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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.03.2019

unterhaltsam, spannend und interessant

Die Geschichte von Adam und Eva
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Greenblatt beginnt mit einer persönlichen Anekdote, die im ersten Moment schmunzeln lässt, im nächsten aber schon so viel Aussagekraft hat. Als Kind wurde im gesagt, er dürfe in der Synagoge den Blick ...

Greenblatt beginnt mit einer persönlichen Anekdote, die im ersten Moment schmunzeln lässt, im nächsten aber schon so viel Aussagekraft hat. Als Kind wurde im gesagt, er dürfe in der Synagoge den Blick nicht heben. Die kindliche Überzeugung vom Glauben kämpfte gegen die Neugierde. Die Enttäuschung, als er aufblickte und nichts geschah, setzte sich fest. Die Desillusionierung, der leise erste Zweifel, der die Welt in einem anderen Blick erstrahlen ließ. Er wird zur Chiffre des Sündenfalls selbst, zur Metapher der Erkenntnis.
Anschaulich und detailliert wiegt Greenblatt die biblische Erzählung auf gegen Schöpfungsmyhten, die älter sind. Explizit geht es dabei um den Gilgamesch-Epos, in deren Schatten die persönliche Erfahrung der Juden steht, die von den Babyloniern gefangen und verschleppt wurden. Die historischen Gegebenheiten werden zum psychologischen Ausgangspunkt und die Geschichte des Garten Edens zum Gegenentwurf des Epos. Greenblatt gestaltet diese historisch-literarische Analyse so spannend und gleichzeitig einleuchtend, dass es großen Spaß macht, das Buch zu lesen, zu überlegen, zu rätseln und zu erkennen.
Ein Kapitel bildet dabei die jahrhundertelange Unterdrückung der Frau mit der Begründung, sie sei in der Schöpfung angelegt und die Frau ohnehin zur Strafe verurteilt. Doch gleichzeitig schwingt die Betrachtung der Frau und ihre Benachteiligung in vielen der Episoden mit. Sie wiegt schwerer, je eher die Gesellschaft die biblische Geschichte für bare Münze nimmt. Leider bleibt sie auch danach in vielen Köpfen bestehen. Gerade hier hätte ich mir gewünscht, etwas über den Tellerrand zu blicken und den Lilith-Mythos zumindest zu erwähnen.

Veröffentlicht am 17.01.2019

Wohlfühlbuch

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
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Juli lebt allein in der Wohnung, die sie nach dem Tod der Großmutter und Mutter geerbt hat. Geerbt hat sie auch den Blumenladen darunter, der verpachtet wurde. Als der Blumenhändler erkrankt, springt Juli ...

Juli lebt allein in der Wohnung, die sie nach dem Tod der Großmutter und Mutter geerbt hat. Geerbt hat sie auch den Blumenladen darunter, der verpachtet wurde. Als der Blumenhändler erkrankt, springt Juli ein und verteilt Weihnachtssterne. Dabei trifft sie auf verlorene Gestalten, die alle eines gemeinsam haben: Ein Ereignis in der Vergangenheit hat ihr Leben nachhaltig bestimmt.
Sich in die Protagonistin einzufinden ist gleichermaßen leicht wie schwer. Juli ist weltfremd. Sie lebte jahrelang im Schatten von Großmutter und Mutter und scheint noch jetzt ihren Gesetzen zu folgen. Eigene Entscheidungen trifft sie kaum, sie hat keine Freunde und ihr einziger Trost ist der alte Duft von Weihnachtsgebäck. Blumen machen Leute glücklich, so einfach ist Julis Welt.
Sie findet zielsicher die Leerstellen in den Leben derer, die sie beliefert.Während ihr einsames Leben durch die neue Freundschaft zu den Pächtern des Blumenlebens endet, zieht sie Fäden, immer auf der Suche, das Leben anderer besser zu machen. Dabei trifft sie auch auf einen Mann, der ihr eigenes Leben besser macht.
Der Stein, der ihnen dabei im Weg liegt, ist ein alter. Er entwickelt sich aus der Leerstelle des fehlenden Vaters in Julis eigenem Leben und droht, alles zu verschlucken. Die Schatten der Vergangenheit, die jedes der Schicksale, denen Juli begegnet gefangen halten, greift auch nach ihr.
Alle Figuren, denen Juli begegnet, haben ihr Leben vom Schweigen bestimmen lassen und es wurde immer größer. Juli kommt hinter dieses Schweigen und löst den Komplex auf. Dass gerade in ihrem eigenen Fall das nicht genügt passt nicht zur Systematik des Romans. Dass realistisch gesehen, das einmalige Reden nicht genug ist, mag dazu kommen. Gerade am Ende strauchelt der Roman in meinen Augen.
Ein unterhaltsames, kurzweiliges Buch, das durch eine angenehm positiv gestimmte Protagonistin auffällt. Die Geheimisse der einzelnen Figuren sind tief und dramatisch, bekommen aber eine gute Prise Hoffnung durch Julis Eingreifen. Ein Buch für Regentage und wenn ein kleiner Lichtblick nötig ist.

