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Veröffentlicht am 06.09.2018

Eine andere Kriminalgeschichte

Ed ist tot
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Die üblichen aktuellen Krimis langweilen mich meist schon beim Lesen des Klappentextes. Das war hier nicht der Fall – im Gegenteil: die Beschreibung klang nach einer ungewöhnlichen Geschichte. Die war ...

Die üblichen aktuellen Krimis langweilen mich meist schon beim Lesen des Klappentextes. Das war hier nicht der Fall – im Gegenteil: die Beschreibung klang nach einer ungewöhnlichen Geschichte. Die war es dann auch. Russel D McLeans Geschichte um die schottische Buchhändlerin Jen, die auf Abwege gerät ist definitiv anders als die meisten Krimis.
An "Ed ist tot" geht man aber vielleicht leicht mit falschen oder zu hohen Erwartungen heran – wenn man weiß, was einen erwartet, wird man meiner Meinung nach gut unterhalten. Es ist kein Krimi im herkömmlichen Stil. Die Handlung orientiert sich nicht an einem Detektiv oder einer Polizistin, die den Fall lösen wollen Stattdessen berichtet die die Buchhändlerin Jen, wie sie in eine Kriminalgeschichte verwickelt wird und immer mehr auf Abwege gerät. Es ist ein skurril-makabres, manchmal schon morbides Buch, mit zahlreichen Opfern, ohne viel Mitleid und Moral – aber auch ohne ausführliche Gewaltdarstellungen. Für mich hätte der vom Verlag versprochene "rabenschwarze Humor" allerdings etwas ausgeprägter sein können.

Wen das und die Aussicht auf eine ziemlich abwegige Geschichte nicht abschreckt, der findet in "Ed ist tot" eine ungewöhnliche, unterhaltsame Kriminalgeschichte mit britischem Humor, die sich gut und flüssig liest.

Veröffentlicht am 14.08.2018

Ziemlich wundervoll

Meine wundervolle Buchhandlung
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Petra Hartlieb beschreibt unterhaltsam bis launig, wie sie 2004 eine kleine Buchhandlung in Wien kauft und wie die ersten Jahre im Geschäft gelaufen sind. Die Autorin ist zwar schon vorher (mehr oder weniger) ...

Petra Hartlieb beschreibt unterhaltsam bis launig, wie sie 2004 eine kleine Buchhandlung in Wien kauft und wie die ersten Jahre im Geschäft gelaufen sind. Die Autorin ist zwar schon vorher (mehr oder weniger) in der Buchbranche tätig gewesen, verfügt aber über keine Ausbildung oder praktische Erfahrung im (Buch-)Handel. Dafür läuft es dann erstaunlich gut ... eigentlich schon unfassbar gut: das Geschäft brummt - entgegen allen Unkenrufen und Branchentrends. Petra Hartlieb selbst führt das auf enormes eigenes Engagement und eine gute Portion Glück zurück. Vermutlich hat sie damit auch recht, trotzdem war ich manchmal doch sehr erstaunt - es wirkte auf mich irgendwie zu einfach, evtl verkürzt.
Dabei beschreibt sie den Alltag und die Sorgen realistisch und ehrlich. Viele Teilaspekte kommen anekdotenhaft zur Sprache: die ungewohnte Rolle als Chefin, finanzielle Sorgen, Überstunden, Konkurrenz aus dem Internet, aber auch eine enorme Hilfsbereitschaft von Freunden, Bekannten und Unbekannten. Insgesamt ist es eine - für mich nicht immer ganz realistische - allzu heile Welt, die hier beschrieben wird ... wirkliche Probleme oder Negatives gibt es selten und wenn dann werden sie recht einfach überwunden. Das kann man als positives Denken bezeichnen und gut finden (möchte ich niemandem nehmen), aber auf mich wirkte das häufig etwas zu sehr von sich selbst überzeugt. Ich konnte die in meinem Hinterkopf schwelende Frage, ob ich Frau Hartlieb gerne als Chefin hätte, nicht abschließend beantworten.
Kleine Fragen blieben: 300 Umzugskartons wurden mühsam im Treppenhaus untergebracht - von Möbeln ist aber keine Rede. Und in Österreich kann man jemanden zum Buchhändler ausbilden ohne selbst eine Ausbildung im Fach oder zumindest langjährige Erfahrung zu haben?

Trotz allem: nett und unterhaltsam geschrieben.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Kurze, komplexe Geschichte

Zwischen zwei Scheiben Glück
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Die Konstellation Sohn - Vater - Großvater ist interessant. Die kindliche Sicht auf den Nationalsozialismus ist gut beschrieben. Beides ist nicht wirklich neu, aber doch gut umgesetzt.
Die Auflösung ist ...

