Sayaka Muratas „Die Ladenhüterin“ lockte mich bereits mit dem ansprechenden Cover und wer mich kennt, wird auch wissen, dass der Klappentext nach einem Buch klingt, das quasi für mich geschrieben wurde. ? Es geht um Keiko, ein junges Mädchen, das schon immer irgendwie anders ist. Empathie und Freundschaften sind ihr fremd und sie bleibt lieber für sich. Nach einer seltsamen Kindheit stößt sie in ihren Tagen als Studentin auf die Stellenanzeige eines Konbinis, eines japanisches Gemischtwarenladens, und ihr Leben beginnt für sie endlich besser zu werden. Im Konbini gelten klare Regeln und feste Willkommens- und Abschiedsformeln — kurz: Alles hat seine Ordnung. Keiko fühlt sich ab Tag 1 ihres neuen Jobs pudelwohl, nur mit den Kolleginnen scheint es nicht so zu klappen. Als sie jedoch beginnt, sich wie diese anzuziehen und sprachliche Eigenarten der anderen zu übernehmen, gehört sie plötzlich dazu — ein Gefühl, das ihr bisher völlig fremd war. Ihr ganzes Leben widmet sie fortan dem Konbini und alles könnte so friedlich sein, wenn nicht ihre Mutter, ihre Schwester und deren Freundinnen ständig nachhaken würden, wann sie sich denn einen Ehemann zulegt und endlich ein normales Leben führt.
"Zum ersten Mal war es mir gelungen, am normalen Leben teilzunehmen. Als wäre ich gerade erst geboren worden. Mein erster Tag im Konbini war mein Geburtstag als normales Mitglied der Gesellschaft."
Durch dieses permantente Nachfragen gerät Keikos eigentlich erfülltes Leben, in dem sie nun einen Sinn gefunden zu haben scheint, gehörig aus dem Gleichgewicht und fortan beschäftigen sie Gedanken wie das „normale“ Leben einer japanischen Frau und woher sie einen Ehemann herbekommen soll. Doch dann gibt es einen neuen Kollegen, den maßlosen und undisziplinierten Shiraha, der in allem so gegensätzlich zu Keiko ist, und als dieser sich durch eine Reihe seltsamer Gegebenheiten in ihrer Wohnung einnistet, hat Keiko auf einmal eine Idee, wie sie die nervigen Fragen ein für alle Male loswird.
Sayaka Murata hat mit der „Ladenhüterin“ ein wunderbares kleines, aber auch gefühlskaltes Buch geschrieben. Letzteres ist allerdings keinesfalls negativ gemeint, sondern der Protagonistin geschuldet, die mir beim Lesen teilweise schon wie ein Roboter vorkam. Ihre Art, vielleicht auch Krankheit, wird im Detail beschrieben, wir erfahren, wie Keiko aufwächst, wie sie sich in eigentlich normalen Situationen seltsam und stellenweise auch makaber verhält: beispielsweise empfiehlt sie ihrer Mutter, ihre kleine Schwester, damals noch ein Baby, mit dem Messer ruhig zu stellen. Niemand versteht Keiko und Keiko versteht die Welt nicht. Nach ihrer „Geburt als normales Mitglied der Gesellschaft“ tut sie nur noch, was die anderen tun, folgt allen Anweisungen strikt und stellt außerhalb der Arbeitszeiten so gut wie jede Lebensäußerung ein. Und obwohl Keiko eigentlich mit der japanischen Lebensart nichts am Hut hat, wird sie immer wieder damit konfrontiert, dass eine Frau ohne einen Mann oder einen richtigen Job nichts wert ist. Deshalb entscheidet sie sich auch dazu, den schmarotzenden Shiraha in ihrer Wohnung zu belassen, damit sie ihrer Familie erzählen kann, sie hätte einen Mann. Denn ein Mann ohne Job (Shiraha bleibt, wie zu erwarten war, nicht lange Angestellter im Konbini) ist immer noch besser als kein Job, und Keiko möchte doch einfach nur in Ruhe gelassen werden und ihrer Erfüllung nachgehen.
Die vollständige Rezension findet ihr auf meinem Blog: https://killmonotony.de/rezension/sayaka-murata-die-ladenhueterin