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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2018

Schöner Südstaatenroman

Alligatoren
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Der auf mich eher negativ wirkende Buchtitel sollte nicht von der Lektüre dieses Buches abhalten. Denn es ist wirklich ein schöner Südstaatenroman, wenngleich auch ohne die Romantik, die ähnlichen Büchern ...

Der auf mich eher negativ wirkende Buchtitel sollte nicht von der Lektüre dieses Buches abhalten. Denn es ist wirklich ein schöner Südstaatenroman, wenngleich auch ohne die Romantik, die ähnlichen Büchern oft innewohnt, und ohne die sonst typische Thematik der Unterdrückung der Farbigen zu behandeln.
Angesiedelt ist die Geschichte in den 1920er Jahren in Alabama. Die Region leidet unter den Folgen der Baumwollkäferplage, die die Wirtschaft stark beeinträchtigt hat. Drei Frauen werden in den Fokus gerückt und sie erzählen abwechselnd von ihren individuellen schweren Schicksalen. Gertrude, eine Weiße aus ärmlichen Verhältnissen, mit vier Töchtern leidet Hunger sowie unter den Misshandlungen ihres trunksüchtigen Ehemannes. Die Schwarze Retta, deren Mutter noch eine Sklavin war, arbeitet immer noch für die frühere Besitzerfamilie, die Plantageneigentümer Coles. Über den frühen Tod ihrer einzigen Tochter kommt sie bis ins Alter nicht weg. Auch Annie Coles hat den Selbstmord ihres Sohnes im Kindesalter nie verwunden und findet im Alter den Grund heraus. Die Geschichte jeder einzelnen Frau könnte auch alleine gelesen werden. Die drei treffen zusammen. Sie erweisen sich als starke, unkonventionelle Frauen, die sich gegen erlittene Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen. Der Leser nimmt teil an ihren Ängsten und Verletzungen .Der Text liest sich einfach, insbesondere weil ja Gertrude und Retta aus schlichten Verhältnissen kommen und sie Umgangssprache einfließen lassen.

Ein beeindruckender Roman.

Veröffentlicht am 22.08.2018

Irgendwie märchenhaft

Königskinder
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Dieser Roman zeugt von viel Fantasie des Autors. Eigentlich sind in ihm zwei Geschichten enthalten. In der Gegenwart bleibt das Ehepaar Max und Tina im Auto hoch oben in den Schweizer Bergen im Schnee ...

Dieser Roman zeugt von viel Fantasie des Autors. Eigentlich sind in ihm zwei Geschichten enthalten. In der Gegenwart bleibt das Ehepaar Max und Tina im Auto hoch oben in den Schweizer Bergen im Schnee stecken. Um einander die Zeit bis zum Eintreffen der Schneefräse am nächsten Morgen zu vertreiben, erzählt seiner Frau die Geschichte vom armen Kuhhirten Jakob und seiner Liebsten, der Bauerstochter Marie, aus dem Greyerzerland in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts. Der Vater ist gegen die Heirat und Jakob verdingt sich zunächst beim Militär und dann als Kuhhirte bei der Schwester Ludwig des XVI auf Schloss Versailles, wohin Jakob schließlich Marie nachholen darf.
Die Geschichte von Jakob und Marie klingt erfunden und trotzdem irgendwie wahr, da Jakob ihren Wahrheitsgehalt auch immer wieder seiner Tina zu beweisen versucht. Sie ist so fantasievoll erzählt, dass es ein Vergnügen macht sie zu lesen. Das eigentlich Faszinierende ist, dass sie zeitlich in das Geschehen rund um die Französische Revolution eingebettet ist und so manch interessanter historischer Aspekt über diese eingeflochten ist, wie etwa der Aufstand der Pariser Marktweiber.
Die Geschichte betreffend Max und Tina ist ebenfalls wunderbar. Sie führen herrlich kontroverse Dialoge um Kleinigkeiten. Dennoch lässt sich aus jedem Satz herauslesen, dass es sich um ein altes Ehepaar handelt, welches einander noch immer sehr zugetan ist.
Ein tolles Buch. Schade nur, dass es relativ dünn ist.

Veröffentlicht am 06.08.2018

Eine Familie zerbricht und rückt zusammen

Als die Kirche den Fluss überquerte
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Dieser Roman wird aus der Perspektive des jungen Erwachsenen Daniel erzählt. Als sich seine Eltern plötzlich trennen, gerät seine Welt aus den Fugen. Obendrein bricht auch noch die Parkinson-Demenz-Erkrankung ...

Dieser Roman wird aus der Perspektive des jungen Erwachsenen Daniel erzählt. Als sich seine Eltern plötzlich trennen, gerät seine Welt aus den Fugen. Obendrein bricht auch noch die Parkinson-Demenz-Erkrankung der Mutter aus. Diese Situation zerreißt ihn fast. Er verliebt sich in die eigene Schwester, will sich im Alleingang um die Mutter kümmern, Lebemann sein wie ein Onkel und Künstler wie eine Großcousine. Erst ganz allmählich findet er seinen Weg.
Es ist ein sehr schönes, unbedingt lesenswertes Buch. Im Vordergrund steht das Thema Familie. In ihr hat der Protagonist seine ganze Kindheit und Jugend über Halt gefunden, wie viele eingeschobene, oft amüsante Rückblicke zeigen. Anders als sich vermuten ließe, ist das auch noch so, als die Familie auseinanderbricht. Die Trennung der Eltern und die Erkrankung der Mutter lassen alle näher zusammenrücken. Das ist eine schöne Botschaft, die uns vermittelt wird. Mit dem Thema Krankheit und Tod geht die Autorin sehr berührend um. Gefallen, weil in Büchern oft nicht selbstverständlich, hat mir, dass der ungewöhnliche Buchtitel im Text erläutert wird. Er lehnt sich an die tatsächlich passierte lokale Umsetzung einer Kirche in Sachsen an; hier ist die Kirche eine Metapher für die Entwurzelung der kranken Mutter.

