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Veröffentlicht am 15.07.2018

Bizarres kleines Buch

Töte mich
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Was für eine bizarre Geschichte… Eine Wahrsagerin prophezeit Graf Henri Neville ungefragt, dass er bei seinem demnächst stattfindenden Fest einen seiner Gäste töten wird. Seine depressive 17-jährige Tochter ...

Was für eine bizarre Geschichte… Eine Wahrsagerin prophezeit Graf Henri Neville ungefragt, dass er bei seinem demnächst stattfindenden Fest einen seiner Gäste töten wird. Seine depressive 17-jährige Tochter Sérieuse hört davon. Sie möchte sterben und sagt ihrem Vater: „Töte mich“. Die Protagonisten gehören einer adligen Familie an, weshalb die absurde Handlung vor einer skurrilen Kulisse spielt. Die Autorin Amélie Nothomb spiegelt die dekadente Lebensweise gekonnt in ihrem Schreibstil wider. Vor allem Henri klingt oft besonders affektiert.

Die Charaktere sind mir durch die Bank weg unsympathisch. Henri scheint sich mehr über die Prophezeiung zu grämen statt über den schockierenden Vorschlag seiner Tochter. Seine deutlich jüngere Frau ist umwerfend schön, aber langweilt sich schnell und wirkt dabei sehr herablassend. Die anderen zwei Kinder sind auch keine Sympathieträger. Dazu kommt: Familie Neville nimmt das Sprichwort „Adel verpflichtet“ deutlich zu ernst und lässt selbst die eigenen Kinder hungern, um Geld zu sparen. Dieses Geld wird wiederum dafür aufgewendet, nach außen hin den hohen Lebensstandard aufrechterhalten und die adligen Verpflichtungen erfüllen zu können. Mehr Schein als Sein. Dazu zählt vor allem der monatliche Empfang auf dem Familienschloss, die sogenannte Garden Party. In der aktuellen Generation steht die Familie nun vor dem Ruin – sie ist bankrott und muss ihr Schloss demnächst verkaufen. Eine letzte Garden Party ist geplant, bei der eben dieser ominöse Mord stattfinden soll.

Trotz der dekadenten, unsympathischen Charaktere und der abstrusen Handlung fesselt das Buch. Ich habe es in einem Zug durchgelesen (was bei mageren 111 Seiten allerdings nicht schwer war) und das absurde Geschehen hat mich auf schockierende Weise unterhalten.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Putziger Feel-Good-Roman

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
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„Herrn Haiduks Laden der Wünsche“ von Florian Beckerhoff ist ein charmanter Roman mit teils skurrilen Charakteren, der gut unterhält und sich flüssig lesen lässt.

Die tatsächliche Geschichte ist in eine ...

„Herrn Haiduks Laden der Wünsche“ von Florian Beckerhoff ist ein charmanter Roman mit teils skurrilen Charakteren, der gut unterhält und sich flüssig lesen lässt.

Die tatsächliche Geschichte ist in eine Rahmenhandlung verpackt: Herr Haiduks ehemaliger Stammkunde Paul kehrt nach langer Abwesenheit in den Laden. Er hatte früher einen Roman veröffentlicht – mit überschaubarem Erfolg – und die Schreiberei danach aufgegeben. Herr Haiduk sieht in ihm jedoch weiterhin den Schriftsteller und erzählt ihm nun die Geschichte über das gefundene Lotto-Los und die Suche nach dem Besitzer.

So ziemlich jeder Charakter hat in diesem Buch seine bizarren bis lustigen Eigenheiten, wodurch sich die Handlung zu einer kleinen Parade skurriler Begegnungen entwickelt. Natürlich behaupten viele Menschen, dass ihnen das Lotto-Ticket gehört, so dass nicht nur angenehme Momente entstehen.

Die Geschichte ist wirklich unterhaltsam, nur halt nicht besonders tiefschürfend. Wir lernen kaum einen Charakter wirklich gut kennen: Der Leser erfährt ein bis zwei auffällige körperliche Merkmale sowie zwei bis drei ungewöhnliche persönliche Eigenschaften, so dass die jeweilige Person leicht wiederzuerkennen ist. So entstehen interessante Charaktere mit individuellen Eigenheiten, von denen ich zum Teil gerne mehr erfahren hätte. Die Geschichte ist sehr kurzweilig geschrieben und hat bei mir eine positive Stimmung ausgelöst. Immerhin sind die Protagonisten nicht an der eigenen Bereicherung interessiert, sondern wollen das Richtige tun (auch wenn jeder eine andere Definition davon hat, was richtig ist). Da das Buch dabei meist an der Oberfläche verharrt, hat mich die Wendung/Auflösung am Ende jedoch nicht so richtig überrascht oder bewegt. Herr Haiduk bietet gute Unterhaltung, nicht mehr, nicht weniger.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Feinfühliger Roman über eine Jugendliche mit Angststörungen

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken
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Wie fühlt es sich an, seine Gedanken und Ängste nicht unter Kontrolle zu haben? John Green gelingt mit „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ ein sensibles Portrait eines Teenagers mit Zwangsstörungen. Azas ...

Wie fühlt es sich an, seine Gedanken und Ängste nicht unter Kontrolle zu haben? John Green gelingt mit „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ ein sensibles Portrait eines Teenagers mit Zwangsstörungen. Azas Gedankenspiralen lassen sich sehr gut nachvollziehen.

