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Veröffentlicht am 11.08.2018

Eine Begegnung, die jahrzehntealte Erinnerungen weckt

Beim Ruf der Eule
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Maeve Maloney ist fast 80 und betreibt nach wie vor mit unerschütterlicher Kraft die kleine Pension Sea View Lodge an der Morecambe Bay in England. Sie hat sich darauf spezialisiert, Menschen mit Entwicklungsstörungen ...

Maeve Maloney ist fast 80 und betreibt nach wie vor mit unerschütterlicher Kraft die kleine Pension Sea View Lodge an der Morecambe Bay in England. Sie hat sich darauf spezialisiert, Menschen mit Entwicklungsstörungen und geistigen Behinderungen eine Unterkunft zu bieten. Als sich ein alter Bekannter einmietet, wird Maeve von Erinnerungen eingeholt. Denn er ist einer der wenigen, die wissen, dass Maeve einst eine behinderte Schwester hatte und wegen ihres Schicksals bis heute von Schuldgefühlen geplagt wird. Gleichzeitig beschließen Steph und Len, die beide das Down-Syndrom haben und Maeve in der Pension helfen, dass sie eine Beziehung führen wollen. Doch das ist auch in der heutigen Zeit nicht ohne weiteres möglich.

Die Buchbeschreibung spricht von einer Begegnung zweier Menschen, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Ich war neugierig, was dahinter steckt, und musste nicht lang warten. Gleich auf den ersten Seiten steht Vincent vor der Pension von Maeve und will dort eine Woche bleiben, doch diese will am liebsten gar nicht mit ihm reden.

Die Idee hinter Maeves besonderer Pension ist wirklich schön. Hier sollen sich Menschen mit Behinderung wohl fühlen. Vor allem Steph und Len, die beiden Aushilfen mit Down-Syndrom, wuchsen mir mit ihrer offenherzigen Art schnell ans Herz. Steph wohnt als Maeves Patenkind schon länger in der Pension, denn ihr Vater ist viel unterwegs. Nun soll auch Len einziehen, denn seine Mutter Dot ist schwer krank. Eine Sozialarbeiterin muss dem Umzug zustimmen. Doch die Tatsache, dass die beiden ein Paar sein wollen, weckt Bedenken, ob sie dafür die nötige geistige Reife besitzen.

Vincents Besuch ruft in Maeve viele alte Erinnerungen an ihre Jugend wach. Zu jener Zeit kümmerte sie sich liebevoll um ihre geistig behinderte Zwillingsschwester Edith. Bei der Entwicklung dieses Charakters hat sich die Autorin von ihrer Schwester inspirieren lassen, bei der eine Zerebralparese und Autismus diagnostiziert wurde. Edith äußert sich hauptsächlich in feststehenden Phrasen, hat mit Verzögerung laufen gelernt und singt am liebsten im Kirchenchor, der von Vincents Vater geleitet wird. Maeves Eltern weigern sich, Edie einweisen in eine Anstalt einweisen und zwangssterilisieren zu lassen, was damals das übliche Vorgehen war.

Doch irgendetwas ist geschehen, das Maeve bis heute quält. Gegenwart und Vergangenheit fließen ineinander, die Geschichte macht viele Sprünge in der Zeit und im Erzählstil und mir fiel es vor allem zu Beginn schwer, das Gelesene zu sortieren. Lange spricht Edith nicht aus, was vorgefallen ist, zu schmerzhaft scheinen die Erinnerungen an ihre Schwester zu sein und auch an ihren Verlobten, den sie offenbar nie geheiratet hat. Auch wie Vincent ins Bild passt ist ein Puzzlestück, das an seinen Platz gebracht werden will. Die meisten Antworten werden jedoch erst zum Ende hin gegeben, davor tappt man als Leser lange im Dunkeln.

Das Buch spricht viele emotionale Themen rund um Liebe, Schuld und Verlust an. Ich bewunderte es, wie Maeve immer wieder die Kraft zum Weitermachen gefunden hat. Das Buch hat traurig-schöne Momente, aber auch solche, die einfach nur bedrückend sind und ins Nachdenken über Behinderung, Krankheit und Tod bringen. Den Abschluss fand ich versöhnlich. Doch insgesamt war „Beim Ruf der Eule“ für mich eine schwermütige Geschichte.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Welche Geheimnisse haben die Unsterblichen auf ihrem Planeten zurückgelassen?

Undying – Das Vermächtnis
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Amelia und Jules könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie ist eine Highschool-Abbrecherin, die als Plünderin im halb zerstörten Chicago nach Dingen sucht, die sie zu Geld machen kann. Er ist wohlbehütet ...

