Joe ist Vater von vier Kindern, ein liebender Ehemann und ein guter Polizist, bis er über die Jahre hinweg immer schusseliger und tollpatschiger wird. Auch sein Aggressionspotenzial steigt und hin und wieder gleiten ihm Gegenstände aus der Hand. Das kann jedem passieren und „das kommt so mit dem Alter“ kann man sagen, doch bei Joe ist das anders. Er bekommt, nachdem ihn seine Frau Rosie bittet zum Arzt zu gehen, die niederschmetternde Diagnose Huntington. Ungläubig starrt Joe den Arzt an und hat überhaupt keine Ahnung was diese Diagnose für ihn und sein Leben bedeuten wird, bis seine Frau sich über diese Krankheit im Internet schlau macht und auch der Arzt ihm den Ernst seiner Lage vermittelt. Joe und Rosie stehen vor der schwierigen Aufgabe ihren Kindern den Gesundheitszustand ihres Vaters zu beichten und müssen sie damit konfrontieren, dass es sich bei Huntington um eine vererbbare Krankheit handelt, die unheilbar ist und zum Tode führt. Die Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die relative Unbeschwertheit, in der die Familie bis dahin lebte, ist dahin und wird zunächst ersetzt durch Angst, Traurigkeit, Unbehagen und einen Schock-ähnlichen Zustand.
In den weiteren Kapiteln dieses Buches erlebt der Leser wie die heimtückische Krankheit immer mehr Besitz von Joe ergreift und sich sein Zustand immer mehr verschlechtert. In emotionalen Szenen erlebt man den Zusammenhalt in der Familie, fühlt und leidet mit Joe, Rosie und seinen Kindern und ist immer wieder überwältigt von den gefühlvollen Konversationen zwischen allen Beteiligten und der Hoffnung, die sie alle nicht aufgeben. Als Leser hat man das Gefühl zu dieser Familie zu gehören, ein Teil von ihr zu sein und empfindet eine starke Sympathie für einige Protagonisten. Besonders die Tochter Katie, eine junge Yoga-Lehrerin, spielt in dem Buch eine große Rolle und ist mir ans Herz gewachsen. Man liest ihre Gedanken und spürt ihre Angst, denn auch sie hat eine 50:50 Chance das Gen, welches die Krankheit auslöst, in sich zu tragen. Sie überlegt ständig, ob sie sich einem Gentest unterziehen soll, ob sie das Ergebnis unbedingt wissen will und was sie bei negativer oder positiver Diagnose machen würde. Auch Joes andere Kinder stehen vor dieser schweren Entscheidung einen Test zu machen oder mit der Ungewissheit zu leben und Rosie, die Mutter, muss sich verstärkt um ihren Mann kümmern und mit dem Gedanken anfreunden, dass sie früher oder später ihren Mann an diese furchtbare Krankheit verlieren wird.
Wieder einmal hat Lisa Genova ein wunderbares, emotionales und authentisches Buch geschrieben. Ich bin von ihrem Schreibstil und ihrer Feinfühligkeit sehr angetan und hoffe, dass dieses Buch die Vorlage für einen Film bieten wird, denn diesen würde ich mir definitiv ansehen.
„Die Huntington-Krankheit ist eine sehr seltene, vererbbare Erkrankung des Gehirns. Sie ist eine fortschreitende Erkrankung, die meist zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr ausbricht. Die Huntington-Krankheit (abgekürzt HK; englisch Huntington's disease, abgekürzt HD) wird auch Chorea Huntington, Morbus Huntington genannt und war früher als Veitstanz bekannt. Meist stehen am Anfang der Erkrankung fortschreitende psychische Auffälligkeiten im Vordergrund: Die Patienten sind depressiv oder vermehrt reizbar und aggressiv oder enthemmt; andere bemerken einen Verlust an geistigen Fähigkeiten oder eine zunehmende Ängstlichkeit. Später kommt es häufig zur Demenz. Die Bewegungsstörungen bestehen in plötzlich auftretenden, unkontrollierbaren und überschießenden Bewegungen von Extremitäten oder Rumpf. Diese Störungen können in Ruhe auftreten oder andere Bewegungen beeinträchtigen. Auch die Zungen- und Schlundmuskulatur können betroffen sein. Die Sprache wirkt in diesen Fällen abgehackt und unverständlich, Laute werden explosionsartig ausgestoßen. Ebenso kann es zu Schluckstörungen kommen, so dass die Nahrungsaufnahme sehr schwierig wird. Lungenentzündung aufgrund von Schluckstörungen sind eine häufige Komplikation.“
(Quelle: Deutsche Huntington-Hilfe e.V. (DHH) http://www.huntington-hilfe.de)