Veröffentlicht am 16.07.2018

lesenswert, mit Vorbehalt

Die Gabe
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Eingebettet in den Rahmen eines Briefwechsels zwischen einer Autorin und ihrem Mentee soll der Roman den ersten Entwurf des jungen Autors darstellen. Schon hier zeigt sich eine für den modernen Leser auffällige ...

Eingebettet in den Rahmen eines Briefwechsels zwischen einer Autorin und ihrem Mentee soll der Roman den ersten Entwurf des jungen Autors darstellen. Schon hier zeigt sich eine für den modernen Leser auffällige Verdrehung unserer Realität. In den Briefen wird klar, dass die Welt der fiktiven Autoren unsere Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit verdreht entwickelt hat. Frauen sind stark, hart, dominierend, Männer weich, zurückhaltend, unterdrückt. So interessant das Gedankenspiel auch ist, fand ich schon hier beklemmend, dass diese Methode die Unterschiede, die unsere Welt zwischen den Geschlechtern annimmt, tatsächlich verstärkt. Die „Verdrehung“ lässt uns sofort aufhorchen, die binären Zuschreibungen ploppen geradezu auf und ordnen die Verhältnisse in zwei Lager.
Die Handlung des Romans berichtet von verschiedenen Frauenfiguren, die allesamt ihre persönlichen Erfahrungen durch männliche Unterdrückung gemacht haben. Vergewaltigungen, körperliche Gewalt, politische Macht – geradezu stereotypisch wird die Frau dabei zum Opfer klassifiziert, der Mann zum Bösen. Der einzige männliche Part auf Protagonistenseite ist der „rasende Reporter“, der selbstgemachte Investigativjournalist, der in der plötzlichen „übernatürlichen“ Fähigkeit der Frauen sofort seine Chance sieht. Diese Fähigkeit besteht darin, elektrische Impulse auszusenden. Von kleinen Funken bis hin zu tödlichen Stromstößen, von manipulierenden Effekten bis zur regelrechten Folter. Eine biologische Erklärung wird nachgeliefert.
Was anfänglich vor allem dazu genutzt wird, der Unterdrückung und Gewalt von Männern zu entkommen, gerät natürlich außer Kontrolle. Statt einem Umdenken erfolgt, was in den Briefen eigentlich schon angedeutet war, der Umwurf. A ist nun B, Frauen übernehmen die politische Macht, die militärische, sogar die sexuelle. Bedenken wir, dass damit gleichzeitig impliziert wird, dass eben diese Macht eigentlich eine „männliche“ ist, wird auch klar, wo mein Problem mit dem Buch liegt. Statt Balance wechseln von Beginn an Extreme und die Darstellung selbst verleiht Frauen in der Realität per se die Rolle von unterdrückten, misshandelten Opfern.
Dabei zeigt der Roman nichts weiter als den großen Topos „Mit großer Macht kommt große Verantwortung“ (ja, das sagte ein Mann, der Onkel von Peter Parker, aber genau darum geht es hier eben). Die Versuche, mit der neuen „Gewalt“ umzugehen und daraus Resultate zu erzeugen passen in die weltlichen Regeln, die wir kennen. Doch auch das Entstehen von neuen Religionen passt nach meinem Verständnis zum Umgang der Menschen mit Unbekannten. Im Fokus stehen dabei tiefe Psychologisierungen von Figuren. Das erzeugt nicht nur Nähe, sondern auch immer wieder viel Spannung. Der Handlungsverlauf spitzt sich immer wieder zu bis zu einem wahren Crescendo, das gleichzeitig viel verhüllt und doch so viel aussagt.

Veröffentlicht am 21.03.2018

Rigoros wie einfühlsam

Trennt Euch!
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Dabei ist er so rigoros wie einfühlsam. Ehe er überhaupt dazu kommt, die Beziehungshürden zu entlarven, appelliert er an die Selbstachtung seiner Leserschaft. Warum eine Trennung jetzt besser ist, als ...

Dabei ist er so rigoros wie einfühlsam. Ehe er überhaupt dazu kommt, die Beziehungshürden zu entlarven, appelliert er an die Selbstachtung seiner Leserschaft. Warum eine Trennung jetzt besser ist, als später, welche Vorteile es haben kann, den schmerzhaften Schluss auszulösen und welche Stärke darin liegt.
Der häufigste Grund – aus meiner Sicht – sich gegen die Trennung zu entscheiden ist schlicht die Trägheit und der Wunsch, nicht als der oder die Böse dazustehen. Auch hier macht das Buch Mut, denn mit der Trennung hilft man am Ende auch dem anderen. Wenn die Erkenntnis, dass eine Beziehung ihrem Ende entgegensteuert, da ist, wird die Entscheidung zur Trennung für bei auf lange Sicht besser, als das Miteinander möglichst lange auszuhalten.
Grundehrlich und vernünftig argumentiert der Autor dabei, statt emotional zu werden oder nur schwarz zu sehen. Weil auch eine Trennung aus eigenem Antrieb schmerzhaft ist, ist Trennt euch auch ein Buch für Getrennte. Es hilft, Liebeskummer aufzuarbeiten und das Selbstbewusstsein zu stärken. Dadurch, und da das Buch auch erklärt, welche Punkte für eine auf Dauer funktionierende Beziehung wichtig sind, hilft es meiner Meinung nach auch Menschen, die wieder bereit für eine neue Beziehung sind. Die rosarote Brille wird entfärbt. Davon profitieren auch die Beziehungen, die nach Thomas Meyer dauerhaft bestand haben können.

