Unbändiger Hass oder das Zischen der Schlange – Hoch spannender, intelligenter Krimi mit taffen Ermittlern
In einem Wald bei Minden entdecken junge Leute einen auf grausamste Weise entstellten menschlichen Körper, der mit grauem Klebeband an einem Baum gefesselt ist. Männlein oder Weiblein, kann nur der kluge ...
In einem Wald bei Minden entdecken junge Leute einen auf grausamste Weise entstellten menschlichen Körper, der mit grauem Klebeband an einem Baum gefesselt ist. Männlein oder Weiblein, kann nur der kluge Rechtsmediziner später bei der Obduktion definieren, der sich beim Anblick der Leiche sicher ist, dass ein Auto mehrfach vor den wehrlosen Körper gerast ist.
Es handelt sich um die junge Anwältin Pia Baumgartner.
Kommissarin Marlene Borchert ist schnell klar, dass die Mindener Polizei Unterstützung von der Bielefelder Mordkommission benötigt. Zügig wird unter der Führung Benno Erdmanns eine Sonderkommission gebildet. Das Marlene und Benno einmal ein Paar waren, beeinträchtigt die Ermittlungen nicht, aber menschlich nähern sich die beiden nur sehr schwerfällig aufeinander zu.
Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, während die Sonderkommission kompetent ermittelt, doch bald darauf geschieht ein weiterer, brutaler Mord. Als Marlene scharfsinnige Schlussfolgerungen zieht und Benno nicht erreichen kann, droht ihre Vergangenheit sie aufs schärfste herauszufordern und dabei gerät sie in höchste Lebensgefahr.
Die Autorin:
Meike Messal wurde 1975 in Minden geboren. Nach dem Abitur lebte sie für einige Zeit in Israel und Südafrika und studierte in Hamburg Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Mittlerweile wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in ihrer Heimat und unterrichtet an einem Mindener Gymnasium. Nachtfahrt ins Grauen ist ihr erster Kriminalroman. (Polibris Verlag)
Reflektionen:
Meike Messals Regional-Krimi wurde mir als ein anspruchsvoller und gut durchdachter Kriminalroman empfohlen und genau so habe ich ihn empfunden.
Kriminalhauptkommissarin Marlene Borchert und ihr Team sind schockiert, als sie die auf bestialischste Weise zugerichtete Leiche erblicken und deutlich Vorsatz erkennen. Schnell ist klar, dass die Bielefelder Mordkommission zur Unterstützung angefordert werden muss, da die Mindener Polizei nicht über eine Mordkommission verfügt.
Als Marlenes ehemaliger Freund Benno Erdmann den Tatort betritt, starten umgehend kompetente Ermittlungen, doch zwischenmenschlich steht etwas zwischen ihnen. Benno hat es nie überwunden und verstanden, dass Marlene ihn seinerzeit zurückwies und lange Zeit bleibt der Leser im Unklaren darüber, welche partnerschaftlichen Probleme Marlene und Benno hinter sich ließen. Erst nach und nach, nachdem man die Figur der Marlene näher kennenlernt, kann nachvollzogen werden, warum sie einerseits mit Zurückhaltung, aber auch mit bewussten Verletzungen gegenüber Benno reagiert.
Meike Messal hat nicht nur einen spannenden, temporeichen Kriminalroman abseits vieler Klischees entwickelt, sondern auch eine zarte, gefühlvolle Liebesgeschichte maßvoll inszeniert, die dem Kriminalroman ein besonders harmonisches Flair und eine angenehme Tiefe verleiht.
Das Besondere an diesem Kriminalroman ist auch die Darstellung des Täters, an dessen Gedanken und Handlungen man teilhaben kann, die weit in dessen Vergangenheit zurückgehen und tatsächlich empathische Reaktionen und Betroffenheit auslösen. Das authentische Motiv des Täters entwickelt sich langsam bis zur dramatischen Sichtbarkeit und es schockiert emotional.
