In einer Welt der Magie und des Fortschritts – zwischen Reichtum und Intrigen – offenbart sich eine gefährliche Verschwörung, die Rapgar vernichten könnte.
Mit seinem Roman „Das Sigel von Rapgar“ erschafft Alexey Pehov eine unglaublich vielseitige Welt, die in ihrer Komplexität das Potenzial hat, den Leser gefangen zu nehmen aber zugleich auch gnadenlos zu verwirren. Direkt zu Beginn des Buches wird man ohne Vorwarnung in die Handlung hinein geworfen. Nur wenige Dinge werden genauer erklärt und man wird mit Begriffen wie „Squagen Chause“, Skangher“ und „Kaga“ konfrontiert, ohne auch nur eine Vorstellung von diesen Wesen, Orten oder Organisationen zu haben. Man findet sich in einer völlig fremden Welt wieder und weiß anfänglich eigentlich gar nicht, von was der Protagonist eigentlich spricht. Es bleiben also lediglich die Optionen offen zu mutmaßen, einige Seiten zur Sicherheit noch einmal lesen (falls man vielleicht etwas einfach überlesen hat) oder geduldig warten. Denn erst im Verlauf der Geschichte fügen sich manche Indizien zusammen und man kann sich die gesamte Romanwelt versuchen bildlich vorzustellen. Dieser Umstand ist es jedoch, der es einem besonders im ersten Drittel unglaublich schwer macht, in die Geschichte hinein zu kommen. Ich habe ab einem gewissen Punkt einfach unglaublich langsam gelesen, weil ich immer wieder dachte, ich hätte wichtige Informationen überlesen – was , wie sich herausstellte, nicht der Fall war. Doch sobald man diese kritische Phase der Ahnungslosigkeit überstanden hat, findet man ich in einer beeindruckenden Welt wieder, die offenbar eine spannende Verschwörung für den Leser bereit hält und Spannung garantiert.
Denn mit der Figur des Xers Till er'Cartya hat sich Alexey Pehov übertroffen. Man darf bei dem jungen Luxer keinesfalls einen typischen Helden in schimmernder Rüstung erwarten, dem ein Verbrechen angehängt wurde und der nun seine Unschuld beweisen will. Obwohl Letzteres zwar zutreffen mag, so kann man Till er'Cartya zweifellos eher als Trinker, Lebemann und Frauenheld einstufen, wodurch er in vielen Punkten dem Bild eines edlen Protagonisten widerspricht. Immer wieder gab es Momente, in denen ich mich von seiner unerwarteten Art überraschen lassen musste und die Handlung für mich unvorhersehbar und überraschend verlief. Besonders Szenen, die in sehr enger Verbindung mit dem „Düsterschlächter“ – der in Rapgar sein Unwesen treibt – stehen, zeigen Tills ungewöhnliche Methoden und unheroischen Tricks. Doch mit den verstreichenden Kapiteln wird ebenso eine beeindruckende Charakterentwicklung deutlich. Till wird ernster und die ihm drohende Gefahr, die auch sein Umfeld betrifft, zwingt ihn Entscheidungen zu treffen, deren Konsequenzen ihn schwer belasten. Dennoch bleibt er seinem Ziel verbunden. Die erlittenen Rückschläge beeinflussen den jungen Luxer und zwingen ihn je nach Situation zu Anpassung oder Rebellion. Diese Aspekte sind es, die im Rückblick einen interessanten Verlauf bilden. Immer wieder wird jedoch auch von Tills 'früherem Leben' gesprochen. Der Xer war vor seiner Inhaftierung ein begnadeter Kartenspieler und sehr lebensfroh. Dieser Part wird zwar – wie erwähnt – immer wieder aufgegriffen, doch Details bleiben dem Leser meist verwehrt. Dadurch entsteht leider auch ein sehr verschwommenes Bild der Hauptfigur, die einige Fragen und lose Enden hinterlässt.
Neben Till sind aber ebenso seine zwei Amnen Stephan und die schweigsame Ángel zwei bedeutsame und interessante Charaktere, die unter allen Nebencharakteren besonders herausstechen. Amnen sind in Gegenstände eingeschlossene (dämonenartige) Wesen, die einem Xer oder einer Xera ihr Leben lang dienen müssen und besondere Fähigkeiten aufweisen. Da beide Amnen Tills in Waffen eingeschlossen wurden, ist mindestens einer von ihnen immer an Tills Seite. So ist es möglich, dass Till immer wieder Gespräche mit ihnen zu den entsprechenden Situationen führt, Theorien aufstellt oder man Wissen aus der Vergangenheit erfährt. Neben diesen Aspekt haben Stephan und Ángel aber auch Charakter, der Sympathien dem Leser hervorruft und man mit den beiden Dienern mitfiebert.
Andere Figuren haben jedoch bedeutend weniger Einfluss auf die Handlung. Besonders die im Klappentext hervorgehobene Erin hat eigentlich nur sehr wenige Auftritte. Auch Tills bester Freund Taler hat rückblickend zwar immer wieder viele Auftritte genossen, doch wirklich im Gedächtnis bleiben die wenigsten davon. So verhält es sich leider mit den meisten Figuren. Egal ob Tills 'Hausgespenst', seine Köchin, alte Freunde von der Uni oder Führungspersönlichkeiten Rapgars … es kommen Unmengen an Figuren in diesem Roman vor, doch diese haben meist nur sehr wenig Tiefe und geraten schnell in Vergessenheit. Dies hat eine leicht bedrückende Atmosphäre zur Folge, die immer wieder im Kontrast mit der sonst so detaillierten Welt des Autors steht.
Bewertung:
Ich persönlich hatte mit „Das Siegel von Rapgar“ einen etwas holprigen Start, die man – die oben erläutert – viele Begriffe und Aussagen nicht erklärt bekommt und sich vieles zusammenreimen muss. Obwohl es auf Dauer anstrengend zu sein scheint, war ich nach dem ersten Drittel der Geschichte endlich im Roman angekommen und konnte mich voll und ganz auf die Jagd nach dem Düsterschlächter einlassen. Die Art und Weise, wie Alexey Pehov seinen Protagonisten gestaltet und mit welchem Ideenreichtum, der an die zum Teil Steampunk artige Welt geschaffen hat, haben mich unglaublich fasziniert und eine interessante Atmosphäre geschaffen, die jedoch leider von vielen eindimensionalen Nebencharakteren etwas gedrückt wird.
Seine größte Stärke hat der Roman jedoch in seiner gnadenlosen Unvorhersehbarkeit. Bei dieser Geschichte viel es mir wirklich schwer, den „Düsterschlächter“ zu identifizieren, kommende Handlungsstränge zu erahnen und wichtige Spuren herauszufiltern. Der konstante Spannungsbogen, der dabei entsteht, hat mich eindeutig für sich gewonnen!
Alles in Allem ist Alexey Pehovs Roman „Das Siegel von Rapgar“ mit seiner gewaltigen Welt und ungewöhnlichen Methodik die perfekte Geschichte für Steampunk und Fantasy Fans, solange man darauf verzichten kann, alles von Beginn an erläutert zu bekommen und die Geduld besitzt, der Handlung die nötige Zeit zu geben.
8/10 bzw. 4/5 Sterne
★★★★★★★★☆☆
PS Ich möchte mich bei Piper Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplar und die daraus resultierende Unterstützung meiner Arbeit bedanken. Dieser Umstand hat jedoch keine Auswirkung auf meine hier dargelegte persönliche Einschätzung des Werkes.