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Veröffentlicht am 27.07.2018

Blitzlichter

Großer Bruder Zorn
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nämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine ...

nämlich solche aus dem Leben diverser Bewohner des Wedding, hat Johannes Ehrmann wie kleine Perlen zu eine Roman, einer übergreifenden Geschichte zusammengefügt. Einer Geschichte, die eine Woche und eine Reihe von Protagonisten umfasst: den Boxer Aris, die Verkäufer Serdar und Jessie, die Großes bzw. ihre kleine Tochter im Sinn haben. Und den Juwelier Heinz Hönow und der Flaschenfascho.

Merkwürdige Typen? Naja, alltägliche eben, sie markieren aber einen Ausschnitt aus einem bestimmten Milieu. Ein Leben im Weddinger Kiez, in dem die Menschen eigentlich nichts mehr erreichen werden, aber (noch) ihre Träume haben und teilweise auch zu leben versuchen. Wobei, Wedding - das könnte auch Köln-Kalk oder Bonn-Tannenbusch sein, zumindest von der Ansammlung der Protagonisten her - es sind eher die im unteren Spektrum des allgemein gültigen sozialen Rankings angesiedelten Mitbürger, um die es hier geht.

Die Sprache? Eine ganz eigene ist es, die Johannes Ehrmann hier gewählt hat, bzw. die ihn gewählt hat. Er berichtet ja schon länger aus dem Wedding (und würde meine obige Bemerkung zu KölnBonn möglicherweise nicht goutieren) und zwar in Form von Miniaturen, Spotlights, Blitzlichtern eben. Ein wenig ähnelt sein Schreibstil dem Vorgehen im Robert Altman-Film "Shortcuts" aus den 1980ern, in dem auch immer wieder abwechselnd kurze Sequenzen aus dem Leben bestimmter Figuren vorgeführt werden, die alle mehr oder weniger miteinander zu tun haben. Im vorliegenden Falle eher mehr: zumindest für die Dauer dieser hier thematisierten Woche - stehen sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander. Und das wird alles in einer Sprache, in einem Stil vorgetragen, der ganz eigen und für mich ein wenig schwierig ist. Diese hat mit Altman nichts zu tun, sondern mit den Bewohnern des Wedding. Ich muss gestehen, ich hatte Probleme, dem Buch zu folgen, es war für mich ein wenig sperrig. Ja, nicht meine Welt, aber sicher eine bemerkenswerte, die sich zu erlesen lohnt und die viele ansprechen wird. Ich empfand diese Kiez-Sprache, diese Umgangssprache bestimmter Zielgruppen als sehr anstrengend zu lesen.

Der Autor hat eine sehr eigene Art und vor allem eine Botschaft. Bei mir landet sie nur bedingt, was aber nicht bedeutet, dass ich das Buch nicht weiterempfehle. Allen, die sich ein Stück Leben aus dem Wedding sichern wollen, einen Einblick gewinnen - vor allem jedoch denjenigen, die Ehrmann bereits kennen, seine Miniaturen aus dem Leben zu schätzen wissen. Sie werden den Einblick in das Leben in Wedding in weitläufigerem, umfassenden Format sicher sehr genießen. Innovativ, anders, ganz eigenwillig - damit ist eigentlich klar, dass es nicht für jeden was ist. Für mich nicht unbedingt, aber vielleicht ja für Sie?

Veröffentlicht am 27.07.2018

Bayerisches Original ermittelt in fremden Landen

Tante Poldi und die Früchte des Herrn
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Um genauer zu sein, auf Sizilien. Tante Poldi - ein strammes bayerisches Urgestein - hat es nämlich dorthin verschlagen, was nicht zuletzt mit Männern zu tun hat, nämlich mit ihrem zunächst geschiedenen, ...

Um genauer zu sein, auf Sizilien. Tante Poldi - ein strammes bayerisches Urgestein - hat es nämlich dorthin verschlagen, was nicht zuletzt mit Männern zu tun hat, nämlich mit ihrem zunächst geschiedenen, dann verstorbenen Ehemann, der von dieser Insel stammte, sich jedoch längst in München niedergelassen hatte.

