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Veröffentlicht am 19.08.2018

Fesselnde Mischung aus Politthriller und Kriminalroman

Vier Tage in Kabul
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INHALT
Zwei schwedische Diplomaten werden vermisst – vermutlich wurden sie entführt. Ein Einsatz für Amanda Lund, die Unterhändlerin.
Die schwedische Kriminalkommissarin Amanda Lund ist für ein Jahr in ...

INHALT
Zwei schwedische Diplomaten werden vermisst – vermutlich wurden sie entführt. Ein Einsatz für Amanda Lund, die Unterhändlerin.
Die schwedische Kriminalkommissarin Amanda Lund ist für ein Jahr in Afghanistan stationiert, sie bildet lokale Sicherheitskräfte aus. Gerade erst hat die 35-Jährige einen Angriff der Taliban überlebt, da erhält sie einen neuen heiklen Auftrag: In Kabul ist ein schwedisches Diplomatenpaar verschwunden. Die Botschaft geht von einer Entführung aus. Amanda ist Verhandlungsspezialistin, sie soll in dem Fall vermitteln. Jede Stunde zählt.
In Stockholm bei der Reichskriminalpolizei koordiniert Bill Ekman Amandas Einsatz. Die Sache muss unter Verschluss bleiben, nur ein kleiner Kreis ist eingeweiht. Gleichzeitig untersucht Bill den Mord an einem jungen Mann. Ein Regierungsmitarbeiter, wie sich herausstellt.
Obwohl Tausende Kilometer voneinander entfernt, verdichten sich die Hinweise, dass beide Fälle zusammenhängen. Die Spuren führen in höchste Kreise.
(Quelle: Klappentext Rowohlt Verlag)
MEINE MEINUNG
Mit «Vier Tage in Kabul» hat die schwedische Autorin Anna Tell ein packendes Debüt vorgelegt, das eine gelungene Mischung aus Politthriller und Kriminalroman ist und Auftakt einer neuen, interessanten Reihe um die schwedische Unterhändlerin Amanda Lund darstellt.
Nach einem rasanten, actionreichen Einstieg entwickelt sich der recht undurchsichtige Fall in Kabul für die schwedische Kriminalkommissarin und Unterhändlerin Amanda Lund dann aber deutlich gemächlicher. Als geheimen Sonderauftrag soll Lund den mutmaßlichen Entführungsfall von zwei vermissten schwedischen Diplomaten untersuchen und Kontakt zu den Entführern aufnehmen. Fesselnd und sehr abwechslungsreich ist die vielschichtige Gestaltung der Handlung, die auf zwei Handlungssträngen zum einen in Afghanistan und zum anderen in Stockholm angesiedelt ist. Für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt eine weitere Erzählebene, die uns unmittelbare Einblicke in die Geschehnisse aus Opferperspektive gibt. Leider verlor der anfängliche, temporeiche Erzählstil im Mittelteil immer mehr an Schwung. Durch kurze Kapitel und rasche Szenen- und Perspektivwechsel gelingt es der Autorin aber dennoch immer wieder das Erzähltempo anzuziehen und Spannung aufkommen zu lassen. Geschickt führt die Autorin allmählich die in Schweden und Afghanistan angesiedelten Handlungsstränge zusammen und liefert mit etlichen überraschenden Wendungen genügend Stoff für immer neue Spekulationen. Sehr reizvoll finde ich auch den Aspekt, dass die Autorin als Insiderin weiß, wovon sie schreibt. Als Kriminalkommissarin und Unterhändlerin verfügt sie über langjährige Polizei- und Militärerfahrung und spezielles Hintergrundwissen zu Auslandseinsätzen, wodurch sie mit ihren glaubwürdigen, anschaulichen Beschreibungen viel Authentizität in die Handlung einbringen konnte. Der Blick hinter die spannungsgeladenen Kulissen, der die Problematik von Polizeiermittlungen im Ausland im Spannungsfeld von höher gestellten Interessen der Politik und privaten Intrigen beleuchtet, gibt der Geschichte zusätzliche Würze.
Auch die atmosphärisch dichten, realistisch wirkenden Schilderungen vieler Schauplätze in Afghanistan fangen gelungen das besondere Setting ein in diesem unwirtlichen, gefahrenvollen Land.
Sehr differenziert und lebensnah sind ebenfalls die meisten Charaktere ausgearbeitet. Durch Einblicke in das Privatleben und ihre besonderen Eigenheiten bekommt vor allem die vielschichtig angelegte Protagonistin Amanda Lund eine besondere Tiefe, und wirkt auf mich sehr authentisch. Sehr gut konnte ich mich in ihre Gefühle und Motivationen hineinversetzen und ihre Handlungen nachvollziehen. Sie ist eine sehr eigenwillige, charakterstarke Persönlichkeit, mit der ich erst warm werden musste. Mit ihrem großen Engagement, Pflichtbewusstsein und ihrem bewundernswerten Gerechtigkeitssinn hat sie mich aber schließlich sehr beeindruckt.
Die Auflösung und Hintergründe des interessanten, komplexen Falls waren sehr nachvollziehbar und wirken durchaus realitätsnah.
Ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten, herausfordernden Einsatz für Amanda Lund, der für Frühjahr 2019 mit dem Titel „Fünf Nächte im Kosovo“ angekündigt ist.
FAZIT
Packende Mischung aus Politthriller und Kriminalroman mit atmosphärisch dichtem Setting in Afghanistan und viel versprechender Auftakt einer neuen Reihe um die schwedische Unterhändlerin Amanda Lund!

