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Veröffentlicht am 24.10.2018

Späte Liebe?

Die letzte Pirsch
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„Wer bringt sich denn in dem Alter noch um? Das rentiert sich doch nimma!“ (S. 89) meint Aufsichtsjäger Sepp Flattlacher, als er vom Selbstmord von Gerfried Ragger (85) hört. Eigentlich könnte ihm der ...

„Wer bringt sich denn in dem Alter noch um? Das rentiert sich doch nimma!“ (S. 89) meint Aufsichtsjäger Sepp Flattlacher, als er vom Selbstmord von Gerfried Ragger (85) hört. Eigentlich könnte ihm der egal sein, aber Irmi (Irmgard Leitner) die neue Obfrau des Jagdvereins, war mit dem Toten verwandt und bittet ihn um Hilfe, denn sie meint, es war Mord!
Genau so sieht es auch Polizist Martin, aber seine Kollegen glauben ihm nicht und die Obduktion des Toten ergibt nichts Ungewöhnliches. Doch Gerfried hatte kurz zuvor bei der Polizei angerufen und gemeldet, dass er sich von seiner eigenen Familie bedroht fühlt. Allerdings bilden sich die Kollegen der Polizeiinspektion gerade im Umgang mit Demenzkranken weiter und Gerfried passte genau in das Raster ...

„Die letzte Pirsch“ ist schon der dritte Krimi von Alexandra Bleyer rund um den grantigen Aufsichtsjäger Sepp Flattlacher. Da ihr Mann selber Jäger ist, weiß sie genau, wovon sie bei den Jagdszenen und Sitzungen des Jagdvereins schreibt.

Sepp hat es dieses Mal besonders schwer. Er schießt auf der Jagd daneben (am Gewehr liegt’s aber nicht, meint der WaffenDoc), jemand legt in seinem Revier Apfeltester aus, um das Wild anzulocken, und außerdem macht sich der „schleimige“ Anwalt / Jagdbruder Dr. Mayerbrugger an Irmi ran. Dabei liebt Sepp die Streitgespräche mit ihr inzwischen doch so sehr!

Auch Polizist Martin hat an dem Fall zu knabbern. Die Familie des Toten ist ihm nicht geheuer, wirkt bei den Befragungen eiskalt. „Andere Familien haben die Leichen im Keller, bei uns hängen sie hålt am Baum.“ (S. 148). Allerdings kommt er Dank Irmi bald dahinter, dass die Ursache des Ganzen wahrscheinlich in der Vergangenheit liegt. Doch die Betroffenen schweigen: „Nur a Gulasch wird besser, wenn man´s aufwärmt.“ (S. 123)
Privat gibt´s bei Martin auch so einige Probleme. On/Off-Freundin Bettina ist gerade mal bei ihm eingezogen, schon fragen ihre Eltern nach Hochzeit, Hausbau und Kindern.

Diesmal greift Alexandra Bleyer sehr kontroverse Themen auf. Es geht u.a. um Demenz und den Umgang der Gesellschaft bzw. der Familien mit „ihren Alten“. Gibt man sie in ein Heim, wo sich Fremde liebevoll um sie kümmern oder ziehen sie ins Auszugsstiberl und kapseln sich so von allem ab? Beides ist für die Betroffenen leidvoll. Auch die Erbfolge auf den kleinen Höfen und deren Folgen wird ausführlich behandelt. Durch diese schweren Themen fehlte mir die Leichtigkeit, die in den Vorgängerbänden herrschte. Zudem waren mir der Täter ist und sein Motiv zu schnell klar.

Trotzdem ist Sepp an sich wieder sehr unterhaltsam und nimmt zur Belustigung des Lesers so ziemlich jedes Fettnäpfchen mit. Sei es, dass er Irmi Wechseljahresbeschwerden unterstellt oder Kinder über den Weihnachtsmann aufklären will – da bleibt kein Auge trocken. Ich bin schon sehr gespannt auf Sepps nächstes Abenteuer und hoffe, dass er und Irmi sich noch näher kommen ...
PS: Wer wie ich nicht der Kärntener Dialekts mächtig ist, dem lege ich das Glossar ans Herz.

Veröffentlicht am 06.10.2018

So süß wie Vollmilchschokolade

Die Schokoladenvilla
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Stuttgart 1903: Judith Rothmann ist die Tochter eines bekannten Schokoladenfabrikanten und hat sich der Entwicklung neuer Sorten verschrieben. Ihr Traum ist es, später die Fabrik zu übernehmen, aber das ...

