Leider nicht so berührend wie erhofft
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Alice Martineau leidet schon seit ihrer Geburt an Mukoviszidose, einer vererbbaren Stoffwechselstörung, die vor allem zu Problemen mit den Atemwegen und der Verdauung ...
Spoilerfreie Rezension!
Inhalt
Alice Martineau leidet schon seit ihrer Geburt an Mukoviszidose, einer vererbbaren Stoffwechselstörung, die vor allem zu Problemen mit den Atemwegen und der Verdauung führt. Wie lange sie noch zu leben hat, weiß sie nicht. Aber als sie eines Tages ihren Modeljob kündigt, beschließt sie, von nun an ihrem Herzen zu folgen und die ihr verbliebene Zeit zu nutzen, um sich endlich ihren größten Traum zu erfüllen: eine berühmte Sängerin zu werden und die Menschen mit ihrer Musik zu berühren. Eine anstrengende Reise voller Hindernisse und großer Hoffnungen beginnt…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 432
Erzählweise: Ich-Erzählerin, Präteritum und Präsens
Perspektive: aus weiblichen Perspektiven (Mutter und Tochter)
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: +/- Im Buch werden zwar keine Tiere verletzt oder getötet – im Gegenteil, Alice und ihre Familie kümmern sich sehr liebevoll um ihre zwei (juhuu! Endlich mal keine Einzelhaltung) Katzen. Jedoch wird im Buch Pelz getragen und viel Fleisch gegessen.
Warum dieses Buch?
Der Klappentext klang so interessant, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte. Zudem hat es natürlich auch mein Interesse geweckt, dass Robbie Williams dieses Buch als „Inspirierend“ bezeichnet hat. Nach dem Lesen wurde mir auch klar, warum gerade er am Cover zitiert wird: Er hat selbst eine kleine „Rolle“ im Buch. Ein geschickter Schachzug der Autorin!
Meine Meinung
Einstieg (+/-)
„Ich lebe seit sechsundzwanzig Jahren mit Mukoviszidose. Wenn ich aufwache, spüre ich meine Lungen und meine Brust und sonst gar nichts. Bevor ich das Haus verlasse, muss ich immer eine Handvoll Pillen schlucken und bestimmte Wirkstoffe aus Maschinen inhalieren, die mir das Atmen erleichtern. Mein Husten ist immer da. Es ist mein ständiger Begleiter, Tag und Nacht.“ E-Book, Position 162
Der Einstieg ist mir leicht gefallen, da sich die Geschichte sehr flüssig lesen lässt. Jedoch hat es trotzdem lange gedauert, bis ich in der Geschichte angekommen war und sie mich in gewissem Maße fesseln konnte.
Schreibstil & Aufbau (+/-)
Die Geschichte wird hauptsächlich aus Alices Sicht erzählt, doch dazwischen gibt es immer wieder Tagebucheinträge ihrer Mutter zu lesen, die uns ihre Sichtweise der Ereignisse und ihre Sorgen mitteilt. Es muss sehr schwer sein, ein todkrankes Kind zu haben und zu wissen, dass man es in nicht allzu ferner Zeit verlieren wird.
Einerseits ist der Schreibstil sehr einfach, flüssig und angenehm zu lesen. Alice Peterson schreibt anschaulich, aber geht bei ihren Beschreibungen nicht zu sehr ins Detail, wodurch sich die Geschichte sehr schnell lesen lässt. Leider wirkte die Sprache auf mich durch die geringe Komplexität und die einfache, wenig abwechslungsreiche Wortwahl ein wenig oberflächlich. Sie erinnerte mich stellenweise (nicht immer) an diesen „Chick-Lit“-Stil, den ich leider nicht besonders mag. Auch die pathetische, teilweise sehr kitschige Art der Autorin, Vorkommnisse zu schildern trug zu diesem Eindruck bei. Manche Szenen haben bei mir daher zu innerlichem Augenrollen geführt.
Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)
„Als sie mich auf meine schlanke Figur ansprach, hätte ich ihr erzählen können, dass ein Teil meines Darms entfernt worden ist – inzwischen fehlen mir bestimmt drei Viertel. Ich bin so schlank, weil ich Nahrung nicht richtig verdauen und daher auch nicht ausreichend verwerten kann; dazu kommen das ständige Husten und das mühsame Atmen. Das alles verbrennt in jeder Sekunde meines Lebens Tausende Kalorien.“ E-Book, Position 175
Viele Dinge haben mir, was den Inhalt betrifft, sehr gut gefallen. Zum einen gefiel mir, wie sensibel und doch ehrlich die Autorin das Leben mit dieser furchtbaren Krankheit beschreibt. Dabei konnte ich sehr viel dazulernen. Die Lebensfreude, die Alice und ihre ebenfalls erkrankten Freundinnen trotz allem haben, ist stets spürbar, und Alice Peterson zeigt in ihrem Roman, dass Kranke viel mehr sind als ihre Krankheit: Sie sind ebenso komplex, emotional, humorvoll und launisch wie gesunde Menschen. Im Buch geht es um Liebe, Freundschaft, Hoffnungen und Träume, Familie, den Alltag mit einer tödlichen Krankheit, den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit und den Wunsch, der Nachwelt etwas von sich zu hinterlassen und somit in gewisser Weise unsterblich zu werden.
Alices Kraft und ihren Ehrgeiz, es trotz aller Hindernisse bis ganz nach oben zu schaffen, haben mich sehr beeindruckt! Ihre Hoffnungen, Ängste und Zweifel wurden zudem glaubwürdig und tiefgründig geschildert. Sehr überrascht war ich, als ich am Ende des Buches herausgefunden habe, dass das Buch auf einer wahren Geschichte und Person basiert. Alice Martineaus Lieder kann man sich auf „Youtube“ tatsächlich anhören. Das Ende kam dann überraschend schnell; ich fand es (auch wenn ich mir ein anderes gewünscht hätte) dennoch rund und gelungen.
Leider hat es auch Aspekte gegeben, die mir nicht gefallen haben. Zum einen kam es im Mittelteil durch Alices gesundheitliche Probleme und durch andere Rückschläge immer wieder zu inhaltlichen Wiederholungen, was manche Abschnitte etwas langatmig machte. Hier hätte man kürzen können, um dem Buch mehr Spannung und Tempo zu verleihen. Außerdem fand ich das Buch trotz allem sehr deprimierend, es hat mich beim Lesen runtergezogen, obwohl die Autorin doch eigentlich inspirieren, berühren und die Hoffnung in den Mittelpunkt rücken wollte. (Das das nicht sein muss, auch wenn ein Buch ein deprimierendes Thema behandelt, hat John Green mit „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ eindrucksvoll gezeigt. Falls ihr es übrigens immer noch nicht gelesen habt (Schande! ;) ) – ich möchte es euch hiermit wärmstens ans Herz legen.) Obwohl das Buch einige traurige und berührende Momente beinhaltet, gab es leider auch Stellen, die mich kaltgelassen haben. Zum Weinen gebracht hat mich das Buch nicht ein einziges Mal, und ich bin eigentlich eine emotionale Leserin. Das Buch konnte mich somit leider nicht durchgehend überzeugen.
Protagonistin und Figuren (+)
„‘Ich möchte etwas hinterlassen, wenn ich sterbe, etwas, das mir wichtig ist und anderen, etwas, bei dem man sich an mich erinnert, etwas, das bleibt…‘“ E-Book, Position 987
Alice hat mir als Protagonistin gut gefallen. Sie ist eine starke, ehrgeizige Frau, die nicht aufgibt, egal wie viele Steine ihr vom Leben auch in den Weg geworfen werden. Zudem habe ich ihren Humor geliebt, der manchmal durchaus recht schwarz ist. Dennoch konnte sie mich nicht ganz erreichen, ständig war da eine gewisse Distanz zu ihr. Leider konnte sie mir daher nicht ans Herz wachsen und zu einer unvergesslichen Heldin für mich werden. Ich habe zwar teilweise mit ihr mitgelitten und um sie gebangt, aber oft auch nur moderat mitgefühlt. Das ist ein schade, hier hätte ich mir mehr erwartet. Genervt hat mich zudem die irritierende Häufigkeit, mit der sie von anderen Personen als „wunderschön“ beschrieben wurde. Ja, wir haben es langsam verstanden – sie ist schön, auch wenn sie krank ist!
Die anderen Figuren sind verschieden gut gelungen. Manche von ihnen bleiben blass und eindimensional, andere werden greifbar und wirken sehr lebendig und echt. Besonders gerne mochte ich Alices Familie. Sie hat wirklich Glück, solche Eltern zu haben.
