Der historische Roman von Thomas Buchner ist der zweite Band der Reihe rund um Bezirksinspektor Josef Steininger. Leider habe ich Band 1 "Der Fall Schinagl" nicht gelesen, was allerdings kein Problem darstellte. Wir befinden uns im Jahre 1939 in Linz. Österreich ist als Ostmark ein Teil des Deutschen Reiches geworden. Der Krimi spielt im Zeitrahmen des Anschlusses Österreichs und dem Überfall auf Polen.
Der Linzer Bezirksinspektor Josef Steinigener steht kurz vor seiner Pensionierung und möchte seine letzten Monate eher gemächtlich verbringen. Doch da wird in einem Mehrparteienhaus in Linz eine Frau ermordet aufgefunden. Wäre Ernestine Bremstaller nicht vorher in den Zeitungen mit Reichsmarschall Hermann Göring abgelichtet und als seine Tante erwähnt worden, hätte Steiniger in Ruhe den Mordfall bearbeiten können. Doch mit dem Gerücht, dass die Tote eine große Erbschaft gemacht hat und angeblich mit Göring verwandt sein soll, mischt auch bald die Gestapo mit und macht Steininger Feuer unter dem Hintern...
Das Ermittlerteam rund um den behäbigen Bezirksinspektor setzt sich aus dem schwerhörigen Kollegen Heumader, sowie Adolf Ertl, der früher Untermieter bei Ernestine Bremstaller war, jedoch aus den Ermittlungen ausgeschlossen wird, zusammen. An seiner Stelle kommt aus Wien Krininalassistentin Anna Rabitsch. Eine Frau als Kriminalbeamtin war zu dieser Zeit eine Seltenheit. Sie wird auch alles andere als freundlich aufgenommen und muss sich mit den typischen Bemerkungen und Männerwitzen abfinden.
Während Steininger unter Druck der Gestapo bald einen regimekritischen Gegner als Täter gefunden hat, ist Anna Rabitsch nicht wirklich vom angeblichen Mörder überzeugt. Sie geht die Befragungen der Hausbewohner nochmals analytisch durch und kommt dem wahren Täter auf die Spur....
Wir haben hier einen klassischen Plot, der ein bisschen an Agathe Christie erinnert. Viele Verdächtige in einem Wohnhaus, wo einer davon der Mörder sein muss. Man rätselt mit dem kopflosen Ermittlerteam herum und stellt sich vorallem die Frage: Welches Motiv gab es für den Mord? Habgier? Oder ist es ein politisches Motiv? Vergeblich hoffte ich, dass Steininger endlich zu ermitteln beginnt, aber ihn interessieren seine Wiener Schnitzeln weitaus mehr und sein Exkollege Sedlak, der zur Gestapo gegangen ist, gibt ihn sowieso die Richtung für den Tatverdächtigen vor...
Die vielen Figuren, die von Kapitel zu Kapitel wechseln, machten mir den Einstieg etwas schwer. Kaum hat man sich mit einer Person bekannt gemacht, wechseln wir zur nächsten. So fällt die Identifikation nicht einfach. Das wird zwar mit der Zeit besser, aber hat zu Beginn etwas mein Lesevergnügen getrübt.
Im Mittelpunkt stehen nicht nur die zahlreichen Personen, die allesamt nicht wirklich sympathisch sind, sondern die politische Atmosphäre zu dieser Zeit. Propaganda zur Aufschürung des Hasses gegen die Polen und die Juden oder die Wichtigkeit des Ariernachweises, sowie dem Aufstieg zwielichtiger Gestalten, die bei der Gestapo Karriere machen.
Steininger ist ein unsympathischer Ermittler, der es mir auch nicht immer leicht gemacht hat. Die Charaktere der Figuren sind lebendig beschrieben und wurden sehr unterschiedlich dargestellt. Jeder der Protagonisten hat Ecken und Kanten und handelt nicht immer gesetzeskonform. Sie sind Alltagsmenschen, wie du und ich.
Schreibstil:
Thomas Buchner punktet bei seinem historischen Krimi durch perfekte Recherche und stimmigen Lokalkolorit. Die politische Atmosphäre wurde perfekt umgesetzt. Als Historiker weiß der Autor, wovon er schreibt. Witzige Dialoge lockern die etwas düstere Stimmung etwas auf. Die lebendige Sprache und viele Dialoge, sowie die eingestreuten Passagen im Dialekt, gebenn dem historischen Krimiden notwendigen Kick.
Am Ende des Buches gibt es noch ein Glossar mit Übersetzungen der Dialektwörter für alle Nicht-Östereicher.
Fazit:
Ein historischer Krimi mit klassischem Plot, der vorallem durch seine politische Atmosphäre glänzt und der hervorragend recherchiert wurde. An Spannung fehlte es leider manchmal etwas, wobei das Ende jedoch gelungen und logisch ist.