Es tut mir leid, aber NEIN.
Tell me three thingsViele Menschen setzten sich dafür ein, diese Welt zum Besseren zu ändern. Sie kämpfen für die Gleichberechtigung, für sexuelle Akzeptanz, gegen Rassismus und Stereotype und für die Rettung der Erde auf ...
Viele Menschen setzten sich dafür ein, diese Welt zum Besseren zu ändern. Sie kämpfen für die Gleichberechtigung, für sexuelle Akzeptanz, gegen Rassismus und Stereotype und für die Rettung der Erde auf der wir leben. Wer sich mit einem Punkt des oben genannten identifiziert, möchte ich von dem Buch „Tell me three things“ von Julie Buxbaum abraten.
Doch bevor ich darauf eingehe, warum man einen derartigen Wirbel, um ein unschuldig anmutendes Jugendbuch machen muss, möchte ich zunächst ein paar Worte über den Inhalt verlieren.
Die Protagonistin Jessie zieht nach dem Tod ihrer Mutter zusammen mit ihrem Vater, zu dessen neuer Frau – weg aus Chicago nach LA. In der neuen Schule findet sie sich nur schwerlich zurecht, sodass sie das ungewöhnliche Angebot eines Fremden annimmt, der sie via Mail durch das Mienenfeld ihrer Schule leiten will.
Zugegeben liegt hier viel Potential: psychologische Abhängigkeit, unerklärliche Zusammenhänge oder die Frage, was passiert, wenn der Mensch, den du so sehr zu kennen glaubst, ganz anders ist als erwartet. Das alles hätte hier behandelt werden können – und bei „hätte“ ist es geblieben. Schließlich musste ich feststellen, dass es eine nicht besonders originelle Liebesgeschichte war, die eine Art heterosexuelle „Simon vs. The homo sapiens agenda“- Geschichte ohne die liebenswerten Charaktere ist. Dabei hat der Erzählstrang keinen Spannungsbogen. Willkürliche Ereignisse reihen sich aneinander, ohne dass etwas emotional oder charakterlich nachvollziehbar wäre und pseudo-tiefgründige Gespräche entspringen aus dem Nichts und kehren genau dahin zurück.
„...und fühle mich sofort wie eine peinliche Feministin“ eines der wenigen Zitate die ich unterstützen kann.
Die Protagonistin Jessie ist perfekt konstruiert um Missgunst zu kanalisieren. Von den Nebencharakteren, die auf ihrer Seite stehen, wird zunehmend suggeriert, dass sie ein wundervoller Mensch ist, leider sprechen ihre Gedanken gegen sie. Die Autorin hat hier das Ziel verfehlt, die Protagonistin zu portraitieren. So wird sie als, nicht an Designern und Luxus interessiert beschrieben, verbringt aber ihren halben Tag damit, den Luxus anderer Menschen zu beschreiben und abschätzig zu bewerten, was ein Paradoxon bildet, welches die Glaubhaftigkeit des Charakters untergraben hat. Für diesen Zweck wäre das Schreiben in der dritten Person besser geeignet gewesen, um aufzuzeigen, dass die Protagonistin zwar von Reichtum umgeben ist, ihn aber für so unwichtig erachtet, dass sie ihn nicht einmal vollends wahrnimmt
„Bestimmte Tatsachen neigen dazu, alles andere unwichtig werden zu lassen“
Was für mich das ganze Werk überschattet hat, war die, von Stereotypen geprägte, Darstellung. Zitate wie „hier sind alle blond und schlank“ (auf L.A. bezogen) sind einfach nicht tragbar. Rund 40% der Bevölkerung von LA County sind hespanische Amerikaner, nur ca. 20% der Bevölkerung sind weiß. Das Buch stellt diese Vielfallt in keinster Weise dar. (Nebenbei bemerkt sind 45% der Bevölkerung in Chicago weiß.) Ein spanisch/portugiesisch stämmiger Nachname wird einmal fallen gelassen (wobei auch hier nur der Name auf eine andere ethnische Abstammung hinweist), ansonsten liest man ausschließlich, über reiche Weiße, die einzelne arme Weiße und die ganzen Dinge, die reiche Weiße eben machen.
