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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 15.08.2018
  • ISBN: 9783103974072
Christina Dalcher

Vox

Roman
Susanne Aeckerle (Übersetzer), Marion Balkenhol (Übersetzer)

In einer Welt, in der Frauen nur hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, bricht eine das Gesetz. Das provozierende Überraschungsdebüt aus den USA, über das niemand schweigen wird!

Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben – das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr.

Das ist der Anfang.

Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt.

Aber das ist nicht das Ende.

Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen.



»'Vox' zeigt die Dringlichkeit der #metoo-Bewegung und die grundlegende Wichtigkeit von Sprache.« Vanity Fair

»Intelligent, spannend, provokativ und verstörend – genau wie ein großer Roman sein muss.« Lee Child

»Fans feministischer Dystopien werden dieses Jahr mit Neuerscheinungen überschüttet - und 'Vox' sticht daraus klar hervor.« Irish Independent

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2018

Leider etwas enttäuscht

1

Eine Welt, in der Frauen nur 100 Wörter am Tag sprechen dürfen – was ist das für eine Welt? Wie kann es dazu kommen? Diese Fragen waren es, die mich dazu verleitet haben, ebenfalls mal in diesen Roman ...

Eine Welt, in der Frauen nur 100 Wörter am Tag sprechen dürfen – was ist das für eine Welt? Wie kann es dazu kommen? Diese Fragen waren es, die mich dazu verleitet haben, ebenfalls mal in diesen Roman zu schauen, der gerade in aller Munde ist. Und vielleicht war es genau dieser Hype ums Buch, der meine Erwartungen etwas zu hochgeschraubt hat, denn ich wurde leider beim Lesen etwas enttäuscht.

Aber erstmal zu den positiven Punkten: Antworten auf meine Ausgangsfragen habe ich gefunden und war erschrocken darüber, wie einfach gerade die Antwort auf „Wie kann es dazu kommen?“ ausfiel – und wie realistisch. Die Welt, die Autorin Christina Dalcher hier erschaffen hat, ist unserer nicht besonders fern, genau genommen kann es jederzeit so kommen, wenn wir nicht aufpassen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jean, eine Mutter von vier Kindern und natürlich – wie alle Frauen – mit dem Wortzähler ausgestattet, der genau darauf achtet, dass sie auch ja die 100 Wörter am Tag nicht überschreitet. Es ist ein irgendwie beklemmendes Gefühl, ihr durch die Geschichte zu folgen, denn wir bekommen mit, wie oft sie sich zurückhalten, zensieren muss, wie oft sie wegen ihrer begrenzten Wortzahl nicht die Mutter sein kann, die sie sein möchte. Ich bin Jean gerne durch ihr Leben gefolgt, habe ihren Geheimnissen gelauscht und die Welt aus ihren Augen gesehen, aber…

Ja und hier kommt das Aber: Jean schweift sehr oft in die Vergangenheit ab, erinnert sich an frühere Geschehnisse, was einerseits richtig und wichtig ist, weil wir so erfahren, wie es überhaupt zu dieser neuen Gesellschaft kommen konnte, die wir da präsentiert bekommen – andererseits aber nicht immer relevant für die Geschichte ist und somit für mich die Spannung gebremst hat.

Das Thema Spannung ist auch mein größter Kritikpunkt, denn für mich blieb das Buch bis auf das letzte Drittel leider relativ zäh. Im letzten Drittel tauchte dann nochmal eine überraschende Wendung auf, die mir richtig gut gefiel (und ich aus Spoiler-Gründen gerade nicht nennen kann), die ich mir aber für das erste Drittel des Buchs gewünscht hätte.

Somit bleibt für mich leider nur das Fazit, dass es ein durchaus spannendes und nachdenklich stimmendes Szenario ist, das Christine Dalcher hier entwirft, jedoch die Umsetzung für mich aufgrund fehlender Spannung nicht ganz gelungen ist.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Starker Anfang, schwaches Ende

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Schon vor Erscheinung wurde das Buch extrem gehypt. Die ganze Sache hat mich so neugierig gemacht, dass ich es mit sofort am Erscheinungstag gekauft habe.
Das Cover finde ich wirklich sehr gut. Es spiegelt ...

