Cover-Bild Lempi, das heißt Liebe
(6)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
21,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Sonstiges
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 224
  • Ersterscheinung: 23.07.2018
  • ISBN: 9783446260047
Minna Rytisalo

Lempi, das heißt Liebe

Roman
Elina Kritzokat (Übersetzer)

Der junge Bauernsohn Viljami hat sich in Lempi, die Tochter des Ladenbesitzers aus der kleinen Stadt Rovaniemi in Lappland, verliebt. Hals über Kopf heiraten sie, und Lempi, der das Landleben fremd ist, zieht zu Viljami auf den Hof. Um sie zu entlasten, stellt ihr Mann die Magd Elli ein, die insgeheim selbst gern an seiner Seite wäre. Nach einem einzigen glücklichen Sommer wird Viljami 1943 zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zurückkehrt, ist die Stadt zerstört und Lempi verschwunden. Dass sie wie ihre Zwillingsschwester mit einem Offizier nach Deutschland gegangen sei, kann er sich nicht vorstellen. Vielschichtig, emotional und mitreißend erzählt Minna Rytisalo in ihrem Debütroman von der Liebe.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.06.2020

Liebe in mehreren Facetten

0

Dieser Roman ist ein Liebesroman einer ganz besonderen Art.
Im Mittelpunkt steht die Finnin Lempi, deren Name übersetzt Liebe bedeutet. Von Anfang an wissen wir, dass sie nicht mehr am Leben ist. Drei ...

Dieser Roman ist ein Liebesroman einer ganz besonderen Art.
Im Mittelpunkt steht die Finnin Lempi, deren Name übersetzt Liebe bedeutet. Von Anfang an wissen wir, dass sie nicht mehr am Leben ist. Drei Personen aus ihrem Umfeld erzählen in direkt an sie gerichteter Ansprache von ihrer Beziehung zu ihr.
Im ersten Teil kommt der Bauer Viljami zu Wort. Für ihn war die gebildete und aus einer Kaufmannsfamilie abstammende Lempi die Liebe seines Lebens und er hat sie sehr überstürzt geheiratet und zu sich auf den Hof geholt. Nur wenige gemeinsame Monate waren ihnen vergönnt, bis er als Soldat im Zweiten Weltkrieg einberufen wird. Ihm wird dann zugetragen, dass Lempi mit einem Deutschen fortgegangen sein und verstorben sein soll. Nach seiner Rückkehr auf den Hof ist er voll der Trauer und des Unverständnisses.
Es schließt sich die Sicht der Magd Elli an, die voller Missgunst gegenüber der von ihr für unpraktisch veranlagt und versnobbt gehaltenen Lempi ist und die selbst gerne die Rolle der Bäurin an Viljamis Seite hätte. Sie streut Gerüchte und hat mit Lempis Verschwinden zu tun.
Als letztes erzählt Lempis Zwillingsschwester Sisko über ihre innige Beziehung zueinander und ebenso über ihr eigenes schweres Los. Sie geht mit einem deutschen Wehrmachtsoffizier nach Deutschland, wird dort aber sitzen gelassen. Zurück in ihrer Heimat Finnland gilt sie lange Jahre als Landesverräterin und Hure und wird diskriminiert. Sie richtet ihr Leben so aus, wie sie meint, es Lempi schuldig zu sein.
Alle drei Perspektiven fügen sich zu einem Ganzen, wenngleich viele Fragen nicht abschließend beantwortet werden und manches vage bleibt. Sprachlich ist in jedem Teil ein anderer Stil vorzufinden, passend zum jeweiligen Erzähler. Viljamis Teil ist sehr gefühlvoll geschrieben, Ellis schlicht und wütend, Siskos eher sachlich. Für mich selbst war die Geschichte geschichtlich sehr lehrreich, weil mir die Rolle Finnlands und sein Verhältnis zu Deutschland im Zweiten Weltkrieg bislang nicht so bewusst waren.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2018

Man erfasst einen Menschen nie ganz

0

Wer war Lempi und was ist mit ihr geschehen? Zu Beginn erscheint sie verschwommen wie die Frau auf dem unscharfen Cover, das hervorragend zu diesem Roman passt. Drei Personen erzählen in der Du-Perspektive ...

