von Bertram und Tenbrink beschrieben, ein Ermittlerteam zum Verlieben.

Der letzte Satz des Krimis lässt auf eine Fortsetzung hoffen. „MER SIN NO NICH FERTISCH, MEI LIEBER“. Ich freue mich drauf.
Ich bin ein neuer Fan des Ermittlerpaares.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Spannung
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 08.07.2018

Mit Liebe gegen den Terror!?

Herz im Fadenkreuz
0

Die schüchterne Esther verliebt sich Hals über Kopf in den Sportstudenten Lys. Schnell merkt sie, dass mit ihrem Freund etwas nicht stimmt. Er zieht sich immer wieder zurück um dann reumütig zurückzukehren. ...

Die schüchterne Esther verliebt sich Hals über Kopf in den Sportstudenten Lys. Schnell merkt sie, dass mit ihrem Freund etwas nicht stimmt. Er zieht sich immer wieder zurück um dann reumütig zurückzukehren. Zuerst glaubt sie, dass eine Frau zwischen ihnen steht, dann findet sie heraus, dass es Lys Freund und Mitbewohner Jörg ist.
Während dessen erlebt Deutschland mehrere Bombenattentate zwischen rivalisierenden Gruppen. Nach einen Anschlag auf den „Pützchens Markt“ wird ihr alles klar. Wie wird sie reagieren?

Mit diesem Buch ist es der Autorin gelungen, den Blick auf die menschliche Problematik des Terrors zu lenken.
Wir erfahren, wie Lys zum Terrorismus kam und dass er zu einer Tötungsmaschine ausgebildet wurde. Gegen den Feind kann er kompromisslos kämpfen und töten, aber unbeteiligte Opfer belasten ihn mehr und mehr. Ihm fällt es immer schwerer seine neune Liebe zu belügen.
Plötzlich bekommen Attentäter Gesichter, ein Leben, Familie und Freunde. Mir war natürlich vorher schon klar, dass nicht jeder Attentäter überzeugt und freiwillig in den Tod geht, aber warum kapieren die Verantwortlichen einfach nicht, dass Gewalt gegen Gewalt immer nur neue Gewalt schürt?
Der Konflikt, in dem die beiden Protagonisten stecken, wurde deutlich gemacht, so dass nie eine oberflächliche kitschige Liebesgeschichte entstehen konnte. Terror, Enttarnung, Tod und Rache waren ständig gegenwärtig. Das machte diesen Roman spannend, manchmal atemlos, realistisch und authentisch.
Vor allen Dingen macht dieser Roman nachdenklich.
In der Danksagung steht, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist.
Ich möchte auf jeden Fall weiterlesen.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Damals als wir Freunde waren

Wenn wir wieder leben
0

In Zoppot der 1920er Jahre erlebt Gundi Frieböse eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Paul Otto Peter Frieböse genannt Pop. Sie leben in Danzig, aber im Sommer verbringen sie die Wochenenden in ...

In Zoppot der 1920er Jahre erlebt Gundi Frieböse eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Paul Otto Peter Frieböse genannt Pop. Sie leben in Danzig, aber im Sommer verbringen sie die Wochenenden in Zoppot, dem vornehmen Ostseebad. Dort fühlt Gaudi sich als das glücklichste Kind von der Ostseeküste.
Mit siebzehn träumt sie am Strand von Zoppot mit ihren beiden Freunden Erik und Julius und ihrer Halbschwester Lore eine erfolgreiche Band zu werden. Das gelingt ihnen auch und schon bald tingeln sie nicht nur in Zoppoter Kneipen, sondern fahren mit dem Luxusliner Wilhelm Gustloff über die Meere. Es fällt ihnen nicht schwer den Band-Namen zu ändern und sich fortan die Vier aus Zoppot zu nennen, auch sind sie plötzlich keine Band mehr, sondern eine Tanzkapelle. Viel zu spät erkennt Gundi, wie extrem die Welt sich verändert hat, dass ihre polnischen und jüdischen Freunde verfolgt werden und dass der Mann, den sie liebt, im polnischen Widerstand kämpft.
Jahre später verfolgt die junge Wanda Gundis Spur um zu ergründen, was damals passiert ist.

