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Veröffentlicht am 22.07.2018

Spannung und Verwirrungen garantiert

Der Schatten
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Das Leben war nicht fair.

Die Journalistin Nora Richter, 31, ist nach ihrer zerbrochenen Beziehung gerade erst von Berlin nach Wien gezogen, als sie in der Fußgängerzone von einer Bettlerin angesprochen ...

Das Leben war nicht fair.

Die Journalistin Nora Richter, 31, ist nach ihrer zerbrochenen Beziehung gerade erst von Berlin nach Wien gezogen, als sie in der Fußgängerzone von einer Bettlerin angesprochen wird, die ihr prophezeit, dass sie am 11. Februar aus freien Stücken und mit gutem Grund einen Mord begehen wird, an Arthur Grimm. Sie kennt diesen Mann gar nicht. Das Datum allerdings ist ihr nur zu gut bekannt. Dieser Tag vor 18 Jahren ist der bisher schrecklichste, den sie bisher erlebt hat. Und plötzlich ist die Vergangenheit wieder zum Greifen nah.

Von Beginn an wird Norah in Wien heimgesucht – von Schritten hinter einer Mauer, sie fühlt sich verfolgt, sie meint Töne zu hören, sie findet eine Tarotkarte "Der Tod". Aus ihrer Wohnung verschwinden Gegenstände, es tauchen aber auch welche auf, die sie nicht zuordnen kann. Sie ist eine junge Frau, die ein Geheimnis mit sich herum zu schleppen scheint. Sie scheint innerlich zerrissen, meidet andere Menschen und wirkt oft sehr einsam. Das hat mich ca. bis zur Hälfte der Geschichte etwas davon abgehalten sie so richtig zu mögen. Aber dann hat sie mich mit ihrem Mut und ihrem Willen, die Wahrheit herauszufinden doch gepackt und ich stehe die restlichen Seiten voll hinter ihr.

Durch die kurzen Kapitel bin ich immer an Norahs Seite und bekomme hautnah mit, was gerade geschieht. Die Geschichte baut sich ganz langsam auf, anfangs passiert noch nicht sehr viel. Ich spüre aber schon hier, dass etwas Gewaltiges geschehen wird. Eine ganz leise Spannung macht sich breit und es ist schwer, sich der Lektüre zu entziehen. Diese Spannung schafft es, sich bis zum Ende der Geschichte ganz nach oben zu schrauben und so hoch zu bleiben. Dann eine Wendung, die doch wieder alles ganz anders aussehen lässt. Eine etwas verworrene Geschichte, die sich aber am Schluss vollkommen nachvollziehbar auflöst. Der Anstifter blieb für mich bis zum Ende im Dunkeln.

Melanie Rabe hat einen sehr interessanten Schreib- und Erzählstil. Sie schafft mit manchen Sätzen solch wortgewaltige Bilderspiele und Vergleiche, dass die Szenen sich wie verselbständigen und mich mitten in sich hineinziehen. Die ganze Geschichte ist wie ein Film in meinem Kopf an mir vorbei gezogen und hat mich nicht mehr losgelassen. Kurz und knapp, aber genau auf den Punkt und Cliffhangern nach fast jedem Kapitel – so macht Lesen richtig Spaß.

Ich mag unblutige Thriller mit einer aussergewöhnlichen Geschichte, Verwirrungen, Wendungen und Spannung, die ich meine greifen zu können. Hier habe ich einen solchen gefunden. Melanie Raabe hat es verstanden mich zu fesseln und sehr gut zu unterhalten.
Dieses bleibt nicht das letzte Buch der Autorin, das ich gelesen habe.

Veröffentlicht am 13.07.2018

Eine unerfüllte Liebe in Lappland

Helle Tage, helle Nächte
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Als Anna Albinger die Diagnose Krebs bekommt, will sie unbedingt noch ein paar Sachen regeln. Sie schreibt Briefe. Einen dieser Briefe soll ihre Nichte Frederike nach Lappland zu Petter Svakko bringen, ...

Als Anna Albinger die Diagnose Krebs bekommt, will sie unbedingt noch ein paar Sachen regeln. Sie schreibt Briefe. Einen dieser Briefe soll ihre Nichte Frederike nach Lappland zu Petter Svakko bringen, der andere ist für Frederike selbst. Wer dieser Petter ist, darüber schweigt sich Anna aus.
Mit ihrem roten VW-Bus macht sich Frederike auf den mehr als 3000 km langen Weg von Süddeutschland über Berlin, Rostock, Trelleborg, Stockholm, Uppsala, Härnosand nach Jokkmokk. Unterwegs wundert sie sich immer wieder, woher sie die schwedische Sprache so gut versteht?