Hier lebt die betagte, doch ausgesprochen lebensfrohe Dame nun und widmet sich ihren Leidenschaften, zu denen außer Männern und alkoholischen Getränken auch kriminalistische Ermittlungen zählen. Sie ist bereits in ihrem 2. literarisch verewigten Fall gelandet, in dem es zunächst "nur" um einen toten Hund, bald jedoch auch um eine ermordete Dame mit einem delikaten Beruf geht. Nein, nicht das, was sie meinen! Etwas ganz, ganz anderes, das jedoch auch zur Diffizilität eines Falles beitragen kann (und auch tut).

Dennoch, Tante Poldi reisst mich nicht vom Hocker und ihren ersten Fall - dessen Lektüre im Übrigen nicht unerlässlich ist, um den 2. Band zu verstehen - werde ich mir sicher nicht antun. Ich bin nämlich verwöhnt durch den niederbayerischen Eberhofer Franz, dessen Tante Poldi auch durchaus sein könnte, wenngleich sie für mich im Vergleich zu den Charakteren von Rita Falk ein wenig fad wirkt. Wobei, das ist sicher das Letzte, was der Autor mit der Schaffung dieser in jeder Hinsicht prallen und lebensfreudigen Figur beabsichtigt hat, doch bei mir ist es nicht so angekommen. Ich konnte mich nicht fasziniert auf diesen originellen und witzigen Fall einlassen, denn irgendetwas fehlte mir.

Das muss aber bei ihnen nicht sein, nicht jeder hält die Flagge der Rita Falk so hoch, dass er keine Götter neben ihr duldet und das sizilianische Setting hat durchaus was für sich. Probieren Sie es einfach mal, vielleicht finden Sie ja - im Gegensatz zu mir - uneingeschränkt Freude daran!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Eine Rückkehr zu ihren Wurzeln

Hell-go-Land
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bedeutet für Polizistin Anna Krüger der Arbeitsantritt in der Dienststelle auf Helgoland - dort, auf dem kleinen, sturmumtosten Eiland mitten im Meer ist sie aufgewachsen und es gibt irgendetwas in ihrer ...

bedeutet für Polizistin Anna Krüger der Arbeitsantritt in der Dienststelle auf Helgoland - dort, auf dem kleinen, sturmumtosten Eiland mitten im Meer ist sie aufgewachsen und es gibt irgendetwas in ihrer Vergangenheit, das sich auf der Insel ereignet hat und an das sie nicht gern zurückdenkt.

Tim Erzberg beschreibt die kleine Insel eindrucksvoll als isolierte, abgeschlossene Enklave - unheimlich und atmosphärisch kommt es rüber, auch als Anna und ihre Kollegen in einem Vermisstenfall ermitteln, der möglicherweise keiner ist. Das Setting, das Umfeld, alles sehr eindringlich und geheimnisvoll, doch leider habe ich keinen Zugang zu den Figuren gefunden.

So eindringlich die Schilderung der Insel, so wenig Leben haucht der Autor den Figuren ein. Für mich zumindest nahmen sie kaum Gestalt an, was es mir zunehmend erschwerte, der Handlung zu folgen. Doch das war nicht das Einzige: nein, es gab etwas, was mich noch viel mehr gestört hat und zwar der mehr als umständliche, ausgesprochen langatmige Schreibstil. Der Autor braucht schon eine Weile, bis er sich einer Beschreibung, einem Sachverhalt annähert - dies geschieht stets langsam und auf Umwegen. Mehrmals war ich drauf und dran, ihn anzutreiben, ihm zuzurufen "Komm endlich zur Sache! Spuck's aus!" Doch es hätte eh nichts geholfen, denn das Papier ist ja bereits beschrieben. Massen von Papier, gut die Hälfte davon hätte es auch getan und in Verbindung mit knackigerem Personal einen echt zündenen Regionalkrimi geboten. So ist es aus meiner Sicht nur was Halbherziges: Gute Ideen, die sich in Umständlichkeit verlieren. Nicht schlecht, aber eben auch nicht richtig gut, finde ich. Schade!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Ein Geheimnis

Die Verwandlung des Schmetterlings
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umgibt das tragische Leben des jungen Sam, nämlich das, warum seine Mutter ums Leben kam. Seitdem ist Sam ein Pflegekind unter vielen und hat zwar in Billy einen treuen Freund gefunden, doch das Leben ...

umgibt das tragische Leben des jungen Sam, nämlich das, warum seine Mutter ums Leben kam. Seitdem ist Sam ein Pflegekind unter vielen und hat zwar in Billy einen treuen Freund gefunden, doch das Leben ist nicht einfach, gibt es doch Orson, der ihnen das Leben schwer macht. Und auch ein Geheimnis mit sich rumträgt, das es zu ergründen gilt. Eine Kindheit in den 1980ern, die keine einfache ist. die jedoch durch das Auftauchen des faszinierenden Mädchens Miranda in der Nachbarschaft - auch sie nicht frei von Geheimnissen - bereichert wird. Sam, Billy und Miranda werden zum unschlagbaren Trio, doch können sie sich der Vergangenheit stellen?

