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Veröffentlicht am 28.09.2018

Die Mischung aus historischem Hintergrund und zukünftiger Technologie ist hochspannend dargestellt, die Charaktere vielschichtig

NSA - Nationales Sicherheits-Amt
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Helene Bodenkamp ist Anfang 20 und arbeitet als Programmstrickerin im Nationalen Sicherheits-Amt im Dritten Reich. Das NSA ist eine Behörde mit Sitz in Weimar, die noch unter Wilhelm II. gegründet wurde. ...

Helene Bodenkamp ist Anfang 20 und arbeitet als Programmstrickerin im Nationalen Sicherheits-Amt im Dritten Reich. Das NSA ist eine Behörde mit Sitz in Weimar, die noch unter Wilhelm II. gegründet wurde. Nach Ende des Weltkrieges im Jahr 1917 wurden die Aufgaben und Befugnisse des Amtes durch den ersten Regierungschef der Weimarer Republik, Philipp Scheidemann, neu geordnet. Es sollte alle technisch verfügbaren Daten sammeln und Datenströme im Netz der Komputer sowie der beweglichen Telephonie beobachten. Programmstrickerinnen wie Helene unterstützen dabei die Analysten des Amtes, indem sie die Massendaten nach festgelegten Kriterien und Fragestellungen aufbereiten.

Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers geriet das Amt innerhalb der Bevölkerung zunehmend in Vergessenheit, das Gestapo, SA und SS in der Öffentlichkeit mehr wahrgenommen wurden.
Während des Krieges gibt es Überlegungen, das Amt aufzulösen, da die Mitarbeiter für wichtigere Aufgaben an der Front oder in der Rüstung gebraucht würden. Der Leiter des Amtes, August Adamek, aber insbesondere der Analyist Eugen Lettke, der auf keinen Fall als Soldat einberufen werden möchte, möchten eine Auflösung des Amtes verhindern und beweisen, dass das Amt eine wichtige Stütze ist, um den Krieg gewinnen zu können. Am 5. Oktober 1942 ist deshalb der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, mächtigster Mann hinter Hitler, für eine Inspektion zu Besuch. Helene, als eine der fähigsten Programmstrickerinnen, demonstriert ihm die schier unendlichen Möglichkeiten der Auswertung der massenhaft vorhandenen Daten über jeden Bürger. Insbesondere die Fähigkeit, illegal versteckte Personen über den Verbrauch von Lebensmitteln pro Haushalt ausfindig zu machen, stößt auf großes Interesse.

Helene befindet sich mit ihrer Tätigkeit, deren Auswirkungen ihr lange nicht bewusst waren, in einem Interessenkonflikt, versteckt sie doch seit Kurzem einen Fahnenflüchtigen, in den sie sich verliebt hat.

"NSA - Nationales Sicherheits-Amt" ist ein Politthriller, der zur Zeit des Dritten Reiches spielt, in der die Technik aber so weit fortgeschritten ist, dass es Komputer, elektronische Briefe, bewegliche Telephone und ein Weltnetz mit Unterhaltungsforen gibt. Das NSA sammelt unkontrolliert Daten über jeden Bürger, die sich allein durch einen Einkauf oder die Nutzung des Telephons ergeben. Die Massendaten werden in Datensilos gesammelt und kommen unter anderem dann zur Auswertung, wenn es einen Hinweis darauf gibt, das sich ein Bürger nicht konform verhält.

Es ist ein erschreckendes Szenario, das Andreas Eschbach aufbaut. Man fragt sich unweigerlich, wie die eigenen Daten im Internet, die bei Behörden, Versicherungen und Ärzten vorliegen, zweckentfremdet würden, wenn heute wieder ein Diktator in Deutschland an der Macht wäre und ob die Daten heute eigentlich sicher sind bzw. ob man zu unvorsichtig ist und zu viel von sich in sozialen Netzwerken preisgibt.

Die Mischung aus historischem Hintergrund und zukünftiger Technologie ist anschaulich und nachvollziehbar dargestellt, da man die historischen Ereignisse und die Entwicklung des NSA durch einen Rückblick in die 20er- und 30er-Jahre aus der Perspektive von Helene miterlebt.

