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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.09.2018

Eingeschneit

Königskinder
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Die unvorsichtige Fahrt über die gesperrte Passstraße endet im Graben. Das Schneetreiben wird dichter und vor dem nächsten Morgen ist keine Hilfe in Sicht. Um seiner Frau die Zeit zu vertreiben, beginnt ...

Die unvorsichtige Fahrt über die gesperrte Passstraße endet im Graben. Das Schneetreiben wird dichter und vor dem nächsten Morgen ist keine Hilfe in Sicht. Um seiner Frau die Zeit zu vertreiben, beginnt Max ihr eine Geschichte zu erzählen. Bei jedem Aufwachen spinnt er sein Garn ein wenig weiter.
Mit dieser Rahmenhandlung umgibt Alex Capus eine kleine Geschichte aus der Vergangenheit des Tals. Er beginnt bei einem armen Sennerbuben, der als Waise allein in der Melkhütte haust, jahrein, jahraus, bis er eines Tages beim Viehabtrieb die Tochter des Bauern sieht. Mit dem Blick, den Jakob und Marie tauschen, beginnt eine abenteuerliche Liebesgeschichte. Wobei mit der Rahmenhandlung und der immer skeptisch den Wahrheitsgehalt der Erzählung anzweifelnden Ehefrau auch der Leser immer wieder überlegt, was ist wahr, was Fantasie. Je mehr Fakten aus Kirchenbüchern und Melderegistern Max zitiert, umso weniger scheint Ehefrau Tina überzeugt.
Für beide Erzählstränge findet Capus seinen ganz eigenen Ton. Es ist eine unterhaltsame Reise, die den Leser bis zur Französischen Revolution und an den Hof von Versailles führt und doch immer wieder auch Bezug zu den zwei Menschen im eingeschneiten Auto nimmt. Der Autor lässt die Leser mit seiner Fabulierkunst in die Geschichte eintauchen, lässt Märchen und Realität mit einander verschmelzen. Es ist kein umfangreicher Roman, eher Lektüre für einige Stunden, aber gelungen aufgebaut und erzählt.
Wenn dann der Morgen graut und die Signallampen der Straßenwacht aufleuchten, taucht auch der Leser wieder aus der Geschichte auf. Mit den Schlussworten entlässt uns Capus und wir dürfen uns dann die Geschichte gern weiterspinnen.

Veröffentlicht am 02.09.2018

Tödlicher Weihnachtsabend

Der Schmetterling
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Johan Rokka kehrt nach Jahren in der schwedischen Hauptstadt zurück in seinen Heimatort Hudiksvall in Nordschweden zurück. Er hat noch eine Rechnung offen mit seiner nordschwedischen Heimat. Aber bevor ...

Johan Rokka kehrt nach Jahren in der schwedischen Hauptstadt zurück in seinen Heimatort Hudiksvall in Nordschweden zurück. Er hat noch eine Rechnung offen mit seiner nordschwedischen Heimat. Aber bevor er offiziell seinen Dienst antritt, wird er schon gerufen. Henna Sandin, die Frau des berühmten Fußballstars Måns wurde an Heiligabend getötet. Ein fast unwirkliches Szenario, sie erwartete ihren Mann als Weihnachtsmann verkleidet für die Bescherung der Kinder und dieser Weihnachtsmann brachte ihr den Tod.

Keine einfache Ausgangslage für Rokka, fast alle in den Fall involvierten Personen sind Jugendfreunde, er hat selbst mit ihnen in einer Fußballmannschaft gespielt, aber nur Måns hatte das Zeug zum Star. Einige Spuren führen nach Italien und da gibt es immer wieder Gerüchte um manipulierte Pferdewetten. Auch die Frauen haben in dieser Geschichte eine entscheidende Rolle, Måns war kein Kostverächter und auch Henna hatte ihre unbekannten Seiten.

Wie bei einem Skandinavien Krimi zu erwarten, spielt das Innenleben der Ermittler und ihre Interaktionen untereinander eine große Rolle. Die Figuren sind deshalb auch psychologisch ausgefeilter angelegt, als in anderen Thrillern. Das hat mir gefallen, es gibt dem Buch außer der erwarteten Spannung durch den Plot, auch eine Spannung durch die Charaktere der Protagonisten. Dennoch ist es nicht damit überfrachtet. Auf die sonst oft in skandinavischen Krimis ausgiebig behandelte Sozial- und Gesellschaftsproblematik verzichtet die Autorin, trotzdem ist der Thriller realistisch und nah an der Lebenswirklichkeit. Damit hat sie bei mir schon gepunktet. Die Geschichte ist anspruchsvoll aufgebaut, ein Handlungsfaden besteht aus alten Tagebucheinträgen. Auch den Rokka ist bald klar, dass die Lösung des Falls in der Vergangenheit zu suchen ist.