Ich liebe geheimnisvolle Familienromane, vor allem, wenn sie wie der vorliegende auf verschiedenen Zeitebenen spielen und so griff ich voller Begeisterung zu dieser Neuerscheinung eines mir unbekannten Autoren. Kein Wunder, denn dies ist das erste Buch des 1975 geborenen argentinischen Autors Federico Axat, das ins Deutsche übersetzt wurde, insgesamt sein zweiter Roman, im spanischen Original 2013 erschienen. Und leider bestätigt er alle meine Vorurteile, die ich so gegen lateinamerikanische Autoren hege. Und zugegebenermaßen auch pflege, obwohl ich durchaus auf der Suche nach Büchern bin, die mir den Wind aus den Segeln nehmen, die mich meine Vorbehalte vergessen machen und die es natürlich auch jetzt schon gibt, bspw. teilweise die Werke der Chilenin Isabel Allende.

Aber leider ist die Sprache mir viel zu oft viel zu blumig und umständlich, wie es auch hier definitiv der Fall ist. Die Sätze mit den vielen Adjektiven ermüdeten mich, taten mir teilweise sogar weh. Und sie trugen definitiv nicht dazu bei, mir ein Bild vor Augen zu führen bspw. von den Figuren die beschrieben wurden. Ganz im Gegenteil, ich verlor die Lust.

Das so toll aufgebaute, spannungsreiche und vielschichtige Thema des Buches wurde also verbaut durch die Umständlichkeit der Schilderung. Sprache und Stil wirkten auf mich schwerfällig und ich bin sicher, dass der Autor alles andere bezweckte. Bei mir als Leserin ist dieser Roman - dem ich in Bezug auf Thema und Ansatz durchaus etwas abgewinnen kann - aber leider nicht so angekommen. Schade.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Alltagsgeschichten

Die Küche ist zum Tanzen da
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Kleine, dahingeworfen erscheinende Sequenzen sind es, die Marie-Sabine Roger hier auffährt - Episoden aus dem Alltag. Wobei, es sind eher Empfindungen, oft aus der Perspektive einer Figur, die durchaus ...

Kleine, dahingeworfen erscheinende Sequenzen sind es, die Marie-Sabine Roger hier auffährt - Episoden aus dem Alltag. Wobei, es sind eher Empfindungen, oft aus der Perspektive einer Figur, die durchaus auch mal einen Vogel haben oder aber einer sein kann, dargestellt. Es sind kleine Beiläufigkeiten, die oft in den Köpfen der Protagonisten vorgehen - das Innenleben wird hier dargestellt, eine Art von behutsamer Demaskierung findet statt. So könnte es tatsächlich abspielen hinter der glatten Stirn unseres oft zufälligen Gegenübers...

Eines haben die Geschichten gemeinsam - stets hat der letzte (Ab)Satz eine besondere Bedeutung, oftmals eine aufklärende, enthüllende, die uns erst den wahren Hintergrund verrät, das vorher Dargestellte quasi demaskiert.

Und die Autorin hat einen ganz eigenen Stil, gewissermaßen einen putzigen, mit dem ich aber nicht so richtig warm werde. Abgesehen davon, dass Erzählungen bzw. Kurzgeschichten, wie ich diese kleinen Darstellungen eher bezeichnen würde, nur in Einzelfällen mein Ding sind, bin ich auch nicht mit dem Stil der Autorin so richtig warm geworden, auch wenn es mir gefällt, dass sie ihr Auge, ihr Ohr und vor allem ihre Feder den unterschiedlichsten Wesen auf diesem Planeten widmet.

Mein Ding ist es nur bedingt, doch ich erkenne ganz klar an, dass die Autorin einen eigenen Weg geht und da müssten Sie schon selbst schauen, ob sie damit etwas anfangen können. Ganz klar sind diese Geschichten nämlich Geschmackssache.