Wer war Lempi und was ist mit ihr geschehen? Zu Beginn erscheint sie verschwommen wie die Frau auf dem unscharfen Cover, das hervorragend zu diesem Roman passt. Drei Personen erzählen in der Du-Perspektive und im Präsens über sie: ihr Mann Viljami, mit dem sie ein halbes Jahr bis zu seiner Einberufung zusammengelebt hat, ihre Magd Elli und ihre Zwillingsschwester Sisko. Mit jeder Stimme wird das Bild schärfer – und doch hat Sisko sicher recht: „Man erfasst einen Menschen nie ganz.“

Das ausgezeichnete Nachwort der Übersetzerin Elina Kritzokat hilft bei der historischen Einordnung des Romans, denn über das Schicksal Lapplands im Zweiten Weltkrieg wusste ich leider wenig. Um sich nach dem Winterkrieg gegen Russland 1939 und dem Verlust von Teilen Ostkareliens vor weiteren russischen Angriffen zu schützen, ging Finnland von 1941 bis 1944 eine Waffenbruderschaft mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich ein. Finnen und Deutsche lebten und kämpften gemeinsam, bevor sie 1944 zu Feinden wurden. Finninnen, die sich mit Wehrmachtssoldaten eingelassen hatten, waren nun plötzlich Huren und Landesverräterinnen, ihre Kinder Bälger.

Während Sisko sich in einen Deutschen verliebt und von einer Zukunft in Hamburg träumt, will Lempi lieber einen Mann, der am Leben ist und Finnisch spricht. Sie, die temperamentvolle, mutige Kaufmannstochter mit Abitur heiratet mehr oder weniger zufällig den jungen Bauern Viljami und zieht nach Pusuoja am See Korvasjärvi. Der traut seinem Glück kaum, stellt die Magd Elli ein und verbringt einige traumhafte Monate mit Lempi auf seinem Hof. Als er seine Einberufung erhält, bleibt die schwangere Lempi mit der Magd auf dem Hof zurück. Er sieht seine Frau nie wieder, denn als er äußerlich unversehrt, aber durch die Nachricht von Lempis Verschwinden als gebrochener Mann zurückkehrt, findet er nur seinen Sohn Aarre, Lempis Pflegekind Antero und die Magd Elli vor.

Die drei Erzählstimmen des Romans liefern ganz unterschiedliche Perspektiven. Viljami berichtet in anrührender Weise über sein unfassbares Glück und die anschließende tiefe Verzweiflung und Trauer, Ellis legt ein Zeugnis des Hasses und der Eifersucht ab und präsentiert eine ganz andere Lempi, eine „nichtsnutzige Stadtgöre, verwöhnte, faule, wichtigtuerische „Samtsaumschlampe“, und Sisko, die elf Minuten jüngere Schwester, erzählt als alte Frau im Rückblick von der gemeinsamen Jugend und der innigen Verbundenheit, aber auch Rivalitäten, bis sie sich beide für so ganz unterschiedliche Männer entschieden. Ihr Bericht umfasst den größten Zeitraum und ist zugleich ein berührendes Dokument über das Schicksal der finnischen Wehrmachtsbräute.

Lempi, das heißt Liebe“ ist ein vielschichtiger Roman mit immer neuen überraschenden Wendungen, raffiniert aufgebaut und großartig erzählt. Es lohnt sich, nach dem Ende einige Stellen nochmals zu lesen, denn ich habe manches Detail erst beim zweiten Mal voll und ganz verstanden. Je mehr ich über Lempi erfuhr, deren Name im Altfinnischen „Liebe“ bedeutet, desto faszinierter war ich von diesem Debütroman der 1974 geborenen finnischen Bloggerin und Autorin Minna Rytisalo, die dafür zu Recht in ihrer Heimat mit Preisen bedacht wurde. Die Verflechtung individueller Schicksale vor dem Hintergrund der finnischen Geschichte ist großartig gelungen und eindeutig eines meiner Lesehighlights 2018.

Veröffentlicht am 06.10.2018

Ein Roman mit emotionaler Wucht

0


Um den geschichtlichen Hintergrund des Buches besser einordnen zu können, ist es meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, vor Lektüre des Romans zuerst das sehr informative Nachwort der Übersetzerin zu ...


Um den geschichtlichen Hintergrund des Buches besser einordnen zu können, ist es meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, vor Lektüre des Romans zuerst das sehr informative Nachwort der Übersetzerin zu lesen. Es half mir, das besondere Verhältnis zwischen Finnen und Deutschen während und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und damit die erzählten Geschehnisse besser einordnen zu können
.
Viljami, ein junger Bauernsohn, verliebt sich in Lempi, die beschützte und gebildete Tochter eines Ladenbesitzers aus einer kleinen Stadt im finnischen Lappland. Nach einer überstürzten Heirat zieht Lempi, die keinerlei Ahnung hat vom Landleben und der harten Arbeit dort, auf den Hof zu Viljami. Ihr zur Seite gestellt wird als Hilfe Elli, die Magd, die tief in ihrem Innersten am liebsten an Lempis Stelle wäre. Nach wenigen Monaten gemeinsamen Glücks wird Viljami zum Kriegsdienst eingezogen. Als er zurückkehrt, seelisch gebrochen, ist Lempi verschwunden.