Stuttgart 1903: Judith Rothmann ist die Tochter eines bekannten Schokoladenfabrikanten und hat sich der Entwicklung neuer Sorten verschrieben. Ihr Traum ist es, später die Fabrik zu übernehmen, aber das ist für ihren Vater undenkbar. Stattdessen soll sie eine (für ihn) vorteilhafte Ehe mit einem ungeliebten Mann eingehen. Ihre Mutter ist hat sich der Ehe mit ihrem Mann gerade durch eine Kur am Gardasee entzogen. Auch sie wurde damals sehr jung verheiratet ohne nach ihrer Meinung gefragt zu werden und leidet an Schwermut (Depressionen).
Zur gleichen Zeit will sich der Berliner Victor Rheinberger nach seiner Haftentlassung in Stuttgart eine neue Existenz aufbauen. Er ist fasziniert von Maschinen jeder Art und steigt so in Rothmanns Fabrik schnell auf. Judith und er wollen zusammen einen neuen Automat entwickeln, in dem exklusive Schokoladentafeln verkauft werden. Dabei kommen sie sich immer näher...

„Die Schokoladenvilla“ ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um die Schokoladenfabrikantenfamilie Rothmann. Die Handlung wird hauptsächlich von Judith getragen. Sie lebt für die Fabrik und die Schokolade und kann sich nur schwer vorstellen, das alles für einen – dazu noch ungeliebten – Ehemann aufzugeben. So lange ihre Mutter Hélène bei der Kur weilt, muss sie sich zudem um ihre 8jährigen Zwillingsbrüder kümmern, die nur Blödsinn im Kopf haben. Sie ist eine starke, intelligente Frau, aber das interessiert ihren despotischen Vater nicht. Ihm liegt nur das Wohl seiner Firma am Herzen. Judiths Heirat würde neues Kapital in die Firma spülen, welches er dringend braucht. Es ist schon schlimm genug, dass ihm seine Frau immer mehr entgleitet!
Hélène wird seit Jahren von einem Arzt zum anderen weitergereicht. Am Gardasee befreit sie sich sprichwörtlich aus ihrem Korsett, den starren Konventionen ihres Standes. Auch das Leben ihrer Kinder interessiert sie nur noch peripher.
Victor steht wie Judith für die neue Zeit. Auch sein Vater hatte ein anderes Leben für ihn geplant, dem er sich entzogen hat. Beide wollen sie die Fabrik mit neuen Ideen und Produkten voranbringen.

Maria Nikolai hat das Stuttgart dieser Zeit lebendig werden lassen. Die Details zur Entwicklung und Herstellung der verschiedenen Schokoladenprodukte und Automaten waren sehr interessant. Außerdem geht sie auf die Kreation von Emaileschildern und -dosen ein. Sie zeigt sehr deutlich die Unterschiede zwischen den Fabrikanten, ihren Hausangestellten und den Fabrikarbeitern. Die Arbeiterklasse ist zunehmende unzufrieden mit dem herrschenden System und sucht Auswege.

Leider war mir die Handlung an einigen Stellen zu vorhersehbar und der Aspekt der Liebesgeschichte zu dominierend. Außerdem hatte ich Probleme mit der Darstellung der Zwillinge, weil die sich m.E. nicht altersgerecht benommen haben.

Veröffentlicht am 28.09.2018

Der Mann, der Dr. Faust war

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)
Johann Georg, von seiner Mutter liebevoll Faustus – Glück – genannt, ist der 3. Sohn eines Großbauern ...

„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)
Johann Georg, von seiner Mutter liebevoll Faustus – Glück – genannt, ist der 3. Sohn eines Großbauern und anders, als seine Geschwister. Er ist klüger und wird darum von ihnen gemieden, von seiner Mutter allerdings bevorzugt. Sie ist überzeugt, dass ihm Großes bevorsteht. Nur die Nachbarstochter Margarethe ist mit ihm befreundet und je älter sie werden, desto mehr wird aus ihrer Freundschaft Liebe. Doch dann stirbt Johanns Mutter und kurz darauf erlebt Margarethe etwas Schreckliches. Sie verschwindet, wird erst Tage später gefunden und als sie Johann sieht, schreit sie hysterisch: „Geh ... weg ... Du ... bist ... der ... Teufel!“ (S. 117). Johann wird von seinem Vater aus dem Dorf gejagt und schließt sich dem Magier Tonio del Moravia an. Die nächsten Jahre wird er dessen gelehriger Schüler, bis wieder etwas Schreckliches geschieht ...