Veröffentlicht am 17.08.2018

Berührende Satire über den Mann aus Stahl

Guten Morgen, Genosse Elefant
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INHALT
Moskau, in den 1950er Jahren:
Der zwölfjährige Juri ist Sohn von Doktor Roman Alexandrowitsch Zipit, Professor für Veterinärmedizin mit Fachgebiet Neurologie der Großhirnrinde, und zugleich Direktor ...

INHALT
Moskau, in den 1950er Jahren:
Der zwölfjährige Juri ist Sohn von Doktor Roman Alexandrowitsch Zipit, Professor für Veterinärmedizin mit Fachgebiet Neurologie der Großhirnrinde, und zugleich Direktor des Hauptstadtzoos. Seit einem schweren Unfall mit einem Milchwagen und der Straßenbahn mit 6 Jahren ist Juri körperlich gezeichnet und auch mental eingeschränkt, so dass ihn viele für einfältig halten. Als er durch Zufall vom kranken Führer der Sowietunion zu dessen Vorkoster Erster Klasse ernannt wird und ein paar Wochen in Stalins Datscha im Zentrum der Macht verbringt, vertraut auch der stählerne Mann dem vermeintlichen „Idioten“ wegen seines engelsgleichen Gesichts so manches brisante Geheimnis an.
So bekommt der Junge äußerst vertrauliche Staatsangelegenheiten und dubiose Geschehnisse mit, über die er zur eigenen Sicherheit aber besser Stillschweigen bewahrt …
MEINE MEINUNG
Mit seinem Roman "Guten Morgen, Genosse Elefant" ist dem englischen Autor Christopher Wilson eine unglaublich humorvolle, bewegende aber auch schockierende politische Satire gelungen, die den Leser sehr aufgewühlt zurücklässt. Legenden ranken sich um die mysteriösen Umstände und den Tod des allmächtigen Diktators der UdSSR Josef Stalin, den Mann aus Stahl, der eine Zeit unfassbaren Terrors und Schreckens geprägt hat. Gekonnt hat der Autor diese historische Episode herausgegriffen und aus den vielen Gerüchten, Spekulationen und wenigen Fakten eine äußerst fesselnde und unterhaltsame Geschichte gesponnen, in der sehr glaubhaft Stalins Charakter, sein Machtverlust und die Intrigen seiner unberechenbaren Gefolgsleute hinter seinem Tod in seiner Moskauer Datscha darstellt werden.
Getragen wird die Geschichte von dem äußerst ungewöhnlichen Protagonisten und Ich-Erzähler Juri Zipit, der uns auf eine herzzerreißend naive Art sein bewegendes Abenteuer erzählt und seine ganz eigene, stets positive Sicht auf die Geschehnisse in den letzten Stunden des vom körperlichen Verfall gezeichneten „Stählernen“ hat. Dem Autor ist mit dem jungen Juri ein überaus faszinierender, sympathischer Held gelungen – ein Außenseiter in jeglicher Hinsicht, der nach einem tragischen Verkehrsunfall neben äußerlichen Entstellungen auch bleibende Hirnschäden zurückbehalten hat, aber dennoch ein sehr gewitzter und scharfsichtiger Junge ist. Sehr amüsant ist es aus seiner völlig unbefangenen Perspektive mitzuerleben, wie er als Vorkoster Stalins und staunender Beobachter ins Zentrum turbulenter Machtkämpfe katapultiert wird. Zugleich wird er Zeuge des dekadenten Treibens der engen Entourage des Diktators bei den nächtlichen Gelagen auf Stalins Datscha. Geschickt konfrontiert uns der Autor mit schockierenden, historisch verbürgten Details, die einen den Wahnsinn und die Brutalität der durch das unerbittliche Regime verübten Gräueltaten vor Augen führen und entsetzt zurücklassen. Trotz vieler witziger und humorvoller Episoden ist Juris Geschichte äußerst berührend und traurig, so dass einem oft das Lachen im Halse stecken bleibt. Obwohl Juri während seiner Zeit auch viel Schreckliches erleiden muss, blickt er mit seiner kindlichen Sicht stets hoffnungsvoll in die Zukunft und verleiht der oftmals sehr beklemmenden Geschichte einen rührenden Optimismus. Insgesamt ist Wilson in seinem satirischen Roman diese Gratwanderung zwischen den Kontrasten aber hervorragend gelungen.
FAZIT
Eine sehr humorvolle, bewegende aber zugleich schockierende politische Satire über die letzen Tage des allmächtigen Diktators der UdSSR Stalin erzählt aus der berührenden Sicht des wundervollen Helden Juri. Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 29.07.2018