Schon vor Erscheinung wurde das Buch extrem gehypt. Die ganze Sache hat mich so neugierig gemacht, dass ich es mit sofort am Erscheinungstag gekauft habe.
Das Cover finde ich wirklich sehr gut. Es spiegelt genau die Story wieder.
Was ich mich schon die ganze Zeit frage (Vielleicht bin ich auch einfach nur Blöd :) ) ist warum dieses Buch VOX heißt. In welchen Zusammenhang es mit der Story steht habe ich leider nicht erfasst.
Geschrieben ist es in einem gut verständlichen Schreibstil. Ich konnte es sehr schnell lesen. Emotionen wurde gut rübergebracht und es wurde alles ausreichend detailiert beschrieben.
Ich bin anfangs sehr gut in dieses Buch reingekommen. Man lernt anfangs die Familie von Jean (Mutter und Wissenschaftlerin) der Protagonistin kennen. Sie ist mit Patrick verheiratet, hat drei Söhne und eine Tochter.
Zu Jean muss ich sagen, dass sie mir als Protagonistin anfangs sehr gut gefallen hat. Sie ist ein e starke Frau und stickt aus der Menge heraus. Zudem ist Sie auch sehr geduldig. Ich wäre bei Ihrem großen Sohn Steven schon längst ausgerastet. Im Verlauf des Buches hatte ich ein großes Bedürfnis Ihm mal meine Meinung zu sagen. Er verhält sich echt unter aller Sau.
Der Umgang in der Familie sorgt für mich, wie ich es in diesem Buch erwartet habe, für viel Aufregung.
Man bekommt sehr schnell einen Einblick in die Diskriminierung der Frauen. Eine stelle wo ich echt sehr stutzen musste ist, wo der Briefträger die Briefe nicht Jean geben durfte, obwohl Sie genau vor Ihm steht. Er musste Sie in den Briefkasten stecken.
Diese Unterdrückung der Frauen ist sehr erschreckend. Sie werden in dem Buch von den Männern als „ Bewahrerin des Heims“ bezeichnet… einfach ohne Worte.
Ein Charakter der auch eine relativ große Rolle spielt ist Lorenzo. Er hat sehr gut in die Story gepasst.
Im Verlauf des Buches gab es auch immer mal Rückblicke in die Vergangenheit. Dies war wirklich sehr aufschlussreich. Dadurch konnte sich man selbst die Frage beantwortet: „Warum das alles?“.
Zum Ende hin wurde das Buch in meinen Augen schwach. Der Gedanke, den Frauen wieder mehr Worte zu geben wurde für mich nicht so richtig umgesetzt. Ich fand es auf den letzten Seiten auch sehr unübersichtlich. Es passiert einigen, aber es entspricht einfach nicht meinen Vorstellungen.
Fazit: Es ist nicht schlecht, aber definitiv kein Jahreshighlight.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Eine Gesellschaft, die Frauen zurück an den Herd drängt – mit nur 100 Wörtern pro Tag

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In Amerika ist die „Bewegung der Reinen“ an die Macht gekommen. In kurzer Zeit hat die erzkonservative Bewegung die Frauen aus sämtlichen Machtpositionen gedrängt und sie schließlich vollständig unterdrückt: ...

In Amerika ist die „Bewegung der Reinen“ an die Macht gekommen. In kurzer Zeit hat die erzkonservative Bewegung die Frauen aus sämtlichen Machtpositionen gedrängt und sie schließlich vollständig unterdrückt: Die Pässe wurden ihnen weggenommen und sie werden gezwungen, Wortzähler zu tragen, mit denen sie nur 100 Wörter pro Tag sprechen können. Jean war früher kognitive Linguistin. Sie stand kurz vor einem Durchbruch in ihrer Forschung rund um die Heilung der Wernicke-Aphasie, einer Sprachstörung. Jetzt bleibt ihr nur noch die Versorgung ihres Manns und ihrer vier Kinder und jede Menge Wut, für die sie kein Ventil hat. Doch dann verunglückt der Bruder des Präsidenten - und ausgerechnet Jean soll helfen…