Veröffentlicht am 21.03.2018

So einfach kann es sein

Den Ball weiterspielen
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Tiffany Dufu berichtet von ihrem eigenen Leben, ihrer eigenen Ehe, ihrer eigenen Mutterschaft. Ein Erfahrungsbericht par excellence. Keine Geschichte. Wer einen ausgearbeiteten Plot braucht, wird vom Leben ...

Tiffany Dufu berichtet von ihrem eigenen Leben, ihrer eigenen Ehe, ihrer eigenen Mutterschaft. Ein Erfahrungsbericht par excellence. Keine Geschichte. Wer einen ausgearbeiteten Plot braucht, wird vom Leben immer enttäuscht sein. Und am Anfang ihres Berichts steht sie wirklich alleine da. Ihr Mann arbeitet Vollzeit und sie ist mit der Erwartung nach der Geburt ihres Kindes in die Arbeitswelt zurück, dass sie das auch könne, und Haushalt und Kind gleich mit schaukeln. Die dramatische Situation, die Mutter mit zu vollen Stillbrüsten weinend auf der Toilette zu finden, eröffnet das Buch. Der Anfang vom Ende sozusagen, der erschütternde Moment der Einsicht, dass ein Mensch allein nicht die ganze Last der Welt auf den Schultern tragen kann. Auch eine Frau nicht.
Die Leser begleiten Tiffany dabei, wie sie lernt, Aufgaben abzugeben. Das sonntägliche Kochen, verschiedene Planungen, das Sortieren und öffnen der Post. Und dabei zu bleiben. Auch wenn das heißt, dass nach vier Wochen ein Postberg den gesamten Esstisch einnimmt. Der erste und wichtigste Schritt dabei ist der, um Hilfe zu bitten. Und nicht nur um externe Hilfe, sondern auch um die Mitarbeit des Mannes in Haushalt und Kindererziehung. Und dabei deckt die Autorin das Paradox auf, dass viele Frauen sich die Mitarbeit des Partners wünschen – und auch wissen, dass sie sie brauche – sie aber gleichzeitig torpedieren, indem sie alle Aufgaben an sich reißen.
Tiffany muss sich diese Erkenntnis schmerzlich erarbeiten. Auffallend dabei ist: Ihr Mann ist sofort bereit, seinen Teil beizutragen und freut sich sogar, wenn er seine Frau entlasten kann. Indem sie lernt, ihm mehr zu vertrauen, wird sein Selbstbewusstsein in häuslichen Aufgaben gestärkt, die Beziehung der Beiden wird ausgeglichener. Dazu gehört auch, dass Tiffany erkennen muss, dass ihr Gatte keineswegs NICHTS im Haus erledigt hat. Ohne, dass sie es großartig registriert hat, kümmerte er sich beispielsweise um Reparaturen, die Ferienplanung und Darlehensangelegenheiten. Diesen Aspekt fand ich sehr wichtig, denn er zeigt, wie selbstverständlich Tiffany als Ehefrau diese Aufgaben ignoriert hat und damit auch seinen Anteil am gemeinsamen Leben reduziert. Ein gesunder Blick darauf, welche Aufgaben tatsächlich existieren, welche ohne Probleme zu streichen sind und welche wirklich neu justiert werden müssen, ist essentiell für beide Partner.
Für meinen Geschmack startete das Buch aus einem Extrem um den Versuch zu wagen, ins andere zu wandern. So ganz klappt es nicht. Auch wenn Tiffany Dufu ihren Werdegang zu einer Frau, die von Arbeit bis Haushalt mit ihrem Mann gleichberechtigt ist, erzählt, dreht es sich allzu oft um die Ausgangsannahme der Frau, alles alleine stemmen zu müssen. Auch wird die Mitarbeit des Mannes gerade am Anfang als „Hilfe“ beschrieben, dann erst kommt das Umdenken zur gleichmäßigen Verteilung der Aufgaben. In vielen kleinen Momenten wird klar, dass die Autorin immer noch den Perfektionismus sucht. Der ist auch mit Partner nicht zu erreichen, weil unterschiedliche Ansichten in den Details existieren. Das wird angedeutet, die mögliche Problematik dahinter aber runtergespielt. Im Ganzen erscheint mit Tiffany Dufus Bericht fast zu rund. Die richtig große Krise bleibt aus und darauf kann sich eben keine*r verlassen.