Ein außergewöhnlich ruhiger Thriller, der unter die Haut geht
Das beschauliche, fast schon langweilige Leben von Philosophie-Professor Evan Birch bekommt Risse, als er auf offener Straße vor den Augen seiner Zwillingssöhne Adam und Zed verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, ...
Das beschauliche, fast schon langweilige Leben von Philosophie-Professor Evan Birch bekommt Risse, als er auf offener Straße vor den Augen seiner Zwillingssöhne Adam und Zed verhaftet wird. Ihm wird vorgeworfen, die 16jährige Joyce Bonner entführt zu haben. Von dem Mädchen fehlt jede Spur und die Befragung von Evan durch Detective Malloy verläuft ergebnislos. Zunächst erfährt nur seine Frau von der Verdächtigung und sein Leben geht oberflächlich betrachtet genauso weiter wie zuvor. Doch ganz allmählich schleichen sich Zweifel in seine Glaubwürdigkeit ein, als sich herausstellt, dass Joyce Bonner in seinem Auto mitgefahren ist. Zudem steht sich Evan oft selbst im Weg, weil er sich sehr viele Gedanken macht, was er nun erzählen soll und was er besser für sich behält. So gerät er in das Räderwerk der Polizeiarbeit und sein Leben verändert sich zusehends.
Im Fokus dieses ungewöhnlich ruhigen Thrillers steht der vermeintliche Täter und die Ermittlungen rücken in den Hintergrund. Beim Leser werden Zweifel an der Glaubwürdigkeit Evans gesät. Er macht es einem auch nicht leicht, ihn für unschuldig zu halten. Zu oft grübelt er darüber nach, wie sich seine Aussagen gegenüber Detective Malloy auswirken könnten. „Doch Evan in seiner eigenartigen Lage hatte wenig Vertrauen in die Möglichkeit, dass die Wahrheit ihn retten könnte.“ Auch die Veränderungen in seinem privaten Umfeld und die Fragen, die er sich plötzlich selber stellt, erzeugen eine seltsame Stimmung. Es scheint so, als würde Evan nun mit Misstrauen auf seine Umwelt schauen und vieles in Zweifel ziehen. Es sind die kleinen Veränderungen, die die Aufmerksam des Lesers verlangen. So reden Evan und Ellen nicht wirklich über die Verdächtigungen und Evan wird plötzlich grob zu seiner Frau und genervt seinen Söhnen gegenüber. Es sind diese Details im Verhalten der einzelnen Personen in Evans Umfeld, die Evans bisheriges Leben in Frage stellen.
Die Philosophie im Allgemeinen spielt eine große Rolle in diesem besonderen Thriller. Das macht ihn interessant und nicht weniger spannend. Der ruhige und unaufgeregte Schreibstil tut sein Übriges, um eine unterschwellige Spannung zu erzeugen und der Leser kann sich nie sicher sein, ob Evan schuldig oder unschuldig ist. Die Andeutungen, Evans unterschwellige Aggression, Ellens Verhalten, das seltsame Benehmen der Zwillinge und die Überlegungen zum Faktor Zeit erzeugen eine sich aufbauende Spannung. Bei so einem Buch zeigt sich, wie gut ein Autor wirklich ist.
Am Ende bleiben viele Fragen offen und ich hatte das Gefühl, dass Evan vielleicht doch tiefer in die Geschichte involviert ist, als es den Anschein hat. Für mich ist es absolut stimmig und ich hätte es mir nicht anders gewünscht.
Mich hat das Buch jedenfalls begeistert, da es sich von den üblichen Thrillern abhebt, die ganz offensichtlich mit Tätern, Ermittlungen und Mordfällen umgehen. Die philosophischen Ansätze im Plot waren nicht so ausufernd, dass sie mich überfordert haben. Dafür habe ich mich mit dem einen oder anderen Thema nebenher näher befasst.