Skurriler, amüsanter Coming of Age-Roman

Familie und andere Trostpreise
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INHALT
Sonny hat eine Menge Neurosen, und es erscheint ihm völlig normal, die Flucht zu ergreifen, wenn Menschen in seiner Gegenwart diese seltsamen Knutsch- und Sauge-Geräusche mit ihren Mündern machen. ...

INHALT
Sonny hat eine Menge Neurosen, und es erscheint ihm völlig normal, die Flucht zu ergreifen, wenn Menschen in seiner Gegenwart diese seltsamen Knutsch- und Sauge-Geräusche mit ihren Mündern machen. Und dann ist da noch seine Umschlagphobie, die Riesenangst vor Briefumschlägen! Leider erbt Sonny an seinem 21. Geburtstag nicht nur ein Vermögen, sondern bekommt auch fünf geheimnisvolle Briefe. Nur sie können ihm helfen, endlich mehr über sich und seine merkwürdige Familie herauszufinden. Doch wie soll er anfangen, wenn er sich noch nicht einmal traut, die Umschläge zu öffnen?
(Quelle HarperCollins Germany)
MEINE MEINUNG
„Familie und andere Trostpreise" ist bereits der dritte Roman der Engländerin Martine McDonagh, die lange Zeit als Bandmanagerin und Lektorin arbeitete. Ihr neustes Buch ist ein sehr witziger, erfrischender Coming of Age-Roman über die Schwierigkeiten Groß zu werden, eine Spurensuche nach der eigenen Identität, den familiären Wurzeln und dem Aufdecken von unbequemen Wahrheiten zwischen vielfältigen Täuschungen, Selbstbetrug und Lügen.
Die schon von Beginn an sympathische Hauptfigur Sonny begibt sich auf einen skurrilen und abenteuerlichen Roadtrip nach Großbritannien, nachdem er zu seinem 21. Geburtstag erfahren hat, dass er dank seines verstorbenen Vaters auf einen Schlag ein reicher Mann ist. Dort besucht er Leute, die seine Eltern kannten, um so mehr über seine Eltern und über den Verbleib seiner verschwundenen Mutter zu erfahren. Im Laufe der Handlung begegnen wir einer Menge sehr exzentrischer, aber auch einigen liebenswerten Figuren, die so manches schockierende Geheimnis offenlegen. Sonnys biographischer Trip führt uns kreuz und quer durch Großbritannien - von Brighton, London, nach Schottland bis Keswick im Lake Distrikt. Sehr fesselnd ist es mit zu verfolgen, wie sich die vielen Hintergrundinformationen über seine Vergangenheit schließlich wie Puzzlestücke schrittweise zusammenfügen und zusammen mit den in den Briefen seines Vormunds Thomas enthaltenen Geständnissen ein immer schärferes Bild über seine Kindheit und Jugend ergibt. Zugleich wird eine unerwartet erschreckende Familiengeschichte enthüllt, die einen mit seiner ungeheuerlichen Tragweite sprachlos zurücklässt. Die Autorin zeigt sehr anschaulich auf, welche Macht extrem narzistische Charaktere wie Sonnys Vater, der Scharlatan und selbsternannte Guru Bim, auf ihr Umfeld haben. Durch gezielte Manipulation und Lügen sowie grenzenlosen Egoismus benutzen sie Menschen skrupellos für ihren eigenen Vorteil.
