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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.09.2018

“The Americans” cross over with “Tatort”!

Die Tote im Wannsee
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Ich bin begeistert von diesem Krimi „Die Tote im Wannsee“ und dass nicht nur, aber natürlich auch, weil er im West-Berlin der 68er Jahre spielt. Müsste ich auseinander dividieren wieviel Raum West-Berlin, ...

Ich bin begeistert von diesem Krimi „Die Tote im Wannsee“ und dass nicht nur, aber natürlich auch, weil er im West-Berlin der 68er Jahre spielt. Müsste ich auseinander dividieren wieviel Raum West-Berlin, die historischen Gegenheiten und der Fall in diesem Buch einnehmen, würde ich vom Gefühl her: jeweils ein Drittel. Und genau das macht es für mich lesenswert.
West-Berlin. Der Roman geht auf viele viele Straßen, Firmen, Lokalitäten und Orte ein, herrlich, wenn man das alles kennt aus und sich fast bildlich mitbewegen kann.
Historischer Abriss. Sehr gelungen wird hier alltäglich aufgerollt was damals in West-Berlin unf überhaupt in der BRD abging, wie die revolutionären linken Kräfte gewütet haben, wie sie diskutierten und selbst von einer sozialistischen Utopie überzeugt waren. Ich spürte förmlich wie die angewiderte Abwendung von der Nazi-Vergangenheit überdreht in die sozialistisch utopische Welt. Und wie durch diese Radikalität aber uns heute normale Veränderungen ihren Ursprung nahmen, wie Gleichberechtigung oder Nicht-Vervolgung von Homosexuellen oder Abtreibungsmöglichkeiten.
Der Fall. Spannend, auch wenn es ein wenig abgesehbar ist warum die Dame im Wannsee landetete ist der Fall gut ge- und beschrieben. Vor allem macht dieser Fall in seiner politischen Komplexität mit dem kantigen und reflektierten Kommissar Heller den page turner aus.

Die Sprache ist rau und auch ruppig, aber sehr passend zu der damaligen Zeit. Da der Roman von drei Herren, Lutz/Wilhelm/Kellerhoff, in einer gemeinsamen Schreibübung zu Papier gebracht wurde, war ich erst skeptisch ob es Brüche gibt beim Lesen, aber nach 80 Seiten meinte ich keine mehr zu bemerken. Auch der cineastische Hintergrund zweier der Autoren ist klar erkennbar, aber aus meiner Sicht wunderbar umgesetzt. Was mir fällt, war an der ein oder anderen Stelle ein wenig Berliner Zunge, es gab da schon Charaktere, die ein wenig „ick“, „wat“ und „dit“ vertragen hätten.

Fazit: Ein Muss für alle ehemaligen West-Berliner und für Krimi-Fans, die es mögen, wenn das Buch mehr zu bieten hat als einen Fall zu lösen.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Venedig und seine Bewohner gut getroffen

Heimliche Versuchung
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Eigentlich bedarf keiner der Donna Leon Krimis um Commissario Brunettt noch eines Lobes und einer weiteren Rezension. Jeder kennt ihn! Leser, wie mich, die Donna Leons Werke immer sofort lesen müssen bei ...

Eigentlich bedarf keiner der Donna Leon Krimis um Commissario Brunettt noch eines Lobes und einer weiteren Rezension. Jeder kennt ihn! Leser, wie mich, die Donna Leons Werke immer sofort lesen müssen bei Erscheinen schert es nicht, wenn mal eine Rezension schlecht ausfällt. Man muss einfach den nächstne Fall inhalieren. Und in der Tat gab es auch schon Fälle unter den bisher 27 erschienen, die ich weniger gut fanf bis schlecht. Aber dieser hier "Heimliche Versuchung", der ist wieder mal ein richtig guter aus der Brunetti-Reihe. Es bleibt spannend und gemächlich zugleich bis zur letzten Seite, wie man es gewohnt ist und lieben lernte! Was mir über die letzten Fälle hinweg aufgefallen ist, die grischischen Klassiker mit denen sich Brunetti in seiner Freizeit befasst, nehmen von Fall zu Fall gefühlt mehr Raum ein und verdrängen das voher beschriebene Familienleben. Keine Sorge, das gibt es noch, aber ehen die Gewichtung scheint sich mir zu verändern.
Dann hab ich mich mal gefragt, warum lese ich diese Brunetti-Fälle eigentlich so gern? Es ist gut geschrieben (und übersetzt), Brunetti hat ein aufgeräumtes, ja fast beneidenswert schönes Leben in Venedig mit seiner Familie und ist kein von problemenzersetzter Kommissar dem es dreckig geht. Tja, und dann sind da die tollen Beschreibungen der Stadt, des leckeren Essens und die Fälle selbst! Reicht als Begründung, oder?

