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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.09.2018

Bleib bei mir

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Yejide und Akin führen eigentlich eine glückliche Ehe, wäre da nicht die ungewollte Kinderlosigkeit. Weder Mediziner noch Bittgebete können abhelfen, der Druck durch Akins Familie wird immer größer. Kann ...

Yejide und Akin führen eigentlich eine glückliche Ehe, wäre da nicht die ungewollte Kinderlosigkeit. Weder Mediziner noch Bittgebete können abhelfen, der Druck durch Akins Familie wird immer größer. Kann ihre Ehe dieser Belastung Stand halten?

Dieser Debütroman der jungen Nigerianerin hat mir wirklich sehr gut gefallen. Natürlich ist ihre Erzählung von der nigerianischen Gesellschaft geprägt, trotzdem könnte sie im Kern in jedem Land der Welt spielen. Die Kinderlosigkeit der Protagonisten, der Druck und die Trauer, die daraus resultieren werden schonungslos und ehrlich dargestellt, machen einen als Leser sehr betroffen. Man kann die beiden nur bemitleiden, zudem sich im Laufe der Handlung sehr tiefe Einblicke in die Innenleben der beiden ergeben. Man hofft und bangt mit, ist wütend über Akins Familie, freut sich über gute Nachrichten. Der Autorin gelingt es ganz hervorragend die ganze Bandbreite der Gefühle zu transportieren. Mir gefällt ihre Erzählweise recht gut, manchmal wirkt sie jedoch etwas steif und distanziert. Der flüssige Perspektivwechsel zwischen den Eheleuten sorgt für manchen Aha-Effekt und so wird einem die Tragik erst richtig bewusst.
Ein starker Roman mit kleinen Schwächen von einer vielversprechenden Autorin.

Veröffentlicht am 29.08.2018

There's a starman waiting in the sky

Miss Gladys und ihr Astronaut
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Eigentlich war es nur ein blöder Zufall, der Thomas Major zum Astronaut gemacht hat. Plötzlich findet er sich an Bord der Ares-1 wieder, auf dem Weg zum Mars, im Gepäck viele (ungelesene) Handbücher und ...

Eigentlich war es nur ein blöder Zufall, der Thomas Major zum Astronaut gemacht hat. Plötzlich findet er sich an Bord der Ares-1 wieder, auf dem Weg zum Mars, im Gepäck viele (ungelesene) Handbücher und gute Musik. Endlich hat er seine Ruhe, endlich kann er sein chaotisches Leben hinter sich lassen, endlich nervt ihn niemand mehr. Bis er statt seiner Exfrau aus Versehen Gladys anruft. Die ist fast 71, leicht dement und versucht mit ihren zwei Enkeln Ellie und James über die Runden zu kommen. Oder versuchen sie mit ihr über die Runden zu kommen? Obwohl Major Tom doch alles hinter sich gelassen hat, hat er auf einmal ihre Probleme am Hals. Begeisterung sieht anders aus.

Barnetts Roman hat mir ein paar schöne Lesestunden beschert, auch wenn es sich nur auf den ersten Blick um einen reinen Wohlfühlroman handelt. Natürlich gibt es viele komische Szenen, absurde Gespräche oder auch nur den schwarzhumorigen Sarkasmus von Thomas. Doch genauso handelt die Geschichte von Tod, Schuld, Verzweiflung und dem Wunsch alles hinzuschmeißen. Barnett wirft viele Fragen auf, man kommt ins Grübeln, versinkt aber nicht in den schweren Themen, denn die Handlung hat auch viele leichte (oder sollte ich sagen schwerelose?) Momente. Immer wieder gibt es Anspielungen auf Musik und Filme, die man sofort wieder im Ohr und vor Augen hat. Zudem ist Barnetts Erzählweise recht locker, seine Figuren machen einfach Spaß. Ich war mit dem Ende nicht so ganz glücklich, habe mich ansonsten aber gerne mit Tom auf die Reise gemacht.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Es muss nicht immer Sherlock sein

Arrowood - In den Gassen von London
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„Ich arbeite mit Emotionen, nicht mit Deduktionen“
William Arrowood hat es aber auch wirklich nicht leicht, schließlich muss er sich immer wieder mit Sherlock Holmes vergleichen lassen. Beide sind Privatdetektiv ...

„Ich arbeite mit Emotionen, nicht mit Deduktionen“
William Arrowood hat es aber auch wirklich nicht leicht, schließlich muss er sich immer wieder mit Sherlock Holmes vergleichen lassen. Beide sind Privatdetektiv im viktorianischen London, doch nur Holmes ist der breiten Masse als brillanter Detektiv bekannt. Doch Arrowoods Arbeit kann sich sehen lassen, und auch sein neuester Fall, das Verschwinden eines französischen Bäckers, verspricht Rätsel aufzuwerfen.

Mick Finlay hat mich mit seinem ersten Band um Arrowood und seinen Assistenten Barnett schnell überzeugt. Das Setting im London des 19ten Jahrhunderts gefällt mir sehr, die Stimmung und Atmosphäre wird sehr gut rübergebracht. Arrowood als Hauptfigur hat wirklich Potential, er wirkt nicht wie ein billiger Abklatsch von Sherlock, sondern ist eine eigenständige Figur mit vielen Eigenheiten. Natürlich drängt sich der Vergleich zu Holmes immer wieder auf, der Autor versteht es ganz wunderbar daraus einen running gag zu machen, und lässt Arrowood auch mal dessen Fälle analysieren. Aber auch Barnett ist nicht nur ein nötiges Anhängsel, sondern eine Figur mit Ecken und Kanten. Die beiden harmonieren als Team ganz wunderbar, ergänzt durch ebenfalls liebevoll gestaltete Nebenfiguren wie Arrowoods taffe Schwester oder den Laufburschen Neddy. Der Fall entwickelt sich ganz anders als man zuerst vermutet und sorgt für einige Überraschungen; leider wird nicht alles ganz stimmig aufgelöst, aber das ist zu verschmerzen. Finlay schreibt nicht mutwillig brutal, zeigt aber an einigen Stellen die nötige Härte, was sehr authentisch wirkt. Sein Stil ist sehr angenehm und flüssig zu lesen. Mir hat dieser erste Fall sehr gut gefallen, und ich bin sehr gespannt was Arrowood und Barnett noch für zukünftige Probleme lösen müssen.