Interessant ist dabei nicht nur die Einfachheit der Sammlung der Daten und die erschreckend leichte Bündelung und Aufbereitung derselben, um sie zur Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung zu nutzen. Die Spannung über die Verwendung der Daten wird vor allem dadurch gesteigert, dass Helene plötzlich persönlich von den Konsequenzen ihrer Tätigkeit betroffen ist und sich nicht nur um ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die ihrer Freunde und ihres Geliebten fürchten muss. Wie kann sie die Tätigkeit bei der NSA noch mit ihrem Gewissen vereinbaren oder kann sie ihren direkten Zugriff auf die Daten für ihren eigenen Schutz verwenden? Und muss sie dann nicht auch versuchen, die Personen vor Verfolgung zu schützen, die durch ihre Recherchen als Bürger aufgedeckt werden, die den Gesetzen zuwider handeln?

Trotz des Umfangs des Romans von 800 Seiten hat der Roman keine Längen. Der Thriller überzeugt nicht nur durch die Recherche zur Historie, der perfekten Anpassung der Sprache an die damalige Zeit und die mühelosen Erklärungen der Technologie, die in die Geschichte eingebettet werden, sondern auch durch die Vielschichtigkeit der Charaktere und die bis zum Ende aufrechterhaltene Spannung, wie dieses Szenario enden kann.

Veröffentlicht am 31.08.2018

Lebendiger Roman, voller Bonmots und witziger Dialoge, gleichzeitig aber auch gefühlvoll, traurig und sehr berührend - ein bisschen Drama, ein bisschen Komödie

Das ganze Leben auf einmal
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Tom ist alleinerziehender Vater einer 15-jährigen Tochter, die seit Geburt unter dilatativer Kardiomyopathie, einer krankhaften Erweiterung des Herzmuskels leidet. Sein gesamter Lebensinhalt ist die Sorge ...

Tom ist alleinerziehender Vater einer 15-jährigen Tochter, die seit Geburt unter dilatativer Kardiomyopathie, einer krankhaften Erweiterung des Herzmuskels leidet. Sein gesamter Lebensinhalt ist die Sorge um Hannah und die Leitung des kleinen Theaters "Willow Tree" in Somerset.
Hannah wird ihre Krankheit immer mehr bewusst, als sie öfter mit Schwächeanfällen zu kämpfen hat oder gar ohnmächtig wird. Sie möchte sich keine Gedanken um ihre Zukunft machen und welche Fächer sie in den Oberstufenkursen belegen möchte, da ihr Leben ihr perspektivlos erscheint. Viel lieber möchte sie auf der Bühne des Theaters stehen und sicherstellen, dass ihr Vater ohne sie zurecht kommt. Sie möchte eine neue Frau für ihn finden, nachdem er so lange Single war und sich nur um ihr Wohlergehen gekümmert hat. Sie meldet ihn bei einer Partnerbörse an, nötigt ihn zu verschiedenen Dates und macht selbst ihre ersten Erfahrungen mit der Liebe.

Der Roman ist abwechselnd aus der Perspektive von Tom bzw. Hannah geschrieben. Beides sind liebenswürdige Charaktere, die ein sehr enges Verhältnis zueinander pflegen.

Je schwächer Hannah wird, desto mehr Raum nimmt die Krankheit in ihrem Leben ein. Ihr Vater sorgt sich und ist überfürsorglich, behandelt Hannah deshalb noch so, als wäre sie ein kleines Kind, weshalb der Teenager verständlicherweise zumal genervt ist und sich selbst mehr zutraut, als ihr Vater ihr zumuten möchte. Andererseits zeigt sich Hannah aber auch sehr erwachsen, indem sie sich Sorgen um die Zukunft ihres Vaters macht. Sie möchte verhindern, dass Tom an ihrem möglichen Tod zerbricht und sein Leben lang allein bleibt.

"Das ganze Leben auf einmal" ist ein herzerwärmender Roman, der trotz aller Traurigkeit, die Hannahs unheilbare Krankheit mit sich bringt, nicht schwermütig ist. Die Geschichte schildert die Liebe eines Vaters zu seiner Tochter und umgekehrt ohne rührselig zu sein. Die beiden sind trotz aller Schwierigkeiten ein gutes Team, das gemeinsame Rituale pflegt und sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann.