Die Autorin zeichnet ein sehr eindringliches Bild von Sonnys vielschichtiger Persönlichkeit und präsentiert uns einen sehr zynischen, verbitterten und recht abgeklärten Antihelden, der dennoch in seiner großen Verletzlichkeit sehr liebenswert ist. Sie hat ihrem Protagonisten und Ex-Junkie mit etlichen neurotischer Störungen sehr treffsicher eine einzigartige Stimme verliehen. Der frische, jugendliche Schreibstil wirkt mit den verwendeten umgangssprachlichen Ausdrücken sehr authentisch und lässt sich gut lesen. Geschickt lässt die Autorin Sonny seine Geschichte aus seiner Perspektive mit viel Selbstironie im Präsens erzählen, so dass man das Gefühl hat, eine Art Reisetagebuch von ihm zu lesen und hautnah seine ungefilterten Emotionen miterleben kann. Gestaltet ist das Ganze als eine Art Brief an seine unauffindbare Mutter, an die er kaum noch Erinnerungen hat, und gewürzt mit einem wundervoll lakonischen Tonfall, netten warmherzigen Einsichten und einer Menge geistreicher und spitzfindiger Kommentare. Hervorragend gelungen ist schließlich auch Sonnys Schlussfolgerungen, die auf einen Reifungsprozeß des jungen Manns schließen lassen und zum Ausklang hoffnungsvoll stimmen. Nicht die echten Familienbande sind bedeutsam für seine Entwicklung, sondern die besonderen Menschen die ihn auf seinem Lebensweg begleitet, ihn geliebt und mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten wesentlich geprägt haben.
Eine ganz besondere Note bekommt die Geschichte durch die ständigen Querverweise zu dem Kultfilm „Shawn of the dead“, den ich leider nicht kannte. Für die Hauptfigur Sonny, der während seines Trips immer wieder Drehorte aufsucht und zu bestimmten Szenen Bezug nimmt, ist dieser Film eine Art essentieller Bezugspunkt, um seinem ganzen Leben einen gewissen Sinn zu geben. Es macht Spaß, Sonny auf seiner abenteuerlichen, ereignisreichen Reise zu begleiten und mit ihm über einige britische Eigenheiten zu schmunzeln.
FAZIT
Ein eigenwilliger, skurriler Coming of Age-Roman mit einem liebenswerten Antihelden und jeder Menge abgedrehter, schrulliger Figuren! Ein amüsantes, unterhaltsames und zugleich bewegendes Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Lesenswerter, gesellschaftskritischer Roman

Der Sprengmeister
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INHALT
Als junger Mann wird der Sprengmeister Oskar Johansson bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Seine Freundin bricht ihm die Treue, und er heiratet ihre Schwester Elvira. Die beiden führen ...

