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Veröffentlicht am 26.10.2018

Schritte in die Dunkelheit

In der Nacht hör' ich die Sterne
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„Wer Angst hat, verpasst das Leben, Mafalda.“ (S. 209) Das sagt sich relativ leicht, wenn man nicht gerade erst 9 Jahre alt ist und an Morbus Stargardt leidet, einer Augenkrankheit, die den Betroffenen ...

„Wer Angst hat, verpasst das Leben, Mafalda.“ (S. 209) Das sagt sich relativ leicht, wenn man nicht gerade erst 9 Jahre alt ist und an Morbus Stargardt leidet, einer Augenkrankheit, die den Betroffenen nach und nach erblinden lässt. Mafalda flüchtet sich in den Kirschbaum auf dem Schulhof, noch kann sie ihn sehen und daran hochklettern – aber wie lange noch?

„In der Nacht hör’ ich die Sterne“ beruht auf Paola Perettis Geschichte, erklärt sie im Vorwort. Sie ist jetzt in Mafaldas Situation, weiß nicht genau, wie lange sie noch sehen kann. Für eine Erwachsene ist das schon eine schwierige Situation, wie mag es dann erst für ein Kind sein?! Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt sie, wie sich Mafalda auf das „Blindsein“ vorbereitet. So hat sie z.B. eine Liste mit Dingen, die sie jetzt noch machen kann und von der sie bald immer mehr Sachen streichen muss. Sie konzentriert sich auf ihre Trauer, das Negative, den Verlust. Erst die neue Hausmeisterin der Schule, die Rumänin Estella, bringt sie darauf, stattdessen eine Liste mit Dingen zu erstellen, die sie dann immer noch machen können wird. Genau wie der kleine Prinz in der Geschichte von Saint Exupery: „Finde deine Rose, Mafalda. Das, was für Dich wesentlich ist. Das, wozu du keine Augen brauchst.“ (S. 48)

Das Buch erzählt die Geschichte von Außenseitern. Mafalda ist nur eine von ihnen. Wegen ihrer Erkrankung grenzen die anderen Schüler sie aus, ihre beste Freundin wendet sich ab. Doch sie bekommt auch unerwartete Unterstützung, findet neue Freunde. Neben Estella, die ihr immer wieder die Wahrheit sagt und ihr Mut macht, setzt sich auch ausgerechnet Filippo, der Schulrüpel, für sie ein. Er sieht sie als Mensch, nicht als Opfer ihrer Krankheit. Und er artikuliert auch, dass ihm gefällt, was er sieht. Zwischen ihnen spinnen sich zarte Bande. Aber darf sich ein blindes Mädchen verlieben? Darf sie glücklich sein? Oder sollte sie sich von der Welt zurück- und auf einen Kirschbaum ziehen?

Mafaldas Geschichte hat mich sehr berührt. Manchmal scheint sie schon sehr weit für ihr Alter, lebensklug, und dann ist sie plötzlich wieder das kleine unsichere Mädchen, dass sich am liebstem vor der ganzen Welt verkriechen und ihren dicken Kater streicheln würde: „Hauptsache, er ist da, wenn ich ein Problem habe und etwas Warmes, Weiches brauche, das ich fest an mich drücken kann.“ (S.14).

Eine Kleinigkeit hat mich gestört: Die verschiedenen Abschnitte werden nicht durch Zeitangaben unterteilt, sondern durch die Schritte, die Mafalda von „ihrem“ Kirschbaum entfernt stehen und ihn trotzdem noch sehen kann. Leider war dadurch nie klar, wie alt sie gerade ist oder in welcher Klasse.

Veröffentlicht am 20.09.2018

„Ergänzungsliteratur“ für alle Eberhofer-Fans

Eberhofer, Zefix!
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Wenn Ihr schon immer mal wissen wolltet, was passiert, wenn der Franz zusammen mit dem Simmerl und dem Flöziger Urlaub macht oder Franz und Rudi im Ruhrpott Silvester mit Schalkefans feiern, dann ist dieses ...

Wenn Ihr schon immer mal wissen wolltet, was passiert, wenn der Franz zusammen mit dem Simmerl und dem Flöziger Urlaub macht oder Franz und Rudi im Ruhrpott Silvester mit Schalkefans feiern, dann ist dieses kleine Büchlein genau richtig. Es beinhaltet 4 Kurzgeschichten (die allerdings bis auf eine schon mal in anderen Büchern veröffentlicht wurden) und ein umfangreiches Lexikon mit Erklärungen der bayrischen Begriffe, die in den Eberhofer-Büchern vorkommen. Ich hatte zwar irgendwie mehr erwartet, aber die Geschichten sind amüsant, zum Teil kriminell und leider schnell ausgelesen.

Veröffentlicht am 06.09.2018

Löse und verbinde!

