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Veröffentlicht am 28.09.2018

Der Mann, der Dr. Faust war

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)
Johann Georg, von seiner Mutter liebevoll Faustus – Glück – genannt, ist der 3. Sohn eines Großbauern ...

„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)
Johann Georg, von seiner Mutter liebevoll Faustus – Glück – genannt, ist der 3. Sohn eines Großbauern und anders, als seine Geschwister. Er ist klüger und wird darum von ihnen gemieden, von seiner Mutter allerdings bevorzugt. Sie ist überzeugt, dass ihm Großes bevorsteht. Nur die Nachbarstochter Margarethe ist mit ihm befreundet und je älter sie werden, desto mehr wird aus ihrer Freundschaft Liebe. Doch dann stirbt Johanns Mutter und kurz darauf erlebt Margarethe etwas Schreckliches. Sie verschwindet, wird erst Tage später gefunden und als sie Johann sieht, schreit sie hysterisch: „Geh ... weg ... Du ... bist ... der ... Teufel!“ (S. 117). Johann wird von seinem Vater aus dem Dorf gejagt und schließt sich dem Magier Tonio del Moravia an. Die nächsten Jahre wird er dessen gelehriger Schüler, bis wieder etwas Schreckliches geschieht ...

Oliver Pötzschs „Der Spielmann“ ist der erste Teil seiner Faust – Saga, die den Leser ins dunkle Mittelalter entführt. Ich wusste bis dato nicht, dass es für Goethes Faust ein reales Vorbild gab, auch wenn man heute außer seinen Lebensdaten und ein paar Stationen seiner Reisen kaum noch etwas von ihm weiß. Er war aber, wie Johann im Buch, ein Astrologe, Wahrsager, Scharlatan und (studierter?) Doktor.

Johann steht für einen Menschentyp, der zu seiner Zeit nicht gern gesehen war. Er war wissbegierig, intelligent, charismatisch und stellte alles und jeden in Frage. Die Welt, in die er geboren wurde, war ihm zu klein. Tonio legt ihm eine andere zu Füßen. Sie reisen durch Europa, lernen, philosophieren (Denn nur, wenn der Teufel existiert, existiert auch Gott. ... Wir spielen mit dem Teufel, damit Gott existieren kann.“ (S. 548)) und disputieren, lesen verbotene Schriften – und gehen dabei wortwörtlich über Leichen. Tonio wird Johann immer unheimlicher, seine Angst vor ihm wächst, aber lange überwiegt sein Wissensdurst. Und eines Tages muss sich Johann der Frage stellen, ob Tonio der Teufel ist.

Oliver Pötzsch schreibt gewohnt unterhaltsam, lehrreich und farbenprächtig. Leider war mir die Geschichte zum Teil aber zu brutal, blutrünstig und mystisch – und sie konnte mich nicht durchgängig fesseln. Zwischendrin ließ die Spannung deutlich nach, bevor die Handlung zum Ende hin dann doch noch mal richtig Fahrt aufgenommen hat. Vielleicht hätte man an einigen Stellen etwas straffen können. Dafür habe ich mich über die Anspielungen auf Schongau und die Henkerstochter sehr gefreut.

3,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 25.08.2018

Wir überbacken das!

Tasty
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Kennt Ihr den Youtube Kanal von Tasty? Mir war er bis zur Entdeckung dieses Kochbuches kein Begriff, dabei ist er nach eigenen Angaben der erfolgreichste der Welt. Fast täglich werden neue Videos hochgeladen, ...

Kennt Ihr den Youtube Kanal von Tasty? Mir war er bis zur Entdeckung dieses Kochbuches kein Begriff, dabei ist er nach eigenen Angaben der erfolgreichste der Welt. Fast täglich werden neue Videos hochgeladen, welche zum Nachkochen / -backen animieren sollen.

