Ein fesselnder Krimi aus der Nachkriegszeit
Vergessene SeelenFrank Goldammer entführt uns in seinem dritten Fall für Max Heller in das Jahr 1948, genauer gesagt in den brütend heißen Sommer Dresdens. Er wirkt, ob der Temperaturen, der Mangelernährung und der vielen ...
Frank Goldammer entführt uns in seinem dritten Fall für Max Heller in das Jahr 1948, genauer gesagt in den brütend heißen Sommer Dresdens. Er wirkt, ob der Temperaturen, der Mangelernährung und der vielen kleineren und größeren Gaunereien, denen die Polizei nachgehen muss, die aber häufig ergebnislos enden, erschöpft. Dazu kommen noch seine persönlichen Dämonen, von denen er beinahe jede Nacht geplagt wird. Einziger Lichtblick ist die Anwesenheit von Annie, jenem kleinen Mädchen, das er im Vorgängerband „Tausend Teufel“ bei den „Heidenkindern“ aufgelesen hat und das nun als Pflegekind bei ihm und seiner Frau Karin lebt.
Gerüchte über eine Währungsreform in der Trizone machen die Runde und Sohn Erwin, der im Westen Deutschlands geblieben ist, schickt Lebensmittelpakete in denen Münzen der Reichsmark versteckt sind. In dieser aufgeheizten Stimmung muss sich Heller mit einem augenscheinlichen Arbeitsunfall bei der Bahn, einem in einem Schacht Ertrunkenen und einem toten Kind herumschlagen. Bei allen drei Toten ist Fremdverschulden nicht ganz auszuschließen.
Seine Ermittlungen führen ihn in die Schule des toten Jungen, in der mehr Fragen offen bleiben als beantwortet werden. Auch die Eltern des Kindes reagieren äußerst seltsam. Der als gewalttätig bekannte Vater gerät ins Visier von Heller, zumal nicht nur das tote Kind Misshandlungsspuren aufweist.
Während Max Heller akribisch versucht gegen die Mauern des Schweigens anzukämpfen, eröffnet sich eine neue Front: Klaus, sein und Karins zweiter Sohn, scheint in der russischen Kriegsgefangenschaft einer Umerziehung ausgesetzt gewesen zu sein und hat den Terror des Nazi-Regimes gegen das Unrecht des Kommunismus getauscht. In seiner Funktion als Mitglied einer politischen Polizei, kreuzt er immer wieder die Wege seines Vaters und torpediert dessen Ermittlungen.
Max Heller selbst hat es Zeit seines Lebens vermeiden können, irgendeiner Partei beizutreten, auch wenn ihm das den einen oder anderen Vorteil brächte. Den neuen Machthabern steht er genauso kritisch gegenüber wie den alten. Immer wieder stößt er auf Nazis, die ihr Gedankengut weiterpflegen. „Viele glaubten den Berichten über die Gräuel der Nazis nicht und hielten das für Russenpropaganda. Dabei waren sie bereit gewesen, der Nazipropaganda bis in den Untergang zu folgen.“
Meine Meinung:
Autor Frank Goldammer ist es wieder gelungen, ein authentisches Abbild der damaligen Zeit zu erschaffen. Die Leser können die angespannte Lage, die Gerüchte über die Währungsreform, die mangelhafte Versorgung mit Gütern des täglichen Lebens und die gefährliche politische Situation gut darstellen. Wie schon in der Nazi-Zeit blüht das Denunziantentum. Wieder werden Leute aufgrund von Gerüchten verhaftet und manche von ihnen verschwinden auf immer. Der Autor lässt uns an Max Hellers Gedanken hierzu teilhaben.
Die Ermittlungen gestalten sich als schwierig, was auch den Interventionen Klaus‘ zu verdanken ist. Doch max Heller geht unbeirrt seinen Weg. Sein Bauchgefühl bringt ihn allerdings wiederholt in gefährliche Situationen. Der Showdown ist äußerst fesselnd. Die überraschende Auflösung zeigt, dass grundsätzlich mit allem gerechnet werden muss.
Frank Goldammer legt großes Augenmerk auf die Charaktere seiner Figuren. Sie sind niemals nur gut oder nur böse. Selbst der so scheinbar integre Max Heller hat seine dunklen Seiten. Gut, die quälen ihn ja schon seit dem ersten Band („Der Angstmann“). Doch nun werden Teile davon offen gelegt. Ich bin schon auf die Weiterentwicklung der Protagonisten gespannt. Band vier („Der rote Rabe“) erscheint im Dezember und wird vermutlich den Riss, der wegen der unterschiedlichen Söhne durch die Familie geht, näher beleuchten. Ob Max und Karin in den Westen gehen werden? Noch ist ja die Möglichkeit.
Fazit:
Sprachlich wie dramaturgisch ist Frank Goldammer wieder ein fesselnder Krimi gelungen, der die damalige Zeit quasi in 3D wiederauferstehen lässt. Gerne gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung für die ganze Reihe.