INHALT
Als junger Mann wird der Sprengmeister Oskar Johansson bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Seine Freundin bricht ihm die Treue, und er heiratet ihre Schwester Elvira. Die beiden führen ein bescheidenes, entbehrungsreiches Leben, damit der knappe Lohn auch für drei Kinder reicht. Trotz seiner Verwundungen kehrt Oskar zurück in seinen Beruf. Er wird politisch aktiv und glaubt an eine Revolution, die nie kommt. Als sein Wohnblock abgerissen wird, kauft er auf einer Schäre ein Saunahäuschen, wo er im Sommer leben kann.
Henning Mankells erster Roman erzählt ein Arbeiterleben in der aufblühenden Industrie in Schweden und gibt den Benachteiligten eine unverwechselbare, eindrucksvolle Stimme.
(Quelle Zsolnay Verlag)
MEINE MEINUNG
Bei dem bereits 1973 veröffentlichte Debütroman „Der Sprengmeister“ des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell, der nun endlich auch in deutscher Übersetzung vorliegt, handelt es sich um einen meisterlich komponierten, sehr stimmungsvollen und leisen Roman voller subtiler Gesellschaftskritik. Mankell ist in seinem Roman ein gelungenes, einfühlsames Portrait eines bewegten, harten Arbeiterlebens im Schweden des letzten Jahrhunderts gelungen am Beispiel des bescheidenen Sprengmeisters Oskar Johansson, der nach einem tragischen Arbeitsunfall als Invalide sein Schicksal meistern muss. Zugleich zeichnet er behutsam und anschaulich das spannende Bild einer sich schleichend wandelnden Gesellschaft im Laufe der politisch unruhigen Zeiten.
Sehr außergewöhnlich ist der verwendete Erzählstil der Geschichte, die oftmals einen unfertigen, fragmentarischen Eindruck hinterlässt. Ein nicht näher benannter Erzähler widmet sich aus Sicht eines unbeteiligten Dritten Oskars interessanter, ereignisreicher Lebensgeschichte und gibt aus seiner neutralen Außenansicht immer mehr Details über diesen Menschen preis. Mankell versteht es, mit viel Feingespür und einem warmherzigen Blick Oskars Leben mit all seinen Enttäuschungen und Entbehrungen aber auch faszinierender Zufriedenheit und innerem Frieden nachzuzeichnen. Bisweilen kommt die Geschichte ohne viele Worte und Beschreibungen aus – vieles wird mit Stichworten, Aufzählungen oder Gegenüberstellungen nur notizenhaft skizziert und szenisch angerissen, so dass dem Leser viel Raum zur Deutung bleibt. Während die einfache Sprache zum eher schlichten, wortkargen Protagonisten hervorragend passt, haben mich seine sinnschweren, poetischen Gedanken zum Leben schnell gefangen genommen. Sehr gelungen ist auch das Ineinanderfließen der scheinbar ungeordneten Rückblenden, der neutralen, prägnanten Beschreibungen und Oskars nüchternen Betrachtungen aus der Gegenwart zu einem stimmigen Gesamtbild eingebettet in einen politischen Kontext. In seinem Nachwort geht der Autor noch kurz auf die Entstehungsgeschichte seines Debütromans in damals politisch sehr bewegten Zeiten ein. Auch wenn sich in den zurückliegenden 25 Jahren viel ereignet hat, so hat sich die Situation für die Armen und Ausgebeuteten am Rande der Gesellschaft nicht wesentlich verbessert. Die Hoffnung auf ein Schweden mit einer modernen Industriegesellschaft ohne soziale Ungerechtigkeit ist leider ein Traum geblieben.
FAZIT
Mankells interessantes Debüt ist mit seinem gefühlvollen, berührenden Porträt eines Arbeiterlebens somit ein lesenswerter, gesellschaftskritischer Roman, der nichts an seiner Aussagekraft und Aktualität verloren hat. Einmal ein ganz anderer Mankell!

Veröffentlicht am 23.07.2018

Packendes Debüt

Zu nah
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INHALT
Die angesehene Wissenschaftlerin Eleanor Costello ist tot. Erhängt in ihrem Schlafzimmer. Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department und schwer gezeichnet von ihrem letzten Fall, ...