Amelia und Jules könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie ist eine Highschool-Abbrecherin, die als Plünderin im halb zerstörten Chicago nach Dingen sucht, die sie zu Geld machen kann. Er ist wohlbehütet in Oxford aufgewachsen und ein wissenschaftliches Genie, das in die Fußstapfen seines Vaters treten will. Auf dem fremden Planeten Gaia treffen sie zufällig aufeinander und gehen eine Kooperation ein, um ihr Ziel zu erreichen. Amelia muss auch hier irgendetwas Wertvolles finden, während Jules ein uraltes Rätsel lösen will. Doch bald kommt alles anders als gedacht.

Die beiden Protagonisten trifft man zum ersten Mal kurze Zeit, nachdem diese auf dem fremden Planeten Gaia gelandet sind. Hier hat einmal eine Spezies gelebt, die sogenannten Unsterblichen, die mysteriöse Tempel und unglaubliche Technologie hinterlassen haben. Nach einem Zwischenfall ist das Geheimnis, wie man durch ein Portal im Nu zum Planeten gelangt, gelüftet. Deshalb rücken nun die ersten Plünderer an, während Wissenschaftler erst einmal mehr über die Hintergründe erfahren wollen und Bedenken haben, wie sicher der Planet ist.

Amelia, genannt Mia, gehört zu der Fraktion der Plünderer. Sie wurde allein abgesetzt und hat nur ein Ziel: Sie muss etwas finden, mit dem sie sich nicht nur den Rückflug, sondern auch die Freiheit ihrer Schwester erkaufen kann. Jules hingegen ist Wissenschaftler durch und durch. Er wird von der Motivation angetrieben, mehr über die Geheimnisse der Unsterblichen zu erfahren, und das nicht nur um des Wissens willen. Die beiden treffen in einer brenzligen Situation gleich zu Beginn aufeinander, in der ihnen wenig anderes überbleibt, als einander zu vertrauen. Zu zweit machen sie sich auf den Weg in die Richtung, von der Jules felsenfest behauptet, sie sei die richtige. Doch wirklich offen sind sie zueinander vorerst nicht, insbesondere Jules verheimlicht etwas Entscheidendes.

Das Buch startet schwungvoll und schon bald haben die beiden ihr erstes Ziel erreicht. Um weiter voranzukommen gilt es dann, Rätsel zu lösen. Hier wird immer grob beschrieben, um welche Art von Rätseln es sich handelt. Schnell wird klar, dass diese Rätsel ziemlich kompliziert sind – Jules kann sie mit seiner Genialität lösen, während Mia sich um die praktischen Fragen des Überlebens kümmert. Doch ein Miträtseln ist nicht mal im Ansatz möglich, weshalb mich die Rätsel-Episoden trotz eines hohen Tempos nicht fesseln konnten.

Mia und Jules müssen viel Zeit miteinander verbringen, in denen sie dem jeweils anderen von ihrem bisherigen Leben erzählen und hier stückweise mehr von sich preisgeben. Erwartungsgemäß kommen sich die beiden dabei näher. Für Romantik ist bei diesem Wettlauf gegen die Zeit allerdings nicht viel Platz und für mich wurde nicht ganz klar, was die beiden aneinander finden abgesehen davon, dass sie ganz allein sind und bald sterben könnten. Der Funke wollte nicht so recht überspringen.

Für Spannung sorgt die Tatsache, dass den beiden gefährliche Menschen auf den Fersen sind. Werden sie schnell genug sein? Und was wollen diese überhaupt? Die Handlung bietet einige dramatische Szenen und sorgt immer wieder für überraschende Erkenntnisse. Es ist nie ganz klar, in welche Richtung sich die Geschichte überhaupt entwickeln wird. Die allergrößte Überraschung haben sich die Autorinnen bis zum Schluss aufbewahrt, der alles in neuem Licht erscheinen lässt und neugierig auf den zweiten Teil dieser Dilogie macht.

In „Undying. Das Vermächtnis“ macht sich das ungleiche Duo Amelia und Jules auf den Weg, die Geheimnisse eines fremden Planeten und der Spezies, die dort gelebt hat, zu ergründen. Zahlreiche Fallen und Rätsel erwarten sie, während das ganze bald zu einem Wettlauf gegen die Zeit wird. Doch mich konnte die Story trotz hohem Tempo nicht so recht packen und auch die Liebesgeschichte bleibt ausbaufähig. So bleibt dieses Abenteuer auf einem fremden Planeten für mich nur guter Durchschnitt.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Zwei Welten treffen aufeinander und kommen nicht mehr voneinander los

Uns gehört die Nacht
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Elise Perez und Jamey Hyde sind Nachbarn in New Haven, stammen jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Welten. Elise hat keinen Highschool-Abschluss und ist mit zwanzig von zu Hause weggegangen, ohne sich ...