Die Ausgangslage dieser dystopischen Geschichte ist erschreckend: Eine erzkonservative Bewegung hat das Land fest im Griff und Frauen nicht nur aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt, sondern sie nahezu mundtot gemacht. Wie konnte das passieren, und wie reagieren die Betroffenen und Nicht-Betroffenen darauf? Erzählt wird die Geschichte von Jean, die wie alle Frauen zum Opfer geworden ist und weiß, dass sie zu wenig getan hat, um all das aufzuhalten. Während ihre frühere Mitbewohnerin Jackie jahrelang Proteste organisierte, hielt sie sich zurück, ging nicht einmal wählen. Nun ist es zu spät, um etwas zu sagen, denn die hundert Worte am Tag müssen sorgfältig ausgewählt werden. Besonders schmerzt es sie zu sehen, wie Sonia, ihr jüngstes Kind und einziges Mädchen, aufwächst. Mit ihren Kenntnissen hat Jean sie gezielt konditioniert, sodass Sonia weit weniger als hundert Wörter täglich sagt, um möglichst weit weg zu bleiben von dieser gefährlichen Grenze, dessen Überschreiten starke Stromstöße zur Folge hat.

Immer wieder werden kurze Rückblicke eingeschoben, die dem Leser verständlich machen, wie es so schnell dazu kam, dass die „Bewegung der Reinen“ die Macht übernommen hat. Das Gedankengut der Bewegung weist Ähnlichkeiten zu dem realer erzkonservativer Bewegungen auf, die eingesetzten Methoden erinnern an den Nationalsozialismus. Frauen gehören an den Herd und jeder soll möglichst schnell eine Familie gründen. Wer nicht spurt, der wird mit einem Wortkontingent von Null ins Lager gesteckt. Mit Entsetzten liest man sich durch die Seiten. Dabei wird stark auf die emotionale Tube gedrückt, während die Handlung kaum voranschreitet.

Durch den Unfall des Präsidentenbruders kommt schließlich mehr Schwung in die Geschichte, denn plötzlich braucht man Jeans Wissen. Endlich hat sie eine Chance, aus ihrem bisherigen Handlungsmuster auszubrechen. Man lernt einige neue Charaktere kennen und erfährt Geheimnisse, die Jean sorgfältig hütet. Ihr Auftrag bringt sie in ein Dilemma und ich war neugierig, wie sie sich entscheiden wird. Gleichzeitig kommt es in ihrem Umfeld zu erschütternden Zwischenfällen, die durch die Bewegung der Reinen verursacht werden. Bei all dem hat mich vor allem eine Sache wirklich gestört: Zwar wird immer gesagt, dass die Bewegung der Reinen das ganze Land kontrolliert, doch das Beziehungsgeflecht wirkt so krampfhaft konstruiert, dass Amerika ein Dorf zu sein scheint. Ihr Mann arbeitet für den Präsidenten, Jean forscht genau an der Krankheit, die den Präsidentenbruder ereilt, ihre ehemalige Mitbewohnerin war die Wortführerin der Rebellion, die Nachbarin landet nach einem Fehltritt sofort im Fernsehen und so weiter. Zum Ende hin wird schließlich auf sich überschlagende, actionreiche Ereignisse gesetzt, bei denen ich irgendwann den Überblick verloren habe, was nun zum Plan gehört und was nicht.

„Vox“ sendet mit der Geschichte von Jean die wichtige Botschaft, das man sich fortlaufend stark machen sollte gegen jede Art von Unterdrückung. Die Umsetzung war für mich jedoch nicht mehr als Mittelmaß. Zu sehr wird auf schockierende und emotionale Szenen gesetzt, zu wenig auf einen authentischen Handlungsverlauf, der das große Ganze im Blick hält.

Veröffentlicht am 16.08.2018

Konnte mich leider nicht durchgehend fesseln

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"Ich bin eine Frau weniger Worte geworden."

Inhalt

Neurolinguistin Dr. Jean McClellan lebt mit ihrer Familie in einer von Männern bestimmten Welt. Die Bewegung der Reinen hat sich, Dank des Fundamentalisten ...