Mit 15 Jahren erlebt Hannah ihre erste Liebe und gleichzeitig versucht Tom ein wenig tollpatschig eine Partnerin zu finden. Seine Dates sind zumeist Katastrophen, aber der Autor schafft es, dass diese nicht übertrieben oder albern wirken.

Nicht nur die beiden Protagonisten, auch die Nebencharaktere sind liebevoll gestaltet und sehr glaubwürdige, charmante Charaktere, die mehr als nur Laiendarsteller in einem Provinztheater sind, sondern mit Hannah und Tom freundschaftlich verbunden sind, und eine große, besondere Familie bilden, die über Generationen hinweg solidarisch sind.

Die Geschichte ist gleichzeitig amüsant und berührend und vor allem am Ende wird man als Leser Zeuge der Magie des Theaters, das Planungen des Stadtrates zufolge für ein Wohnbauprojekt Platz machen und abgerissen werden sollte. Die Faszination des Theaters, die Illusion, die durch einfache Mittel entsteht, springt förmlich auf den Leser über, so dass man die Leidenschaft der Charaktere dafür nachvollziehen kann.

Kritisch könnte man an diesem Wohlfühlroman anmerken, dass alle Person etwas eindimensional gut sind und wenig Angriffsfläche bieten. Zudem hätte es meines Erachtens die Erkrankung von Hannahs erstem Freund Callum für die Geschichte nicht gebraucht.
Der Roman ist aber so lebendig, voller Bonmots und witziger Dialoge geschrieben, dass sogar Hannahs Krankheit phasenweise in den Hintergrund gerückt wird.
Es ist ein Roman wie das Theater selbst - ein bisschen Drama, ein bisschen Komödie.

Veröffentlicht am 25.08.2018

Liebevoll illustriertes Büchlein mit lehrreichen Alltagsgeschichten, an dem Kinder und Erwachsene ihre Freude haben

Björn
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"Björn: Abenteuer eines glücklichen Bären" ist ein Buch mit sechs illustrierten Kurzgeschichten. Alle Geschichten handeln von Björn und seinem Leben im Wald. Björn ist allerdings nicht allein. Mit dem ...

"Björn: Abenteuer eines glücklichen Bären" ist ein Buch mit sechs illustrierten Kurzgeschichten. Alle Geschichten handeln von Björn und seinem Leben im Wald. Björn ist allerdings nicht allein. Mit dem Dachs, dem Wiesel, dem Fuchs, dem Hasen, dem Eichhörnchen und der Elster hat er Freunde, die das Leben noch schöner machen.

Björn ist ein bescheidener Bär, der die kleinen Dinge im Leben zu schätzen weiß.

Die einzelnen Geschichten umfassen ca. zehn Seiten und bestehen aus wenigen kurzen Sätzen, die leicht verständlich sind. Auf jeder Seite sind durchschnittlich zwei Szenen abgebildet, die den Text veranschaulichen. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind schlicht, aber mit Liebe zum Detail.

Das Buch wird ab vier Jahren empfohlen und eignet sich damit am besten als Vorlesebuch oder um gemeinsam mit Kind die Bilder anzugucken. Diese sind minimalistisch, aber für die Kleinsten nicht zu abstrakt.

Es ist ein Kinderbuch, das aber auch für Eltern und Erwachsene interessiert und mit einem Augenzwinkern zu betrachten ist. Das Buch illustriert Geschichten aus dem Leben eines Bären, die zeigen, dass es gar nicht viel braucht, um glücklich zu sein. Die Texte haben einen unterschwelligen Humor, wenn der Bär sich schöne Honigbrote ohne Brot schmiert - nämlich direkt aus der Wabe nascht - oder wenn er neben seiner Post auch zufällig Kataloge findet, die ihm - baff! - ins Gesicht geweht werden.

"Björn: Abenteuer eines glücklichen Bären" ist ein liebevoll illustriertes Büchlein mit lehrreichen Alltagsgeschichten, an dem Kinder und Erwachsene ihre Freude haben.

Veröffentlicht am 10.08.2018

Familientreffen, bei dem erneut die Probleme jedes einzelnen Mitglieds zutage kommen - tiefgründig, feinsinnig und humorvoll

Die Glücksreisenden
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Inge Boysen wird 80 Jahre alt. Ihr Geburtstag fällt zeitgleich auf den Tag, an dem der Komet "Fortune" auf der Nordseeinsel erwartet wird, ihre Enkelin Inka wird einen Tag später 18 Jahre alt. Die vierfache ...