Oliver Pötzschs „Der Spielmann“ ist der erste Teil seiner Faust – Saga, die den Leser ins dunkle Mittelalter entführt. Ich wusste bis dato nicht, dass es für Goethes Faust ein reales Vorbild gab, auch wenn man heute außer seinen Lebensdaten und ein paar Stationen seiner Reisen kaum noch etwas von ihm weiß. Er war aber, wie Johann im Buch, ein Astrologe, Wahrsager, Scharlatan und (studierter?) Doktor.

Johann steht für einen Menschentyp, der zu seiner Zeit nicht gern gesehen war. Er war wissbegierig, intelligent, charismatisch und stellte alles und jeden in Frage. Die Welt, in die er geboren wurde, war ihm zu klein. Tonio legt ihm eine andere zu Füßen. Sie reisen durch Europa, lernen, philosophieren (Denn nur, wenn der Teufel existiert, existiert auch Gott. ... Wir spielen mit dem Teufel, damit Gott existieren kann.“ (S. 548)) und disputieren, lesen verbotene Schriften – und gehen dabei wortwörtlich über Leichen. Tonio wird Johann immer unheimlicher, seine Angst vor ihm wächst, aber lange überwiegt sein Wissensdurst. Und eines Tages muss sich Johann der Frage stellen, ob Tonio der Teufel ist.

Oliver Pötzsch schreibt gewohnt unterhaltsam, lehrreich und farbenprächtig. Leider war mir die Geschichte zum Teil aber zu brutal, blutrünstig und mystisch – und sie konnte mich nicht durchgängig fesseln. Zwischendrin ließ die Spannung deutlich nach, bevor die Handlung zum Ende hin dann doch noch mal richtig Fahrt aufgenommen hat. Vielleicht hätte man an einigen Stellen etwas straffen können. Dafür habe ich mich über die Anspielungen auf Schongau und die Henkerstochter sehr gefreut.

3,5 von 5 Sternen

Veröffentlicht am 25.08.2018

Wir überbacken das!

Tasty
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Kennt Ihr den Youtube Kanal von Tasty? Mir war er bis zur Entdeckung dieses Kochbuches kein Begriff, dabei ist er nach eigenen Angaben der erfolgreichste der Welt. Fast täglich werden neue Videos hochgeladen, ...

Kennt Ihr den Youtube Kanal von Tasty? Mir war er bis zur Entdeckung dieses Kochbuches kein Begriff, dabei ist er nach eigenen Angaben der erfolgreichste der Welt. Fast täglich werden neue Videos hochgeladen, welche zum Nachkochen / -backen animieren sollen.

Das Buch beinhaltet die Rezepte der 80 erfolgreichsten – also meist angeklickten – Videos. Diese reichen von „Party“, „Landküche“, „Süßes“, „Klassiker“, „Vegetarisch“, „Die Besten“, „Aus aller Welt“, über „Trendiges“ bis zu „Bälle & Ringe“. Es sollte also jeder etwas finden, dass ihn anspricht. Dafür wäre auch ein Foto des jeweils fertigen Gerichtes gut gewesen, leider gab es das nicht immer.

Beim Durchblättern ist mir dann schnell aufgefallen, dass mir persönlich die Gerichte meist zu ungesund sind. Es werden Unmengen Zucker, Fett oder Käse verwendet (getreu dem Motto „Wir überbacken das.“), oft in Kombination. Wahrscheinlich fehlen darum auch die Nährwertangaben, damit man nicht schon vorher abgeschreckt ist. Auch Zubereitungszeiten sucht man leider vergeblich. In der Einleitung steht nur, dass die meisten Gerichte in „unter einer Stunde“ zubereitet sind.

Bei einigen Rezepten habe ich mir die Videos angeschaut und festgestellt, dass die Zubereitung dort etwas anders ist als im Buch.
Ich hatte mir u.a. die Kartoffelspiralen ausgesucht und zufällig wurden diese kurz darauf bei Facebook vorgestellt. Im Buch steht „Die Kartoffeln in der Mikrowelle 1 – 11/2 Minuten garen.“, im Video werden sie roh aufgespießt. Außerdem hat die Käse-Würzmischung locker für die doppelte bis dreifache Menge Kartoffeln gereicht. Lecker waren sie allerdings .

