Zitate:
"Wenn sie deinen Geruch wittern, verfolgen sie dich viele 100 Kilometer weit, und wenn sie dich erwischen, fressen sie dich auf." Seite 9
"Ihr seid Kinder. Für euch ist es quasi unmöglich, sich den Tod auszumalen, weil Kinder immer in dem Bewusstsein leben, dass alles ewig andauern wird." Seite 31
"Sie streichelt mit der Hand Melanies Kopf, als wäre das die natürlichste und normalste Sache der Welt. <…> Und nun berührt Miss Justineau ihren Kopf, und es ist fast unerträglich schön." Seite 36
"Freitag ist Miss-Justineau-Tag. Normalerweise wäre das Grund zu großer, ungetrübter Freude, doch diesmal mischt sich Angst in Melanies Vorfreude. Fast hätte sie Miss Justineau gefressen." Seite 100
Charakter:
Die kleine Melanie ist erst 10 und trotzdem trägt sie ihr Martyrium tapfer. Sie lebt, wie die anderen „Versuchskaninchen“ in einer Zelle auf einem Stützpunkt und weiß weder was sie ist, noch woher sie kommt.
Eine ihrer größten Ängste ist der Besuch von Dr. Caldwell. Diese bedeuten immer eine Abweichung von der Routine und auch nie etwas Gutes. Routine ist eins der wenigen Dinge, woran Melanie sich klammert. Das und natürlich Miss Justineaus Unterricht ;)
Sie liebt griechische Sagen so sehr, dass sie am liebsten sie ihren Namen in Pandora ändern und den ganzen Tag den Geschichten lauschen würde.
Das wichtigste Merkmal an Melanie ist wohl, dass sie zum Teil immun gegen die Seuche ist.
Ob das nun Fluch oder Segen ist, muss wohl jeder selbst entscheiden.
Meinung:
Empfangen werden wir von einem wahrlich schaurigen Szenario:
Kinder werden in Zellen weggesperrt und vor dem Unterricht an Stühlen so festgezurrt, dass so gut wie keine Bewegung möglich ist. Man merkt deutlich, dass die Menschen um sie herum Angst vor ihnen haben. Einmal pro Woche werden sie mit Maden gefüttert und in der Dusche desinfiziert...
Bereits hier werden wir mit dem beklemmenden Kontrast zwischen kindlicher Naivität und der Situation der Menschheit sowie vor allem der eingesperrten Kinder konfrontiert. Keines der Kinder war jemals draußen in der Natur, die Zellen haben noch nicht mal kleine Fenster.
Was wirklich sehr hart klingt, ist nichts weiter, als der verzweifelte Versuch, die übrig gebliebene Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. Aber rechtfertigt der Zweck wirklich jedes Mittel? Sind die Schüler des Stützpunkts tatsächlich reine Forschungsobjekte, oder sind sie nicht ebenso Kinder? Wir finden uns des Öfteren konfrontiert mit ethischen und moralischen Grenzen und Grauzonen. Wo beginnt der Überlebenswille und wo hört die Menschlichkeit auf?
Zwei Jahrzehnte nach dem Zerfall forschen eine paar Wissenschaftler an dieser Gruppe von halb immunen Kindern. Sie wurden durch die Pilzmyzelien nicht zu Hungernden, im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung.
Aber so richtig gesund sind sie dann auch nicht. Sie reden, denken und verhalten sich wie Kinder, aber sobald sie menschliches Fleisch riechen, übernimmt der Erreger in ihrem Hirn die Führung und alles was sie wollen, ist fressen.
Für den Großteil der Wissenschaftler steht fest, dass diese Kinder erforscht und am Ende gar seziert werden müssen, um das Überleben der Menschheit zu sichern, indem sie hierdurch ein Heilmittel finden.
Aber eine der Lehrerinnen ist dieser Vorgehensweise auf Dauer nicht gewachsen. Sie sieht Kinder, nicht Zombies, was sie und die anderem auf dem Stützpunkt vor ein großes Problem stellt…
Unter den Kindern befindet sich auch Melanie. Sie ist hochintelligent und erträgt die Strapazen, wie die wöchentliche Dusche mit Chemikalien oder die Fütterung in Form von Maden ohne Murren, solange sie zum Unterrichtstag von Miss Justineau kann.
Diese liebt Melanie nahezu abgöttisch und diese bedingungslose, kindliche Liebe, die bereits durch ein Minimum an Menschlichkeit in Melanie hervorgerufen wird, ist erschreckend und wunderschön zugleich. Auch wenn es im realen Leben (vermutlich?) keine Zombies gibt, diese Liebe ist authentisch, genau so, wie Kinder eben lieben (auch, wenn manche diese große und oftmals naive Liebe nicht wirklich verdienst haben).
Und obwohl Melanie und ihre „Klassenkameraden“ jederzeit bewacht und behandelt werden wie Tiere, sollen sie nicht die einzige oder größte Bedrohung bleiben… Denn schneller als den Bewohnern des Stützpunktes lieb ist, geht es für sie nur noch ums nackte Überleben.
M.R. Carey beschreibt die Situation und vertieft die Charaktere, indem wir nach und nach etwas über ihren Background, ihre Beweggründe und Motivationen erfahren. Er macht dies in einem derberen Schreibstil, der meiner Meinung nach perfekt zum Szenario der Geschichte passt. So wirkt das Ganze authentisch und ruft auch den ein oder anderen Schmunzler in zumeist doch wirklich düsteren Szenen hervor.
Doch diese Geschichte beschreibt nicht nur die Flucht vor Zombies, sondern auch eine Reise ins Innere der Charaktere, was dem Ganzen eine ganz andere Art von Tiefgründigkeit verleiht. Wer denkt, es handle sich bei diesem Buch um ein typisches Endzeitszenario - weit gefehlt!
Die Berufene war für mich zugleich ein wunderschönes und doch schreckliches Buch das sehr zum Nachdenken anregt. Diese Geschichte wird mir bestimmt noch eine ganze Weile im Gedächtnis bleiben und mich beschäftigen!