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Veröffentlicht am 27.07.2018

Vom Schüler zum Penner

Wir beide wussten, es war was passiert
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Das ist die fragwürdige Karriere des 16jährigen Australiers Billy, der von jetzt auf gleich seinen alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater verlässt, um anderswo ein friedlicheres und glücklicheres Leben ...

Das ist die fragwürdige Karriere des 16jährigen Australiers Billy, der von jetzt auf gleich seinen alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater verlässt, um anderswo ein friedlicheres und glücklicheres Leben zu beginnen.

Nach einer Zugfahrt, bei der er auf einen verständnisvollen Bahnangestellten trifft, landet er in der Kleinstadt Bendarat, in der er ein neues Heim in einem ausrangierten Zugwaggon findet und mit Old Bill einen adäquaten und vor allem entgegenkommenden Nachbar. Auch eine holde Maid lässt nicht lange auf sich warten - gar bald ist mit Caitlin, einer Tochter aus gutem Hause, die bei McDonalds jobbt, die passende Heldin gefunden.

Tja, manchmal findet man das Glück auf der Straße - das ist auf jeden Fall eine wichtige Botschaft des Buches, aus meiner Sicht ein wenig idealisiert. Von den Unbillen des Alltags von Pennern erfährt man eher wenig, denn Billy und Old Bill haben zwar einige Päckchen mit sich rumzuschleppen, aber viele davon sind Altlasten, oder aber Faktoren, die mit Ereignissen aus der Vergangenheit zusammenhängen. Das echte und wahre Leben auf der Straße erscheint hier gar nicht so schlimm und mich plagt ein wenig die Sorge, dass unzufriedene Jugendliche auf die Idee kommen könnten, es Billy nachzutun! Nicht jeder wird so liebenswerte Weggefährten finden wie er, davon bin ich überzeugt - aber ob das auf unglückliche, verzweifelte Jugendliche ebenfalls zutrifft.

Falls sich jemand an meiner Wortwahl in Bezug auf den Penner stößt - ich orientiere mich am Buch; Billy selbst gebraucht den Begriff. Caitlin hingegen spricht von "Obdachlosen" - ein gelungener Schachzug von Autor und Übersetzer, um die Charaktere voneinander abzusetzen.

Also: ganz nett, aber mit einem kleinen Geschmäckle. Ich würde es jedenfalls nicht unbedingt jungen Leuten schenken!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Brutale Morde in Philadelphia

Tanz der Toten
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Den Autor Richard Montanari kannte ich bisher nur vom Weghören: ich hatte ihn klar in die Schublade des ganz Brutalen, Harten, Grausamen gepackt, die eigentlich nicht die Meinige ist. Doch nun bot sich ...

Den Autor Richard Montanari kannte ich bisher nur vom Weghören: ich hatte ihn klar in die Schublade des ganz Brutalen, Harten, Grausamen gepackt, die eigentlich nicht die Meinige ist. Doch nun bot sich mir die Gelegenheit, den bereits 8. Band um das Ermittlerteam Kevin Byrne, den nicht mehr ganz jungen, vom Leben gezeichneten Ermittler der Mordkommission und Jessica Balzano, als Tochter eines Polizisten ehrgeizig auf den Erwerb eigener Meriten bedacht, zu lesen, den ich zwar wie erwartet brutal, doch wider Erwarten ganz unterhaltsam fand, was vor allem an den Figuren der Ermittler lag.

Die Geschichte: ein junges Mädchen wird tot aufgefunden, auf brutalste Weise ermordet, liebevoll drapiert wie eine Puppe. Eine Reihe weiterer Opfer, auf die gleiche Art präsentiert, folgen und zunächst kann sich die Polizei in Philadelphia keinen Reim darauf machen, kein Muster entdecken. Puppen spielen dann im Handlungsverlauf noch eine wichtige Rolle.

Der Leser hat auf seine Art einen anderen Zugang, eine Art übergeordnete Perspektive zu dem Fall, da von Beginn an auch der Täter zu Wort kommt.

Ein originelles Thema, ein spannender Ansatz, wobei die Spannung leider manchmal im Ansatz stecken bleibt, da die Schilderungen zu umständlich und langatmig sind. Teilweise auch absehbar, nachdem sich das Muster - auch dieses wieder aufwändig und in allen Einzelheiten dargelegt - einmal abzeichnet.

