„Spuren verwischen, einen Todesfall verschleiern, Ermittlungen behindern, Polizisten täuschen – Blanc verstieß in dieser dunklen Stunde gegen alles, was er in mehr als zwanzig Jahren Karriere heiliggehalten ...
„Spuren verwischen, einen Todesfall verschleiern, Ermittlungen behindern, Polizisten täuschen – Blanc verstieß in dieser dunklen Stunde gegen alles, was er in mehr als zwanzig Jahren Karriere heiliggehalten hatte.“ (S. 322)
Meine Meinung:
„Dunkles Arles“ ist der mittlerweile fünfte Fall für Capitaine Roger Blanc. Obgleich ich die Vorgänger allesamt noch nicht kenne, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, in diesen Fall hineinzufinden. Es beginnt beschaulich und überschaubar: Roger Blanc trifft sich mit seiner Geliebten Aveline im historischen Amphitheater von Arles. Ausgerechnet hier ereignet sich ein brutaler Mord – mit Aveline als einziger Augenzeugin. Das Problem ist „nur“, dass niemand etwas von Avelines Anwesenheit hier in Arles erfahren darf, denn dann würde ihr Mann, der Staatssekretär Vialaron-Allègre (der Blanc das Leben bislang sehr schwer gemacht zu haben scheint), sofort Verdacht schöpfen. Also spielt Blanc den einzigen Augenzeugen und manövriert sich damit selbst in den Fokus des stümperhaften und zutiefst unsympathischen Commissaire Alphonse Lizarey…
Der Ausgangspunkt dieses Krimis ist also schnell umrissen und begründet eine sehr interessante Besonderheit: Blanc und Aveline müssen hier unter Zeitdruck und im Geheimen auf eigene Faust ermitteln, ohne dabei auf die Ressourcen von Polizei oder Justiz zurückgreifen zu können. Dies sorgt dafür, dass Blanc und Aveline mehr als einmal auf ungewöhnliche „Ermittlungsweisen“ zurückgreifen müssen, mehrfach auch mehr als nur im juristischen Graubereich, wobei insbesondere die Untersuchungsrichterin Aveline einen erstaunlich ausgeprägten Hang zur Gefahr und zum Verbotenen aufweist. Für Spannung sorgt Cay Rademacher dadurch, dass Blanc nicht nur in den Fokus von Lizarey geraten ist, sondern auch in den Fokus der eigentlichen Täter. Für die beiden „Freizeit“Ermittler wird es mehr als einmal brandgefährlich – und teilweise auch richtig knapp! Mir hat dieses Katz- und Maus-Spiel sehr gut gefallen!
Was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat ist der wortgewaltige, sehr bildhafte Schreibstil des Autors, der bei mir während des Lesens immer wieder eindrucksvolle und atmosphärische Bilder im Kopf hat entstehen lassen (z.B. S. 183: „Der Fluss war so schwarz wie ein gewaltiger Riss, der in der Erde klaffte. Nebel hatte die Gebäude am Quai eingehüllt, alte, müde Häuser, die sich in eine weiße Decke gewickelt hatten.“). Und auch die manchmal etwas flappsige Ausdrucksweise gefällt mir durchaus gut („sein Freund sah aus wie die personifizierte Langeweile“ – S. 14).
Eine weitere Stärke dieses Buches sind für meinen Geschmack die extrem atmosphärischen Schauplätze, wie etwa die unterirdischen Gewölbe, der historische Friedhof („les alyscamps“) oder auch die imposante Klosterruine von Montmajour. Hier habe ich beim Lesen regelrecht Fernweh bekommen. Eine Karte von Arles auf der Umschlaginnenseite hilft den Lesern dabei, sich in Arles „zurechtzufinden“.
Einen kleinen Punktabzug gibt es von mir allerdings für das Finale: Es war zwar spannend, actionreich und in Teilen durchaus überraschend, aber die (nachvollziehbare!) Aufklärung aller Zusammenhänge ging mir persönlich dann irgendwie doch ein bisschen zu schnell. Hier hätten es ruhig noch ein paar Seiten mehr sein dürfen.
FAZIT:
Ein etwas anderer Krimi, der mich mit viel Atmosphäre und einem verzwickten Katz-und-Maus-Spiel sehr gut unterhalten hat.