Ich war von der ersten Seite an gefesselt, auch wenn ich den Typ Rokka erst näher kennenlernen musste. Dann hat mir die Figur wirklich gefallen und mit seiner Kollegin Janna wurde ein gelungener Gegenpart eingeführt. Ich könnte mir gut weitere Fälle aus Hudiksvall vorstellen.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Wenn nichts bleibt

Mit der Faust in die Welt schlagen
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Wir schreiben das Jahr 2000. Aus den versprochenen blühenden Landschaften sind öde, verlassene Gegenden geworden. Dort wachsen die Brüder Philipp und Tobias auf. Zwar hat man den verhassten Plattenbau ...

Wir schreiben das Jahr 2000. Aus den versprochenen blühenden Landschaften sind öde, verlassene Gegenden geworden. Dort wachsen die Brüder Philipp und Tobias auf. Zwar hat man den verhassten Plattenbau am Ortsrand hinter sich gelassen und ein kleines, mit viel Eigenleistung erbautes Einfamilienhaus bezogen, aber das war es dann auch schon an Idylle. Es gibt nichts, was Anregung oder Freizeitgestaltung verspricht, wenn man den verlassenen, überwucherten ehemaligen Steinbruch außen vor lässt. In den Ferien gibt es nur das Fernsehen, die Eltern arbeiten und ein gemeinsamer Urlaub ist nicht im Familienbudget drin.
Die Lehrer und die Erwachsenen schweigen, an einem Plattenbau mit schwarz verrußten Fenstern fährt man schnell vorbei. Wenn mal jemand was sagt, dann ist von „Zecken“ und „Polacken“ die Rede. In dieser hoffnungslosen Umgebung wachsen die Brüder heran, bald üben die Halbwüchsigen, die mit ihren Motorrädern vor der Schule posieren einen großen Reiz auf sie auf. Sie haben einfache Lösungen und große Sprüche parat, während Philipp den Irrweg erkennt, ist Tobias bald ganz in der Faszination der Szene gefangen.
Ganz kühl und sachlich und ohne Emotionen schildert der Autor eine Gegend, die er aus eigenem Erleben kennt. Er ist in Ostsachsen geboren und aufgewachsen. Wenn man verstehen will, wie sich eine Grundhaltung in der Bevölkerung entwickeln konnte, der wir fremd und mit Entsetzen gegenüber stehen, wird in diesem Roman viel Hintergrund finden. Die Trostlosigkeit der Landschaft und der Orte, denen Arbeitsplätze weggebrochen sind, deren Bewohner zwischen Resignation und Trotz schwanken, setzt sich in der Familiengeschichte fort.
Ich konnte wenig Empathie für die beiden Hauptprotagonisten entwickeln, dazu ist Rietzschels Schreibweise zu distanziert. Ich finde aber, dass er genau den Ton getroffen hat, der zu dieser Geschichte passt.
Wenn nichts bleibt, wenn es keine Hoffnung gibt, keine Perspektiven, dann scheinen die, die am lautesten schreien und die griffigsten Parolen haben, doch Recht zu behalten.
Ich hätte mir im Roman manchmal etwas mehr Stringenz gewünscht, die Lektüre war kein Vergnügen, aber ich halte es für ein wichtiges und wahres Buch.

Veröffentlicht am 14.08.2018

Schräge WG mit Herz

Alle für einen
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„Alle für Einen“ – der Titel passt genau auf die humorvolle und menschlich warme Geschichte von Jutta Profijt. Die Bewohner der Villa Zucker sind vor einiger Zeit einem Immobilienbetrüger aufgesessen und ...