Ebenso äußert die Protagonistin aus der Feder von Julie Buxbaum massiv sexistische und oberflächliche Äußerungen. Auch hier lege nicht das Problem, wenn diese Darstellung an irgendeiner Stelle reflektiert werden würde. Doch dies passiert nicht. Die Menschen die sie mag und welche sich als freundlich entpuppen, stechen auch alle optisch heraus und heben sich von den „hübschen, schlanken und blonden“ Menschen ab.
Auch diverse Klischees über Bioessen und die wohlhabende Bildungsschicht, sowie den Schönheitswahn wurden so präsentiert, dass der Leser sich in Vorurteilen einkugeln konnte. An keinem Punkt, wurde man aus seiner Komfortzone gedrängt. Stattdessen durfte man sich einreden, dass hübsche, reiche Menschen wenigstens oft einen schlechten Charakter haben.
Und hier liegt mein Hauptproblem: Dieses Buch kennt seine Zielgruppe und zielt gekonnt auf die Vorstellung von gesellschaftlich „typischen“ Schwachstellen ab, die vor allem mit jungen Frauen in Verbindung gebracht werden. Dabei zeigt einem das Buch, dass Bestätigung von außen der Schlüssel zur Selbstakzeptanz ist. Es immer nur zwei Gruppen von Menschen gib. Narzisstisches verhalten berechtigt wäre. Männer werden als triebgesteurt und brustfixiert dargestellt. Hübsche Frauen sind gemein. Stereotype über Stereotype. Ich verstehe, dass Jessie in ihrer Position als Mobbingopfer viel Möglichkeit zur Identifikation bietet, für alle die, die selbst schon einmal die Erfahrung gemacht haben. Es ist so viel einfacher Groll zu hegen und das symbolische Bild, von allen die einem jemals verletzt und erniedrigt haben, durch den Schlamm zu ziehen. Aber lasst es euch von jemanden sagen, der ähnliches über Jahre erlebt hat: Hass und Vorurteile sind nicht der Weg. Hunde beißen öfters aus Angst, als aus reiner Aggressivität. Und auch wenn es das Verhalten gegenüber den Opfer in keinster Weise rechtfertigt, hilft ein derartiges Buch niemanden die Vergangenheit loszulassen – stattdessen schafft es tiefe Gräben, die Menschen voneinander entfernen.
Vielleicht noch ein positiver Punkt: Die Vielfallt, die das Buch bietet ist ein einzelner homosexueller Charakter, welcher dann aber wieder ein „schriller Vogel“ ist. Aber immerhin etwas.
Ganz anders: Die Aufforderung von Müttern gegenüber ihrer Töchter, ein paar Kilo abzunehmen, damit sie besser aussehen, stößt hier nicht auf brüskierte Zuschauer, sondern besagte Mutter, wird noch für ihre Ehrlichkeit gelobt.
Was den Schreibstil angeht bin ich gespalten.
Er war an manchen Stellen humorvoll. Die Autorin spielt gerne mit Sprache, nutz gerne kurze Sätze, bis hin zu Einwortsätzen um ihren Aussagen Nachdruck zu verleihen. Dabei finde ich allerdings Beschreibungen wie „regenbogenenfarbener Regenbogen“ leider nicht mehr witzig, sonder flach.
Als angenehm habe ich den Austausch zwischen Jessie und ihren unbekannten Helfer empfunden, wobei besonders die Betreffzeile und das Spätere "drei Dinge" Spiel, doch für einen gewissen Humor und eine Herzlichkeit sprechen, die leider nur punktuell zu finden war.
Fazit: Unter den Deckmantel der romantischen Geschichte einer jungen Frau, wurden uns veraltete und einseitige Einblicke in das Leben einer narzisstischen Egomanin gewehrt, die niemand sich zumuten sollte. Das Buch ist nicht spannend, das Ende vorhersehbar, die Charaktere nicht durchdacht und die Mühe, nach einer Szene zu suchen, die den Bechdel-Test besteht, braucht man sich nicht machen. So leid es mir tut, ich kann dieses Buch nicht empfehlen.