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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2018

Eigenwillig, poetisch und skurril

Weit weg von Verona
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„Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen ist, aber wenn Sie ein Englischer Klassiker werden möchten, empfiehlt es sich, im vorderen Teil des Alphabets zu stehen. Es gibt jede Menge A und B und ...

„Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon mal aufgefallen ist, aber wenn Sie ein Englischer Klassiker werden möchten, empfiehlt es sich, im vorderen Teil des Alphabets zu stehen. Es gibt jede Menge A und B und D, das geht weiter bis ungefähr H.“

Jessica Vye ist gerade mal neun Jahre alt, als ein Autor an ihre Schule kommt und den Schülern etwas vorliest. Inspiriert gibt sie ihm einige ihrer Texte zu lesen – zurück kommt ein Brief: „Jessica Vye, du bist ohne jeden Zweifel eine echte Schriftstellerin!“

Drei Jahre später begleiten wir die zwölf- bzw. dreizehnjährige Jessica in ihrem täglichen Leben, das seit dem Erlebnis begleitet ist von dem Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Vor allem nach Beginn des zweiten Weltkrieges ist Jessicas Alltag alles andere als normal – Gasmasken, Bombenangriffe, Schutzkeller und Lebensmittelmarken. Trotzdem gibt es die ganz normalen Probleme: Jungs, die Schule, ihre einzige Freundin, Bücher lesen, dichten. Und so nimmt die Geschichte, durch die uns Jessica liebenswerterweise führt, ihren Lauf.

Jessica ist eine sehr besondere, eigenwillige Protagonistin, die dennoch auf ihre Art wunderbar liebenswürdig ist. Auch ihr trockener Humor macht sie sympathisch. Der Schreibstil ist auf eine eigene Weise poetisch. Jessica ist für ihr Alter schon recht erwachsen und wird mit dem Buch noch einmal ein Stück älter. Ihre Erlebnisse sind teils alltäglich, teils so skurril, dass man sich fragt, ob sie sich das nicht ausgedacht hat. Mit ihrem Vater und einer Lehrerin hat sie zwei wichtige Bezugspersonen, die sie unterstützen. Ich finde es sehr schwierig, die richtigen Worte für dieses Buch zu finden – für mich ein großartiges Werk, das ich ganz klar empfehlen kann.

Veröffentlicht am 04.08.2018

Ein Wirbelwind

Blanca
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„Ich möchte, dass einmal im Leben ein Gedankengang nicht mit einer Frage, sondern mit einer Antwort endet.“

Blanca ist erst fünfzehn als sie beschließt, abzuhauen. Weg von ihrer Mutter, die es nie länger ...

„Ich möchte, dass einmal im Leben ein Gedankengang nicht mit einer Frage, sondern mit einer Antwort endet.“

Blanca ist erst fünfzehn als sie beschließt, abzuhauen. Weg von ihrer Mutter, die es nie länger als ein paar Wochen an einem Ort aushält. Weg von ihrem bisherigen Leben, das aus genau einer kleinen Tasche bestand. Aus wechselnden WG-Zimmern, Essenresten, neuen Schulen. Und sie möchte fort aus Deutschland. Zurück an den einzigen Ort, der für sie je eine heile Kindheit bedeutet hat – zu Karl und dessen Sohn Toni in Italien, mit denen sie und ihre Mutter sechs Jahre zuvor einen Sommer verbracht haben. Und so startet Blanca allein mit nur ihrer kleinen Tasche im Gepäck auf einen Roadtrip, auf der Suche nach einem Zuhause.

Ich konnte dieses Buch kaum aus der Hand legen. Aus Blancas Sicht geschrieben, liest es sich nicht immer wie von einer fünfzehnjährigen geschrieben, bleibt aber noch im realistischen Rahmen. Der Schreibstil ist vielfältig und bunt, teils auch etwas sarkastisch. Mir gefielen die verschiedenen Begegnungen, die Blanca auf ihrer Reise hatte. Sowohl negative als auch positive sind dabei, wobei ich keine davon unrealistisch fand. Sie wird über den Tisch gezogen und gezwungen, früh erwachsen zu werden. Man merkt, wie Blanca sich dadurch im Laufe ihrer Reise weiterentwickelt und einen Teil ihrer Naivität ablegt. Mit der Zeit scheint sie trotz allem auch eine Art Sympathie für ihre Mutter und deren innere Kämpfe zu entwickeln. Das Ende bleibt offen, mit der nötigen Portion an Zuversicht – und hat mir gerade deswegen sehr zugesagt.

