Abgefahren lahm.
Willkommen im Real LifeAls ich LeFloid zum ersten Mal gesehen habe, stand er in seinem Wohnzimmer. Die Möbel waren dunkel, das Licht schien hinein. LeFloid erklärte witzig die Welt, mit ein paar Explosionen als gut gewähltes ...
Als ich LeFloid zum ersten Mal gesehen habe, stand er in seinem Wohnzimmer. Die Möbel waren dunkel, das Licht schien hinein. LeFloid erklärte witzig die Welt, mit ein paar Explosionen als gut gewähltes Stilmittel. Das war vor Merkel, vor dem Hype um ihn. Heute wirken seine Videos auf mich sehr provokant, nicht facettenreich. Und er hat zwei Firmen, arbeitet 80 Stunden in der Woche in einem schick eingerichteten Studio. Was ist passiert? Und was ist die Verbindung?
Funfact: Der Co-Autor des Buches hat "Bernd das Brot" erfunden.
Worum geht es?
Das Buch besteht aus Fragen, die LeFloid im Laufe eines mehrtägigen Interviews (so wirkt es) gestellt wurden und seinen Antworten. Sie sind in unterschiedliche Bereiche zusammengefasst und mit einer Feststellung des Autors überschrieben bzw. einer Eingangsfrage.
Zentrale Themen im Buch sind Youtube, Politik, Werte. Und ein bisschen Vergangenheit.
Gestaltung, Stil usw.
Im Buch gibt es ein paar Anekdoten aus LeFloids Vergangenheit, die ich interessant und teilweise witzig fand. Mir fiel auf, dass er früher aus Trotz gehandelt und gern provoziert hat, was heute seine Videos ausmacht. Auch seine Erfahrungen aus der Arbeit im Bereich Schulpsychologie fand ich spannend! Und seine Anmerkungen über sein Beinahe-Burnout (?) nach seiner Weltreise habe mich traurig gemacht. Das Bild des erfolgreichen, perfekten Youtubers noch ein bisschen mehr zerstört :) Leider gab es keine Tipps, wie er es geschafft hat, besser zu werden.
Bei den Themen Politik und Japan blühlt LeFloid auf, diese Themen nehmen viel Raum ein.
Was auffällt ist, dass LeFloid gern über Werte und Politik redet, den Bereich Privates oft ausklammert oder ablenkt, gern auch mit Anglizismen und Neologismen und Superlativen. Daher fand ich es interessant, dass der Fragesteller an den passenden Stellen eingreift z.B. auf S. 143: "NACH DEM ERSTEN Tag unseres Marathoninterviews hatte ich eine Menge über LeFloid erfahren, aber viel zu wenig über den privaten Flo. [...] Beim abendlichen Durchschauen des Videomaterials fiel mir aber auf, dass er sich bei Definitionsfragen über Begriffe, Werte und dergleichen tatsächlich wie von selbst öffnete."
Trotzdem sieht man im Buch eher LeFloid als Florian Mundt. Einerseits verstehe ich das, weil er als Youtuber weiß, wie man sein Privatleben schützen soll. Andererseits macht es das Buch inhaltsleer, weil man vieles aus Videos kennt.
Es wäre übrigens schön, wenn man Links zu weiterführenden Videos eingefügt hätte.
Schreibstil
LeFloid "spricht" im Buch, wie man ihn kennt - wenige Anglizismen nutzt er sehr häufig und andere "jugendtypische" Begriffe. Der Text enthält keine Füllworte, wie man sie im komplett gesprochenen Text findet, aber ich fand das ein bisschen anstrengend.
Dennoch war es ein Buch, das ich gern gelesen habe und das sich für mich leicht lesen lies. LeFloid redet nicht besonders kompliziert und ich fand es interessant eine Biografie zu lesen.
Der schwierige Teil
Auf S. 12 notiert LeFloid darüber, was er nicht ist: "Ich bin auch kein Infoportal, kein Newsfeed [...] Stattdessen würde ich das, was ich tue, so beschreiben: Alles, was du in den letzten drei Tagen zu diesem Thema gehört hast, reflektiere ich auf meinem Kanal noch mal. Aber Achtung, ich habe dazu eine Meinung, die sich vielleicht von dem unterscheidet, was du bisher gesehen oder gelesen hast." Auch wenn es "nur" eine Beschreibung ist, ist das Ziel sehr hoch. Und er wird dem an manchen Stellen nicht gerecht. Oder vielleicht war nicht genügend Platz? Bei der Gema-Youtube-Frage wird bespielsweise erklärt, dass Gema-Bashing doof ist, aber er die Gema unsympatisch findet, obwohl sie ihre Berechtigung hat. Und dass er das umgeht, in dem er das über Bezahlung freier Kreativer usw. regelt. Die Selbstreflexion ist gut, aber das Thema hat soviele Fascetten. Es gibt z.B. Musiker, die von ihren Gema-Einnahmen leben können. Und das Medium spielt wahrscheinlich eine Rolle.
Auch die Idee, Themen statt in Talkshows mit echten Experten zu disktutieren, auch wenn es länger dauert, mag ich. Aber er vergisst, dass sich viele Experten nur innerhalb ihres Fachgebietes ausdrücken können. Für die Öffentlichkeit müsste das "übersetzt" werden?
Für mich ist das Buch an vielen Stellen zu kurz. Andererseits: Vielleicht benötigt das der "typische LeFloid-Zuschauer" - keine Pro-Contra-Aufstellung, sondern eine Gegenmeinung, damit er aus seiner Filterblase kommt?
Außerdem entfaltet das Buch im letzten Drittel tatsächlich einen Sog - wenn LeFloid wiederholt betont, wie doof Trump ist und wie wichtig Wählen ist, dann animiert das sicher dazu, wählen zu gehen.
Ich habe aber oft das Gefühl, dass inmitten der Provokation der Sinn für das wirkliche Diskutieren untergeht. Ähnliches in den Videos.
Fazit
Der Titel passt überhaupt nicht, aber: Wer LeFloid möchte, bekommt ihn in diesem Buch. Man kann sich stattdessen ein paar Videos angucken, dann wirkt es authentischer und tiefer. Aber es ist ein Buch, mit dem ich Spaß hatte.
Trotzdem frage ich mich, wer die Zielgrppe ist: Leute, die seine Videos gucken, lernen nichts Neues. Leute, die seinen Namen gehört haben, bekommen einen guten Überblick, könnten aber von der Sprache abgeschreckt sein. Warum sollte man dieses Buch lesen? Ich weiß es nicht.