Das Buch beinhaltet die Rezepte der 80 erfolgreichsten – also meist angeklickten – Videos. Diese reichen von „Party“, „Landküche“, „Süßes“, „Klassiker“, „Vegetarisch“, „Die Besten“, „Aus aller Welt“, über „Trendiges“ bis zu „Bälle & Ringe“. Es sollte also jeder etwas finden, dass ihn anspricht. Dafür wäre auch ein Foto des jeweils fertigen Gerichtes gut gewesen, leider gab es das nicht immer.

Beim Durchblättern ist mir dann schnell aufgefallen, dass mir persönlich die Gerichte meist zu ungesund sind. Es werden Unmengen Zucker, Fett oder Käse verwendet (getreu dem Motto „Wir überbacken das.“), oft in Kombination. Wahrscheinlich fehlen darum auch die Nährwertangaben, damit man nicht schon vorher abgeschreckt ist. Auch Zubereitungszeiten sucht man leider vergeblich. In der Einleitung steht nur, dass die meisten Gerichte in „unter einer Stunde“ zubereitet sind.

Bei einigen Rezepten habe ich mir die Videos angeschaut und festgestellt, dass die Zubereitung dort etwas anders ist als im Buch.
Ich hatte mir u.a. die Kartoffelspiralen ausgesucht und zufällig wurden diese kurz darauf bei Facebook vorgestellt. Im Buch steht „Die Kartoffeln in der Mikrowelle 1 – 11/2 Minuten garen.“, im Video werden sie roh aufgespießt. Außerdem hat die Käse-Würzmischung locker für die doppelte bis dreifache Menge Kartoffeln gereicht. Lecker waren sie allerdings .

Das Kochbuch ist meiner Meinung nach nicht für den täglichen Gebrauch geeignet, sondern eher für Partys, bei denen man bekanntlich weniger auf die Kalorien, dafür aber auf Menge (die Gerichte sind oft auf deutlich mehr als 4 Personen ausgelegt) und Aussehen schaut.

Veröffentlicht am 23.08.2018

Ein Monumentalwerk

Manhattan Beach
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Eddie Kerrigan arbeitet in Manhattan für die „Gewerkschaft“, trägt Grüße und Briefe aus, oft begleitet von seiner Tochter Anna. Einer der Männer, Dexter Styles, bleibt ihr besonders in Erinnerung.
Dass ...

Eddie Kerrigan arbeitet in Manhattan für die „Gewerkschaft“, trägt Grüße und Briefe aus, oft begleitet von seiner Tochter Anna. Einer der Männer, Dexter Styles, bleibt ihr besonders in Erinnerung.
Dass die „Gewerkschaft“ in Wahrheit die Mafia ist, begreift Anna erst Jahre später, als ihr Vater schon lange verschwunden (tot?) ist und sie Dexter als Besitzer eines Nachtclubs wiedererkennt. Natürlich fragt sie ihn nach Eddie und ebenso natürlich bekommt sie keine richtige Antwort.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1942, der 2. Weltkrieg ist im Gange und Frauen können plötzlich fast alles werden. Aber auch Taucher in den Docks der Kriegsmarine? Anna kämpft hart dafür. Nicht nur, weil der Job gut bezahlt wird und sie ihre Mutter und die pflegebedürftige Schwester unterstützt, sondern weil sie es wirklich will.

Ich bin ehrlich, dieses Buch hat mich zeitweise etwas erschlagen. Ausgehende vom Klappentext und der Leseprobe hatte ich etwas ganz anders erwartet – Annas Geschichte und die Suche nach ihrem Vater.
Aber alles beginnt viel früher. Mit Eddies Leben als Laufbursche im Restaurant seines Vaters, wie er seine Frau fand, eine Familie gründete, groß herauskam und beim Börsencrash alles verlor. Auch Dexter hat sich vom Handlanger zum Boss hochgearbeitet, die Tochter eines reichen Bankiers geheiratet und dient als Mittler zwischen beiden Welten (Legalität und Illegalität) – das haben er und Eddie gemeinsam.
Annas Kampf gegen Vorgesetzte und Vorurteile darum, Tauchen zu dürfen, ist nur ein winziger Teil des Buches. Eigentlich geht es ums große Ganze. Den Krieg, das Lebensgefühl, Einzelschicksale.