Der Limonadenmann oder Die wundersame Geschichte eines Goldschmieds, der der Frau, die er liebte, das Leben retten wollte und dabei die Limonade erfand
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... war Jacob Schweppes Leitspruch.
Die erste Limonade (unser heutiges Tonic) hat er nur erfunden, weil er als findiger Geschäftsmann zur Malariaprophylaxe Chinintabletten mit Limettensaft in dem von ihm ...

... war Jacob Schweppes Leitspruch.
Die erste Limonade (unser heutiges Tonic) hat er nur erfunden, weil er als findiger Geschäftsmann zur Malariaprophylaxe Chinintabletten mit Limettensaft in dem von ihm patentierten Soda-Wasser auflöste.
Überhaupt war Schweppes ein sehr neugieriger und aufgeschlossener Mann. Als Kind deutscher Hugenotten mit französischer Abstammung ging er nach seiner Ausbildung zum Goldschmied und Juwelier nach Genf. Nebenher beschäftigt er sich auch mit Uhren und anderen technischen Spielereien. Er las alle wissenschaftlichen Bücher und Zeitung, die er bekommen konnte und als er von dem Engländer Priesley las, der mit Gasen und Wasser experimentiert und dabei Karbon-Dioxid herstellt, sah er sofort den möglichen Nutzen und Gewinn – die Idee zu seinem Soda-Wasser war geboren.

Günther Thömmes beschreibt in „Der Limonadenmann“ Jacob Schweppes bewegtes Leben. Obwohl der Klappentext eine dramatische Liebesgeschichte oder einen Krimi vermuten lässt „Doch kann seine Erfindung auch der Frau, die er liebt, das Leben retten? Und nebenbei auch noch einen Mann aus dem Weg räumen, der kein Mitleid verdient?“ ist es für mich eher ein biographisch angehauchter Roman. In Anlehnung an 1001 Nacht erzählt eine Nachfahrin von Jacobs großer Liebe dem britischen König Wilhelm IV. über mehrere Abende bzw. Nächte dessen Geschichte. Der Aufhänger ist dabei jeweils eine Person, die in Jacobs Leben zu der Zeit eine Rolle spielte oder anderweitig mit ihm in Verbindung stand. Dieser Erzählstil ist etwas ungewöhnlich, aber sehr unterhaltsam. Die Kapitel sind recht kurz gehalten und in einigen wurden mir etwas zu viel Rund-Rum-Wissen oder Nebensächlichkeiten erzählt, aber letztendlich bekommt man so ein recht umfassendes Bild von Schweppes Leben und den politischen und wirtschaftlichen Umständen der damaligen Zeit.

Fazit: Interessanter biographischer Roman über einen vergessenen Erfinder.

Veröffentlicht am 21.08.2018

Einkochen mal anders

Einkochbuch
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Da wir gerade mitten in der Erntezeit sind, bin ich immer auf der Suche nach neuen Rezepten. Umso mehr habe ich mich über das „Einkochbuch - Neue Schätze für den Vorratsschrank“ aus dem Löwenzahn Verlag ...

Da wir gerade mitten in der Erntezeit sind, bin ich immer auf der Suche nach neuen Rezepten. Umso mehr habe ich mich über das „Einkochbuch - Neue Schätze für den Vorratsschrank“ aus dem Löwenzahn Verlag gefreut. Die Autorinnen Patricia Stamm und Verena Stummer haben moderne, zum Teil sehr ungewöhnliche Rezepte rund ums Haltbarmachen entwickelt.

Schon die Aufmachung des Buches wieder sehr gelungen. Durch den Leinenrücken und die goldene Prägeschrift wirkt es sehr edel. Die Fotos und Zeichnungen zu den Rezepten sind sehr appetitanregend, die Seiten gut strukturiert und klar. Ein zusätzliches Schmankerl sind die beiliegenden Geschenkanhänger.

Für Einkoch-Anfänger gibt es hilfreiche Tipps und Tricks. Da ich schon seit Jahren selber experimentiere, habe ich in der Rubrik nicht viel Neues entdeckt.
Sehr positiv ist, dass zum fertigen Produkt immer noch eine Anwendungsmöglichkeit oder ein weiteres Rezept geboten wird. Da steht dann zum Beispiel, ob das Chutney zu Fleisch oder Käse passt und wie man den Schokokuchen passend zur „Scharfe Himbeere“ bäckt.

Die Rezepte gliedern sich in „Konfitüren & Gelees“, „Chutney, Ketchup & Co“, „Allerlei Pikantes“, „Kräuter & Salze“ und „Allerlei Flüssiges“, so dass man für jede Gelegenheit das Passende finden sollte.

Ich habe natürlich verschiedene Rezepte probiert. Ein Highlight war u.a. der „Bratapfel im Glas“. Die Zubereitung ist super einfach und der Geschmack toll. Das wird gleich das Weihnachtsgeschenk für meine Kollegen .

Sehr gut haben uns auch die "Karamellisierten Zwiebeln" geschmeckt. Dafür werden rote Zwiebeln mit Zucker und Gewürzen so lange eingekocht, bis sie wirklich die Konsistenz von Karamell haben – ein Gedicht! Auf unserer Grillparty waren die weg wie nichts.

