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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2018

Herzallerliebst

Nie wieder Amore!
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Zum Inhalt:
Die Deutsche Lena, die zusammen mit ihrer Freundin Francesca in deren Elternhaus auf Sizilien eine Sprachschule eröffnen will, mistet aus und findet dabei einen alten Film, welcher ein sehr ...

Zum Inhalt:
Die Deutsche Lena, die zusammen mit ihrer Freundin Francesca in deren Elternhaus auf Sizilien eine Sprachschule eröffnen will, mistet aus und findet dabei einen alten Film, welcher ein sehr verliebtes deutsch-italienisches Pärchen zum Thema hat. Kurzerhand macht sie die Frau ausfindig: Moni, inzwischen vom untreuen Ehemann verwitwet, wohnt in Augsburg in einer Seniorenresidenz und trauert dem totgeglaubten Vincenzo hinterher. Dieser ist nach Aussage einer Sizilianerin jedoch quicklebendig und so macht sich Moni gemeinsam mit Enkel Jan nach Taormina auf, dicht gefolgt von Tochter Tanja, um nicht nur Vincenzo zur Rede zu stellen, sondern auch den Umbau der Sprachschule gegen alle Widrigkeiten und die Mafia durchzusetzen.

Mein Eindruck:
Tessa Hennig ist ein wunderbares Märchen moderner Bauart gelungen, bei dem das Gute siegt und die Paare sich zum allseitigen Happyend in den Armen liegen. So weit so gut, doch bei diesem Buch ist der Weg das Ziel, - und dieser Weg ist zwar nicht unbedingt mit Steinen, aber doch einigen Kieseln gepflastert. Und da es sich um unschuldige Sommerlektüre handelt, hofft die Leserschaft, aber sie bangt nicht. Das ist jedoch auch gar nicht nötig, - dafür amüsiert man sich auf das Trefflichste. Ein schöner Schreibstil, der farbenfroh, aber nicht zu ausufernd schildert, eine Charakterzeichnung, die tief genug geht, um interessant zu sein aber nicht zu tiefenpsychologisch wird und über allem scheint die südliche Sonne und raucht der Ätna ein paar Wölkchen. Trotzdem gab es ein paar Stellen, die einem gegen den Strich gehen, da die Autorin ihre Figuren eigentlich anders angelegt hat: Eine erst 67jährige Moni, die resolut ist und alle Sinne beisammen und keine körperlichen Probleme hat, lässt sich nicht in eine Seniorenresidenz abschieben, eine junge, aufgeklärte Lena macht sich garantiert keine Gedanken über die Homosexualität eines älteren Herren und Tanja würde sich bestimmt nicht ausgerechnet dann immer wieder an ihre pummelige Figur erinnern, wenn ein Mann sie -manchmal sogar buchstäblich - auf Händen trägt. Doch da der Rest der Geschichte einen immer wieder zum Schmunzeln bringt, sind diese Kleinigkeiten nicht der Rede wert und die Seiten fliegen nur so dahin.

Mein Fazit:
Es klebe der Zuckerguss – und wenn er nicht gegessen wurde, klebt er noch heute

Veröffentlicht am 08.09.2018

Nichts für schwache Nerven

Das Gift der Wahrheit
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Zum Inhalt:
Der Fund einer weiblichen Leiche ruft Kommissarin Alexis Hall und ihre Freundin, die Kriminalbiologin Karen Hellstern, auf den Plan. Die Frau starb an Spinnenbissen und sie ist nicht das einzige ...

Zum Inhalt:
Der Fund einer weiblichen Leiche ruft Kommissarin Alexis Hall und ihre Freundin, die Kriminalbiologin Karen Hellstern, auf den Plan. Die Frau starb an Spinnenbissen und sie ist nicht das einzige Opfer – ein sadistischer Serienmörder treibt sein Unwesen. Auf der Suche nach dem Killer geraten die beiden Ermittlerinnen nicht nur an ihre körperlichen, sondern auch an die seelischen Grenzen, da die eine von ihrer Vergangenheit eingeholt wird und die andere die notwendige Distanz zu einem mittelbaren Opfer vermissen lässt.

