Frau Einstein beschreibt die Geschichte von Mileva Marić, die es als eine der wenigen Frauen ihrer Zeit trotz aller Widrigkeiten schafft, in Zürich Mathematik und Physik zu studieren. Schnell entwickelt sie sich zur Besten ihres Fachs und wird von ihren Kommilitonen geschätzt. Trotzdem bleibt ihr ein Abschluss verwehrt. Als sie von Albert Einstein unverheiratet schwanger wird, ist Mileva gezwungen, ihr Studium zu unterbrechen. Obwohl sie es später wieder aufnimmt, gelingt der Abschluss nicht. Anstatt an wissenschaftlicher Arbeit und Diskussionen teilzuhaben, führt sie Albert Einstein und ihren gemeinsamen Kindern zuliebe das Leben einer spießbürgerlichen Hausfrau.
Mileva Marić war von Kindesbeinen an eine mathematisch begabte, kluge Persönlichkeit, die sich vor allem nach Liebe und Anerkennung sehnte. Zwei ältere, früh verstorbene Geschwister und Milevas Behinderung, eine schiefe Hüfte, trübten die Beziehung zu ihrer Mutter. Ihr Vater unterstützte sie leidenschaftlich in ihrem Streben nach Wissen. Ein Hintergrund dürfte hier jedoch auch die Befürchtung gewesen sein, dass Mileva unverheiratet bleiben würde. Weil sie nicht in das Mädchen-/Frauenbild zum Ende des 18ten Jahrhunderts passt, bleiben ihr Freundschaften zunächst verwehrt. Im Laufe ihrer Kindheit entwickelt Mileva ihre Kämpfernatur, die sie ein Leben lang nicht mehr ablegt. Ich war sehr beeindruckt von ihrer Hingabe und Zielstrebigkeit, von ihrem Durchhaltevermögen und schließlich von ihrem Mut.
Albert Einstein, Physikstudent am Polytechnikum in Zürich und später gefeierter Wissenschaftler, stammt aus gutem Hause. Seine Eltern halten ihm den Rücken frei, damit er sich voll und ganz seinem Studium widmen kann. Er ist für mich der kritische Charakter dieser Geschichte, der sich vom zuvorkommenden Prince Charming, über einen erfolgshungrigen, die wirklich wichtigen Dinge im Leben ausblendenden Narzissten, hin zu einem ignoranten, herrischen Wesen entwickelt hat. Wenn auch nur die Hälfte der Abscheulichkeiten wahr ist, die er seiner Frau Mileva abverlangt bzw. mit denen er sie bedacht hat, dann bin ich, erschüttert in meinen Grundwerten massiv enttäuscht von ihm.
Milana, Ruzica und Helene sind Milevas Freundinnen aus der Pension Engelbrecht. Sie lassen Mileva eine Pause machen, indem sie gemeinsam musizieren oder Ausflüge unternehmen. In diesem Umfeld, insbesondere gegenüber Helene, gelingt es ihr sich bezüglich Problemen, Empfindungen und Selbstzweifeln zu öffnen. Die Freundinnen motivieren Mileva ihr Schneckenhaus zu verlassen und ihr Wissen auch preis zu geben. Nur dadurch erlangte Mileva den Respekt ihrer Kommilitonen.
Frau Einstein ist ein aufschlussreiches, aber auch sehr trauriges Buch. Zeitweise musste ich mich zusammenreißen, dass mir nicht die Tränen kommen. Während es mir im ersten Drittel mit den vorsichtigen Annäherungsversuchen von Albert Einstein wie ein Liebesroman erschien, wurde es zum Ende hin durch seine Psychospielchen fast noch ein Thriller. Ein Drama ist es in jedem Fall, wenn eine so begabte Frau ein Dasein im Schatten eines undankbaren Ehemannes fristen muss.
Die fesselnde Darstellung von Marie Benedict hat mir gefallen. Ihr Schreibstil war sehr verständlich und flüssig zu lesen. Zur Formvollendung wurde jedem der drei Teile, in die das Buch aufgeteilt ist, das passende Newtonsche Gesetz vorangestellt. Ich kann es nur weiterempfehlen.