INHALT
Die angesehene Wissenschaftlerin Eleanor Costello ist tot. Erhängt in ihrem Schlafzimmer. Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department und schwer gezeichnet von ihrem letzten Fall, glaubt nicht an Selbstmord. Jemand war bei Eleanor, als sie starb. Jemand, der sadistische Lust an brutalen Spielchen hat. Schon bald wird eine zweite Leiche gefunden: eine junge Frau - zu Tode gefoltert. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, und für Frankie geht es erneut um Leben und Tod.
(Quelle Klappentext Harper Collins Germany)
MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt „Zu nah“ ist der irischen Autorin Olivia Kiernan ein vielschichtiger und unglaublich fesselnder Spannungsroman rund um die taffe Ermittlerin Detective Frankie Sheehan in Dublin gelungen.
Durch einen stetigen Wechsel der Erzählstränge baut sich schon bald Spannung auf. Der auf den ersten Blick als Suizid erscheinende Todesfall der attraktiven Wissenschaftlerin Eleanor Costello gibt dem Ermittlerteam rund um Frankie Sheehan bald Rätsel auf und erweist sich als ein perfider Mord. Die Autorin konfrontiert uns in ihrem Debüt mit einem raffiniert angelegten Geflecht aus Betrug, Intrigen, dunklen Geheimnissen und schockierenden Abgründen der menschlichen Psyche und entführt uns zugleich in die finstere Parallelwelt des Darknet, in der perverse Todesfantasien und sadomasochistische Praktiken ausgelebt werden. Geschickt legt die Autorin viele falsche Fährten an und überrascht uns mit unerwarteten Wendungen, denn bei diesem verzwickten, packenden Fall ist nichts so, wie es anfangs scheinen mag. Neben den umfangreichen Ermittlungen nehmen ausführliche Einblicke in Frankies persönliche Probleme großen Raum in der Geschichte ein, resultieren sie doch in einer Traumatisierung während eines zurückliegenden Einsatzes und beeinträchtigen mit Flashbacks und Panikattacken zuweilen ihre aktuelle Arbeit. Je weiter die Hintergründe der damaligen Vorgänge in Rückblenden enthüllt werden, desto deutlicher wird es, dass es möglicherweise beunruhigende Zusammenhänge zu aktuellen Morden gibt und der wahre Täter noch auf freiem Fuß ist. So erhält der Fall immer weitreichendere Dimensionen.
Die Protagonistin Frankie ist als ein vielschichtiger, authentischer Charakter angelegt, die als hartnäckige, äußerst taffe Ermittlerin eine faszinierende, aber keineswegs einfache Persönlichkeit ist. Überaus glaubwürdig hat die Autorin umgesetzt, wie sie nach ihrem Trauma verzweifelt versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen und möglichst rasch in ihren geliebten Job zurückzukehren, um ihre vielleicht letzte Chance auf eine Rückkehr nicht zu verspielen. Dabei ist sie mit ihrer raubeinigen, bissigen Art anfangs keine sehr sympathische Figur, so dass es etwas dauert mit ihr warm zu werden und ihr schroffes Verhalten ihren Kollegen gegenüber zu verstehen.
Auch die übrigen Charaktere sind sehr plastisch und lebensnah ausgearbeitet, so dass ihre Handlungen für mich weitgehend nachvollziehbar waren. Sehr schön hat die Autorin mit ihren anschaulichen Beschreibungen auch Dublin mit seiner etwas düsteren, unwirtlichen winterlichen Stimmung eingefangen, die hervorragend zur bedrückenden Atmosphäre des Thrillers passt.
Richtig packend wird die wendungsreiche Handlung dann zum Ende hin, wenn man so langsam ahnt, wie die verwirrenden Details aus der Vergangenheit mit dem aktuellen Fall zusammenhängen und wer sich schließlich hinter den abscheulichen Taten verbergen könnte. Der Thriller gipfelt in einem sehr packenden, dramatischen Showdown. Die Aufklärung des verwobenen Falls war insgesamt schlüssig und nachvollziehbar. Ich bin schon sehr gespannt, wie es mit Frankie in Dublin weitergehen wird.
FAZIT
Ein gelungenes Debüt und ein vielschichtiger, zum Ende hin unglaublich packender Thriller!