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Veröffentlicht am 15.08.2018

gelungener Debütroman

Das rote Adressbuch
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Das rote Adressbuch ist ein Roman über das Leben einer schwedischen Frau, Doris, 1918 geboren.
Es beginnt mit der Gegenwart in Stockholm. Doris ist 96 Jahre alt, fast alle aus ihrer Familie und Freunde ...

Das rote Adressbuch ist ein Roman über das Leben einer schwedischen Frau, Doris, 1918 geboren.
Es beginnt mit der Gegenwart in Stockholm. Doris ist 96 Jahre alt, fast alle aus ihrer Familie und Freunde sind schon gestorben. Es gibt aber noch Jenny, ihre Tochter und deren Kinder, doch Jenny lebt in San Francisco und Doris hat nur über Skype Kontakt zu ihr.
Dann geht die Erzählung weit zurück in Doris Kindheit und Jugend. Als der Vater stirbt wird es schwer und ärmlich und Doris muss schon früh in Dienst bei Herrschaften gehen. Doch dann kommt sie nach Paris und wird dort sogar Modell.

Es ist ein Buch des Erinnerns, wenn die Ankunft in das alte Paris vor dem Krieg beschrieben wird: der blassblaue Himmel, die Wäsche auf den Balkonen und der Rauch aus hunderten von Schornsteinen.
Schließlich kommt nach dem Tod der Mutter auch Doris Schwester Agnes zu ihr. Später zwingt sie der Krieg in die USA. Zentral auch eine schwierige und unglückliche Liebe von Doris zu Allan, der sie verlässt.
Mir gefällt sehr, dass der Roman den Gegenwarts-Handlungsstrang gleichwertig behandelt. Man fühlt sich Doris nah, wenn sie die Vergangenheit betrauert und auf den Tod wartet, gleichzeitig ihrer Nichte gegenüber so positiv bleibt. Ob jüngere Leser das auch so empfinden, kann ich nicht beurteilen.
Obwohl das Buch auch von Tod und Einsamkeit im Alter handelt, ist es so geschrieben, dass es sich nicht hoffnungslos liest. Es ist auch ein Buch von Würde und andauernde Liebe.
Sofia Lundberg wurde zu dem Roman inspiriert, da sie als Kind viel Zeit bei der Schwester ihrer jung verstorbenen Großmutter verbrachte, die auch Doris hieß und ebenfalls ein rotes Adressbuch besessen hatte.. Ich glaube, dass sich dadurch die Zuneigung zur Hauptfigur ergab und Doris als Figur so gut funktionierte. Doris Modellkarriere hingegen fußt aus eigenen Erfahrungen in verschiedenen Städten, unter anderen auch Paris, daher sind gerade diese Passagen realistisch und glaubwürdig. Auch den Künstler Gösta, der Doris engster Freund war, gab es wirklich.

Das Buch zu lesen ist eine Freude! Der angenehm zu lesende Schreibstil von Sofia Lundberg erlaubt es, den Roman nahezu komplett am Stück zu lesen. Die Handlung entfaltet sich so am besten.

Veröffentlicht am 21.07.2018

Schelmenroman

Guten Morgen, Genosse Elefant
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Christopher Wilsons eindringlich erzähltter Roman "Guten Morgen, Genosse Elefant" (im Original The Zoo) ist in der Tradition der Schelmenromane angesiedelt. Die Handlung ist in die Stalinzeit der Sowjetunion, ...

Christopher Wilsons eindringlich erzähltter Roman "Guten Morgen, Genosse Elefant" (im Original The Zoo) ist in der Tradition der Schelmenromane angesiedelt. Die Handlung ist in die Stalinzeit der Sowjetunion, im Jahr 1953 gelegt.
Das Besondere ist die Erzählstimme, die die Handlung ganz und gar dominiert. Der 12jährige Juri wurde als 6jähriger bei einem Unfall schwer verletzt, überlebte, aber ist gehandicapt, dennoch lebt Juri gerne und ist immer positiv. Er lebt bei seinem Vater, ein bekannter Tierarzt, in der Nähe des Zoos. Dann wird der Vater gerufen, einen Patienten zu behandeln. Überraschenderweise ist es kein Tier sondern Stalin, der schwer erkrankt ist. Stalin lässt sich von Juri die Zeit vertreiben, sie spielen Dame, wobei Stalin schummelt, sehen gemeinsam Filme, meist Western und Juri muss den Vorkoster machen. Eine gefährliche Situation, aber Juri sieht immer alles positiv und durchschaut auch so einiges. Er ist eine wirklich starke Romanfigur!

Der Roman ist durch die Erzählstimme positiv und manchmal humorvoll angelegt, doch es ist ein ernster Hintergrund. Wer in Stalins Umgebung ist, wird auch dessen Schergen ausgesetzt und das kann blanker Terror sein. Wer etwas dagegen sagt, verschwindet. Selbst wer nur in Verdacht gerät, wird nach Kolmya verbannt. So ging es Juris Mutter, Gefängnis droht auch seinem Vater und vielleicht auch Juri selbst, denn als Stalin im Sterben liegt, ist auch er nicht mehr sicher.

Es ist ein ergreifender, packender Roman, der auch den Leser gefangen nimmt.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Jugend einer Schriftstellerin

Weit weg von Verona
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Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, ...

