Cassie will nicht
Zwei SchwesternDie 24jährige Cassandra Edwards hat keine Lust, zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith zu fahren, die bereits vor 9 Monaten den gemeinsamen Studienort Berkeley verließ und nun wieder aufgetaucht ...
Die 24jährige Cassandra Edwards hat keine Lust, zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester Judith zu fahren, die bereits vor 9 Monaten den gemeinsamen Studienort Berkeley verließ und nun wieder aufgetaucht ist - mit einem Ehemann im Schlepptau, irgendeinem durchschnittlichen Arzt, der - davon ist Cassie, wie sie genannt wird, überzeugt - ihrer hochmusikalischen und empfindsamen Schwester nicht das Wasser reichen kann, auch wenn sie ihn noch gar nicht getroffen hat.
Eine Rückkehr an die Stätte ihrer Jugend, das Wiedersehen der beiden Schwestern nach der für sie unglaublich langen Zeit - das klingt nach einem ruhigen, ereignislosen Plot, ist jedoch alles andere als das. Was zunächst sich ähnlich einem Theaterstück - einem echten Drama zwar, aber eher einem ruhigen Stück für Stück aufbaut, sich nacheinander entwickelt, daraus wird im letzten Drittel ein wahrer Sturm, sowohl in Bezug auf die Emotionen als auch auf die Ereignisse. Cassie will so Einiges nicht - aber läuft alles so, wie Cassie es will?
Dorothy Baker hat diesen Roman, der jetzt neu ins Deutsche übersetzt wurde, bereits 1962 geschrieben, jetzt ist er sowohl in den Staaten - versehen mit einem Nachwort des nicht unbekannten Autors Peter Cameron - neu herausgegeben worden und ich muss sagen: ein Glück. Dorothy Baker schreibt authentisch, witzig, lakonisch und ergreifend und bringt die Sichtweisen der beiden Schwestern gut zum Ausdruck, denn auch wenn Cassie die hauptsächliche Erzählerin ist, kommt Judith, genannt Judy, ebenfalls zu Wort- und dies alles zusammen ist sehr enthüllend. Das ganze Konstrukt macht deutlich, wo die einzelnen Charaktere eigentlich stehen, was sie treibt, wie die ganze Familie tickt. Ein Roman, der in seiner Dichte, mit seiner Botschaft noch heute überzeugt, auch wenn einige Details wie der neumodische Bikini oder das Anmelden eines Ferngesprächs aus heutiger Sicht in weiter Vergangenheit liegen - doch dies sind Rahmenbedingungen, die nur umso deutlicher machen, dass die geschwisterliche, ja insgesamt die familiäre Dynamik etwas Bleibendes, etwas Ewiges hat
Dem Lesenden offenbart sich ein tiefgehendes und durchaus vielschichtiges Charakterbild vor allem von Cassie, doch auch die Darstellung der anderen Akteure bleibt nicht an der Oberfläche - das Tableau, das sich schließlich als Gesamtbild auftut, ist erschüttert und aufrüttelnd - familienmäßig eben, aber auf eine ganz besondere Art.
Ein Roman, der wie bspw. die von Richard Yates, die ebenfalls posthum neu aufgelegt und teilweise erstmals ins Deutsche übersetzt wurde, in seiner literarischen Qualität zeitlos ist - und den man so schnell nicht vergisst!