"Ich bin eine Frau weniger Worte geworden."

Inhalt

Neurolinguistin Dr. Jean McClellan lebt mit ihrer Familie in einer von Männern bestimmten Welt. Die Bewegung der Reinen hat sich, Dank des Fundamentalisten Reverend Carl Corbin, im ganzen Land durchgesetzt; eine Trennung zwischen Regierung und Religion gibt es nicht mehr.
Amerika hat sich in eine Zeit zurückentwickelt, in der Frauen nur noch so viel Wert besitzen, wie der Weg zwischen Ehebett und Herd lang ist. Sie wurden jeglicher Rechte beraubt und von der Regierung mit sogenannten Wortzählern ausgestattet, die Stromstöße abgeben, sobald die Frauen mehr als 100 Wörter am Tag sprechen.
Die Lage scheint hoffnungslos; doch als eines Tages der Bruder des Präsidenten erkrankt, bietet sich Jean plötzlich die Möglichkeit, nicht nur ihr eigenes, sondern das Schicksal aller Frauen im Land zu verändern - bliebe nur die Frage, wem sie dabei trauen kann.

"Die Frau hat keinen Anlass, zur Wahl zu gehen, aber sie hat ihren eigenen Bereich, einen mit erstaunlicher Verantwortung und Wichtigkeit. Sie ist die gottgewollte Bewahrerin des Heims...
Sie sollte voll und ganz erkennen, dass ihre Stellung als Ehefrau, Mutter und Engel des Heims die heiligste, verantwortungsvollste und königlichste ist, die Sterblichen zuteilwerden kann; und sie sollte alle Ambitionen nach Höherem abweisen, da es für Sterbliche nichts Höheres gibt."

Meinung

Dass Christina Dalcher in theoretischer Linguistik promoviert hat, war für mich vom ersten Moment an spürbar. Ich habe selten ein Buch gelesen, in dem sich jemand so klar ausdrückt.
Die Autorin "schwafelt" nicht herum, ihr Schreibstil ist akzentuiert und pointiert, manchmal etwas unterkühlt aber immer der Situation angemessen. Sprache ist ihre Stärke und sie bedient sich all ihrer Facetten: ist sachlich, leise, wortreich, flapsig, ernsthaft, laut, ausweichend, sarkastisch, liebevoll, direkt und schreckt auch nicht vor Kraftausdrücken oder Vulgarismus zurück.
Sie schreibt aus der Sicht einer intelligenten aber stinkwütenden 4-fachen Mutter und Ehefrau in einer frauenhassenden Welt und das macht sie auf ihre Art einfach großartig.

"Steven war im Wohnzimmer, als ich die Zwillinge ins Bett gebracht hatte, aß Eis und sah sich aufgezeichnete Reden von Reverend Carl an, der offenbar jetzt der Held meines Sohnes ist. Die beiden ergaben ein Paar, beide so standhaft in ihren Vorstellungen über die Rückkehr in eine frühere Zeit, ein Zeitalter, in dem Männer noch Männer waren und Frauen noch Frauen und in dem - Gloria, Gloria, scheiß-Halleluja - alles so viel leichter war, weil wir wussten, wo wir hingehörten."

Christina Dalcher hat eine von der Realität inspirierte erschreckende Welt erschaffen, die uns ermahnt hinzusehen, zu hinterfragen und nicht jedem dahergelaufenen Bock blind zu folgen. Sogesehen ist "Vox" bei Weitem kein schlechtes Buch und es gab mehr als einen Moment, wo mir kalte Schauer über den Rücken gelaufen sind.
Allerdings flacht der Handlungsverlauf mit der Zeit immer mehr ab. Die Autorin geht keine Risiken ein, bleibt bei dem was sie kennt bzw. weiß und schränkt den Handlungsspielraum ihrer Protagonistin ein. Von dem was sich außerhalb von Jeans, hauptsächlich auf Heim und Job begrenzten, Welt abspielt, bekommt man als Leser nur kleine Schnipsel präsentiert, die es mir schwer gemacht haben, das "Wie und Warum" nachvollziehen zu können. Wie kann es z.B. sein, dass sich diese religiöse Interessengruppe derart durchgesetzt hat und die Regierung soweit geht, Wortzähler zu verteilen und Homosexuelle in Arbeitslager zu verschleppen?
Vieles was in "Vox" angesprochen wird, hat in der Vergangenheit so oder so ähnlich stattgefunden, aber eine Welt zu erschaffen, in der die Schrecken der Gegenwart auf die Schrecken der Vergangenheit treffen, ohne auf die Hintergründe einzugehen, nimmt dem Ganzen für mich die Aussagekraft.