Veröffentlicht am 22.08.2018

10 years a slave

Dark Palace – Zehn Jahre musst du opfern
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Es gibt zwei Sorten Mensch in Großbritannien, welche mit, und welche ohne Geschick, also magische Kräfte. Erstere müssen letzteren zehn Jahre lang als Sklaven dienen, der Zeitpunkt ist selbstbestimmt, ...

Es gibt zwei Sorten Mensch in Großbritannien, welche mit, und welche ohne Geschick, also magische Kräfte. Erstere müssen letzteren zehn Jahre lang als Sklaven dienen, der Zeitpunkt ist selbstbestimmt, der Ort der Tätigkeit nicht. Als Luke 16 Jahre ist, beschließen seine Eltern über seinen Kopf hinweg, dass die ganze Familie ihre Sklavenzeit gemeinsam antreten wird. Jetzt um genau zu sein. Doch anstatt wie geplant gemeinsam auf dem Herrschaftssitz der Jardines zu dienen, landet Luke alleine in der Sklavenstadt Millmore, wo er im täglichen Trott der Fabriken gefangen ist.

Vic James hat eine erschreckende Vorstellung einer Gesellschaft erschaffen, die Menschen radikal zwischen wichtigen (den geschickten) und weniger wichtigen (alle anderen) unterscheidet. Was mich an der Story fasziniert ist u.a., dass quasi niemand diese Staatsform anzweifelt. Man erfährt leider nicht ganz so viel darüber wie es zu dieser gesellschaftlichen Ordnung gekommen ist, aber trotzdem hat mich dieser blinde Gehorsam oft traurig und auch wütend gemacht. Obwohl die Story als Jugendbuch beworben wird, ist hier durchaus viel Stoff zum Nachdenken vorhanden. Die Figuren sind unterm Strich ganz gut gelungen, z.T. etwas platt (Abi), dafür aber auch mit undurchsichtigen Charakteren wie dem Jardinesprössling Silyen, dem man nicht so leicht in die Karten schauen kann. Mir hat die Handlung größtenteils sehr gut gefallen, sie entwickelt sich sehr spannend und auch den Blick auf die Hintergründe mochte ich sehr. Hier hält sich die Autorin für meinen Geschmack noch etwas zu bedeckt, was ich etwas unbefriedigend fand. So manche Wendung war jetzt nicht wirklich überraschend, trotzdem hatte ich Spaß an der Story und bin schon auf den nächsten Teil der geplanten Trilogie gespannt.

Veröffentlicht am 19.08.2018

Sprachlos

Vox
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In einer nicht allzu fernen Zukunft hat sich das Leben in den USA stark gewandelt. 50% der Bevölkerung, alle Frauen nämlich, dürfen maximal noch 100 Wörter am Tag sagen. Die erzkonservativen, christlichen ...

In einer nicht allzu fernen Zukunft hat sich das Leben in den USA stark gewandelt. 50% der Bevölkerung, alle Frauen nämlich, dürfen maximal noch 100 Wörter am Tag sagen. Die erzkonservativen, christlichen Fanatiker haben sich durchgesetzt und wollen zurück in die gute alte Zeit: Frauen an den Herd und so. Auch Dr. Jean McClellan ist betroffen, umso mehr, da sie auf dem Gebiet der Neurolinguistik gearbeitet hat. Die Betonung liegt auf hat, denn natürlich wurde sie an weiteren Forschungen gehindert und ins häusliche Leben verbannt. Bis zu dem Tag als der Bruder des Präsidenten plötzlich ihre Hilfe benötigt.

Dalchers dystopischer Roman hat es wirklich in sich. Ihr Szenario wirkt zuerst völlig unrealistisch, doch beim Lesen erwischt man sich zunehmend beim Gedanken, dass zumindest Ansätze jetzt schon real sind. Auch die dramatischen Umbrüche im Roman haben klein angefangen, das lässt die Autorin immer wieder durchblicken. Anhand von Jeans Sohn Steven wird zudem klar, welche Maschen benutzt werden, um die nächsten Generation mit dem „richtigen“ Gedankengut heranzuziehen. Ich fand die beschworenen Szenen sehr plastisch und dadurch umso beklemmender. Aber der Autorin gelingt es nicht nur diese düstere Gesellschaft sehr authentisch zu beschreiben, sondern sie verbindet das mit einem interessanten medizinischen Phänomen. McClellan befasst sich beruflich mit Aphasie, der gesellschaftlich aufoktroyierten Variante wird also die pathologische gegenüber gestellt. Die medizinischen Hintergründe dazu sind sehr gut beschrieben und auch für den Laien nachvollziehbar. Allgemein fand ich den Erzählstil sehr angenehm, flüssig zu lesen und immer fesselnd. Manchmal gerät die Handlung etwas zu plakativ, auch kleine Ungereimtheiten fallen auf, unterm Strich ist „Vox“ aber ein toller Roman, der viel Stoff zum Nachdenken hinterlässt.