Tilli ist erst fünf Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in dem kleinen Ort Dörlitz auf einem Bauernhof, als der Zweite Weltkrieg 1939 ausbricht. Ihr Vater ist kein Freund der Nazis und lässt dies auch alle wissen, während die Mutter versucht, sie alle zusammenzuhalten und möglichst nicht aufzufallen. Immer mehr Männer aus dem Dorf werden zum Wehrdienst eingezogen, und der Krieg ist in aller Mund. Tilli versteht das alles noch nicht so richtig. Doch sie merkt, dass das normale Leben, so wie sie es kennt, sich verändert. Tilli hat einen kleinen Bruder, der gehörlos ist und durch das Parteiprogramm der Nazis in das Euthanasieprogramm fällt. Je älter Tilli wird, umso mehr wird ihr bewusst, wie sehr ihr Bruder in Gefahr ist. Sie kämpft für ihn, ihre Familie und sich selbst für ein Leben, in dem Freiheit und Träume möglich sind. Je schlimmer der Krieg und danach die russische Besatzung werden, umso verbissener wird Tillis Kampf…
Tilli Schulze hat mit ihrem Buch „Das Mädchen, das von Freiheit träumte“ einen wunderbaren, spannenden historischen Roman vorgelegt, der von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Der Schreibstil ist flüssig und bildgewaltig, er nimmt den Leser bereits mit dem Prolog hinein in die Geschichte, um sich an der Seite von Tilli wiederzufinden und sie über lange Zeit hinweg durch den Krieg und ihre Erfahrungen zu begleiten. Die Handlung ist in vier Teile unterteilt, die die einzelnen Zeitabschnitte ab 1939 bis 1952 schildern. Da die Autorin für ihre Geschichte die Ich-Erzählform gewählt hat, kommt der Leser Tilli sehr nah und wird von ihren Erlebnissen, Gedanken und Entscheidungen berührt. Durch das Erzählen von tatsächlichen Erlebnissen bewirkt die Autorin, dass der Leser das Gefühl hat, während der Lektüre einer leibhaftigen Erzählung zu lauschen, wobei das gesamte Gefühlsbarometer angesprochen und die schreckliche Zeit des Krieges und der Besatzung durch die Russen umso lebendiger wirkt. Die Gräueltaten des Krieges, die Angst der Menschen sind so eindringlich beschrieben, dass man als Leser regelrecht selbst Angstzustände und Beklemmungen bekommt, so real wirkt alles. Wenn man sich vor Augen führt, was die Menschen damals durchmachen mussten, kann man sie für ihren Mut, ihre Stärke und vor allem ihr Festhalten an der Hoffnung auf eine Zukunft nur umso mehr bewundern.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Sie besitzen individuelle Eigenschaften, die sie sehr lebendig und authentisch wirken lassen. Der Leser kann sich gut in sie einfühlen und während der Lektüre mit ihnen leiden, hoffen und bangen. Tilli ist ein tolles Mädchen und später eine imponierende Frau. Sie besitzt Herz, Gerechtigkeitssinn, Mut und eine Stärke, die man nur bewundern kann. Trotz aller Not behält Tilli immer einen Optimismus, der beneidenswert ist. Gleichzeitig kämpft sie sich verbissen durch alle Widrigkeiten, oftmals ohne Erfolg, doch sie gibt einfach nicht auf und versucht immer wieder, sich ihren Traum von Freiheit zu realisieren. Dadurch schleicht sie sich immer tiefer ins Leserherz hinein. Tillis Mutter ist eine sympathische Frau, die alles für ihre Familie tut und versucht, diese zu beschützen. Gleichzeitig ist hat sie ein Herz für ihre Mitmenschen und unterstützt sie mit den wenigen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen. Tillys Vater ist ein lauter polternder Mann, der seiner Familie mit seiner Art nicht gerade einen Gefallen tut. Auch die weiteren Protagonisten geben der Handlung zusätzlichen Input und machen die Geschichte rundum gelungen.
„Das Mädchen, das von Freiheit träumte“ ist ein wunderbarer und emotionaler historischer Roman, der eine grausame Zeit abbildet und gleichzeitig den Mut und die Stärke derjenigen würdigt, die immer an ein besseres Leben geglaubt haben. Absolute Leseempfehlung für ein echtes Highlight!