Veröffentlicht am 19.06.2018

Zurück in die Achtziger

Billy Marvins Wunderjahre
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Eine Kleinstadt in New Jersey, 1987. Billy Marvin ist vierzehn. Zusammen mit seinen zwei besten Freunden beschließt er, das Playboy Magazin mit Vanna White, der „schönsten Frau der Welt“, irgendwie in ...

Eine Kleinstadt in New Jersey, 1987. Billy Marvin ist vierzehn. Zusammen mit seinen zwei besten Freunden beschließt er, das Playboy Magazin mit Vanna White, der „schönsten Frau der Welt“, irgendwie in seinen Besitz zu bringen. Legal kaufen ist keine Option, dafür sind sie zu jung. Und so schmieden sie Plan um Plan, um daran heranzukommen. Mit jedem gescheiterten Plan wird es ein bisschen exzentrischer. Abgesehen davon verbringt Billy die meiste Zeit damit, ein Computerspiel zu schreiben, um damit an einem Wettbewerb teilzunehmen. Durch eine Aktion für das Playboyheft lernt er schließlich Mary kennen, und die beiden beginnen, zusammen an dem Spiel zu arbeiten…

Das Buch ist hochwertig verarbeitet mit einem schönen Einband und einem noch tollerem Lesebändchen – das allein macht Lust auf mehr. Rekulak schreibt sehr unterhaltsam, so dass ich das Buch am liebsten in einem Rutsch durchgelesen hatte! Sofort fühlte ich mich in die Achtzigerjahre versetzt. Viele kleine Details aus den Achtzigern werden liebevoll in der Geschichte platziert. Das Buch wird aus der Sicht von Billy erzählt. Typische Alltagsprobleme wie Schulnoten, Hausaufgaben und Eltern wechseln sich ab mit dem Lernen von Code, nächtlichen Ausflügen und der ersten Liebe, mit überraschenden Wendungen. Ein gelungener Coming of Age Roman, der einen in eine andere Zeit (zurück)versetzt.

Veröffentlicht am 05.06.2018

Eine Leidenschaft, die sich durch ein ganzes Leben zieht

Barbarentage
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William Finnegan ist ein amerikanischer Autor und Journalist für den New Yorker. Seit seiner Kindheit in Kalifornien und Hawaii surft er, eine Leidenschaft, die sich durch sein ganzes Leben zieht. „Barbarentage“ ...

William Finnegan ist ein amerikanischer Autor und Journalist für den New Yorker. Seit seiner Kindheit in Kalifornien und Hawaii surft er, eine Leidenschaft, die sich durch sein ganzes Leben zieht. „Barbarentage“ ist seine Autobiographie und eine Hommage an das Surfen als Lebensstil.

In einem wunderschönen, geradezu poetischen Schreibstil, erzählt Finnegan von seiner Kindheit in Kalifornien, wo er erste Surfversuche unternahm. Während seiner Jugend zogen seine Eltern nach Hawaii. Dort erlebte er erstaunlich viel Rassismus im Alltag an der öffentlichen Schule und begann, praktisch täglich zu surfen. Von da an zieht sich das Surfen wie ein roter Faden durch sein Leben: nach der Schule der Abbruch des Studiums um wieder nach Hawaii zu ziehen, später nach dem nachgeholten Studium eine Reise um die Welt auf der Suche nach den besten Wellen der Welt. Er beschreibt nüchtern die verschiedenen Südseeinseln, die er besucht und auf denen er gesurft hat. Schließlich bleibt Finnegan in Südafrika hängen, weil er nicht mehr genug Geld hat, um Weiterzureisen. Dort arbeitet er während der Apartheid als Lehrer in einem der Township Schools und erlebt Geschichte. Erst später wird ihm jedoch vieles klarer, und er schreibt schließlich Jahre später ein Buch über seine Zeit dort. Es gibt weitere Stopps, unter anderem in Madeira. Viel später, zurück in Amerika, lebt er schließlich in San Francisco und New York. Auch dort findet er das Surfen…

