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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.08.2018

Liebesgeschichte aus dem 18 Jahrhundert

Königskinder
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Alex Capus neuer Roman ist zwar kurz, aber es steckt, wie von diesem Autor gewohnt viel drin!
Das Buch ist einerseits dialogbetont, mit einigem Wortwitz, andererseits ist auch ein groß angelegter erzählerischer ...

Alex Capus neuer Roman ist zwar kurz, aber es steckt, wie von diesem Autor gewohnt viel drin!
Das Buch ist einerseits dialogbetont, mit einigem Wortwitz, andererseits ist auch ein groß angelegter erzählerischer Ansatz vorhanden.

Gegenwart: Max und Tina bleiben mit ihrem Auto im Schnee der Berge stecken. Eine erschreckende Vorstellung für mich, aber die beiden bleiben gefasst. Max beginnt, eine Geschichte zu erzählen.
Es ist 1779. Man lernt Jakob und sein Leben kennen. Und seine Liebe zu Marie. Eine geschickt erzählte und stimmungsvolle Geschichte, die ruhig erzählt wird.
Es stehen ihrer Verbindung aber Widerstände entgegen. Die Königskinder sind ein Kuhhirt und eine Bauerntochter. Das ist ein erheblicher Standesunterschied und Maries Vater ist gegen die Verbindung. Nach nur kurzer Zeit müssen sie sich trennen. Jakob meldet sich für Jahre zum Militärdienst. Aber sie vergessen einander nicht. Sie gehören einfach zusammen.
Es wird eine tiefe und feste Beziehung.
Einn weitere wichtige Figur ist die Prinzessin Elizabeth. Sie wird als Königskind noch sehr wichtig für unsere Königskinder.

Diese Erzählweise funktioniert, da Tina als Zuhörerin zwischendurch Fragen stellt und der Text dadurch reflektiert wird. Diese Erzählform kombiniert mit Alex Capus unaufgeregter Art ergibt einen wirklich schönen Stil, der mir sehr gefällt.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Die Suche nach den seltenen Blumen

Der Blumensammler
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Der Blumensammler ist ein angenehm zu lesender, aber nicht zu unterschätzender Roman mit 2 zeitlich versetzten Handlungsebenen. Erfreulicherweise kann man sagen, dass beide Handlungsebenen gleichwertig ...

Der Blumensammler ist ein angenehm zu lesender, aber nicht zu unterschätzender Roman mit 2 zeitlich versetzten Handlungsebenen. Erfreulicherweise kann man sagen, dass beide Handlungsebenen gleichwertig sind. Das ist nicht bei jedem Buch so. Oft hat man einen Favoriten und langweilt sich bei dem anderen. Hier ist es nicht so, auch weil beide Ebenen eine starke Hauptfigur haben: Dove (London, Gegenwart) und Peter Manyweathers (New York, ab 1983).
Auffällig, wie unterschiedlich die Stimmungen der beiden Handlungsstränge sind. Die Abschnitte mit Dove sind eher dunkel gefärbt und von Verlust geprägt, die mit Peter sind bei aller Abenteuerlichkeit ruhiger.

David Whitehouse überzeugt durch die Entwicklung seiner Figuren. Dove arbeitet in einem Callcenter für Notfälle. Er wird häufig von fremden Erinnerungen durchflutet, auch von denen von Peter, der sich sehr für seltene Blumen interessiert. Um diese nahezu ausgestorbenen Blumen zu finden, reist er mit seinem Freund Hens sogar nach China, Gibraltar, Chile und in andere Länder. Oft ist das nicht ungefährlich.
Als Leser fragt man sich, wie die beiden Handlungsstränge zu einander geführt werden. Das ergibt einen spannenden Plot.
Mit Professor Cole gibt es sogar noch einen dritten Handlungsstrang, der die ersten beiden zusammenführt.

Es gibt auch gut charakterisierte Nebenfiguren wie Len und Maud, die Dove als Kind adoptierten oder Peters Schwester Susan und seine Assistentin.

Der Roman heißt im Original The Long forgotten und wurde von Dorothee Merkel übersetzt, die schon bemerkenswerte Bücher von Nickolas Butler, Peter Nichols und John Banville übersetzte und nach meinem Eindruck auch hier gute Arbeit leistete, den eine stimmungsvolle Sprache bleibt erhalten.

Dieses Buch zu lesen hat einfach Spaß gemacht!

Veröffentlicht am 11.08.2018

Anspruchsvoller Beziehungsroman

Uns gehört die Nacht
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Ein Roman, der das Leben und die Beziehung eines jungen, ungleichen Paares in den USA der späten Achtziger Jahre zeigt. Jamey ist Student in Yale und Sohn reicher Eltern. Elise stammt aus dem Ghetto, hat ...