Das im Klappentext angeteaserte Verschwinden eines Milliardärs stellt allerdings nur die Rahmenhandlung dar und spielt eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht Aza, die durch ihre Angststörungen kein normales Leben führen kann. Doch nicht nur ihre eigenen Erfahrungen prägen das Buch, sondern auch die Auswirkungen der psychischen Krankheit auf Azas Umfeld – auf ihre Mutter, ihre beste Freundin und ihr Freund. Da die Angehörigen Betroffener oft in den Hintergrund rücken und deren Schwierigkeiten meist eine untergeordnete Rolle spielen, haben mir die unterschiedlichen Perspektiven auf Azas Problem gut gefallen.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Überraschender Thriller mit kleinen Schwächen

Zu nah
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Nichts ist wie es scheint: Sowohl die Opfer als auch die Verdächtigen in einem Serienmordfall in Dublin verbergen dunkle Geheimnisse. Deswegen erwarten Detective Frankie Sheehan immer wieder Rückschläge, ...

Nichts ist wie es scheint: Sowohl die Opfer als auch die Verdächtigen in einem Serienmordfall in Dublin verbergen dunkle Geheimnisse. Deswegen erwarten Detective Frankie Sheehan immer wieder Rückschläge, Verwirrungen und Überraschungen bei ihren Ermittlungen. „Zu nah“ ist ein wirklich guter, wenn auch kein außergewöhnlich guter Thriller. Die spannende Handlung bietet einige unerwartete Wendungen (inklusive einer ziemlich abrupten Auflösung) und teils komplexe Charaktere. Vor allem Frankie ist tough und kompetent, aber aufgrund einer schrecklichen Erfahrung in ihrer Karriere gleichzeitig traumatisiert. Mir hat die dichte Erzählweise gefallen, jedoch hätte ich mir teilweise ein höheres Erzähltempo gewünscht. Manchmal verliert sich die Handlung in bürokratischen Details. Die Polizisten diskutieren beispielsweise ständig die Finanzierung ihrer Arbeit, aber am Ende führen sie alle benötigten Tests und Aufgaben trotz des Jammerns um das knappe Budget trotzdem durch. Das fand ich etwas irritierend. Abgesehen davon fesselt das Buch meistens und ließ sich leicht lesen.

Veröffentlicht am 15.07.2018

Fesselnd und frustrierend

Das Meer löscht alle Spuren
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„Das Meer löscht alle Spuren“ hat mich gefesselt und frustriert. Einerseits erzählt Lone Theils eine hochaktuelle Geschichte auf spannende Weise und in einem flüssig zu lesenden Stil. Andererseits hat ...

„Das Meer löscht alle Spuren“ hat mich gefesselt und frustriert. Einerseits erzählt Lone Theils eine hochaktuelle Geschichte auf spannende Weise und in einem flüssig zu lesenden Stil. Andererseits hat der Krimi für meinen Geschmack einige strukturelle Schwächen.

Die Rahmenhandlung bildet die herzerwärmende, aber tragische Liebesgeschichte des iranischen Dichters Manash und seiner Frau Amina. Sie müssen aus ihrer Heimat fliehen, werden aber unterwegs ungewollt getrennt. Amina verschwindet spurlos. Manash landet in einem Flüchtlingsheim in Dänemark. Dort fleht er die Journalistin Nora Sand an, Amina zu finden und verspricht ihr im Gegenzug ein Exklusiv-Interview. Nora nimmt sich der Aufgabe an und stößt auf erschreckende Vorgänge, in die skrupellose Großunternehmen verwickelt sind.

Das Thema Flucht greift die Autorin auf sensible Weise auf. Sie verdeutlicht, wie unterschiedlich Menschen nur aufgrund ihrer Herkunft behandelt werden und welche Abgründe es zwischen Menschlichkeit und Profitgier gibt. Letztendlich beschäftigt sich nur ein kleiner Teil der komplexen Handlung mit Geflüchteten. Für meinen Geschmack hätte der Kriminalroman ruhig noch politischer ausfallen können, aber als Unterhaltungsbuch eignet er sich in seiner jetzigen Form sehr gut.

Etwas ratlos hat mich das Ende zurückgelassen. Auf der persönlichen Ebene der Charaktere fällt der Schluss sehr emotional aus (Nein, ich habe nicht geweint, ein Allergieanfall hat meine Augen zum Tränen gebracht.). Aber die (…ähm, spoilerfreie Formulierung…) strafrechtlich relevanten Geschehnisse enden viel zu abrupt. Natürlich bin ich froh, dass es kein Klischee-Ende gibt – nach dem Motto die Guten gewinnen und die Bösen verlieren. Aber irgendwie scheinen die Vergehen der Unternehmen und die Grenzüberschreitungen der Geheimdienste so gar keine Konsequenzen zu haben. Die Geschichte endet einfach, ohne dass die Autorin diese Konflikte wirklich auflöst. Dabei hätten sie so viel erzählerisches Potential gehabt.

Streckenweise wirkt die Handlung zudem etwas konstruiert. Neben ihrer Suche nach Amina erhält Nora weiterhin reguläre Aufträge zu Artikeln, die sie für ihre dänische Zeitung schreiben soll. Auf den ersten Blick haben die Themen überhaupt nichts mit ihrer Suche zu tun, aber gerade dann, wenn Nora nicht weiterweiß, werden ihre Recherchen für die anderen Artikel plötzlich relevant. Was mit Amina geschehen ist, wird dann gegen Ende ziemlich offensichtlich, auch wenn Nora die Zusammenhänge noch gar nicht erkannt hat.

All diese Kritikpunkte stören mich aber auch nur so sehr, weil der Kriminalroman ansonsten wirklich sehr gut war. Aktuelle Themen mit hohem Spannungspotential, Ermittlungen mal nicht aus Sicht der Polizei, eine verwickelte Handlung und interessante Charaktere: „Das Meer löscht alle Spuren“ lohnt sich.