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Veröffentlicht am 11.08.2018

Wer bleibt?

Der Wille zum Bösen
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In Dustin Tillmans Kindheit hat sich eine außerordentliche Tragödie ereignet. Seine Eltern und der Bruder seines Vaters und dessen Frau wurden brutal ermordet. Verurteilt wurde damals der knapp 18jährige ...

In Dustin Tillmans Kindheit hat sich eine außerordentliche Tragödie ereignet. Seine Eltern und der Bruder seines Vaters und dessen Frau wurden brutal ermordet. Verurteilt wurde damals der knapp 18jährige Adoptivbruder von Dustin. Allerdings gab es nie einen richtigen Beweis, dass er der Täter ist und nun dreißig Jahre später wird wegen der besseren forensischen Auswertungsmöglichkeiten festgestellt, dass Russell wohl nicht der Täter war. Dustin ist besorgt, wenn Russell es nicht war, wer war es dann? Diese Gedanken treten schnell in den Hintergrund, denn Dustins Frau erkrankt schwer an Krebs. Ein wenig Halt findet Dustin in seiner Psychotherapiepraxis, jedenfalls solange bis der seltsame Patient Aqil auftaucht.

Mit seinem furiosen Start fesselt dieser Thriller zunächst, alles geschieht so plötzlich und schnell, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte, man befürchtet etwas zu verpassen, wenn man nicht gleich weiterliest. Allerdings verfliegt dieser Eindruck etwas, wenn man feststellt, dass die selben Ereignisse aus Sicht verschiedener Personen beleuchtet werden. Das ist zwar ein interessanter Ansatz, nimmt dem Verlauf der Handlung allerdings einiges an Tempo. Die Neugier herauszufinden, was damals wirklich geschah, bleibt aber immer erhalten. Man versetzt sich in Dustins Position und spürt seine Besorgnis und seine Unsicherheit. Zusammen mit der Erkrankung seiner Frau und auch dem eigenartigen Einfluss Aqils gerät Dustins Leben völlig aus den Fugen.

Etwas zwiegespalten fühlt man sich nach der Lektüre dieses Thrillers, etwas viel bleibt der eigenen Interpretation überlassen. Gefällt einem das, wird man hier sicher einen herausragenden Roman vorfinden. Bevorzugt man eher eine eindeutige Lösung, fehlt einem möglicherweise etwas. Dann beginnt man zu rätseln, ob man den entscheidenden Hinweis nicht verstanden hat. Trotz der Passagen, die vieldeutige Interpretationen zulassen, fesselt dieser Roman in den meisten Bereichen. Die verschiedenen Positionen, aus denen der Autor berichtet, machen dabei einen großen Teil des Reizes des Buches aus. Unglückliche Umstände führen zu einer Familientragödie, die irgendwie nie aufhört, da kann man sich noch so in Sicherheit wiegen.

Ein packender Thriller, der vor allem zu Beginn besticht, aber dennoch bis zum Schluss mit Überraschungen aufwartet.

Veröffentlicht am 05.08.2018

Ein Ärgernis

Arrowood - In den Gassen von London
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sind diese elenden Lobhudeleien über Sherlock Holmes für den Privatdetektiv William Arrowood. Er, Arrowood, steht dem weitaus bekannteren Holmes in Nichts nach, einige Fälle hätte er sogar besser oder ...

sind diese elenden Lobhudeleien über Sherlock Holmes für den Privatdetektiv William Arrowood. Er, Arrowood, steht dem weitaus bekannteren Holmes in Nichts nach, einige Fälle hätte er sogar besser oder schneller gelöst. Aber er fristet sein Dasein als Nebenfigur der Ära Holmes. Arrowood hat auch keinen Chronisten wie sein berühmtes Nichtvorbild, sondern nur seinen Gehilfen Barnett. Als nun eine junge Französin auftaucht, die ihren Bruder vermisst, ergreift Arrowood die Chance, obwohl er es wieder mit seinem alten Feind zu tun bekommt. Zunächst einmal ist es Barnett, den er an die Front schickt, nicht ohne zu äußerster Vorsicht zu mahnen.

Eine coole Idee, daran zu erinnern, dass es neben dem Meister Sherlock Holmes auch noch andere gegeben haben könnte. Andere, die unter weniger günstigen Umständen leben, die weniger Hilfe von der Polizei bekommen, die vielleicht ebenso gut kombinieren können, zu denen aber nicht die Mandanten finden, die sie in die Presse bringen würden. Und da ist er nun dieser Arrowood, im Privatleben etwas gebeutelt, das Angesicht von der Natur nicht begünstigt und charakterlich ist ihm der Neid nicht fremd. Und doch hat er auch liebenswerte Züge, wenn es um den Straßenjungen Neddy geht, den er ein wenig unter seine Fittiche genommen hat. Auch für Barnett gibt es Momente, in denen die Grenzen zwischen Arbeitsverhältnis und guter Bekanntschaft verschwimmen.