Die Konstellation Sohn - Vater - Großvater ist interessant. Die kindliche Sicht auf den Nationalsozialismus ist gut beschrieben. Beides ist nicht wirklich neu, aber doch gut umgesetzt.
Die Auflösung ist am Ende sehr sehr kurz. Vom Leser wird hier Interpretation gefordert. Ein bisschen hat mich gestört, dass das Schicksal des Vaters nur in Gerüchten wiedergegeben wurde.

Gerade durch die Kürze und das komplexe Ende, regt das Büchlein Jugendliche und Erwachsene zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 19.07.2018

Anders als erwartet

Ein mögliches Leben
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Nach der Leseprobe erwartete ich eine Geschichte, die häufig zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her springt. Tatsächlich spielt aber der größte Teil der Geschichte in der Vergangenheit und zwar ...

Nach der Leseprobe erwartete ich eine Geschichte, die häufig zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her springt. Tatsächlich spielt aber der größte Teil der Geschichte in der Vergangenheit und zwar im texanischen Kriegsgefangenenlager in den Jahren 1944 und 1945. Das dort beschriebene Leben entsprach ebenfalls nicht meinen Erwartungen. Was weiß ich schon von deutschen Soldaten in Kriegsgefangenschaft - meist denkt man da ja an Sibirien oder an die Rheinwiesen. Beschrieben wird zwar auch, wie die Amerikaner das Lager führen (menschliche Behandlung, reichlich Essen und die Möglichkeit Englischkurse zu besuchen), aber der Autor beschreibt vor allem das Seelenleben des jungen Soldaten Franz und die Gruppendynamik unter den Gefangenen: Nazis gegen deren Kritiker. Das ist sehr interessant, vor allem da der Hauptteil der Handlung noch während des Krieges spielt, wirkt manchmal etwas schwarz-weiß und plakativ.

Die Geschichte in der Gegenwart beschreibt die Dynamik innerhalb der Familie des ehemaligen Kriegsgefangenen Franz. Die einzelnen Personen fand ich hierbei ziemlich unnahbar, was vermutlich vom Autor so beabsichtigt war, da sie auch untereinander ein eher distanziertes Verhältnis pflegen.

Auch die Sprache ist oft etwas distanziert, abgehakt. Ich habe mich irgendwann eingelesen, werde aber kein Fan dieses Stils. Meine zuletzt gelesenen Bücher waren recht eingänglich und leicht "runter" zu lesen. "Ein mögliches Leben" hat mich da wieder etwas entschleunigt. Das Buch ist nicht kompliziert oder extrem schwer zu lesen, aber es fordert vom Leser doch Zeit und Aufmerksamkeit.

Veröffentlicht am 06.07.2018

Interessant - blieb aber hinter meinen Erwartungen zurück

Fische
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Melissa Broders Debütroman "Fische" ist die Geschichte einer Frau auf der Suche nach Liebe und Bestätigung. Lucy, Ende 30, befindet sich zu Besuch in Kalifornien und bewegt sich irgendwo zwischen ihrer ...

Melissa Broders Debütroman "Fische" ist die Geschichte einer Frau auf der Suche nach Liebe und Bestätigung. Lucy, Ende 30, befindet sich zu Besuch in Kalifornien und bewegt sich irgendwo zwischen ihrer prokrastinierten Doktorarbeit, einer Psychotherapie, ihrem Hundesitter-Job und Tinder-Dates - zusammen mit dem Schauplatz Venice Beach wähnte ich mich oft eher in einem etwas überdrehten Film als in einem Roman.
Die Liebesgeschichte mit dem Meermann Theo, die man nach Lektüre des Klappentextes für die zentrale Handlung halten könnte, beginnt erst in der Mitte des Romans. Meiner Meinung steht vor allem die Charakterisierung Lucys und ihre Entwicklung im Mittelpunkt, wobei das natürlich auch durch die ins Obsessive gehende Liebesgeschichte beleuchtet wird.
Dass Lucy die Liebe oder die Begierde von Männern so sehr braucht, hat mich oft aufgeregt. Zu gerne hätte ich sie geschüttelt und ihr gesagt, das sie sich doch bitte nicht über ihre Wirkung auf Männer definieren soll. Allerdings sieht sie das auch immer wieder selbst ein. Zwischendurch denkt sie vernünftig und klar, um sich dann in der nächsten Minute wieder total unvernünftig zu handeln.

Das Buch ist zudem gespickt mit Schilderungen von Sex und anderen intimen Angelegenheiten, die manchem Leser vielleicht zu extrem sein könnte.

Ich hab das Buch insgesamt gerne gelesen - manches war neu, manches schon abgenutzt ... einiges erfrischend unverblümt, anderes empfand ich als unnötig drastisch. Die euphorische Ankündigung konnte ich somit nur bedingt nachvollziehen und meine Erwartungen wurden nicht voll und ganz erfüllt.

Wer jetzt immer noch interessiert ist und nicht abgeschreckt wurde, sollte dieses Debüt lesen.