Seine kleinen Finger waren Schmutzverkrustet. Sie hatten die Gitter des Laufstalls fest umklammert. Mit leerem Blick stierte er auf die weiße Wand. Seine Energien waren verbraucht, er hatte sich heiser geschrien und war vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Weil er fror, war er wieder aufgewacht. Er hatte versucht, unter den verschmutzten Windeln, die überall im Laufstall lagen, etwas Wärme zu finden. Doch sie waren nass, und er hatte nur noch gezittert. (Zitat)
Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Sofort befindet man sich inmitten des Geschehens und lässt sich gern fesseln. Nur schwer kann man diesen Krimi aus den Händen legen, denn viele Details warten darauf entdeckt zu werden. Bald erkennt man, dass jede erwähnte Kleinigkeit zuverlässig erneut aufgegriffen und auch aufgelöst wird, sodass man sich einem angenehmen Lesegenuss hingeben kann.
Meike Messal schreibt in einer besonders klaren und gradlinigen Sprache. Schnörkellos, aber pointiert manchmal sogar poetisch. Wer nun glaubt die Autorin nehme sich zurück, wenn die bestialischen Verbrechen geschildert werden, der täuscht sich. Direkt und unverblümt bringt Meike Messal die angewandte Gewalt auf den Punkt ohne aber das Gefühl zu vermitteln, man hielte ein bluttriefendes Buch in Händen. Bis auf entstellte Leichen, geht es recht unblutig zu, denn der Schwerpunkt des Kriminalromans entwickelt sich eher durch einen geschickten psychologischen Aufbau und das hervorholen abtrünniger Vergangenheiten gleich mehrerer Figuren.
Die Charaktere sind sehr ausführlich gezeichnet, ohne dass sie die Geschichte überladen würden. Das Kennenlernen der Figuren erfolgt während sich die Handlung entwickelt. Im Besonderen, sticht die Persönlichkeit der Kommissarin Marlene hervor. Sie ist taff, sympathisch und fachlich stark. Sie schreit all ihren Frust aus sich heraus, indem sie mit ihrem Motorrad durch das Mindener Umland rast. Tief in ihr verborgen liegt eine zähe, verletzliche Vergangenheit, die immer wieder durch schreckliche Alpträume aufblitzt. Marlene tritt energisch gegen diese an und versucht sich der Kompetenz des Klarträumens (bewusstes Träumen).
Deine Kindheit ist vorbei, und du wirst sie nicht mehr ändern. Deine Vergangenheit gehört zu dir, doch es hilft nicht, in ihr zu leben. Das Jetzt und Hier ist das, was wirklich zählt. Jeden Tag liegen neue vierundzwanzig Stunden vor dir. Die du ausfüllen kannst. Mit Rückblicken, Zweifeln, Trauer und Wut. Oder aber du kannst Ja sagen zu dem Leben, das an deine Türe klopft. Niemand kann dir versprechen, dass es nicht neue schwere Päckchen vorbeibringt. Aber wenn du die nicht annimmst, dann öffnest du auch nicht die mit den Glücksmomenten. Die mit Freude, die mit Lachen, mit Kraft. Und genau solche sind es doch, die das Leben ausmachen. Zitat)
Sehr gut gefallen hat mir die Charakterzeichnung des Täters, die erst langsam zu einem ganzen Bild heranwächst, denn diese ist differenziert, da sie die Entwicklung des Täters und seines Motivs realitätsnah darstellt.
Intelligente Perspektivwechsel lassen nervenaufreibende Cliffhanger entstehen, die hauptverantwortlich für zahlreiche Spannungshöhepunkte sind, die die gleichbleibend spannende Grundstimmung noch einmal mehr hervorheben. Niemals reißt der rote Faden ab und wenn man glaubt, ja, jetzt wird dieser Krimi hervorsehbar, dann belehrt Meike Messal den Leser durch gekonnte Wendungen und Überraschungen eines Besseren.
Im Herbst 2017 wird ein Nachfolger erscheinen.
Fazit und Bewertung:
Nachtfahrt ins Grauen ist ein gut durchdachter, hoch spannender Kriminalroman. Er besticht durch eine vielschichtige Handlung und intensive Charakterzeichnungen. Die Geschichte ist in sich harmonisch, obwohl er schockierende Einblicke in abtrünnige Seelen offenlegt.
Geheimtipp.
Absolute Leseempfehlung.
©nisnis-buecherliebe