Mein Eindruck..
… wird zuerst einmal von dem außerordentlichen Cover bestimmt. Das sieht nicht nur rau aus, es fühlt sich auch so an. Handschmeichler wie dieser Umschlag sind ein Garant dafür, dass das „echte“ Buch noch lange nicht von seiner elektronischen Version verdrängt wird.
Dieses positive Gefühl trägt sich dann auch durch die Geschichte, welche sehr oft einen vor allem für Spinnenphobiker hohen Grad der Spannung hält. Die Story wird dabei unterstützt von einer Vielzahl Figuren, bei denen sich die Autorin vor allen Dingen bei den weiblichen Charakteren ein großes Maß an Mühe mit der Ausarbeitung gibt. Diese hat man sehr gut vor Augen – inklusive Kleidungsstil, Frisuren und anderen körperlichen Attributen. Bei den Herren der Schöpfung bleibt diese Detailarbeit aus, einzig die – natürlich fabelhaft aussehende – fast-oder-doch-nicht-aber-dann-doch-gerne-Beziehung von Alexis wird genauer beschrieben. Dazu sind viele negative Eigenschaften zumeist beim starken Geschlecht zu finden – Rachsucht, Homophobie, Gewalt wird dort verdrahtet, während die Frauen auch außerhalb der Krimihandlung eher Opfer sind. Das stört ebenso wie das übergroße Päckchen, das Alexis mit ihrer Herkunft als Kind eines Serienmörderpaares, Adoptivnichte eines unbelehrbaren Onkels und hilfloses Hascherl in Herzensdingen zu tragen hat, - aber dabei soooo gut aussehend, dass die Leserschaft gähnt. Ähnlich verspannt ist Karen mit ihrer Unfähigkeit, Abstand zu dem Tatgeschehen und einem Opfer zu halten, dafür aber viel davon zu ihrer eigenen, privaten Umgebung aufbaut.
Aber abgesehen von dem privaten Kokolores ist Corbin eine sehr spannende Geschichte gelungen, mit überraschenden Wendungen, guten Erklärungen, detailreichen Todeskämpfen und interessanten Einblicken in die Gerichtsmedizin und Biologie.
Für den nächsten Krimi würde ich mir weniger Privatprobleme und mehr Fall wünschen. Die beiden Damen sind fähig, ihr Team sympathisch und differenziert – das darf auch einmal für einen Thriller reichen.

Mein Fazit:
Zu viel private Nebensächlichkeiten, dafür aber ein grandioser Kriminalfall

Veröffentlicht am 28.08.2018

Die Welt in 100 Jahren

Ich bin viele
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Zum Inhalt:

Bob ist ein vorausschauender Mensch, deshalb veranlasst er, dass sein Körper nach seinem Tod aufbewahrt wird, - Wiederbelebung nach erfolgtem Fortschritt erwünscht. Als er jedoch 100 Jahre ...

Zum Inhalt:

Bob ist ein vorausschauender Mensch, deshalb veranlasst er, dass sein Körper nach seinem Tod aufbewahrt wird, - Wiederbelebung nach erfolgtem Fortschritt erwünscht. Als er jedoch 100 Jahre später wirklich erwacht, muss er feststellen, dass sich die Zeiten nicht nur im medizinischen Bereich verändert haben. Sein Körper ist weg, er existiert nur noch als künstliche Intelligenz, die von seinem neuen Besitzer eine Mission auferlegt bekommt: Den Weltraum nach möglichen Zufluchtsorten für die Menschheit abzusuchen. Der fehlende Körper lässt sich dabei durch eine besondere Fähigkeit ausgleichen: Die Möglichkeit, sein Ich zu klonen. Und so schreitet Bob ans Werk – und ist bald viele.

Mein Eindruck:

„Ich bin viele“ ist kein Buch, das man nebenbei oder in Ministückchen vor dem Einschlafen lesen kann, - dafür wird es insbesondere nach dem ersten Klonen zu kompliziert. Denn jeder Klon bekommt einen neuen Namen, erobert (manchmal alleine, manchmal zu mehreren) neue Welten und die Zeiten sind in diesen Welten ebenfalls unterschiedlich – Einstein und seiner Relativitätstheorie sei Dank. Und leider fehlt unter Umständen der Zugang zu den vielen technischen Details, bei denen nicht sicher ist, ob sie der Gedankenwelt des Autors entsprungen oder Teil von Forschung und/oder Science-Fiction Serien sind. Nimmt man sich jedoch Zeit und setzt sich in ein abgeschiedenes Eckchen, wird man mit einem Text voller Esprit, Fantasie und viel Humor belohnt. Die Dialoge der Bobs untereinander und auch die Interaktionen mit anderen Charakteren (die nicht unbedingt menschlich sein müssen) lassen die Leser ein ums andere Mal grinsen. Durch die Vielfalt der Schauplätze ergeben sich sehr unterschiedliche Arten von Problemen, die durch einen Bob gelöst werden wollen – und auch hier wird es nie langweilig. Bei den Kampfszenen, die wahrscheinlich von Star Wars inspiriert sind, könnte jedoch einem Teil der Leserschaft der Zugang fehlen und die Versuchung groß sein, quer zu lesen. Der Schluss bringt einen weiteren Kunstgriff des Autors ans Licht: Ein Ende, was einen Abschluss anbietet und dennoch einen Ausblick auf einen möglichen Fortgang der Geschichte zeigt.

Mein Fazit:

Zwar viel Technik und Kampfgetümmel, aber auch ein sehr pointierter Witz und noch mehr Erfindungsgeist

Veröffentlicht am 31.07.2018

Berlin in den 60er Jahren

Die Tote im Wannsee
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Zum Inhalt:
Im Wannsee taucht eine tote Frau auf – brutal erstochen und dann versenkt. Im Berlin der 60er Jahre versucht Wolf Heller den Mord aufzuklären, - gegen Widerstand von unerwarteter Seite. Denn ...