Alles ein bisschen viel, alles ein bisschen zu detailliert und auch nicht immer logisch, aber nachdem ich mich bei den ersten Ungereimtheiten noch gewundert habe und versuchte, sie nachzuvollziehen, habe ich es irgendwann bleiben lassen und ließ das Geschehen auf mich wirken - wie man sieht, ist das Resultat eher durchwachsen. Insgesamt ein solider Krimi, den man gut lesen kann, aber definitiv nicht muss.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Eine Überdosis Schweden

Mord auf der Insel
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genauer gesagt: Gotland erhält der Leser dieses Krimis, aber ich bin sicher, dass es viele gibt, die von dem so properen skandinavischen Land gar nicht genug bekommen können, zumal es ja ein Krimiland ...

genauer gesagt: Gotland erhält der Leser dieses Krimis, aber ich bin sicher, dass es viele gibt, die von dem so properen skandinavischen Land gar nicht genug bekommen können, zumal es ja ein Krimiland par Excellence ist.

Hier geht es um die frisch verwitwete Anki Karlsson, die auf Gotland ihren Jugendtraum verwirklichen und ihren Ruhestand auf dem Rücken der Pferde genießen will. Ihre Ehe war eine wahre Hölle - das gibt sie jetzt im Nachhinein vor sich selbst zu - ab jetzt sollen nur noch sie und ihre beiden neu erstandenen Pferde eine Rolle spielen in ihrem Leben in dem kleinen (fiktiven) Dorf Mullvald in Küstennähe.

Aber schon bald kommt sie nicht mehr um den Tod herum, denn die Barbro, die Vorbesitzerin ihres Hofes, wurde brutal ermordet und leider muss sie bald feststellen, dass es mit den Morden noch nicht vorbei ist. Und nicht nur das erschwert Ankis Einstieg ins neue Leben...

Ein charmanter, wenngleich recht behäbiger Krimi mit allerdings recht brutalen Morden, die gar nicht zur pittoresken Umgebung passen wollen. Trotzdem ist es ein nettes Buch, bei dem Schweden- und vor allem natürlich Gotlandfans voll auf ihre Kosten kommen. Die Insel wird ausführlich und in den schillerndsten Farben beschrieben, was leider auf Kosten der Figuren, die allesamt recht farblos und mit wenig Alleinstellungsmerkmalen dargestellt sind, geht. Also definiti eher was für Anhänger der Region und nicht des Genres!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Im Grunde ein Krieg gegen sich selbst?

Der Krieg der Enzyklopädisten
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Amerikas Generation der Jahrtausendwende hat eine neue Stimme, beziehungsweise gleich zwei: denn der vorliegende Roman wurde gleich von zwei Autoren gemeinsam geschrieben, die hier aufs Eindrucksvollste ...

Amerikas Generation der Jahrtausendwende hat eine neue Stimme, beziehungsweise gleich zwei: denn der vorliegende Roman wurde gleich von zwei Autoren gemeinsam geschrieben, die hier aufs Eindrucksvollste die Zerissenheit ihrer Generation, der neuen Kriegsgeneration der Jahrtausendwende spiegeln.

Kriegsgeneration, welch hässlich Wort! Sind wir Kinder der 1950er und 1960er, auch der frühen Siebziger doch elegant um diese extreme und tragische Entwicklung herumgekommen, jedenfalls ist den meisten von uns - sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten - die Nähe bpw. zum Falklandkrieg der 1980er oder auch den Kriegen der 1990er Jahre auf dem Golf und dem Balkan erspart geblieben. Doch hat sich im neuen Jahrtausend gleich in den ersten Jahren nicht nur durch 09/11 eine neue, aggressive Komponente eingeschlichen, die quasi die ganze Welt beeinflusst, Kriegsherde an gleich mehreren Stellen auf der ganzen Welt, in die vor allem die junge amerikanische Generation mit voller Wucht hineingezogen wurde, wenn auch in vielen Fällen eher zufällig. Inzwischen haben wir uns fast schon daran gewöhnt, dass Einheiten der NATO-Länder an allen Ecken und Enden der Welt stationiert sind, doch hier geht es um den Beginn des Jahrtausends, der Roman spielt hauptsächlich im Jahr 2004.