Elise Perez und Jamey Hyde sind Nachbarn in New Haven, stammen jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Welten. Elise hat keinen Highschool-Abschluss und ist mit zwanzig von zu Hause weggegangen, ohne sich zu verabschieden. Jetzt hält sie sich jetzt mit einem Job in einem Fischgeschäft über Wasser. Jamey studiert in Yale, er stammt aus einer wohlhabenden und einflussreichen Familie. An einem Tag im Januar 1986, Elise wohnt schon drei Monate neben der WG von Jamey und Matt, wird sie von den beiden hereingebeten. Von da an treffen sie und Jamey sich regelmäßig. Während Elise sich Hoffnungen auf mehr macht ist Jamey sich sicher, dass sie für ihn nur jemand ist, mit dem er eine Weile Sex haben kann. Doch die beiden kommen nicht mehr voneinander los. Das missfällt bald nicht nur Matt, sondern auch Jameys Familie.

Das Buch beginnt mit einer Szene im Juni 1987. Elise und Jamey befinden sich in einem Motel in Wyoming und sie drückt seit über zwei Stunden ein Gewehr gegen seine Brust. Was sind die Hintergründe dieser Szene? Um diese Frage zu beantworten springt die Geschichte zurück in den Januar 1986 und nimmt den Leser ab dort mit von Monat zu Monat.

Elise lebt in der heruntergekommenen Wohnung des schwulen Robbie, seit der sie schlafend im Auto seines Lovers aufgelesen hat. Sie hat ohne Plan ihre Familie hinter sich gelassen, wollte nur weg. Das weiße Townhouse nebenan hat sie immer im Blick, bis sie beschließt, mit einem kleinen Trick von den beiden Yale-Studenten hineingebeten zu werden. Das erste Aufeinandertreffen ist kurz und hinterlässt trotzdem Eindruck. Elise nimmt kein Blatt vor dem Mund und beleidigt Matt, der ihr das übel nimmt. Robbie kann nicht verstehen, was sie bei den reichen Jungs will. Doch Jamey hat keine Lust mehr, mit dem Strom zu schwimmen und das zu tun, was von ihm verlangt wird. Er ist fasziniert von der unvornehmen Elise, der auch er nicht mehr aus dem Kopf geht.

Die Autorin zeichnet mit ihren Worten Bilder von den dreckigen Seiten der Stadt und des Lebens. In kurzen Szenen werden oft Dinge wie dampfende Taubenkacke beschrieben genauso wie Sex-Einladungen von Fremden im Waschsalon per Griff an den Schwanz. Vor dieser trostlosen Kulisse kommen sich Jamey und Elise näher. Jamey handelt aus einer Mischung von Perspektivlosigkeit und Rebellion heraus, während Elise weiß, dass er nicht in ihrer Liga spielt und sich trotzdem wünscht, dass da mehr ist. Deswegen und vielleicht auch, weil das ihre Vorstellung einer Liebschaft ist, erniedrigt sie sich beim Sex, den die beiden ständig haben und der vor allem zu Beginn auch immer wieder geschildert wird. Mir persönlich waren das zu viele zu vulgäre Szenen, ohne dass die Handlung vorankam.

Die beiden sind nicht gut füreinander, das merkt der Leser und das spiegelt das Umfeld den beiden auch wieder. Doch während vor allem Jamey noch glaubt, dass er das Ganze jederzeit beenden kann ist klar, dass das nicht so einfach funktionieren wird. Dafür ist die emotionale Abhängigkeit zu schnell zu groß geworden. Und warum sollten die beiden auch nicht zusammen sein, wenn das ist, was sie wollen? Sie sperren sich gegen gut gemeinte und zunehmend energische Ratschläge, getrennte Wege zu gehen. Das wiederholt sich in ähnlicher Art und Weise mit zunehmend scharfen Konsequenzen. Zum Schluss hin gibt es eine besonders dramatische Entwicklung, auf die schon die Anfangsszene hindeutete. Auf mich machte das den Eindruck, als hätte die Autorin irgendwie noch etwas Spannung in die sonst dahinplätschernde Handlung bringen wollen.