Mein erster Eindruck von diesem Buch ist die pastellfarbene Weichzeichnung des Covers. Beim Lesen habe ich mich dann sofort in den Schreibstil und die Sprache verliebt. Ich empfinde die Sprache honigsüß oder nach Hagebuttentee riechend wie die Autorin sie beschreibt. Die melancholische Beschreibungen des Ostseebades oder Danzigs Straßen zeugen von einer großen Liebe und Sehnsucht nach der alten Heimat. Meine Schwiegereltern stammen aus dieser Gegend. „Noch ist Polen nicht verloren“ und „unsere alte ferne Heimat“ waren Sätze, die ich oft von ihnen hörte. Sie hätten auch ihre Freude an diesem Buch gehabt.
Mich hat sprachlich besonders überrascht, dass Begriffe wie Kaschemme, Matka. pieschern, Schisslaweng, krakeelen, verhohnepiepeln, die ich für Umgangssprache des Ruhrgebiets und Niederrheins gehalten habe, aus Polen beziehungsweise aus Danzig stammen. Die meisten dieser Begriffe hab ich vorher noch nie geschrieben gesehen.

Frau Roth hat eine wunderschöne, traurige und tragische Familiengeschichte geschrieben, die Zeitgeschichte aus einer anderen Sicht beleuchtet. Dieses Mal sind es nicht die Opfer und auch nicht die Verbrecher, die den Niedergang und Untergang der Deutschen schildern. Gundi ist eine, die glücklich mit ihrem Leben und ihrer Umgebung ist, die glücklich ist, ihre Musik machen zu können. Sie bekommt die Veränderung um sie herum nicht mit. Erst sehr spät drängen sich ihr die Ereignisse auf, aber in ihrer Naivität meint sie, dass alles wieder gut wird.

Der Roman lässt mich nachdenklich und vielleicht auch etwas wehmütig zurück. Der letzte Abschnitt „Noch ist Polen nicht verloren“ tut da sein übriges und erinnert mich an meine Oma Sonntag aus Meiderich, die zwar nicht aus Danzig stammt, aber sicher einiges mit ihrer Oma Lita gemein hat.

Veröffentlicht am 21.06.2018

Spannend und lehrreich!

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
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Berlin 1921: Der Erste Weltkrieg wirft noch immer lange Schatten, auch auf die Familie von Briest. Otto und Hermine von Briest stehen vor dem Bankrott. Ihre Tochter Louisa träumt trotz der Notlage ...

Berlin 1921: Der Erste Weltkrieg wirft noch immer lange Schatten, auch auf die Familie von Briest. Otto und Hermine von Briest stehen vor dem Bankrott. Ihre Tochter Louisa träumt trotz der Notlage von einer Karriere als Filmschauspielerin. Der persönliche Kontakt mit dem Regisseur Fritz Lang, der die Unterstützung von Otto von Briest bei verschiedenen Drehbuchüberarbeitungen hoch zu schätzen weiß, ermöglicht Louisa ein Stipendium für das Max Reinhardt Institut. Louisa liebt Max Brandow, einen ehemaligen Gassenjungen. Otto von Briest hat diesen Jungen aus der Gosse geholt und für seine Detektei arbeiten lassen. Seitdem Max Weihnachten 1918 Louise das Leben gerettet hat, gehört er zur Familie. Ihm wird eine große Zukunft als Rennfahrer vorausgesagt.

Ein fulminanter Abschluss der Jahrhundert-Trilogie!
Wieder gelingt es Richard Dübell anhand der Lebens-und Leidensgeschichte der Familie von Briest die politischen und gesellschaftlichen Veränderung in Deutschland der 20er Jahre zu beschreiben und den Finger in die Wunde zu legen.