So ist es auch bei Mickey Montauk, der seit Jahren als Reservist gemeldet ist und dann doch nach Bagdad kommt, sogar einen ganzen Platoon befehligen muss. Dabei hat er gerade noch zusammen mit seinem Freund Hal Corderoy die coolsten Feste im hippen Seattle gegeben, als "die Enzyklopädisten" waren sie Trendsetter sowohl durch ihre ständig modifizierten Artikel auf Wikipedia wie auch durch ihre Happenings, die im Grunde stets wilde Partys waren. Ein klares Ziel, so schien es, hatten beide nicht vor Augen.

Doch Montauk wurde durch den Krieg schnell gezwungen, erwachsen zu werden, während Corderoy in seiner Planlosigkeit weiter dahindriftet. Der Kontrast zwischen der Ziellosigkeit in der Heimat und dem harten Alltag in Bagdad, bei dem man selten wählen kann und wo es stets um Leben und Tod geht, ist eindrucksvoll gespiegelt. Montauk muss Verantwortung übernehmen, Corderoy ist noch immer nicht bereit dazu.

Ein Roman über eine Welt, die vor einigen Jahren noch die unsere war und nun schon wieder in einem schnellen Wandel zu einer anderen, eher noch bedrohlicheren wird, auch dadurch, dass wir noch nicht wissen, was uns erwartet. Jedenfalls haben Terror und Gewalt seit Beginn des Jahrtausends nicht abgenommen, ganz im Gegenteil. Ein Phänomen, an das wir durch dieses Buch auf jeder Seite erinnert werden, wenn es auch ein wenig zu ausschweifend daherkommt, um als Ganzes wie eine Bombe einzuschlagen. Jedenfalls erzielt es bei mir eine solche Wirkung. Aber es ist auf jeden Fall ein Buch, das etwas Neues beschreibt, Ereignisse, die erst vor recht kurzer Zeit eine Rolle gespielt haben, auch wenn es womöglich schon in wenigen Jahren als historischer Roman zu lesen ist, so schnelllebig, wie es heute zugeht.

Ein Buch, das mich bewegt, aber nicht vollends gepackt hat, dafür war der starke Tobak dann doch zu schwere Kost. Wer jedoch die Zerissenheit einer - seiner? - Generation spüren will, der sollte sich durch dieses Werk kämpfen!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Mix aus Jodi Picoult und Sara Gruen

Das Geheimnis der Schwimmerin
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Es geht um ein Familiengeheimnis - warum nur sind die Frauen der Familie Watson seit Jahrhunderten immer ertrunken? Und zwar immer am 24. Juli? Simon, ein Nachfahre der Familie, findet ein altes Buch, ...

Es geht um ein Familiengeheimnis - warum nur sind die Frauen der Familie Watson seit Jahrhunderten immer ertrunken? Und zwar immer am 24. Juli? Simon, ein Nachfahre der Familie, findet ein altes Buch, das diese Geschichte erzählt. Vielmehr findet das Buch ihn - und kündet vom Geheimnis einer ganzen Familie, einer Familie im Schaustellermilieu.

Ein Roman um ein tief verborgenes Familiengeheimnis und das in einem aussergewöhnlichen Setting - damit stellt sich die Autorin Erika Swyler in die Tradition von Jodi Picoult, wobei sie thematisch näher an Sara Gruen rückt. Aber kann sie diese großen Fußstapfen - denn beide Genannten sind zweifelsohne Könnerinnen ihres Metiers -, in die sie tritt, tatsächlich ausfüllen?

Ich meine, nicht ganz, denn obwohl mir diese ruhige, ja gelassene Erzählweise sehr zusagt, fehlt es ihr, gerade auch im Vergleich zu den beiden anderen Autorinnen, an durchgängiger Spannung. Zudem geht es hier stellenweise ein wenig umständlich und behäbig zu - mich durchzuckte beim Lesen immer wieder der Gedanke, ob die Autorin jetzt endlich zum Punkt, sprich zum Thema findet. Dennoch ein netter Roman für zwischendurch - allerdings eher ein "Kann" als ein "Muss"!