Zum Inhalt:
Im Wannsee taucht eine tote Frau auf – brutal erstochen und dann versenkt. Im Berlin der 60er Jahre versucht Wolf Heller den Mord aufzuklären, - gegen Widerstand von unerwarteter Seite. Denn nicht nur der Mörder macht ihm das Leben schwer, - seine eigene Dienststelle zeigt Anzeichen von Unterwanderung durch einen unsichtbaren Feind.

Mein Eindruck:
Drei Autoren wirken an diesem Buch mit und nein, viele Köche verderben nicht den Bücherbrei. Ganz im Gegenteil, dieser Geschichte ist nicht anzumerken, dass mehrere Personen an ihrer Entstehung beteiligt waren und sie spielt zu einer Zeit, an die zwei der Autoren keinerlei Erinnerung haben können. Trotzdem dient sie perfekt als Spiegel einer Zeit mit Studentenunruhen und dem Ost-West-Konflikt, der in Berlin auf kleinstem Raum ausgetragen wurde. Die Autoren fühlen sich sehr gut in ihre Charaktere ein und bedienen dabei immer den Zeit- und Ortkolorit der 60er Jahre. Fast meint man die wütenden Demonstranten zu sehen und fühlt mit den durch die Fehler in ihrer Vergangenheit gefangenen Menschen. Ein hübscher Zugewinn sind die Erkenntnisse, die man über die Rechtsprechung dieser Zeit gewinnt – Stichwort Kuppelparagraph und 175 – und wie das Unbehagen an der Zonengrenze geschildert wird. Dazu spinnen die Autoren so manches an Garn zu echten – wenn auch toten – Personen: Der Oberspion Wolf hat ebenso seinen Platz wie Benno Ohnesorg oder Kurras. So bekommt die Story einen überaus authentischen Touch und wirkt umso lebensnäher. Und das ist überhaupt – neben einer stringenten Krimihandlung – das größte Pfund, mit dem die Geschichte wuchern kann. Sie ist einfach wunderbar lebensnahe Geschichtsschreibung und das mit Herz und ohne erhobenen Zeigefinger.

Mein Fazit:
Jüngere deutsche Geschichte, die im wiedervereinigten Deutschland schwer vorstellbar ist, auf unaufdringliche und leichte Art präsentiert.

Veröffentlicht am 08.07.2018

Ein dreckiges Spiel

Fake
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Zum Inhalt:
Die amerikanische Geisel Catherine Finch wird bei einem nicht autorisierten Drohnenangriff getötet. Da die Weltlage momentan höchst fragil ist, möchte der amerikanische Geheimdienst diesen ...

Zum Inhalt:
Die amerikanische Geisel Catherine Finch wird bei einem nicht autorisierten Drohnenangriff getötet. Da die Weltlage momentan höchst fragil ist, möchte der amerikanische Geheimdienst diesen Umstand unter den Teppich kehren und reaktiviert einen Agenten, der sich eigentlich schon in Rente befindet.
Aber es gibt auch andere Mächte. Mächte, die nicht wollen, dass die Friedensinitiative des Präsidenten Erfolg hat. Und diese Mächte versuchen alles, um den Tod Catherines zu beweisen. Mit allen Mitteln.

Mein Eindruck:
Wenn Rayburn etwas beherrscht, dann ist es Spannung zu erzeugen. Sein Buch ist in vier Abschnitte eingeteilt, deren einzelne Kapitel zumeist nur aus wenigen Seiten bestehen. Obwohl es eine Vielzahl von handelnden Personen gibt und die Kapitel fast immer einen Wechsel von Schauplatz und Charakteren beinhalten, verliert der Leser nicht den Überblick, sondern wird in einen schier atemlosen Strudel der Ereignisse hineingezogen. Das Stilmittel des Cliffhangers wird dabei ein um das andere Mal genutzt – aber nicht abgenutzt. Ganz im Gegenteil blättern sich die Seiten wie von selbst, da immer die Hoffnung auf den Fortlauf des gerade genossenen Erzählstranges in kürzester Zeit gegeben ist.
Bei den Charakteren hat mich jedoch gestört, dass vor allem das „böse“ Personal wirklich ohne jeden auch nur geringfügigen Zug von irgendetwas Positivem gezeichnet ist, hier sind es wahre Teufel in Menschengestalt. Bei den „guten“ Menschen gibt sich Rayburn differenzierter, trotzdem kann er mit diesen Figurentwürfen den Holzschnitt der anderen Charaktere nicht wirklich kompensieren.
Für seine Story hat der Autor entweder sehr gut recherchiert oder ist ein Meister der Täuschung seiner Leserschaft über diesen Umstand. Zu keiner Zeit hat man das Gefühl, als ob Rayburn nur über ein fundiertes Halbwissen verfügt – egal, ob bei militärischen Rängen, geschichtlichen Zusammenhängen oder der beruflichen Fotografie.

Mein Fazit:
Spannend, zum Teil sehr traurig und mit unterschiedlicher Güte der Figuren