Hiltrud Baier erzählt in ihrem Debütroman eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, besonders aber von zwei starken, sympathischen Frauen – Anna und Frederike. Es ist aber auch die Geschichte der von Annas Schwester Marie, ihrer schwedischen Mutter Ibba, die in dem kleinen Ort Beuren nie heimisch geworden ist, von Maries Tochter Frederike und deren Tochter Paula.

Abwechselnd lassen mich Anna und Frederike an ihrem derzeitigen Leben teilhaben. Jede für sich lässt ebenso in Gedanken ihr Leben an sich vorbei ziehen. Anna will endlich ihre Lebenslüge aufdecken mit der sie zwei Menschen ungemein weh getan zu haben glaubt. Petter braucht Zeit für sich um Annas Brief zu verdauen und Frederike ist einfach nur wütend und enttäuscht und braucht ebenfalls Zeit, die sie in der Einsamkei von Petters Hütte findet. Gerade Petters Reaktion und seine Kommentare zu diesem Brief haben mir sehr gut gefallen.

Durch die detailgenauen, sehr persönlichen und eindringlichen Beschreibungen von Anna und Frederike, kann ich mich sowohl in die eine, als auch in die andere sehr gut hineinversetzen. Dadurch kann ich die lauten, erbosten und wütenden Momente gut nachvollziehen und verstehen. Es gibt in diesem Buch aber auch viele stille, sehr einfühlsame und nachdenkliche Momente an denen ich teilhaben darf und die ich sehr genossen habe.

Die Geschichte bietet einige sehr schöne Gelegenheiten zum Nachdenken. Ich habe mit Frederike und Anna, die beide eine ganz andere Sicht auf verschiedene Dinge haben, gelitten und geschmunzelt. Ich habe mit Frederike die Schönheit eines kleinen Flecken Lapplans erkundet; habe mit Anna gegen ihre Krankheit gekämpft. Und ganz zum Schluss ist bei mir eine kleine Träne geflossen.

Hiltrud Baier hat mich mit dieser Geschichte über drei sehr verschiedene Menschen sehr berührt und mir ein Leseerlebnis geschenkt, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Veröffentlicht am 11.07.2018

Eine fesselnde Familiengeschichte

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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"Als die Tage nach Zimt schmeckten" erzählt die Geschichte von dem aus Russland stammenden Zod, dessen Lebensgeschichte ich in Rückblicken immer näher komme. Sie erzählt auch die Geschichte von Noor, die ...

"Als die Tage nach Zimt schmeckten" erzählt die Geschichte von dem aus Russland stammenden Zod, dessen Lebensgeschichte ich in Rückblicken immer näher komme. Sie erzählt auch die Geschichte von Noor, die zusammen mit ihrem Bruder Mehrdad vom Vater nach Amerika geschickt wurde um sich hier, wie viele Perser damals, ein neues Leben aufzubauen. Ich lerne verstehen, warum Zod seine Kinder ins ferne Amerika geschickt hat.

Ich sehe vor meinen Augen, wie Zod jeden Tag vor dem Cafe Laila sitzt und auf den Postboten wartet, der hoffentlich an diesem Tag einen Brief aus dem fernen San Francisco von seiner Tochter Noor bringt. Bis sie nach der Trennung von ihrem Mann Nelson zusammen mit Tochter Lilly nach 30 Jahren vor der Tür ihres schwerkranken Vaters steht. Sehr anschaulich erfahre ich, welchen Problemen, Risiken und Gefahren Frauen auch heute noch im Iran ausgesetzt sind. Lilly, die voll und ganz Amerikanerin ist und kein Wort Farsi spricht, hat es im Land ihres Großvaters nicht leicht.

Wie ein Märchen aus Tausend und eine Nacht, das man in die reale Welt hineingeworfen hat, bringt mir die Geschichte Persien, die Menschen dort und auch die Küche nahe.

Donja Bijan hat eine sommerlich leichte, manchmal tiefgründige Familiengeschichte geschrieben und mich kurzzeitig in eine andere Welt versetzt.
Mir hat dieses Buch, bis auf die Zeitsprünge, an die ich mich erst gewöhnen musste, sehr gut gefallen.
Ich bin gefesselt von einer Geschichte, die mir an manchen Stellen richtig ans Herz gegangen ist.

Veröffentlicht am 10.07.2018

Ein Leben als Hermaphrodit

Middlesex
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Middlesex ist die Geschichte von Cal bzw. Calliope Stephanides, einem Hermaphroditen aus Detroit und ihrer Familie.
Sie erzählt die Geschichte ihrer Großeltern, den Geschwistern Desdemona und Lefty, die ...