„Alle für Einen“ – der Titel passt genau auf die humorvolle und menschlich warme Geschichte von Jutta Profijt. Die Bewohner der Villa Zucker sind vor einiger Zeit einem Immobilienbetrüger aufgesessen und statt schöner Wohnungen in der alten Düsseldorfer Villa zu bekommen, standen sie vor dem Nichts. Kurzerhand haben sie unter der Federführung von Rosa, einer unkonventionellen alten Dame, das Haus besetzt. So wohnen noch Ellen und Kim, Rosas Tochter und Enkelin, Herr Seeberg, ein pensionierter Bundeswehrsoldat und Konrad, ein geläuterter Betrüger im Haus. Sie haben allesamt die Hoffnung nicht aufgegeben, das Haus noch legal kaufen zu können. Aber auch dieser Plan scheint am windigen Makler zu scheitern. Aber nicht durch das hält die Bewohner auf Trab, Kim und ihre Freunde wollen einen Mitschüler von der schiefen Bahn holen, Rosa plant eine groß angelegte Benefizauktion und Konrad möchte sich endlich mit seiner Tochter aussöhnen. Jede Menge Konfliktstoff also.
Die Autorin hat diese bunt zusammengewürfelte Truppe mit viel Liebe zum Detail geschildert. Dabei haben mich immer wieder die urkomischen Situationen zum Lachen gebracht. Was für ein Wortwitz und welche Gagdichte! Aber dabei spürt man immer die Sympathie der Autorin für ihre Protagonisten, bei denen ich mich kaum entscheiden konnte, wer mir der Liebste ist. Konrad, der stille Mann mit vielen hausfraulichen Fähigkeiten oder Seeberger, der nie viel Worte macht, aber immer im rechten Augenblick zupackt oder Ellen, die sich allmählich von ihren Sorgen befreit und wieder die fröhliche, attraktive Frau von früher wird?
Über allen steht aber Rosa – anstrengend, spleenig, nie um eine Ausrede verlegen und wenn‘s der Sache dient, auch zu einem krummen Umweg bereit. Diese Mischung macht die Anziehungskraft der WG und auch der Geschichte aus. Ihrem Charme kann man sich nur schwer entziehen.
Das ist bereits der dritte Band um diese ungewöhnliche Wohngemeinschaft, da ich den ersten kannte, konnte ich mich wieder leicht in die Figuren und die Handlung finden. Aber auch „Neulinge“ werden damit keine Schwierigkeiten haben. Es gibt genügend kleine Rückblicke und Erklärungen. Warum ich den zweiten Band übersehen habe, kann ich mir gar nicht erklären, werde aber die Lektüre rasch nachholen.

Veröffentlicht am 09.08.2018

Mörderischer Whisky

Whisky mit Mord
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Eine Erbschaft führt Abigail Logan nach Schottland. Die vererbten Liegenschaften entpuppen sich als eine kleine, aber feine Whiskybrennerei. Abi tritt die Erbschaft nicht ohne schlechtes Gewissen an, ...


Eine Erbschaft führt Abigail Logan nach Schottland. Die vererbten Liegenschaften entpuppen sich als eine kleine, aber feine Whiskybrennerei. Abi tritt die Erbschaft nicht ohne schlechtes Gewissen an, sie hat sich in den letzten Jahren nicht mehr so intensiv um ihren Onkel Ben gekümmert, denn sie konnte nicht verstehen wieso er das gemeinsame Londoner Heim verkauft hat und nach Schottland gezogen ist. Das Londoner Haus „Haven“ war der Ort ihrer kindlichen Geborgenheit. Dort ist sie nach dem Tod ihrer Eltern unter Bens Obhut aufgewachsen. Deshalb hat sie ihn nie in Schottland besucht.

Aber es scheint, sie ist als Erbin nicht sonderlich willkommen. Bereits in London erhielt sie seltsame Drohbotschaften, die bei ihrer Ankunft in Schottland noch verstärkt wurden. Auch Abbey Glen, die Brennerei ist schon mehrfach durch Sabotageakte beschädigt worden. Die Angestellten treten Abi auch mit unverhohlenem Misstrauen entgegen, sie erwarten den Verkauf der Brennerei und auch die Interessenten warten kaum die Beisetzung ab um sie zum Verkauf zu drängen. Es bleibt aber nicht nur bei Drohungen, als ein junger Angestellter tot im Gärbottich gefunden wird, nimmt die Geschichte eine andere Dimension an. Abi und ihr guter Freund Patrick, ein Whisky- und Weinkenner versuchen Licht ins Dunkel zu bringen. Aber wem können sie trauen? Ist Grant McEwen wirklich ein loyaler Mitarbeiter?

Schottland und Whisky gehören zusammen und bieten den idealen Hintergrund für diesen stimmungsvollen Krimi. Abigail Logan ist als Protagonistin die taffe Heldin, die plötzlich in ein fremdes Metier geworfen wird und sich gegen alle Vorurteile behaupten muss. Dabei muss sie über sich selbst hinauswachsen und auch mit ihrer Vergangenheit abschließen. Nebenbei nimmt das Thema Whisky natürlich einen großen Raum ein und wird kenntnisreich thematisiert. Whiskykenner werden das sicher noch besser beurteilen können.

Der Debütkrimi ist flüssig geschrieben, hat einen gut ausgearbeiteten Plot und gefiel mir nicht zuletzt, weil es spürbar ein Kriminalroman einer Autorin ist. Die Spannung ergibt sich nicht zuletzt aus vielen persönlichen Verwicklungen und Gefühle dürfen auch eine Rolle spielen. Abigail Logan ist verletzlich und trotzdem hart im Nehmen und eine durch und durch sympathische Hauptfigur.

Der Krimi macht wirklich Lust auf Schottland und natürlich auf den passenden Whisky. Das stimmungsvolle Cover unterstreicht das noch.