Liebesgeschichte (+/-)
Alice Petersons Geschichte ist eine Mischung aus Roman und Liebesroman. Sehr gut gefallen hat mir, dass die Liebesgeschichte sich langsam und glaubwürdig entwickelt. Sie ist nicht perfekt, es gibt Streit und Meinungsverschiedenheiten. Gerade das fand ich sehr erfrischend und authentisch. Dennoch ist es der Autorin nicht gelungen, dass ich beim Lesen auch ein Kribbeln spürte und mich ebenfalls in Tom verliebte. Deshalb hielt sich die Begeisterung leider trotzdem in Grenzen.
Spannung & Atmosphäre (+/-)
Auch was diesen Unterpunkt betrifft, hat der Roman seine Stärken und Schwächen. Einerseits enthält die Geschichte sehr spannende Momente und Passagen, bei denen ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht. Manchmal weil ich Angst um Alice hatte, manchmal weil ich auf den erhofften Durchbruch wartete. Andererseits gab es auch Abschnitte in der Mitte, die sich für mich sehr zogen, weil es inhaltliche Wiederholungen gab oder weil wenig (Neues) passierte. Was die Atmosphäre betrifft, so hatte das Buch, wie schon weiter oben angesprochen, eine deprimierende Wirkung auf mich, die mich beim Lesen eher runtergezogen hat. Daher auch meine Empfehlung: Wenn ihr gerade selbst depressiv oder traurig seid, solltet ihr um dieses Buch eher einen Bogen machen.
Feministischer Blickwinkel (+/-)
Im Zentrum von Alice Petersons Buch steht eine sehr starke und selbstbewusste Heldin, die sich nicht unterkriegen lässt. Zudem werden toxische Beziehungen und Gewalt gegen Frauen thematisiert und scharf kritisiert, was ich toll finde! Jedoch werden Geschlechterstereotypen (die immerhin einen Risikofaktor für Gewalt gegen Frauen darstellen) teilweise (nicht immer!) gefördert, was gar nicht gut bei mir ankommt. Beispielsweise sind es immer die Frauen, die bei jeder Gelegenheit kochen. Warum? Zudem ist die Rollenverteilung in der Familie sehr klassisch: Die Mutter hat ihren Job und ihre Träume aufgegeben, um für ihre Tochter zu sorgen, der Mann ist Anwalt. Sehr problematisch finde ich, dass es so dargestellt wird, als würde der Ehemann überhaupt keine Ahnung vom Haushalt haben. Cool! Also bleibt neben der Pflege der Tochter auch noch der ganze Haushalt (auch am Wochenende) an der Mutter hängen. Ernsthaft? Es wird auch für „berührende Romane“ Zeit, im Jahre 2019 anzukommen.
Mein Fazit
„Ein Song bleibt für immer“ hat durchaus seine gelungenen, emotionalen und berührenden Momente, konnte mich jedoch leider nicht so bewegen und mitreißen, wie ich mir das gewünscht hätte. Taschentücher brauchte ich beim Lesen jedenfalls keine. Auf sensible und doch sehr ehrlich Weise beschreibt die Autorin den Alltag mit Mukoviszidose, einer unheilbaren Krankheit, die zu Alices Tod führen wird. Themen wie Liebe, Freundschaft, große Träume, der Umgang mit der eigenen Sterblichkeit und der Wunsch, der Nachwelt etwas von sich zu hinterlassen, stehen dabei im Zentrum der Geschichte und werden tiefgründig behandelt. Alice ist eine sympathische, lebensfrohe und sehr starke Heldin, die mich dennoch nicht immer erreichen konnte. Die anderen Figuren sind großteils gelungen, die authentisch unperfekte Liebesgeschichte konnte mich nicht ganz überzeugen. Der Schreibstil ist zwar flüssig und angenehm lesbar, leider war er mir aber auch oft zu oberflächlich, kitschig und pathetisch. Nicht so gut gefallen hat mir außerdem, dass das Buch eine sehr deprimierende Wirkung auf mich hatte und mich beim Lesen runtergezogen hat, auch wenn es mich eher inspirieren und mich hoffnungsvoll zurücklassen hätte sollen. Auch inhaltliche Wiederholungen und Spannungseinbrüche führen dazu, dass ich Sterne abziehen muss. Fazit: Insgesamt ist „Ein Song bleibt für immer“ ein Buch mit vielen guten Momenten, aber auch Schwächen, von dem ich mir schlussendlich doch mehr erwartet hätte.
Bewertung
Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 3 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 3,5 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Ende / Auflösung: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: + / -
Insgesamt:
❀❀❀,5 Lilien
Dieses Buch bekommt von mir dreieinhalb Lilien!