Inge Boysen wird 80 Jahre alt. Ihr Geburtstag fällt zeitgleich auf den Tag, an dem der Komet "Fortune" auf der Nordseeinsel erwartet wird, ihre Enkelin Inka wird einen Tag später 18 Jahre alt. Die vierfache Mutter Inge erwartet ihre gesamte Familie, ihre Kinder mit (Ex-)partnern und Enkelkinder, um gemeinsam zu feiern.

Mir war zunächst nicht bewusst, dass es sich bei "Die Glückreisenden" um die Fortsetzung des Romans "Wintergäste" handelt, was schade ist, da jede einzelne Figur dieser Familiengeschichte so interessant ist, dass ich sie gerne schon mit dem ersten Band kennengelernt hätte. Ganz nebenbei erfährt man als unwissender Leser, was sich im ersten Teil, der wenige Monate zuvor, rund um den Jahreswechsel spielt, ereignet hat, so das man keine Schwierigkeiten hat, die sich aus diesen Ereignissen resultierenden Entwicklungen und Personenkonstellationen zu durchdringen.

Im Haus Tide lebt derzeit Tochter Gesa, die in der Neujahrsnacht erneut Mutter wurde - nicht von ihrem Ehemann Jochen, mit dem sie zwei Kinder hat, sondern von ihrem Geliebten Matteo.
Weiterhin lebt dort Inges Schwiegertochter Kerrin, die keine Kinder bekommen konnte und deren Ehemann Enno sich nach einer überstandenen Tumorbehandlung auf Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff befindet. Kerrin hat Angst davor, Adoptivtochter Inka an ihrem 18. Geburtstag mitzuteilen, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Die zweite Tochter Berit lebt in Hamburg, hat gerade ihren Job verloren und hat Bindungsängste. Sie wird mit ihrer Freundin Johanna zum Geburtstag ihrer Mutter auf die Insel fahren.
Der zweite Sohn Boy ist Schiffsmusiker und noch unterwegs aus Chile. Sein Plan ist es, die Familie zu überraschen und das Haus Tide mit Hilfe einer gewonnen Wette vor dem finanziellen Ruin zu bewahren und damit das Erbe zu retten.

"Die Glücksreisenden" enthält neben der Rahmenhandlung des Erbes von Haus Tide und dem zu befürchtenden Kometenaufprall an Inges Geburtstag aufgrund der zahlreichen handelnden Personen viele Einzelgeschichten, die alle ihren notwendigen Raum bekommen. Über die Perspektivenwechsel kommt man den Protagonisten nahe und kann ihre widerstreitenden Gefühle nachvollziehen. Jeder hat seine eigenen Sorgen und Probleme und dennoch sind sie durch das Band der Familie miteinander verknüpft. Was die vier Geschwister und ihre Partner zudem verbindet, ist ihre jeweilige Suche nach dem individuellen Glück. Dabei gilt es, Ängste zu überwinden und Risiken einzugehen sowie belastende Geheimnisse zu lüften.

Die Charaktere sind exzentrisch, aber nicht übertrieben und wirken deshalb authentisch. Die Geschichte fesselt, da man wissen möchte, welche Entscheidungen die Protagonisten treffen und wie es mit dem Haus Tide, seinen Bewohnern und Erben zukünftig weitergehen wird. Haben die bestehenden Partnerschaften noch eine Chance oder ist es Zeit für etwas Neues? Wird Boy neben der Rettung des Erbes mit einer weiteren Enthüllung aufwarten? Wie wird Inka ihre Herkunft annehmen?

"Die Glücksreisenden" ist ein Roman über die Familie Boysen, die erneut zu einem feierlichen Fest vor dem Hintergrund der Weltuntergangsstimmung zusammenkommt,wobei es für das bessere Verständnis, der Einzelschicksale von Vorteil ist, wenn man den Vorgänger "Wintergäste" gelesen hat, jedoch nicht zwingend erforderlich.
Sybil Volks erzählt mit feinem Humor und verwendet eine bildhafte , aber dennoch eingängige Sprache mit Zitaten und klugen Sätzen, die im Gedächtnis bleiben.

