Der Blick zurück in ein Leben, das hätte anders verlaufen können...
Beim Ruf der EuleZwei Handlungsstränge im Jetzt und in der Vergangenheit zeigen vor allem den liebevollen Umgang mit Behinderten, mit allen daraus (vor allem für die Behörden!) entstehenden Problemen. Der Mensch steht ...
Zwei Handlungsstränge im Jetzt und in der Vergangenheit zeigen vor allem den liebevollen Umgang mit Behinderten, mit allen daraus (vor allem für die Behörden!) entstehenden Problemen. Der Mensch steht im Vordergrund – und nicht das Wegsperren von denen, die anders sind.
Aus der Vergangenheit reicht ein Geschehen bis in die Gegenwart, etwas Schreckliches ist passiert, das Maeve von ihrem erträumten Lebensweg abbringt und letztendlich zu dem gemacht hat, was sie jetzt ist: unverheiratet und ohne Kinder, aber mit sehr viel Liebe und Hingabe für die aus der Gesellschaft ausgegrenzten, um ihnen trotz ihrer Behinderungen und Einschränkungen ein relativ normales Leben zu ermöglichen.
Maeves Zwillingsschwester Edith (Eddie) ist behindert und wurde trotzdem (und vor allem entgegen des Anratens der Behörden) zu Hause in ihrer Familie betreut. Auch Maeves Freunde kümmerten sich fürsorglich um sie – sie war als das akzeptiert, was sie ist.
Maeve ist – trotz ihrer Fürsorge für Eddie - kurz einmal das, was sie ist, ein junges Mädchen mit Träumen von ihrer Zukunft, und dabei passiert es, ihre Zwillingsschwester verunglückt in der Badewanne, worüber sie eigentlich die Aufsicht haben sollte. Ich finde es sehr gut, wie alle in der Familie bei der Pflege von Edith an einem Strang ziehen – auch Maeve ihren Beitrag dazu gibt – und das freiwillig und ohne Proteste. Dennoch ist es meiner Meinung nach, die eigentliche Aufgabe der Eltern – da sie sich dazu entschlossen haben Edith daheim zu betreuen. Aber jeder der pflegte bzw. etwas Einblick in das Geschehen hat, weiß, wie anstrengend und kräftezerrend dieser Full-Time-Job ist – das eigene Leben bleibt dabei auf der Strecke. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die Mutter letztendlich (vermutlich) an Erschöpfung stirbt. Damit bricht der starke Pfeiler der Familie weg – der Vater gibt sich auf und Maeve übernimmt – aus Pflicht- oder Schuldgefühlen - den Part des Familienoberhauptes. Dabei hatte sie bereits den Weg in ihr eigenes Leben eingeschlagen – eine Verlobung und das College – nach dessen Abschluß geheiratet werden sollte.
Eigentlich bestimmen zwei Männer ihr Leben – Frank, ihr Verlobter – und Vince, der stille Freund der Familie, der immer zur Stelle ist, wenn Maeve allein oder bei Edith Hilfe braucht. Schade, dass sie dabei nicht erkennt, wer der wirklich richtige für sie ist. Etwas verwundert mich, dass Frank auf Edith nicht ablehnend reagiert, sondern, fast wie bereits in die Familie integriert, hilft. Das passt irgendwie nicht zu ihm.
Wahrscheinlich kann ich es als Außenstehende nicht verstehen, ich sehe, wie die Familie unter der Pflege leidet und dringend Hilfe braucht. Und Maeve dabei – obwohl sie sich intensiv kümmert – dabei nicht die Richtige ist – denn sie opfert dafür ihr eigenes Leben. Den Schritt Edith in Betreuung zu geben, finde ich deshalb richtig. Es heißt ja nicht, sie abzuschieben, sondern Hilfe anzunehmen, um sich nicht aufzuopfern.
Zum Schluss fügt sich alles stimmig zusammen und für mich sind keine Fragen mehr offen. Was für ein berührendes, gleichzeitig trauriges, aber auch hoffnungsgebendes Buch! Ich bin fasziniert, von der Art der Autorin zu schreiben. Sehr eindringlich und nachvollziehbar schildert Maeve mit Rückblicken ihr Leben. Und obwohl sie zum Schluss erkennt, dass sie viel verpasst hat, trauert sie dem nicht nach – würde sich wahrscheinlich auch immer wieder so entscheiden – und ergreift auch die Chance die sich ihr bietet. Das macht sie im Verhalten und Denken trotz ihrer 80 Jahre so wunderbar jung. Es ist ein sehr trauriges Schicksal, das ihre Familie mit der behinderten Zwillingsschwester Edith ereilt. Doch nie wurde der Gedanke zugelassen, es sich „einfach“ zu machen und sie ins Heim abzuschieben. Aber an ihrer Pflege zerbrach die Mutter, damit der Vater und Maeves kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, lenkte deren Leben in Bahnen, die sie sich so nicht erträumt hatte, jedoch pflichtbewusst annahm. Und darüber hinaus war ihre Lebensaufgabe anderen Behinderten zu helfen, indem sie ihnen mit ihrer Pension ein normales Leben ermöglichte.
Es ist es ein sehr gefühlvolles Buch der leisen Töne, dessen Handlung mich sehr berührt hat. Von mir gibt es dafür eine klare Leseempfehlung!