Das Kochbuch ist meiner Meinung nach nicht für den täglichen Gebrauch geeignet, sondern eher für Partys, bei denen man bekanntlich weniger auf die Kalorien, dafür aber auf Menge (die Gerichte sind oft auf deutlich mehr als 4 Personen ausgelegt) und Aussehen schaut.

Veröffentlicht am 23.08.2018

Ein Monumentalwerk

Manhattan Beach
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Eddie Kerrigan arbeitet in Manhattan für die „Gewerkschaft“, trägt Grüße und Briefe aus, oft begleitet von seiner Tochter Anna. Einer der Männer, Dexter Styles, bleibt ihr besonders in Erinnerung.
Dass ...

Eddie Kerrigan arbeitet in Manhattan für die „Gewerkschaft“, trägt Grüße und Briefe aus, oft begleitet von seiner Tochter Anna. Einer der Männer, Dexter Styles, bleibt ihr besonders in Erinnerung.
Dass die „Gewerkschaft“ in Wahrheit die Mafia ist, begreift Anna erst Jahre später, als ihr Vater schon lange verschwunden (tot?) ist und sie Dexter als Besitzer eines Nachtclubs wiedererkennt. Natürlich fragt sie ihn nach Eddie und ebenso natürlich bekommt sie keine richtige Antwort.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 1942, der 2. Weltkrieg ist im Gange und Frauen können plötzlich fast alles werden. Aber auch Taucher in den Docks der Kriegsmarine? Anna kämpft hart dafür. Nicht nur, weil der Job gut bezahlt wird und sie ihre Mutter und die pflegebedürftige Schwester unterstützt, sondern weil sie es wirklich will.

Ich bin ehrlich, dieses Buch hat mich zeitweise etwas erschlagen. Ausgehende vom Klappentext und der Leseprobe hatte ich etwas ganz anders erwartet – Annas Geschichte und die Suche nach ihrem Vater.
Aber alles beginnt viel früher. Mit Eddies Leben als Laufbursche im Restaurant seines Vaters, wie er seine Frau fand, eine Familie gründete, groß herauskam und beim Börsencrash alles verlor. Auch Dexter hat sich vom Handlanger zum Boss hochgearbeitet, die Tochter eines reichen Bankiers geheiratet und dient als Mittler zwischen beiden Welten (Legalität und Illegalität) – das haben er und Eddie gemeinsam.
Annas Kampf gegen Vorgesetzte und Vorurteile darum, Tauchen zu dürfen, ist nur ein winziger Teil des Buches. Eigentlich geht es ums große Ganze. Den Krieg, das Lebensgefühl, Einzelschicksale.

Trotzdem habe ich mir Anna als Hauptperson ausgesucht, weil sie mich am meisten beeindruckt, ihr Schicksal mich gefesselt hat. Sie will mehr aus ihrem Leben machen. Nicht nur einen Mann finden der sie aushält oder heiratet, wie es sich die anderen Mädchen in der Werft wünschen. Nicht nur Sekretärin sein. Und Anderssein macht einsam. Sie ahnte, wie leicht sie in eine Ritze der verdunkelten Stadt gleiten und darin verschwinden konnte.“ (S. 228)

Vor allem in der zweiten Hälfte gab es Passagen, die mir leider zu weitschweifig und langatmig waren, seitenlange Rückblenden und Gespräche zum Beispiel. Hier hat die Autorin m.E. zu viel von dem reingepackt, was sie bei ihren Nachforschungen entdeckt hat und manchmal ist weniger dann doch mehr.

In meinem Leseexemplar steht vorab ein wirklich interessantes Interview mit der Autorin. Ich hoffe, dass es auch in den „normalen“ Büchern abgedruckt ist, da sie viel über ihre Intension und Recherche erzählt.

Fazit: Obwohl ich eigentlich etwas anderes erwartet hatte und mich das Buch nicht durchgehende fesseln konnte, hat mich Annas Leben tief beeindruckt. Ein komplexes, umfassend recherchiertes Werk über Manhattan in den 30er und 40er Jahren.