Trotzdem habe ich mir Anna als Hauptperson ausgesucht, weil sie mich am meisten beeindruckt, ihr Schicksal mich gefesselt hat. Sie will mehr aus ihrem Leben machen. Nicht nur einen Mann finden der sie aushält oder heiratet, wie es sich die anderen Mädchen in der Werft wünschen. Nicht nur Sekretärin sein. Und Anderssein macht einsam. Sie ahnte, wie leicht sie in eine Ritze der verdunkelten Stadt gleiten und darin verschwinden konnte.“ (S. 228)

Vor allem in der zweiten Hälfte gab es Passagen, die mir leider zu weitschweifig und langatmig waren, seitenlange Rückblenden und Gespräche zum Beispiel. Hier hat die Autorin m.E. zu viel von dem reingepackt, was sie bei ihren Nachforschungen entdeckt hat und manchmal ist weniger dann doch mehr.

In meinem Leseexemplar steht vorab ein wirklich interessantes Interview mit der Autorin. Ich hoffe, dass es auch in den „normalen“ Büchern abgedruckt ist, da sie viel über ihre Intension und Recherche erzählt.

Fazit: Obwohl ich eigentlich etwas anderes erwartet hatte und mich das Buch nicht durchgehende fesseln konnte, hat mich Annas Leben tief beeindruckt. Ein komplexes, umfassend recherchiertes Werk über Manhattan in den 30er und 40er Jahren.

Veröffentlicht am 16.08.2018

Der Teufel geht um

Aberglaube und Geschäfte
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Seit dem letzten Fall (Der Mädchenreigen), den Konrad von Velden für Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel lösen konnte, sind zwei Jahre vergangen. Laura, eines der Mädchen, das er damals retten ...

Seit dem letzten Fall (Der Mädchenreigen), den Konrad von Velden für Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel lösen konnte, sind zwei Jahre vergangen. Laura, eines der Mädchen, das er damals retten konnte, lebt inzwischen bei Konrads Mutter Agnes, die wiederum gerade Pastor Wegener heiratet.
Laura ist erwachsen geworden und macht Konrad Avancen, der ist allerdings anderweitig liiert.
Als innerhalb kurzer Zeit die Leichen einer jungen Frau, eines Babys und eines Jungen in Wolfenbüttel und Goslar auftauchen, wird Konrad mit den Ermittlungen dazu betraut.
Herzog Julius quälen allerdings noch andere Probleme. Ein wichtiges Kolloquium zur Einigung von lutherischen Theologen und Fürsten steht bevor und einer der Teilnehmer, Pastor Hilarius, scheint es absichtlich zu boykottieren. Also wird Wegener losgeschickt, um Hilarius zur Ordnung zu rufen.
Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass alles irgendwie zusammenhängt. Aber wer steckt dahinter und warum?

Ich weiß, meine Einleitung klingt etwas verworren und genau so las sich leider auch das Buch. Konrads „Affäre“ kreuzt mehrfach seine Ermittlungen und auch Laura will unbedingt wieder mitmischen. Er bekommt die beiden Frauen kaum gehändelt und wird dadurch abgelenkt. Außerdem hilft ihm seine weitläufige Familie und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr.

Die ersten beiden Bände um Konrad von Velden habe ich verschlungen, aber diesmal viel es mir schwer, in die Handlung zu finden. Susanne Gantert geht seht ausführlich auf die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe ein. Die sind zwar für die Handlung wichtig, haben meinen Lesefluss aber gestört. Vielleicht hätte man das anders lösen können. Erst nach der Hälfte kam langsam Fahrt auf. Allerdings wechselten gegen Ende die Handlungsstränge und -orte sehr oft, so dass die Spannung zum Teil wieder verloren ging.
Außerdem stand relativ früh fest, wer hinter allem steckt. Die Frage war nur, ob Konrad und seine Mitstreiter den Täter rechtzeitig entdecken und fassen können.
Auch fehlte mir ein Personenregister wie bei den Vorgängerbänden, das hätte ich dieses Mal gut gebrauchen können.