Manchmal möchte man Arrowood schon mal durchschütteln, wenn er gar zu egoistisch ist, wenn er lieber in die Kneipe geht anstatt in sich. Dann wünscht man, würde über seine eigenen Unzulänglichkeiten nachdenken als über andere herzuziehen. Doch wie er nach und nach den Fall durchdringt, wie er seine Mandantin ein ums andere Mal entlarvt, wenn die Geschichten, die sie erzählt zwar logisch klingen, aber doch nicht der Wahrheit entsprechen, das hat schon was. Bedenkt man auch, dass es sicher nicht leicht ist, von besseren Zeiten zu wissen und nun von der Ehefrau verlassen worden zu sein und doch klarkommen zu müssen. Dann gewinnt Arrowood doch Respekt und Sympathie. Klug setzt er die Mosaiksteine zusammen und es entwickelt sich ein Fall, der es in sich hat. Der Autor vermag es mit seinen Worten eine kluge Schilderung des Londons des späten 19. Jahrhunderts abzugeben und gleichzeitig einen spannenden Krimi zu kredenzen. Aus der Konkurrenz mit Sherlock Holmes, von der dieser gar nichts weiß, bezieht dieser Roman seinen besonderen Reiz.

Mit Arrowood, Barnett und Neddy möchte man gerne noch so manchen weiteren Fall lösen.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Der Prozess

Die Sünden von Natchez
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Dr. Tom Cage hat sich in einem Nachbarbezirk gestellt, dort wartet er nun auf seinen Prozess. Immer noch ist der Verdacht nicht ausgeräumt, er könne seine ehemalige Geliebte Viola Turner ermordet haben. ...

Dr. Tom Cage hat sich in einem Nachbarbezirk gestellt, dort wartet er nun auf seinen Prozess. Immer noch ist der Verdacht nicht ausgeräumt, er könne seine ehemalige Geliebte Viola Turner ermordet haben. Sein Sohn Penn, der Bürgermeister von Natchez, versucht die Wahrheit ans Licht zu bringen. Was ist in der Nacht geschehen als Viola starb? Hat sein Vater bei der schwer kranken Frau Sterbehilfe geleistet oder sind nicht doch Mitglieder der Doppeladler, eine Organisation rassistisch eingestellter Weißer, für den Tod Violas verantwortlich? Diese haben ihr schließlich vor Jahrzehnten das Versprechen abgepresst, nie wieder nach Natchez zurückzukehren. Die Doppeladler mit ihren Beziehungen in die Behörden versuchen etliches, um Penn Cages Nachforschungen zu stören.

Mit diesem Band legt Greg Iles das Finale seiner Natchez Trilogie vor. Die Schlinge um Tom Cages Hals scheint sich immer weiter zuzuziehen. Und sein Sohn scheint nicht viel dagegen tun zu können. Sein Vater und dessen Anwalt kochen ihr eigenes Süppchen. Penn allerdings geht kleinsten Hinweisen nach, um die Unschuld seines Vaters zu beweisen und die Doppeladler endlich zu zerschlagen. Dabei sieht er sich und seine Familie großen Gefahren ausgesetzt, vor denen mitunter noch nicht einmal die Personenschützer ihn bewahren können.

Wie bedauerlicherweise immer wieder festzustellen ist, tuen sich Nationen schwer damit den herrschenden Rassismus zu überwinden. Hier geht es um die Ressentiments zwischen Weiß und Schwarz, die auch heute noch nicht vollständig überwunden sind. Natchez, die etwas heruntergekommene Südstaatenschönheit am Mississippi, bildet den idyllischen Hintergrund für eine Geschichte, die nur schwer zu ertragen ist. Was mussten Menschen erleiden nur ihrer Hautfarbe wegen und wie konnten sie andere berechtigt fühlen, diesen Leid zuzufügen, nur der Hautfarbe wegen. Deutlich macht der Autor klar, was der von dem verfehlten Rassismusgedanken hält und doch ist es nur ein kleiner Aufschrei, von dem man hofft, dass er wenigstens etwas bewirkt. Doch wahrscheinlich ist niemand frei davon, dem anderen skeptisch gegenüber zu stehen. Es gilt dagegen anzukämpfen und so vielleicht einen unbekannten Bruder oder eine Schwester zu finden und in diesen eine Bereicherung zu sehen.

Mit diesem spannenden und ehrlichen Roman führt der Autor seine Trilogie zu einem glaubwürdigen Abschluss.

Veröffentlicht am 24.07.2018

Brücke

Leere Herzen
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Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak erbringt Britta erfolgreich ganz besondere Dienstleistungen. In einer Art Praxis führen sie einen 12-Stufen-Plan mit Menschen durch, die selbstmordgefährdet sind. ...

Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak erbringt Britta erfolgreich ganz besondere Dienstleistungen. In einer Art Praxis führen sie einen 12-Stufen-Plan mit Menschen durch, die selbstmordgefährdet sind. Da Britta und Babak mit ihrer Tätigkeit sehr erfolgreich sind, hat Brittas Mann die Möglichkeit sein Start-up zu lancieren. Gemeinsam mit ihrer Tochter leben sie in ihrem Familienidyll in Braunschweig. Der Politik haben sie schon längst abgeschworen. Ganz anders ist da der Lebensplan von Brittas Freundin Janine und ihrer Familie. Ihr größter Wunsch ist ein Haus auf dem Land, wo sie sich wenigstens teilweise selbst versorgen können.