Fazit: Wer es gern gemütlich hat beim Lesen - nur zu!

Veröffentlicht am 19.08.2018

Verlogenes 80er Jahre Vorstadt-Idyll

Kampfsterne
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Dieser Roman hat mich umgehauen. WOW fällt mir da spontan ein. Warum ist er so überzeugend gut?
Zum einen diese grandiose Erzählweise. Man hat das Gefühl man begleitet eine/n Therapeut/in, der allen Figuren ...

Dieser Roman hat mich umgehauen. WOW fällt mir da spontan ein. Warum ist er so überzeugend gut?
Zum einen diese grandiose Erzählweise. Man hat das Gefühl man begleitet eine/n Therapeut/in, der allen Figuren abwechselnd folg, je nachdem wo die Handlung ihn hin verschlägt. Geschrieben als würde die handelnden Personen diesem imaginären überall anwesenden Therapeuten alles erzählen und keine Geheimnisse haben müssen. Wie ein reinigender Prozess bei dem alle ihr innersten nach außen kehren. Jeder ist mal dran, mal kürzer mal länger, auch handlungsgetrieben. Sehr innovativ und par excellence umgesetzt. Chapau.
Zum anderen überzeugt Alexa Henning von Lange mit der atmosphärischen Wiedergabe dieses spießigen kleinen Kosmos einer Vorstadtsiedlung der 80er Jahre. Wo alte Traditionen einer patriarchalen Erziehung mit neue feministische Idee, eine Generation Freiheitlicher Liebe und neue Denkansätze zusammenprallen. Ein Ort an dem die Menschen unglücklich an ihren eigenen Lebensvorstellungen scheitern, nach Anerkennung gieren und Anderen ihr Glück missgönnen. Eine gelungene Rückblende in die ach-so sorglose Zeit der 80er Jahre Reihenhaus-Idylle mit ihren schon damals verlogenen Perfektionen. Und wer sitzt mittendrin in diesem Tornado aus Gefühlen, Sich-finden und Leben vortäuschen? Die Kinder!
Und das ist der dritte überzeugende Faktor bei diesem Roman. Alexa Henning von Lange spiegelt uns selbst in der Gegenwart mit all unseren Erwartungen in dem Treiben der 80er Jahre. Dort nahm die ganze Selbstoptimierung, der Kinder-Förderwahn seine Anfänge. Es werden Mütter hier angeklagt, die emanzipiert sein wollen, es aber nicht schaffen und ihre Töchter mit all dem Ballast alleine lassen. Wie ein paar Zeilen auf Seite 97 belegen: „Meine Kinder zerbrechen an dieser Welt. Und niemand kann uns beschützen. Nur wir uns selbst.“
Hier werden auch andere große Themen indirekt verarbeitet: Wo ist die westdeutsche durchschnittliche Gesellschaftsschicht falsch abgebogen? Hier wird portraitiert wo der Selbstoptimierungs- und Ego-Trip seinen Anfang nahm.
Ein sehr vielschichtiger Roman, den es zu lesen lohnt. Aufklärend & augenöffnend, auch wenn der Spaß hier eher literarischer als inhaltlicher Natur ist.
Fazit: Für mehr echtes Leben ohne Fassade und mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Gute Prose mit echtem Leben für kleine großartige Menschen!

Lasse feiert Geburtstag
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Lasse hat uns mit neuen Geschichten beglückt!
Der rote Faden der sich diesmal in Band 2 durchzieht ist Lasses 7. Geburtstag so wie der Titel vermuten lässt: 'Lasse feiert Geburtstag'!
Wieder sind es die ...

Lasse hat uns mit neuen Geschichten beglückt!
Der rote Faden der sich diesmal in Band 2 durchzieht ist Lasses 7. Geburtstag so wie der Titel vermuten lässt: 'Lasse feiert Geburtstag'!
Wieder sind es die alltäglichen Wichtigkeiten im Leben eines Erstklässlers, die uns Sarah Welk geschickt und sehr liebevoll erzählt!
Er überlegt wer einzuladen ist. Dann kommt noch kurz ein Wackelzahn dazwischen der auch seien Aufmerksamkeit fordert. Und, natürlich wie sollte es anders sein: DER Tag der Tage: sein Geburtstag ist natürlich auch seitenfüllend und sehr gelungen. Wirklich kurzweilig und wunderbar vorzulesen (Vorschüler) sowie super geeignet für Erstleser.