Veröffentlicht am 13.07.2018

Atmosphärischer, vielschichtiger Roman um Erinnerungen, Liebe, die Fähigkeit zu verzeihen und den Mut, einen Neuanfang zu wagen

Möwenherz
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Ebba ist Managerin des erfolgreichen Geigers Jona Benett, mit dem sie um die Welt jettet. Als ihr Großmutter stirb und sie ihr Anwesen samt Heimatmuseum in Emilienkoog an der Nordseeküste erbt und Jona ...

Ebba ist Managerin des erfolgreichen Geigers Jona Benett, mit dem sie um die Welt jettet. Als ihr Großmutter stirb und sie ihr Anwesen samt Heimatmuseum in Emilienkoog an der Nordseeküste erbt und Jona zeitgleich eine Panikattacke auf dem Weg zu seinem nächsten Auftritt erleidet und sich weigert, weitere Termine wahrzunehmen, fahren die beiden gemeinsam in Ebbas friesisches Heimatdorf.
Jona sorgt dafür, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr auftreten kann und zieht sich in Ebbas geerbtes Museum zurück und frönt dem Alkohol.

Finn ist Kardiologe in einem Klinikum in München und wird zwangsbeurlaubt, als er bei einer Operation am offenen Herzen beinahe einen Patienten am Leben gefährdet. Statt wie geplant an den Gardasee zu fahren, zieht es ihn zurück in seine Heimat an die Nordsee, der er aufgrund der Wut auf seinen Vater den Rücken gekehrt hat. Dort trifft er überraschend auf seine Freundin aus Kindertagen Ebba wieder.

Der Roman ist aus den drei Perspektiven von Ebba, Jona und Finn erzählt, so dass man allen dreien Protagonisten sehr nahe kommt und ihr Inneres, das aus unterschiedlichsten Gründen aus den Fugen geraten ist, verstehen kann. Während Jona massive Probleme mit dem Erfolgsdruck in der Gegenwart hat und ausgebrannt ist, haben Ebba und Finn mit Ereignissen der Vergangenheit zu kämpfen, die sie nicht verarbeitet haben und mit der sie sich zurück in Emilienkoog konfrontiert sehen. Ebba macht sich Vorwürfe und bedauert, dass sie ihre Großmutter nach dem Tod ihres geliebte Opas Henri nicht mehr besucht hat. Finn macht seinen Vater für den Tod seiner Mutter verantwortlich.

In Emilienkoog müssen sich Ebba und Finn den Geistern der Vergangenheit stellen und Jona sich bewusst werden, wie es in der Zukunft beruflich für ihn weitergehen soll. Ebba ist neben dem Trauer um die Großmutter über ihre Gefühle für Jona irritiert. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen, möchte ihn beschützen, ist aber gleichzeitig auch für seine Karriere verantwortlich und muss die Begehrlichkeiten der Plattenfirma und des Tourmanagements befriedigen.

Neben den persönlichen Problemen der Protagonisten handelt der Roman aber auch von ökologischen Aspekten, thematisiert den vergangenen Walfang in der Nordsee und die gegenwärtig gestrandeten Pottwale und welchen (negativen) Einfluss der Mensch auf die Natur hat.

"Möwenherz" suggeriert aufgrund des fröhlichen Covers einen heiteren Sommerroman, ist jedoch viel vielschichtiger und tiefgründiger als gedacht. Die Beschreibungen der Autorin sind metaphorisch und vor allem aus der Perspektive des Künstlers Jona und seine Empfindungen gegenüber Emma sehr bildhaft. Es ist ein vom Prolog an, in welchem die Großmutter neben dem gestrandeten Wal stirbt, atmosphärischer Roman, der die Gefühle der Charaktere im Fokus hat. Es geht um Erinnerungen und um Freundschaft, um die Liebe zwischen Partnern, aber auch zu Angehörigen, um die Fähigkeit, Verzeihen zu können und um den Mut, einen Neuanfang zu wagen.

Mich hat der etwas melancholische, tiefgründige Roman sehr gut unterhalten und neugierig auf die bereits veröffentlichten Romane von Katrin Burseg gemacht, die "Möwenherz" unter ihrem Pseudonym Karen Bojsen geschrieben hat.