"Plötzlich sind mir der Stromschlag oder die Schmerzen gleichgültig. Wenn ich dabei weiter schreien kann, die Wut aufrechterhalte, das Gefühl mit Schnaps und Wörtern ertränke, wird dann der Strom weiterfließen? Mich umlegen?
Vermutlich nicht. Sie töten uns aus demselben Grund nicht, aus dem sie keine Abtreibungen bewilligen. Wir sind zu einem notwendigen Übel geworden, Objekte, die man vögeln, aber nicht hören soll."

Im Vergleich zu anderen feministischen Romanen, die in einer dystopischen Welt spielen, wie z.B. "Report der Magd" von Margaret Atwood oder "Die Gabe" von Naomi Alderman, hat "Vox" es leider nicht geschafft, mich durchgehend zu fesseln. Das erste Drittel war vielversprechend, aber im weiteren Verlauf wurde es insgesamt dann doch sehr holprig. Ich hatte das Gefühl, dass Christina Dalcher ab irgendeinem Punkt selbst nicht mehr so genau wusste, was für eine Geschichte sie eigentlich erzählen will und sich unsicher war, ob sie auf bekanntem Terrain bleiben oder sich in die Unsicherheiten eines kreativen Freigeistes begeben soll. Herausgekommen ist letztendlich eine bunte Mischung aus Beidem die keinen wirklichen Sinn ergibt und mich mit zu vielen Fragezeichen zurückgelassen hat; und auch die Auflösung am Schluss fand ich mindestens fragwürdig.
Trotz allem ist "Vox" aber ein Buch was ich weiterempfehlen würde, weil es den Blick auf eine mögliche Zukunft richtet, deren Entstehung darauf basiert, dass man es wiederholt zugelassen hat, dass die falschen Menschen die falschen Entscheidungen treffen.

"Monster werden niemals geboren. Sie werden gemacht, Stück für Stück und Glied für Glied, künstliche Kreationen Geisteskranker, die wie der fehlgeleitete Frankenstein immer glauben, sie wüssten es besser."

*an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an den Fischer Verlag, der mir das Buch als unverkäufliches, unkorrigiertes Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat

Veröffentlicht am 11.08.2019

Genialer Anfang aber zunehmend unglaubwürdig

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Jean ist eine emanzipierte, gebildete Wissenschaftlerin, Ehefrau und Mutter. Sie kann es schaffen, Menschen ihre Stimme zurück zu geben. Doch eines Tages ist das alles vorbei. Stück für Stück verlieren ...

Jean ist eine emanzipierte, gebildete Wissenschaftlerin, Ehefrau und Mutter. Sie kann es schaffen, Menschen ihre Stimme zurück zu geben. Doch eines Tages ist das alles vorbei. Stück für Stück verlieren Frauen alle Rechte. Kein Handyvertrag mehr, kein E-mail-Konto, kein Pass, kein Geld, kein Job, nicht einmal Briefmarken! Schließlich verfügt die Regierung der USA, dass Frauen und Mädchen ab sofort nur noch 100 Worte am Tag sprechen dürfen. Keine Gebärdensprache, keine Zeichensprache, kein Schreiben, kein Lesen, nichts. Der Grund: Frauen haben den Männern ihre Männlichkeit geraubt. Um die Welt in Ordnung zu bringen und die christlichen Werte zu reaktivieren muss man die Frauen zwingen ihren „natürlichen Platz“ einzunehmen, als Hausfrau und Mutter. Doch wie kann eine Mutter wirklich eine Mutter sein, wenn sie nicht einmal ihr weinendes Kind trösten kann, weil sie keine Worte mehr übrig hat? Wie, wenn sie ihrem Kind nicht sagen kann, dass sie es liebt, dass es hübsch ist oder schlau? Wie kann das eine Ehe überstehen? Diese Sprachlosigkeit? Die Tatsache, dass sie nicht einmal die Post entgegennehmen darf, sondern ihr Mann den verschlossenen Briefkasten öffnen lassen muss?