Ein Roman, der das Leben und die Beziehung eines jungen, ungleichen Paares in den USA der späten Achtziger Jahre zeigt. Jamey ist Student in Yale und Sohn reicher Eltern. Elise stammt aus dem Ghetto, hat nicht einmal einen High School-Abschluß, doch sie ist selbstbewusst und mutig. Das die beiden ein Paar werden, ergibt sich mehr aus Zufall, aber es ist keine einfache Beziehung, denn die sozialen Unterschiede müssen überwunden werden.
Als Leser ist man weniger dicht an den Figuren dran als erwartet. Zwar werden mal die Perspektive von  Elise, mal von Jamey gezeigt, aber eine Distanz bleibt.
 Mir persönlich waren es auf den ersten Hundert Seiten zu viele und zu explizit beschriebene Liebesszenen. Andererseits liest man selten eine so ausdauernde und intensive Beschreibung einer Beziehung, die mit der Zeit mehr und mehr an Tiefe gewinnt. Und das obwohl sie gegen erhebliche Widerstände aus Jameys Familie und der gesellschaftlichen Umgebung kämpfen müssen.
Das Ende ist etwas konstruiert und vielelicht nicht ganz glaubwürdig, aber in seinem Einfallsreichtum und in der Unangepasstheit hebt es sich wohltuend vom Mainstream ab.

Der Roman wurde aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz übersetzt und auf mich macht die Sprache durchgängig einen eleganten und guten Eindruck, mit Dichte und Genauigkeit. Sophie Zeits ist bekannt als die Übersetzerin von Das Schicksal ist ein mieser Verräter.

Jardine Libaire ist für mich eine der interessantesten Neuentdeckungen der zeitgenössischen Literatur dieses Jahr!

Veröffentlicht am 10.08.2018

Geschichte eines Lebens im Exil

Selbstbild mit russischem Klavier
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Als Leser kann man sich glücklich schätzen, diesen Roman lesen zu dürfen. Den letzten Roman hatte Wondratschek als Manuskript an einen Mäzen verkauft und das Buch blieb der Öffentlichkeit vorenthalten. ...

Als Leser kann man sich glücklich schätzen, diesen Roman lesen zu dürfen. Den letzten Roman hatte Wondratschek als Manuskript an einen Mäzen verkauft und das Buch blieb der Öffentlichkeit vorenthalten. Diesmal erscheint das Buch, bei Ullstein! Und man wirklich von Glück sprechen, denn das Buch ist es Wert!

Der Roman besteht hauptsächlich aus den Gesprächen des Erzählers, ein Schriftsteller, mit dem russischen Pianisten Suvorin in Wien und den Reflektionen des Schriftstellers über das Gehörte. Somit ist es ein fast klassischer Künstlerroman. Es ist wohl kein Zufall, dass Wondratscheks Sympathie einer widerspenstigen Figur gehört, der auf Eigenständigkeit besteht, zur Not auch Rebellion nicht scheut. Das geschieht meistens mit einer humorigen Note. Suvorin hat Charme, aber auch seine Schwächen, z.B. seine Trinkerei, aber er steht dazu, wie er ist und lässt sich nicht verbiegen. Es ist die Geschichte eines Lebens, auch die des Alterns.
Die Gespräche in dieser Umgebung entwickeln einen eigenen Sound und als Leser kann man in dieser Sprache schwelgen.

Veröffentlicht am 28.06.2018

Zeitportrait

Der englische Liebhaber
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Das Buch „Der englische Liebhaber“ hat ein auffälliges, atmosphäreaufbauendes Cover, dass schon einleitet, was der Text umsetzen wird: Ein dichtes Zeitportrait des Nachkriegsdeutschlands.
Die 80jährige ...

Das Buch „Der englische Liebhaber“ hat ein auffälliges, atmosphäreaufbauendes Cover, dass schon einleitet, was der Text umsetzen wird: Ein dichtes Zeitportrait des Nachkriegsdeutschlands.
Die 80jährige Schweizer Autorin Federica de Cesco wählt das zerbombte Münster als Schauplatz der Liebesgeschichte zwischen der jungen Deutschen Anna, die als Übersetzerin arbeitet und den britischen Offizier Jeremy, der auch Geheimdiensttätigkeiten nachgeht. Zwischen ihnen beginnt eine tiefe Liebe, obwohl Jeremy verheiratet ist. Eines Tages kommt es zur Trennung auf Jahre, und Anna ist Schwanger.
Der Clou des Buches ist aber die Erzählweise. Anna stirbt zu Beginn des Buches als alte Frau und ihre Tochter Charlotte liest ihre Tagebücher und die Briefe. Dadurch erfährt sie, und mit ihr der Leser, die ganze Geschichte.

Der Roman hat viele anrührende Momente, zeigt aber auch eine biedere Gesellschaft, die ein unehelich empfangenes Kind schmäht und ausgrenzt. Annas Tochter Charlotte ist aber eine energische Persönlichkeit, die geprägt wurde vom frühen Tod der geliebten Großmutter und der Abwesenheit des Vaters und eigentlich auch der Mutter, den Anna musste fast die ganze Zeit arbeiten, um als alleinerziehende das nötige Geld zu verdienen.
Es ist verständlich, aber sehr schade, dass deswegen immer wenig Nähe zwischen Anna und Charlotte blieb, obwohl aus den Briefen ja deutlich hervorgeht, wie sehr sie ihre Tochter liebte.
Als junge Frau in den sechziger Jahren rebellierte Charlotte und machte sich früh selbstständig. Man spürt ihren Groll gegen die Eltern und die Gesellschaft. Durch das Lesen der Briefe entstehen ein Verstehen und schließlich eine späte innere Verbundenheit. Das macht das Buch schließlich wichtig.

Natürlich gibt es viele Romane über das Nachkriegsdeutschland und über unglücklich verlaufende Liebesgeschichten, aber de Cescos Buch ist so lesenswert, das man es unbedingt empfehlen kann.