Blitzlichter
Großer Bruder Zornnämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine ...
nämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine Reihe von Protagonisten umfasst: den Boxer Aris, die Verkäufer Serdar und Jessie, die Großes bzw. ihre kleine Tochter im Sinn haben. Und den Juwelier Heinz Hönow und der Flaschenfascho.
Merkwürdige Typen? Naja, alltägliche eben, sie markieren aber einen Ausschnitt aus einem bestimmten Milieu. Ein Leben im Weddinger Kiez, in dem die Menschen eigentlich nichts mehr erreichen werden, aber (noch) ihre Träume haben und teilweise auch zu leben versuchen. Wobei, Wedding - das könnte auch Köln-Kalk oder Bonn-Tannenbusch sein, zumindest von der Ansammlung der Protagonisten her - es sind eher die im unteren Spektrum des allgemein gültigen sozialen Rankings angesiedelten Mitbürger, um die es hier geht.
Die Sprache? Eine ganz eigene ist es, die Johannes Ehrmann hier gewählt hat, bzw. die ihn gewählt hat. Er berichtet ja schon länger aus dem Wedding (und würde meine obige Bemerkung zu KölnBonn möglicherweise nicht goutieren) und zwar in Form von Miniaturen, Spotlights, Blitzlichtern eben. Ein wenig ähnelt sein Schreibstil dem Vorgehen im Robert Altman-Film "Shortcuts" aus den 1980ern, in dem auch immer wieder abwechselnd kurze Sequenzen aus dem Leben bestimmter Figuren vorgeführt werden, die alle mehr oder weniger miteinander zu tun haben. Im vorliegenden Falle eher mehr: zumindest für die Dauer dieser hier thematisierten Woche - stehen sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Und das wird alles in einer Sprache, in einem Stil vorgetragen, der ganz eigen und für mich ein wenig schwierig ist. Diese hat mit Altman nichts zu tun, sondern mit den Bewohnern des Wedding. Ich muss gestehen, ich hatte Probleme, dem Buch zu folgen, es war für mich ein wenig sperrig. Ja, nicht meine Welt, aber sicher eine bemerkenswerte, die sich zu erlesen lohnt und die viele ansprechen wird. Ich empfand diese Kiez-Sprache, diese Umgangssprache bestimmter Zielgruppen als sehr anstrengend zu lesen.
Der Autor hat eine sehr eigene Art und vor allem eine Botschaft. Bei mir landet sie nur bedingt, was aber nicht bedeutet, dass ich das Buch nicht weiterempfehle. Allen, die sich ein Stück Leben aus dem Wedding sichern wollen, einen Einblick gewinnen - vor allem jedoch denjenigen, die Ehrmann bereits kennen, seine Miniaturen aus dem Leben zu schätzen wissen. Sie werden den Einblick in das Leben in Wedding in weitläufigerem, umfassenden Format sicher sehr genießen. Innovativ, anders, ganz eigenwillig - damit ist eigentlich klar, dass es nicht für jeden was ist. Für mich nicht unbedingt, aber vielleicht ja für Sie?