In einer nahen Zukunft angesiedelt ist der aktuelle Roman von Juli Zeh. Eine Zukunft, die erschreckend realistisch wirkt, in der die Menschen lieber eine Waschmaschine haben wollen als wählen zu gehen. Eigentlich eine blöde Umfrage, aber mit was für einem katastrophalen Ergebnis. Man hat die Freiheit zu wählen, wer einen regieren soll, und man nutzt sie nicht. Kein Wunder, dass das Land in dieser Zukunft von recht seltsamen Gestalten regiert wird. Es scheint als wolle das Volk einen sicheren Rahmen und ansonsten von der Politik nicht behelligt werden. Die Auswüchse in politischen Zielen, zu denen das führt, sind der Menge egal. Noch nicht einmal ein kleiner Anschlag vermag die Leute aufzurütteln. Britta und Babak sind allerdings alarmiert.

Eine schauderhafte Zukunftsversion, die hier vorgestellt wird, ausgehend von den heutigen Tagen, könnte man den Eindruck gewinnen, wir stünden tatsächlich vor einem Wechsel in die Richtung, die eigentlich nur der Phantasie der Autorin entspringen sollte. Allerdings hat sich diese anscheinend eingehend mit der Lage beschäftigt und sich tiefgreifende Gedanken gemacht, wohin das führen könnte. Die schweigende Mehrheit hat geschwiegen und die anderen sind wählen gegangen. Vielleicht aber haben auch die arrivierten Politiker sich unwählbar gemacht, sich zu weit von den wirklichen Problemen des Volkes entfernt. Kann dann eine Britta, mit ihrem Hintergrund, etwas zur Änderung beitragen? Und wäre es eine Änderung zum Besseren? Wird sie alles glauben, was ihr dargelegt wird? Welche Entscheidung wird sie treffen. Was man von diesem Roman mitnehmen kann, muss jeder für sich entscheiden. Doch sollte es sich jeder normal denkende Mensch zur Aufgabe machen, sich über das Mindeste in der Welt zu informieren und sich zu überlegen, ob er die freie Wahl wirklich aufs Spiel setzen möchte.

Veröffentlicht am 19.07.2018

Weiter Blick

Acht Berge
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Bereits als er noch ein Kind war nahm sein Vater ihn mit in die Berge. Er konnte nie schnell genug nach oben kommen. Pietro meint, jeder habe seine eigene Höhe. Sein Vater wollte immer ganz nach oben, ...

Bereits als er noch ein Kind war nahm sein Vater ihn mit in die Berge. Er konnte nie schnell genug nach oben kommen. Pietro meint, jeder habe seine eigene Höhe. Sein Vater wollte immer ganz nach oben, während seine Mutter sich eher auf den Almwiesen wohl fühlte. Die ersten Urlaube aus Mailand heraus führten die Familie in einen halb verlassenes Bergdorf. Dort lernt Pietro den nur ein paar Monate älteren Bruno kennen. Der Bergbauernbub zeigt Pietro eine andere Welt. Und gemeinsam mit dem Vater besteigen sie so manchen Berg. Doch die Zeit macht vor den Kindern nicht halt und ihre Wege entwickeln sich in unterschiedliche Richtungen.

Will der Vater durch die gemeinsamen Wanderungen mit seinem Sohn die Wanderungen ersetzen, die er mit dem früh verstorbenen Bruder seiner Frau unternommen hat? Ist er deshalb so rastlos? Pietro bleibt den Bergen immer verbunden, wenn auch auf andere Art und Weise. Zur Enttäuschung des Vaters bricht er sein Studium ab und wird Dokumentarfilmer. Sein Weg führt ihn dabei in die Bergwelten Nepals. Müsste sein Vater nicht so etwas wie Stolz empfinden. Sein Jugendfreund Bruno bleibt sehr heimatverbunden, neben seiner Arbeit als Maurer wird es sein Traum einen Bauernhof zu führen.

Kann der weite Blick von einem Bergwipfel verbinden oder auch entzweien? Es scheint als wolle der Autor dieser oder einer ähnlichen Frage nachgehen. Soll Pietro einen verwaisten Platz einnehmen? Will der dem Vater entfliehen, indem er sich verweigert? Und kommt er doch nicht von den Bergen los? Und welcher Platz kommt Bruno zu, der doch so erdverbunden scheint. Ist er vielleicht der wahre Träumer? Manchmal ist eher der Weg das Ziel. Und so bleiben etliche Schwingungen zwischen den handelnden Personen der Interpretation des Lesers vorbehalten. Diese offene Schreibweise regt die Phantasie an und gibt dem Roman einen gewissen Nachhall. Die einfühlsamen Beschreibungen des kargen Lebens in den Bergen geben dem Buch jedoch seinen eigentlichen Gehalt.