Veröffentlicht am 30.07.2018

Verschiedene Versionen eines Verbrechens - was ist die Wahrheit?

Vier.Zwei.Eins.
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Die Sonnenfinsternisjäger Kit und Laura erleben 1999 ihre erste gemeinsame totale Sonnenfinsternis auf einem Festival in Cornwall. Für sie soll es das Abenteuer ihres Lebens werden. Stattdessen wird sich ...

Die Sonnenfinsternisjäger Kit und Laura erleben 1999 ihre erste gemeinsame totale Sonnenfinsternis auf einem Festival in Cornwall. Für sie soll es das Abenteuer ihres Lebens werden. Stattdessen wird sich ihr Leben für immer ändern, weil Laura Augenzeugin einer vermeintlichen Vergewaltigung wird.
Dieser Psychothriller ist aus den beiden Perspektiven von Kit und Laura auf zwei Zeitebenen erzählt – in der Gegenwart und 15 Jahre zuvor im Jahr 1999. Außerdem lehnt sich der Aufbau an die fünf verschiedenen Phasen einer totalen Sonnenfinsternis an mit einer Spannungsspitze in dem mittleren Teil, der Totalität. Es ist eine Geschichte, in der nichts so ist, wie es scheint. Es wimmelt vor Lügen, Geheimnissen, Heimlichkeiten und überraschenden Wendungen. Lange weiß der Leser nicht, was sich wirklich beim Festival zugetragen hat und wer die Wahrheit sagt – das Opfer, die Zeugin, der Beschuldigte? Das ist packend zu lesen. Die Atmosphäre, in der fast alle Romanfiguren in Angst und Bedrohung leben, wird für den Leser richtiggehend spürbar.
Ein gelungener Psychothriller.

Veröffentlicht am 22.07.2018

Schöne Satire über Stalin

Guten Morgen, Genosse Elefant
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Dieses ist einmal mehr eines der mir immer wieder unterkommenden Bücher, bei denen meine Skepsis, ob es mir überhaupt gefallen wird, anfänglich recht groß ist, meine Lesebegeisterung aber schon nach wenigen ...

Dieses ist einmal mehr eines der mir immer wieder unterkommenden Bücher, bei denen meine Skepsis, ob es mir überhaupt gefallen wird, anfänglich recht groß ist, meine Lesebegeisterung aber schon nach wenigen Seiten wächst. Mein Fazit ist daher, dass es sich wirklich lohnt, sich auf dieses humorvolle, am besten dem Genre der Satire zuzuordnende Buch einzulassen.
Protagonist und zugleich Ich-Erzähler ist der zwölfjährige Juri aus Moskau um die Zeit vor dem Tode des berüchtigten Gewaltherrschers Josef Stalin. Nach einem schweren Unfall gilt er als debil, dem sich aber aufgrund seines immer freundlichen Gesichts die Leute gerne anvertrauen. Stalin lässt nach einem Schlaganfall Juris Vater, einen bekannten Veterinärmediziner, zur Behandlung in seine Datscha kommen, weil er hinter allen Humanmedizinern Verschwörer wittert. Juri darf ihn begleiten und wird wegen seines Wesens von Stalin zum persönlichen Vorkoster ernannt, der ihm zugleich zutragen soll, was die übrigen Politfunktionäre über Stalin reden. Diese wiederum spannen Juri auch für ihre Zwecke ein im Machtpoker um Stalins Nachfolge. So gerät Juri für einige Zeit in die Mühlen der Macht und erzählt von seinen persönlichen Erlebnissen bei Stalin.
Einzigartig ist der Schreib- bzw. Erzählstil. Da Juri ohnehin dazu neigt, ohne Punkt und Komma zu reden, wirkt Vieles wie ein großer Redeschwall. Ihm lässt sich dennoch leicht folgen, weil ja alles aus der einfachen Sicht eines Kindes dargestellt ist. Auch wer sich nicht so detailliert mit der russischen Geschichte auskennt, wird so manche wahre Information aus der Zeit der Herrschaft Stalins wiederfinden, die hier verarbeitet wird, z.B. das grundlose Verbringen unzähliger nicht konformer Bürger in die berüchtigten Arbeitslager. Wie typisch für eine Satire ist, wird Vieles leicht übertrieben dargestellt und durch den Kakao gezogen, etwa Stalins Neigung zum Fluchen oder sein Leben in Saus und Braus, während das Volk leidet. Was das Ende anbelangt, hätte ich mir gewünscht zu erfahren, ob Juris Vater am Leben geblieben ist oder auch zum Opfer Stalins wurde.