Sehr niedlich illustriert von Anne-Kathrin Behl. Wir freuen uns immer, wenn es wieder ein Bild zu entdecken gibt nach dem Umblättern!

Wer Band 1 noch nicht kennt (Lasse in der ersten Klasse) sollte mit diesem starte, denn auch hier wird sehr sensibel berichtet wie Lasse zur Schule kommt mit allen Vorbereitungen.

Wie schon in Band 1, hat auch im Band 2 Sarah Welk ein unheimliches Feingefühl an den Tag gelegt was so einen 7jährigen wirklich umtreibt und wie die dazugehörige Gefühlslage sein könnte. Sehr lebensnahe ohne zu cool zu sein sind diese simplen, aber so treffenden Geschichten! Ganz ehrlich, solche sind mir viel lieber als die 100 Superschurken-Story oder der 8 Dinosaurier-Mischmasch.

Und nun? Wir hoffen auf einen dritten Band! Wie Lasse vielleicht einen Sport für sich entdeckt? Oder in den Ferien wegfährt? Oder zu den Pfadfindern geht? Wir sind voller freudiger Erwartung!

Veröffentlicht am 17.08.2018

Interessant & gut recherchierter historischer Roman

Bühlerhöhe
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Wir befinden uns Anfang der 1950er Jahre in Deutschland. Adenauer ist Kanzler und die junge Republik fängt an sich zu verändern, ein Zustand der Verdrängung der Kriegsereignisse. Adenauer will ein Wiedergutmachungsgesetzt ...

Wir befinden uns Anfang der 1950er Jahre in Deutschland. Adenauer ist Kanzler und die junge Republik fängt an sich zu verändern, ein Zustand der Verdrängung der Kriegsereignisse. Adenauer will ein Wiedergutmachungsgesetzt verabschieden um eine monetäre Entschädigung der ermordeten Juden zu ermöglichen.
Nun macht Adenauer Urlaub auf der Bühlerhöhe wie jedes Jahr und es ist ein Anschlag einer jüdischen Extremistengruppe geplant um ihn zu töten und damit das Gesetzt zu verhindern. Die Gruppe ist davon überzeugt, dass Israel kein Blutgeld von den Deutschen annehmen sollte. Zur Gründung Israels ist es allerdings wichtig, dass dieses Geld fließt um den Staat aufbauen zu können.
Israel schickt einen Mossad-Agenten und eine junge Frau namens Rosa Silbermann um dieses Attentat zu verhindern und arbeitet vor Ort mit dem deutschen BND zusammen.

Das ist im Groben die grundlegende Handlung des Romans ‚Bühlerhöhe‘ von Brigitte Glaser. Neben diesem Hauptstrang passiert noch viele vieles mehr! Ein wunderbares Figurenkabinett zeigt uns verschiedene Standpunkte, gibt uns Verständnis für Handlungen, die aus einem Erlebnis in der Vergangenheit rühren und einen guten Einblick in die 50er Jahre!
Zum einen lebt dieser Roman von den falschen Fährten die hier für den Hauptdrang gelegt werden um zu klären wer den Kanzler ermorden will. Hier merkt man, dass die Autorin des Romans, Brigitte Glaser bisher Kriminalromane schrieb. Zum anderen ist der Roman im Kern eine Reflektion des Nachkriegsdeutschlands. Die Zeit zwischen Kriegsende und Aufarbeitung, die erst Anfang der 60er Jahre begann mit den Auschwitzprozessen. Und zu guter Letzt scheint dieser Roman auch (für mein Verständnis) eine kleine literarische Erinnerung an die Bühlerhöhe zu sein.

Die Charaktere sind vielschichtig beschrieben und zeigen uns wie unterschiedlich die Wahrnehmungen je nach Erfahrungsschatz sind. Allesamt sehr eigen und differenziert beschrieben.

Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen und kann ihn wärmstens empfehlen. Wer sich für Romane interessiert, die eine gut recherchierte historische Grundlage haben, ist hier bestens aufgehoben!