Trotzdem war der Fall an sich spannend und wieder sehr gut recherchiert, nur die „Verpackung“ stimmte für mich nicht.
Für Neueinsteiger wird auf die Vorgängerbände eingegangen, damit man die Zusammenhänge und Verwandtschaftsverhältnisse versteht. Ergänzt wird das Buch durch eine historische Karte, ein Kapitel über die historischen Hintergründe und das Glossar.

Ein bisschen schwärmen möchte ich vom Cover. Die Kombination aus der historische Ansicht von Wolfenbüttel, einem alten Gemälde und dem farbenfrohen Rand (einer historischen Buchmalerei?) ist wunderschön harmonisch und wiederholt sich auch auf den Coverinnenseiten und dem Lesezeichen. Dadurch wirkt es besonders hochwertig.

Veröffentlicht am 02.07.2018

(Genuss-)Urlaub in Schottland

Die kleine Sommerküche am Meer
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Flora ist vor Jahren nach dem Tod ihrer Mutter vom elterlichen Hof auf der schottischen Insel Mure regelrecht nach London geflohen, um nicht wie sie als Bäuerin zu enden. Seitdem arbeitet sie als Anwaltsgehilfin ...

Flora ist vor Jahren nach dem Tod ihrer Mutter vom elterlichen Hof auf der schottischen Insel Mure regelrecht nach London geflohen, um nicht wie sie als Bäuerin zu enden. Seitdem arbeitet sie als Anwaltsgehilfin für eine große Kanzlei und ist in ihren Chef Joel verliebt – nur leider nimmt dieser sie erst wahr, als er jemanden braucht, um einen wichtigen Mandanten auf Mure zu vertreten.
Schon lange macht Flora ihren Job nur noch aus Pflichtgefühl. London gefällt ihr ebenfalls nicht mehr. Es ist groß, laut und stickig. Aber auf die Insel will sie auch nicht zurück: „„Manchmal kam sich Flora vor wie ein Boot, das von den Wellen hin und her geschleudert wurde, und sie war sich nicht sicher, wo es mal landen würde und warum.“ (S. 301)
Flora ist über ihre Rückkehr nicht begeistert und auch ihrem Vater, ihren 3 Brüdern und den anderen Bewohnern scheint sie relativ egal zu sein. Zudem ist ihr Mandant Colton Rogers auf der Insel unbeliebt. Wie soll sie die Zeit nur überstehen? Zum Glück lebt ihre beste Freundin Lorna auch auf Mure und bald lernt sie den Reiseleiter Charlie kennen ...

Der Hof der Familie ist vernachlässigt und erwirtschaftet nicht mehr genug. Flora packt mit an und erinnert sich, dass es früher auch schöne Seiten / Zeiten gab. Als sie das Rezeptbuch ihrer Mutter entdeckt und die Gerichte nachkocht, findet sie ihre innere Mitte wieder und die Familie wieder zusammen. „Familien sind nicht einfach.“ (S. 137)

Flora ist eine unglaublich sympathische, feenhafte Person, die im Laufe der Handlung über sich hinauswächst und immer sympathischer wird. Einzig ihre Fixierung auf ihren Chef Joel habe ich nicht nachvollziehen können.
Der wird als typischer Bad-Boy dargestellt, nach außen hart, nach innen zart – mit schwieriger Kindheit und Sinnkrise. Das war mir einfach zu stereotyp und zu viel Drama.
Auch Floras Brüder, die für so einige Turbulenzen und Überraschungen sorgten, sowie die anderen Inselbewohner mochte ich sehr. Der Zusammenhalt unter ihnen und die Ruhe, welche die Insel ausstrahlt, wird toll beschrieben.

„Die kleine Sommerküche am Meer“ ist ein richtig schöner Sommerroman, der mit einer amüsanten Story, herrlichen Schilderungen der Insel Mure und Floras Gerichten Lust auf (Genuss-)Urlaub in Schottland macht.