Finnegans Autobiographie ist ein beeindruckendes Werk, das ich für Surfer und Nicht-Surfen gleichermaßen empfehlen kann. Es geht nicht nur um das Surfen, nein, auch die Beschreibungen der Zeit, in der Finnegan aufwuchs, sind sehr interessant. Oft wird man Traurig, wenn man im Lauf des Buchs die Globalisierung mit all ihren negativen Folgen miterlebt. Das Buch ist sehr dicht geschrieben und deshalb nicht einfach zu lesen. Ich habe lange gebraucht und musste immer wieder Pausen machen. Dennoch ist es wunderschön geschrieben, Finnegan hat wirklich eine Gabe zum Geschichten erzählen. Das Buch ist eine Hommage an das Surfen. Finnegan ist auf der ganzen Welt gesurft, teils unter beeindruckenden Bedingungen. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, die ihn seine Leidenschaft überdenken lassen. Er beschreibt eindrücklich, wieviel Arbeit man teilweise in Sportarten hineinstecken muss, um aktiv zu bleiben. Sehr spannend war für mich, wie er sich teilweise in gefährlichen Situationen gefühlt hat. Ein wahnsinnig schönes und informatives Buch.

Veröffentlicht am 21.05.2018

Klar und unaufgeregt, stark und schön.

Die Farbe von Milch
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„Die Leute sehen das Schlechte nie, sagte ich, wenn es so nahe vor ihrer Nase ist. Wie das Schwein, wenn es in der eigenen Scheiße liegt.“

Es ist das Jahr achtzehnhundertunddreißig. Wir befinden uns in ...

„Die Leute sehen das Schlechte nie, sagte ich, wenn es so nahe vor ihrer Nase ist. Wie das Schwein, wenn es in der eigenen Scheiße liegt.“

Es ist das Jahr achtzehnhundertunddreißig. Wir befinden uns in einem kleinen, nicht näher benannten englischen Dorf. Ihr Name ist Mary. Und ihr Haar hat die Farbe von Milch. Die vierzehnjährige Mary ist an einem Bauernhof aufgewachsen, mit drei Schwestern, ihrem strengen Vater, der Mutter und dem Großvater. Der Vater und die Schwestern bewirtschaften den Bauernhof. Die Tage sind lang und hart. Mary hinterfragt nichts, ist sehr ehrlich und hat stets einen positiven Blick aufs Leben. Der Großvater ist der einzige, von dem Mary ein bisschen Zuneigung erfährt. Eines Tages wird beschlossen, dass Mary den elterlichen Bauernhof verlassen soll und im Haus des Pfarrers aushelfen soll. Dort pflegt sie vor allem die kranke Ehefrau des Pfarrers und hat zum ersten Mal in ihrem Leben jemandem, der auch ihr Wohl am Herzen liegt. Nachdem die Pfarrersfrau stirbt ändert sich für Mary alles – der Pfarrer beschließt, ihr das Lesen und Schreiben beizubringen, doch zu einem hohen Preis.

Der kurze Roman imponiert mit seiner einfachen Sprache, die wiederspiegeln soll, dass Mary das Schreiben gerade erst gelernt hat. Dieser Schreibstil war anfangs gewöhnungsbedürftig, auch da es teils sehr lange, verschachtelte Sätze sind. Nell Leyshon schreibt beeindruckend klar und unaufgeregt, jedoch flüssig. Sie zeichnet ein beeindruckendes Bild von Mary, der einfachen, sehr direkten und klugen Bauerstochter, die zum ersten Mal in ihrem Leben von zuhause weg ist. Grau ist dieses einfache Arbeiterleben, das mit der Zeit nur trüber wird. Marys direkte Art macht das Buch sehr unterhaltsam. Obwohl es im 19. Jahrhundert spielt sind die Themen nach wie vor aktuell. Leyshon regt definitiv zum Nachdenken an!