Außerdem habe ich zum ersten Mal Ingwerbier selber gebraut. Ich hätte nie gedacht, dass das so leicht geht.

Mein einziges Manko sind die großen Mengen (zwischen 3 und 5 Liter), die immer gleich verarbeiten werden sollen. Ich verschenke zwar wirklich viele der zubereiteten Sachen, aber bis dahin muss ich sie irgendwo lagern. Und die großen Keller wie zu Omas Zeiten gibt’s ja leider kaum noch. Ich mache darum lieber kleiner Mengen und verschiedene Sachen, weil die Beschenkten ja auch unterschiedliche Vorlieben haben.

Veröffentlicht am 18.08.2018

Blut ist dicker als Wasser

Zwischen uns ein ganzes Leben
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„Wir hatten nur noch Hunger, Angst und die vage Hoffnung, dass irgendwann der Frühling kommen musste.“ (S. 220) stellt Judith 1940 in Paris fest. Sie ist eine jüdische Studentin und mit Christian, dem ...

„Wir hatten nur noch Hunger, Angst und die vage Hoffnung, dass irgendwann der Frühling kommen musste.“ (S. 220) stellt Judith 1940 in Paris fest. Sie ist eine jüdische Studentin und mit Christian, dem Sohn eines Bankiers zusammen. Sein Vater kollaboriert mit den Nazis, darum wollen er und Judith zusammen fliehen. Doch das Schicksal durchkreuzt ihren Plan.

„Du musst Judith finden. Versprich es mir.“ (S. 26): 1982 erfährt Jacobina in Montreal von ihrem Vater, dass sie eine ältere Halbschwester hat, Judith. Ihr Vater war Rumäne und hat lange in Paris gelebt. Irgendwann ging er zurück, aber Judith und ihre Mutter blieben. Durch den Krieg hat er den Kontakt verloren.

„Irgendwann sitzt du krank und alt in deiner Wohnung und bereust Dein Leben.“ (S. 106) hatte ihr Vater Jacobina prophezeit. 2006 ist es so weit, sie lebt heruntergekommen in Washington D.C. Eine Hilfsorganisation schickt Béatrice mit Lebensmitteln zu ihr. Die Frauen freunden sich an und Jacobina erzählt von Judith, und dass sie nie nach ihr gesucht hat. Für Béatrice wird die Suche zu einer willkommenen Ablenkung von ihren eigenen Problemen.

Judiths und Christians Liebesgeschichte ist sehr romantisch, wäre da nicht der zweite Weltkrieg und sie keine Jüdin. Sie lernen sich beim Studium an der Sorbonne kennen. Judiths Leben wird immer schwerer, die Einschränkungen und Ängste immer größer. Christian kümmert sich liebevoll um sie, hört aufmerksam zu, liest zwischen den Zeilen und leistet praktische Hilfe, indem er ihr immer wieder Nahrungsmittel oder Kohlen zusteckt. Er macht ihr Leben bunter, lebenswerter. Doch dann beginnen die Deportationen und er geht extreme Risiken für sie ein. Ihre Geschichte ist extrem fesselnd und berührend, man muss einfach mit ihnen mitfiebern.

Auch Béatrice und Jacobinas Suche nach Judith ist sehr spannend und informativ, zeigt sie doch, dass und vor allem wie immer noch Menschen nach ihren Angehörigen suchen, hoffen, dass diese den Holocaust überlebt haben.
Aber ich bin mit Jacobina und Béatrice einfach nicht warm geworden. Über Jacobina erfährt man so gut wie nichts. Sie wirkt extrem unsympathisch und introvertiert, interessiert sich nur für gutes Essen und Fernsehen. Warum sie so geworden ist? Keine Ahnung. Sie erzählt nur Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit.
Auch Béatrice ist kein Sympathieträger. Nach außen gibt sie die Powerfrau und superschicke Französin, lässt sich aber sowohl von ihrem Chef als auch ihrem Freund immer wieder zur Schnecke machen und muss sich für deren Fehler verantworten. Sie ist viel zu nachgiebig, duckmäuserisch. Warum macht sie sich so klein? Das passt nicht zu ihrem sonstigen Auftreten. Außerdem wird sie im Klappentext als „junge Französin“ beschrieben, dabei ist sie schon 43.
Zudem ist das, was man über die beiden Frauen erfährt, ist nicht zwingend für die Suche nach Judith erforderlich. Für mich hätte ihr Erzählstrang kürzer sein oder sich mehr um die eigentliche Suche drehen können.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die Geschichte, welche Melanie Levensohn in „Zwischen uns ein ganzes Leben“ erzählt, zum Teil auf der Biographie einer Verwandten ihres Mannes beruht, deren Spur sich in Auschwitz verliert. Das macht dieses Buch so besonders. Sie zeigt Suchwege und Hilfsorganisationen auf, an die man sich wenden kann.