Unterschicht trifft Oberschicht: In „Uns gehört die Nacht“ finden Elise und Jamey trotz gänzlich verschiedener Hintergründe zueinander und kommen nicht mehr voneinander los trotz aller Konsequenzen, die das hat. Eine Beziehung gegen alle Widerstände wird geschildert, für mich jedoch mit zu viel Sex und zu wenig Tempo.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Die Suche nach dem Töveree Fisk geht weiter

Wo die Dünen schimmern
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Jessieanna lebt in Kalifornien, wo sie als Künstlerin Windräder baut und in der Kosmetikfirma ihrer Familie arbeitet. Dort verfolgt sie ein ehrgeiziges Projekt: Sie will eine Lotion herstellen, welche ...

Jessieanna lebt in Kalifornien, wo sie als Künstlerin Windräder baut und in der Kosmetikfirma ihrer Familie arbeitet. Dort verfolgt sie ein ehrgeiziges Projekt: Sie will eine Lotion herstellen, welche die Seele berührt und neue Zuversicht gibt. Als ihre chronische Bronchitis, die Konsequenz einer besiegten Leukämie in ihrer Kindheit, wieder schlimmer wird, will ihr Vater Pinswin sie zu seiner Familie nach Amrum schicken. Dort soll sie sich auskurieren. Doch für Jessieanna hieße das, ihre Hochzeit mit Ryan zu verschieben. Höchst widerwillig stimmt sie schließlich zu ohne genaue Vorstellung davon, was sie auf der Nordseeinsel erwartet.

„Wo die Dünen schimmern“ ist der zweite Teil der Nordsee-Trilogie, der sich jedoch auch ohne Kenntnisse des Vorgängers lesen lässt. Ich habe „Wenn die Wellen leuchten“ im letzten Sommer gelesen, muss aber zugeben, dass ich diesem zweiten Teil kritisch gegenüber stand. Eine Windräder bauende und Seelenlotionen herstellende Protagonistin namens Jessieanna - ist das vielleicht zu schräg für meinen Geschmack? Gleichzeitig freute ich mich auf das Wiedersehen mit aus Band 1 bekannten Figuren, was mich zur Lektüre bewegen konnte.

Die Geschichte beginnt in Kalifornien, wo der Leser Jessieanna, die Tochter von Pinswin, kennenlernt. Ihr großes Hobby ist das Bauen von Windrädern getreu dem Motto „Solange du etwas bewegst, lebst du.“. Eine ihrer engsten Freundinnen ist Katriona: Diese hat sie im Krankenhaus kennengelernt, als sie in ihrer Kindheit gegen die Leukämie kämpfte. Katriona geht es nun, Jahre später, wieder schlechter, sie gilt als austherapiert. Vor allem für sie will Jessieanna eine ganz besondere Lotion herstellen, die ihr Zuversicht gibt. Trotz der schönen Idee mit den Windrädern liest sich der Anfang eher bedrückend, denn nicht nur Katriona geht es schlecht, auch Jessieanna kämpft mit ihrer chronischen Bronchitis.

Eher widerwillig macht sich Jessieanna schließlich doch auf den Weg nach Amrum und lässt ihren Freund Ryan, über den man leider nicht allzu viel erfährt, in Kalifornien zurück. Auf der Insel lernt sie bald Filine, Rhea, Elvar und Skem kennen, was für mich ein Wiedersehen mit liebgewonnen Charakteren aus dem ersten Band war. Während alle sie freundlich aufnehmen hat der letzte trotz seiner abweisenden Art Jessieannas Neugier geweckt. Welche Geheimnisse hütet er in Bezug auf den Töveree Fisk und seine besonderen Zitronen, deren Duft perfekt in ihre Lotion passen würde?

Die Geschichte springt zwischendurch immer wieder zu Pinswin. Der Leser erfährt, warum er Archäologe geworden und nach Amerika ausgewandert ist, was einige offenen Fragen aus dem ersten Teil beantwortet. In der Gegenwart findet er neue Hinweise auf den Töveree Fisk, sodass die Suche nach der Wahrheit über dieses legendäre Tier auf beiden Seiten des Atlantiks voranschreitet. Denn auch Jessieanna ist nicht untätig und bohrt beharrlich nach.

In den Romanen der Autorin gibt es immer ein mystisches Element. Rund um das Geheimnis des Töveree Fisk ist es diesmal recht stark ausgeprägt und spielt eine zentrale Rolle für die Geschichte, was mir nicht so zusagte. Darüber hinaus passierte für meinen Geschmack in diesem Buch zu wenig. An die wunderbare Ostsee-Trilogie kommt diese Reihe leider nicht heran. Insgesamt ist es eine Feelgood-Geschichte, die sich im Liegestuhl ganz gemütlich lesen lässt mit einigen spannenden Momenten, die rasch aufgelöst werden, und Geheimnissen, die es zu lüften gilt.