Die britische Schriftstellerin Jane Gardam hat mit ihren Old Filth-Romanen zweifellos Weitliteratur geschaffen. Ihr erster Roman „Weit weg von Verona“ hatte diesen Status vielleicht noch nicht so ganz, aber es ist dennoch ein beeindruckendes Portrait eines intelligenten und lebhaften 12jährigen Mädchens während der Kriegsjahre in England.
Inwieweit die Hauptfigur Jessica Vye eventuell autobiographische Züge der Autorin trägt, ist schwer zu sagen, aber Jahresdaten ähneln sich und Jane Gardam kannte die Zeit, daher wirkt ihr Roman in Sprache und Verhalten der Protagonisten sehr authentisch.

Die 1928 geborene Jane Gardam wurde schon ganz zutreffend mit der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munroe verglichen.
Aber Jessica als emotional aufgeladene Erzählerin nimmt der Sprache diesmal das Nüchterne, das man sonst von Jane Gardam kennt. Jessica ist noch jung und doch ist es ihr wichtig, um ihre Identität und Eigenständigkeit zu kämpfen. Sie sagt sich: “Ich werde nicht sein wie sie, nur weil es für sie einfacher ist.”
Jessica ist für ihr Alter ein reifes, intelligentes Mädchen, doch dann gibt es auch die für Jugendliche so typische wie auch verblüffende Rückfälle ins Kindliche. Deswegen fällt ihr es schwer, ihr Selbstbewusstsein durchgehend aufrechtzuerhalten.
Zudem ist ihr Leben vom Krieg beeinflusst und einmal gerät sie mitten in einen Luftangriff. Das verarbeite sie in einem Geicht. Literatur ist ihr wichtig!

Ich mag an dem Roman sehr, wie sorgfältig er gearbeitet ist und wie erfrischend die Erzählerin spricht.

Veröffentlicht am 20.07.2018

Familienglück

Kampfsterne
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Die Handlung ist 1985 angesiedelt, aber die Autorin nutzt das nicht zum Selbstzweck und erspart dem Leser weitgehend ein übertriebenes Namedropping der achtziger Jahre, einige Symbole dieser Zeit werden ...

Die Handlung ist 1985 angesiedelt, aber die Autorin nutzt das nicht zum Selbstzweck und erspart dem Leser weitgehend ein übertriebenes Namedropping der achtziger Jahre, einige Symbole dieser Zeit werden aber geschickt eingebracht.

Die Perspektiven wechseln schnell und da die Figuren sehr unterschiedlich sind, wird der Roman abwechslungsreich erzählt und es entsteht eine hohe dichte.
Die Gedanken der jeweiligen Erzähler dominieren den Text, der frisch und gediegen wirkt.

Alexa Hennig von Lange fängt gut die Abgründe ein, die in den Beziehungen ihrer Figuren zueinander lauern. Man merkt schnell, dass Kampfsterne alles andere als ein harmloses Buch über Familien ist.
Man spürt, wie die Ereignisse langsam aber sicher auf eine Eskalation zulaufen.

Alexa Hennig von lange habe ich schon oft gelesen. Einst war sie die erste Ikone der Popliteratur. Inzwischen schreibt sie souverän über Familien, ist aber doch noch kein Mainstream.
Ich denke, Kampfsterne ist tatsächlich ihr bisher bestes Buch!

Veröffentlicht am 06.07.2018

geschmeidiger Stil

Als die Tage nach Zimt schmeckten
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Als die Tage nach Zimt schmeckten ist ein Buch der amerikanischen Autorin Donia Bijan, die im Iran geboren wurde. Nach 32 Jahren Exil kehrte sie für einen kurzen Besuch nach Iran zurück. Das inspirierte ...

Als die Tage nach Zimt schmeckten ist ein Buch der amerikanischen Autorin Donia Bijan, die im Iran geboren wurde. Nach 32 Jahren Exil kehrte sie für einen kurzen Besuch nach Iran zurück. Das inspirierte sie zu diesem Roman, bei dem von Anfang an ein geschmeidiger Stil zu genießen und ein warmherziger Ton zu spüren ist.

Der 75jährige Iraner Zod leitet sein Cafe in Teheran, seine Kinder leben in den USA. Als seine Tochter Noor sich von ihrem untreuen Ehemann trennt, kommt sie auf Besuch mit ihrer Teenagertochter Lily zurück in den Iran.

Dann werden in Teil 2 mehr Hintergründe erzählt und es gibt einen Rückblick in Zods Jugend, sein Beginn als Student 1964 in Paris, aber er kehrt schnell zurück und ist glücklich verheiratet, bis politische Wechsel und Gewalt das Leben verdüstern.
Dieser Abschnitt zeigt Leid und Unglück, aber auch Liebe.

Teil 3 ist auch Rückblick und zeigt Noors Zeit, als sie von ihrem Vater aus Sicherheitsgründen in die USA geschickt wurde und wie sie da nach langer Eingewöhnungszeit schließlich Krankenschwester wurde und heiratete.

Dann sind wir wieder in der Gegenwart im Iran und es geht weiter mit vielen Emotionen, auch dramatischen Passagen und der Entwicklung der Figuren zu neuer Stärke.

“The last Days of Cafe Leila” wurde geschmeidig ins Deutsch übersetzt, wie man es von Übersetzerin Susanne Goga-Klingenberg gewohnt ist. So überzeugt der emotionale Roman, dessen Leitmotiv raffiniertes Kochen und leckeres Essen ist.