Middlesex ist die Geschichte von Cal bzw. Calliope Stephanides, einem Hermaphroditen aus Detroit und ihrer Familie.
Sie erzählt die Geschichte ihrer Großeltern, den Geschwistern Desdemona und Lefty, die wegen des Türkisch-Griechischen Krieges 1920 aus der Türkei zuerst nach Smyrna und von dort nach Amerika fliehen. Bei der Überfahrt mit dem Schiff heiraten sie. Großmama Desdemona erfährt erst kurz vor ihrem Tod welche Folgen sie mit ihrer Heirat und ihrer Liebe, die nicht hätte sein dürfen, herbei geführt hat.
Ich lese vom Zusammenkommen ihrer Eltern und ihrer Geburt. Erst im letzten Drittel geht es um ihn/sie selbst, die beide Geschlechter in sich trägt. Wie geht eine junge Frau damit um, wenn sie mit 22 Jahren erfährt, dass sie auch ein Junge ist? Der Intersex wird aber nicht Hauptthema, sondern fließt scheinbar nebensächlich, vor allem sehr leicht, aber doch eindringlich in die Geschichte ein.

Dieser Roman ist einer der besten, die ich bisher gelesen habe. Eine Familiengeschichte, in der ich meine seit fast 90 Jahren dabei bin. Ich lerne die einzelnen Familienmitglieder recht gut kennen und nehme an allen Abschnitten ihres Lebens teil. Egal ob ihr Leben gerade im Aufwind steht oder sie sich in einer Talsohle befinden. Es ist schön, dabei sein zu dürfen. Denn auch die Alltäglichkeiten haben ihren Reiz und werden niemals langweilig.

Ich mag den feinen, einfallsreichen, farbigen Schreib- und Erzählstil von Jeffrey Eugenides, der hier so vielfältige, vielschichtige und unterschiedliche Personen erschaffen hat, hier sehr. Haben mich die 700 Seiten zuerst abgeschreckt, fand ich es am Schluss sehr schade, dass die Geschichte schon auserzählt war.

Eine wunderbare Geschichte voller Menschlichkeit, Humor, Spannungen, Leichtigkeit und Tiefe, manchmal mit einer Träne im Auge, vor allem aber absolutem Lesevergnügen.

Veröffentlicht am 07.07.2018

Das Martyrium eines taffen Mädchens und einer starken Frau

Ein gestohlenes Leben
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Am 10. Juni 1991 wird Jeycee Dugard entführt. Da ist die gerade 11 Jahre alt. Phillip Garrido hält sie zusammen mit seiner Frau Nancy 18 Jahre lange gefangen. Sie lebt ca. 70 km von San Francisco entfernt ...

Am 10. Juni 1991 wird Jeycee Dugard entführt. Da ist die gerade 11 Jahre alt. Phillip Garrido hält sie zusammen mit seiner Frau Nancy 18 Jahre lange gefangen. Sie lebt ca. 70 km von San Francisco entfernt in einem Zelt hinter dem Anwesen der Garridos. Arbeitet in der Druckerei ihrer Entführer und bekommt während der Zeit 2 Töchter, die bei ihrer Befreiung 11 und 15 Jahre alt sind. Am 27. August 2009 wird ihr Martyrium durch einen Zufall beendet.

Es ist erschreckend zu lesen, wie sich die kleine Jeycee langsam in die Gemeinschaft der Dugards einordnet, wie sie immer weniger versucht auf sich aufmerksam zu machen. Beim Lesen verstehe ich sie aber immer besser und musste hier und da das Buch weglegen, weil mich die Geschichte so ergriffen und aufgewühlt hat.
Wie kann man einem Kind so etwas antun? Wie kann die Ehefrau und sogar die Eltern so etwas dulden und mitmachen?
Was ich auch erschreckend finde, dass es einige Fehler und Versäumnisse von Seiten der Police gab. Wäre die hier dem ein oder anderen Hinweis nachgegangen, wäre Jeycee vielleicht viel früher frei gekommen.
Ich bewundere die junge Frau, wie sie ihr Leben in Gefangenschaft gemeistert hat. Wie sie danach ihr Leben in die Hand nimmt und durch Thjerapien und vor allen durch die Liebe ihrer Töchter wieder versucht ins Leben zurück zu finden.

Dieses Buch hat sehr lange ungelesen in meinem Schrank gestanden. Aber als ich es dann in der Hand hatte, war ich gefesselt, geschockt, ergriffen, irritiert und vor allem froh, dass die Geschichte doch noch gut ausgegangen ist.