Veröffentlicht am 13.07.2018

Ausbrechen aus einem fremdbestimmten Leben

Launen der Zeit
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Willa Drake führt von außen betrachtet ein ganz durchschnittliches Leben. Der Leser begleitet sie durch die Jahrzehnte: Im Jahr 1967 ist sie elf und ihre Mutter hat das Haus und die Familie wieder einmal ...

Willa Drake führt von außen betrachtet ein ganz durchschnittliches Leben. Der Leser begleitet sie durch die Jahrzehnte: Im Jahr 1967 ist sie elf und ihre Mutter hat das Haus und die Familie wieder einmal wütend verlassen. 1977 stellt Willa ihren Eltern ihren Freund Derek vor. Auch wenn seine Eltern ihn nicht mögen und sie ihre eigenen Interessen zurückstellen muss, stimmt sie seinen Zukunftsplänen für sie beide zu. Sie nimmt die Rolle ein, die er für sie vorsieht, bis das Jahr 1997 alles verändert. Doch erst im Jahr 2017 trifft sie eine Entscheidung ganz allein deshalb, weil sie es für das richtige hält.

Das Cover zeigt zwei unbeschwert spielende Mädchen, im Hintergrund steht ein alter Wagen. Das könnten Willa und ihre Freundin Sonya in den 60ern sein. Sie wissen noch nicht, was das Leben für sie bereithalten wird. Doch Willas Leben ist schon jetzt nicht frei von Sorge. Ihre Mutter hat immer wieder Wutausbrüche, nach denen sie wütend wegfährt – diesmal sogar über Nacht. Ihr Vater, ihre Schwester und sie versuchen, sich trotzdem ganz normal zu verhalten, bis sie wieder da ist.

Nach kurzer Zeit macht die Geschichte einen ersten großen Zeitsprung. Er nimmt den Leser mit zu zwei wegweisenden Momenten in Willas Leben: Als sie beschließt, Derek zu heiraten, bevor sie mit dem College fertig ist und als er zwanzig Jahre später selbstverschuldet verunglückt. Dabei lernt man Willa als Charakter besser kennen. Sie bringt ihre eigene Meinung schwach hervor, fügt sich dann aber immer dem, was andere sagen und planen. Szene um Szene läuft nach diesem Schema ab. Sie wird regelrecht fremdgesteuert statt zu tun, was sie wirklich will. Für sie wichtige Menschen, die nicht gutheißen, auf wen sie hört, wenden sich von ihr ab. Doch auch hier wird sie nicht aktiv.

Insofern ist ihre persönliche Situation im Jahr 2017 wenig überraschend. Sie ist eine logische Fortsetzung ihres bisherigen Lebens. Ein Anruf setzt schließlich etwas bei ihr in Gang und sie trifft eine Entscheidung, die ihr Umfeld nicht nachvollziehen kann. Auch ich konnte es nicht so recht verstehen: Warum jetzt, warum für diese Person? Ist sie nach all den Jahren gelangweilt von ihrem Leben, in dem sie ihre Interessen immer denen anderer untergeordnet hat? Zum ersten Mal setzt sie ihren Willen durch und macht sich auf den Weg. Sie gerät in eine lebendige Familie und kauzige Nachbarschaft hinein und lernt neue Perspektiven kennen.

Obwohl hier auf rund 300 Seiten ein ganzes Leben mit vielen Zeitsprüngen erzählt wird, plätschert die Geschichte gefühlt vor sich hin. Willas Leben zieht an ihr vorbei, ohne dass sie selbst wirklich eingreift. Immer wieder ärgerte ich mich über Passivität und las Szene um Szene, die nach dem selben Muster abläuft. Selbst wirklich einschneidende Ereignisse können sie nicht wachrütteln.

Warum der Anruf im Jahr 2017 es schließlich kann, blieb für mich unerklärlich. Die zweite Hälfte des Buches beschreibt die Konsequenzen: Sie quartiert sich in einer fremden Stadt und in einer fremden Familie ein. Das Buch wurde hier deutlich lebhafter und positioniert sich irgendwo zwischen tragisch und komisch. Irgendwo ist das Stichwort – für mich wurde nicht klar, was die Geschichte nun wirklich will. Die Handlung konnte mich nicht richtig packen, die Charaktere blieben oberflächlich. Für mich hätte es mehr gebraucht: Mehr Drama, mehr Lebensfreude, mehr Konflikt, mehr Skurrilität – irgendetwas davon. So bleibt es für mich ein durchschnittlicher Roman über ein stilles Aufwachen und Ausbrechen aus einem fremdbestimmten Leben.