Die Geschichten neben den exzellent recherchierten politischen Ereignissen beschreiben, dass es nicht immer nur die Agitatoren, Rädelsführer und Politiker waren, die das Volk in den Untergang und die Arme der NSDAP getrieben haben. Es sind vor allem Dingen, die Verzweiflung, die Ausweglosigkeit, Neid und Schwäche. Es sind die kleinen Katastrophen, Zusammenbrüche und Demütigungen, die von den neuen Machthabern genutzt wurden.

Sinnbildlich kann man das Schicksal derer von Cramm ansehen. Sie haben mit der Verfolgung und Tötung von Juden ihren eigenen Untergang besiegelt, genau wie das deutsche Volk. Ich weiß nicht, ob das vom Autor beabsichtigt war, aber der Gedanke drängt sich mir als Leser auf.
Max Brandows Versprechen: „Alles wird gut. Versprochen. Großes Ehrenwort“ zieht sich durch den ganzen Roman und bezieht sich leider nur auf die Familie von Briest.

Für die Deutschen wird alles immer schlimmer.
Der Roman endet vor der Machtergreifung. Die Geschichte der von Briest in Deutschland ist zu Ende erzählt. Was bleibt? Eine interessante und unterhaltsame Geschichtsstunde, in der dem Leser die Ursachen und die Entstehung des dritten Reiches aus Sicht des Autors näher gebracht wurden.
Meiner Meinung nach ist es ihm sehr gut gelungen.

Veröffentlicht am 10.05.2018

Zu gut, um wahr zu sein?

The Wife Between Us
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Zwei Frauen – die Eine bereitet sich auf die Hochzeit mit ihrem Traummann vor, die Andere hat ihre Ehe mit ihrem Traummann gerade hinter sich. Ist oder war es wirklich ein Traummann?

Die New York Times ...

Zwei Frauen – die Eine bereitet sich auf die Hochzeit mit ihrem Traummann vor, die Andere hat ihre Ehe mit ihrem Traummann gerade hinter sich. Ist oder war es wirklich ein Traummann?

Die New York Times schreibt über diesen Roman: „Ein atemberaubender Roman mit faszinierenden Figuren – ein Pageturner, den man lesen muss!“

Ich habe diesen Roman (442 Seiten) in zwei Tagen gelesen und kann der New York Times nur beipflichten. Selten hat mich ein Buch so in den Bann gezogen.
„Ein teuflisch kluger Katz-und-Maus-Thriller,“ noch ein Zitat aus der New York Times. Für mich ist es auch ein Thriller, und zwar einer von den guten, einer in dem kein Blut fließt, der dem Leser aber ständig Gänsehaut bereitet. Zum Inhalt möchte ich gar nicht viel sagen. Man muss es lesen.
Den beiden Autorinnen ist es gelungen auf 442 Seiten eine viele Jahre währende Tragödie aufzudröseln, die jahrelange Erniedrigungen, seelische und körperliche Verletzungen beinhaltete. Anfangs war es etwas verwirrend aus welcher Perspektive die Rückblicke und Gegenwartssituationen erzählt werden. Doch mit zunehmender Seitenzahl klärt sich alles. Die Geschichte durchläuft einige überraschende Wendungen und dem Leser offenbaren sich viele schockierende Enthüllungen, die ihn gefangen nehmen bis zum Schluss. Besonders gelungen finde ich die starke Charakterisierung der Frauenfiguren, die innerlich wie äußerlich mehrere Wandlungen durchlebt haben.
Man merkt, ich stehe noch ganz im Bann dieses Buches. Ich werde es mit einer unbedingten Leseempfehlung an eine gute Freundin weitergeben und freue mich schon auf das nächste Buch dieser beiden Autorinnen.