Dann wendet sich für Jean das Blatt: der Bruder des Präsidenten hat einen Ski-Unfall und verletzt sein Sprachzentrum – Jeans Forschungsgebiet. Man bietet ihr einen Deal an: sie nimmt ihre Forschung wieder auf und heilt den Bruder des Präsidenten, dafür nimmt man ihr währenddessen den Wortzähler ab. Wofür wird sie sich entscheiden?

 

Jean hat mit der veränderten Realität schwer zu kämpfen. Sie war Wissenschaftlerin, sie hat ihre Kinder dazu ermutigt viele Wörter zu lernen, einen breiten Wortschatz zu pflegen und jetzt darf sie sich von ihrem eigenen Sohn die neuen Lehren vorschwärmen lassen, mehr noch, er wird zum Vorkämpfer für die Sache. Kein Wunder, dass da manchmal Wut in ihr hochkocht und sogar Hassgefühle in ihr aufsteigen. Ich lebe nicht in dieser Welt, aber auch mich hat die Wut gepackt und das Entsetzen. Zeitweise dachte ich beim Lesen, ich müsste gleich platzen vor Wut.

 

Das Buch wird gern mit Margaret Atwoods „Der Report der Magd“ verglichen – durch die Serie besser bekannt als „The Handmaid’s Tale“. Für mich ist dieser Vergleich durchaus berechtigt. Die Zukunftsvision in diesem Buch ist wirklich erschreckend und Jean beschreibt sie unglaublich eindringlich. Man ist sofort bei ihr und ist mit ihr und für sie wütend. Dann allerdings fängt das Buch zu schwächeln an. Es bedient mehr und mehr Klischees und zum Ende hin wird die Handlung immer unrealistischer und auch die Art zu erzählen verändert sich leider zum schlechteren. Anfangs wird sehr detailreich erzählt und beschrieben, am Schluss wirkt es gehetzt und oft kommt es mir vor, als hätte man etwas weg- oder ausgelassen. Dann gibt es noch eine Wendung, die tragisch und traurig sein sollte, aber so lieblos in wenigen Sätzen abgehandelt wird, dass keine Gefühle ausgelöst werden. Mir kam es so vor, als seien der Autorin zum Schluss hin selbst die Worte und die Ideen ausgegangen. Einfach schade für den super Anfang!

 

Fazit: Mir gefiel das Buch am Anfang wirklich richtig gut. Ich dachte schon: endlich mal ein feministisches Buch, dass mir richtig gut gefällt! Aber leider verändert sich das Buch und die Handlung zum schlechten. Die Wendung vom Opfer zur Aktivistin ist für mich nicht glaubhaft. Alles geht viel zu schnell und auch die weitere Handlung wirkt danach unglaubwürdig für mich. Ich fühlte mich an Avatar und dergleichen erinnert: es muss einen amerikanischen Helden / Märtyrer / Retter etc. geben, sonst ist es kein amerikanischer Actionfilm und scheinbar, dachte wohl Christina Dalcher, dass das auch hier der Fall sein müsste. Zudem wird nicht mehr so detailliert beschrieben, wie am Anfang. Man ist nicht mehr so nah bei Jean und immer öfter scheint es, als würden wichtige Elemente einfach mit möglichst wenigen Worten abgehandelt werden. Das geht Zulasten des Gefühls und auch wieder der Glaubwürdigkeit. Schade! Das Buch fing so gut an und hat am Schluss so stark nachgelassen.

Ich habe lange überlegt, wie viele Sterne das Buch von mir bekommt und habe mich schließlich für 2,5 Sterne entschieden.