Der Roman kommt ganz schlicht daher. Und hat doch eine Wucht, die schwer zu beschreiben ist. Die Autorin hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, uns Lempi näher zu bringen, wobei sie uns am Ende des Romans sogar noch ferner ist als zu Beginn des Buches. Aus drei verschiedenen Perspektiven werden uns Lempi und ihr Leben geschildert. Zunächst erzählt Viljami mit den Augen einer tiefen Liebe. Er ist vom ersten Augenblick an Lempi verfallen, und mit ihr zu leben ist sein größtes Glück, ja sein Lebensinhalt. Intensiv und ergreifend wird die kurze Zeit des Glücks und die ewig während scheinende Zeit des Verlusts geschildert. Lempi wird auf eine durch Liebe verklärende Weise schier engelsgleich nahegebracht. Dann erfolgt die Erzählung aus der Sicht von Elli, der Magd. Hier begegnet dem Leser mit schmerzender Gewalt die Kraft des Hasses, der Eifersucht, des Neids. Lempi erscheint uns in diesem Erzählstrang als untaugliche, unnütze, eitle und ihres Glücks nicht würdige Frau. Zuletzt kommt noch Sisko, die Schwester, zu Wort. Wir erfahren viel über das enge Verhältnis der Schwestern vor der Hochzeit Lempis, von ihren gemeinsamen Zukunftsträumen. Lempi wirkt hier in ihrem unabhängigen Denken, in ihren Gesten wie eine mutige Leitfigur, der es gilt nachzustreben.

Das alles ist Lempi und vielleicht doch nichts wirklich von alldem. Sie selbst kommt nicht zu Wort. Selten wurde mir deutlicher vor Augen geführt, wie Meinungsbildung funktioniert und zu welchen Irrtümern oder eingeschränkten Sichtweisen subjektive Wahrnehmung führt. Der eindrücklich Roman ist verpackt in schlichten Sätzen, und doch lyrisch-poetisch, schmerzend schön, hart und weich zugleich, mit emotionaler Wucht packend und lange nachwirkend. Absolut lesenswert!



Veröffentlicht am 06.08.2018

Lempi...

0

Die Bauersfrau Lempi soll in den Wagen eines Deutschen Offiziers gestiegen sein. Doch Viljami, der Mann der mit ihr einen einzigen wundervollen Sommer verbracht hat, kann dies nicht glauben. Die eifersüchtige ...

Die Bauersfrau Lempi soll in den Wagen eines Deutschen Offiziers gestiegen sein. Doch Viljami, der Mann der mit ihr einen einzigen wundervollen Sommer verbracht hat, kann dies nicht glauben. Die eifersüchtige Magd Elli, welche die Position von Lempi einnehmen möchte, kümmert sich in der Abwesenheit von den Eltern um die Kinder von Viljami und Tempi und möchte dies benutzen um Lempis Platz einzunehmen. Lempis Zwillingsschwester Sisko

Der Schreibstil dieses Buches ist sehr speziell. Mit seiner unglaublich lebhaften und ergreifenden Natur zieht er den Leser von der ersten Seite mit sich mit. Ich habe lange nicht mehr ein Buch gelesen welches mich so fesseln konnte.
Das Buch ist in drei Perspektiven aufgeteilt der erste Teil ist aus Lempis Mann Viljamis Sicht geschrieben. Der zweite Teil ist aus der Sicht von der eifersüchtigen Magd Elli geschrieben und der dritte und letzte Teil ist aus Lempis Schwester Siskos Sicht geschrieben.
Schon diese Aufteilung macht das Buch spannend, jede Person hat eine andere Verbindung zu Lempi und andere Erinnerungen. Alle Perspektiven sind so geschrieben als ob die Person mit Lempi sprechen und ihr die gemeinsame Geschichte erzählen würden. Dieser Stil hat es mir besonders angetan und hat mich gepackt.
Die Protagonisten sind alle sehr real, und könnte es wirklich gegeben haben.

Dieses Buch ist einfach atemberaubend schön in der Geschichte als auch den Schreibstil und den Protagonisten. Ein richtiges Meisterwerk wo ich kaum erwarten kann die nächsten Bücher der Autorin zu lesen.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Eine stille Geschichte, die mit emotionaler Wucht überzeugt

0

Viljami lebt und arbeitet als Bauer in Lappland zur Zeit des 2. Weltkriegs. Als er in der kleinen Stadt Rovaniemi Lempi erblickt, die Tochter eines Ladenbesitzers, verliebt er sich sofort in sie. Kurz ...

Viljami lebt und arbeitet als Bauer in Lappland zur Zeit des 2. Weltkriegs. Als er in der kleinen Stadt Rovaniemi Lempi erblickt, die Tochter eines Ladenbesitzers, verliebt er sich sofort in sie. Kurz darauf heiraten die beiden und Lempi zieht zu Viljami auf den Hof. Als Unterstützung für Lempi holt er die Magd Elli ins Haus. Doch nach nur einem Sommer wird Viljami zum Kriegsdienst eingezogen. Dass Lempi schwanger ist erfährt er erst, als er schon an der Front kämpft. Als der psychisch versehrte Viljami schließlich gen Heimat aufbricht, weiß er aus Briefen, dass Lempi verschwunden ist. Was bleibt ihm ohne sie?

Das Cover zeigt hinter dem Titel eine Frau mit rotem Oberteil und grünem Rock. Sie tritt vor dem weißen Hintergrund deutlich heraus, ist aber nur verschwommen zu erkennen. Das könnte ein Sinnbild für die Abwesenheit Lempis sein, die in diesem Buch die zentrale Rolle spielt, ohne selbst zu Wort zu kommen.

Die ersten Seiten des Romans liefern Bruchstücke, die in Kombination mit späteren Informationen ein Bild ergeben. Der Prolog schildert das Eintreffen einer Frau, drei danach abgedruckte Briefe von Elli an Viljami berichten von Lempis Verschwinden – erst soll sie mit einem Deutschen mitgefahren sein, dann heißt es, sie sei tot. Als Viljami schließlich das Wort ergreift, begegnet der Leser einem von Verlust und Krieg gebrochenen Mann. Er befindet sich auf dem Weg in die Heimat, dabei lässt er sich viel Zeit und flüchtet sich in Erinnerungen aus besseren Tagen, vor die sich immer wieder das schmerzliche Erkennen schiebt, dass all das verloren ist.

Beim Lesen von Viljamis Worten spürte ich seinen Schmerz und wie bittersüß jede einzelne Erinnerung an Lempi für ihn ist in jeder Zeile. Das Buch besitzt eine emotionale Dichte, die mich seine Verzweiflung und innere Leere spüren ließ. Er berichtet von der ersten Begegnung, der Hochzeit und vielen glücklichen Momenten, aber auch von seinem Abschied, den sehnsuchtsvollen Briefen aneinander und der Zeit im Lazarett. Seine Gedanken springen hin und her, wollen schöne Momente festhalten und landen wieder in seinem trostlosen Jetzt.

Nach Viljami kommen zwei Frauen zu Wort, die das Bild von Lempi ergänzen. Die Magd Elli ist mit Lempis zwei Söhnen – der eine leiblich, der andere aufgenommen – schon wieder zurück auf dem Hof. Sie wartet auf die Rückkehr Viljamis, der endlich erkennen soll, dass eigentlich sie die richtige Frau für ihn ist. Ihre brennende Eifersucht auf Lempi ist mehr als offensichtlich. Was weiß sie über ihren Verbleib? Lempis Schwester Sisko erinnert sich insbesondere an die Zeit vor ihrer Hochzeit, als die beiden noch im selben Zimmer schliefen und sich die Zukunft ausmalten. Ihr Schicksal ist exemplarisch für das vieler Frauen aus Lappland, die sich in einen Deutschen verliebten. Trotzdem bleibt ihr Weg eng mit Lempis Geschichte verknüpft.

Jeder der drei Erzählenden hat ein ganz anderes Bild von Lempi und es bleibt dem Leser überlassen, aus den subjektiven Beschreibungen ein möglichst objektives Bild von dieser abwesenden Figur zu extrahieren. Was für ein Mensch ist das, dem so starke Liebe und gleichzeitig so enormer Hass gilt? Die Autorin lässt den Leser tief ins Innenleben der drei Lempi umkreisenden Akteure blicken und gibt ihnen jeweils eine ganz eigene, starke Stimme. Mich überzeugte der Roman vor allem mit seiner emotionalen Wucht, die mich beim Lesen dieser stillen Geschichte traf. Ich gebe eine klare Leseempfehlung.