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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2018

NY der 90er Jahre, schmutzig und verrückt!

Sommerfrauen, Winterfrauen
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Ein Roman der in New York spielt? Ja gerne! Über einen Filmemacher? Ach nö. Von einem Drehbuchautor? Nö - könnte langweilig werden, da zu „fachgenau“. Das war mein erster Eindruck, aber ein Buch aus dem ...

Ein Roman der in New York spielt? Ja gerne! Über einen Filmemacher? Ach nö. Von einem Drehbuchautor? Nö - könnte langweilig werden, da zu „fachgenau“. Das war mein erster Eindruck, aber ein Buch aus dem Hause Diogenes bekommt bei mir immer eine Chance. Und: brilliant! Grandioser Roman!!!

Es gibt so viele humorvolle Stellen an denen ich lauthals lachen muss gepaart mit einer aberwitzige Story, dass macht es so vergnüglich zu lesen. Wirklich niveauvoll unterhaltsam ist dieser Roman.
Genug geschwelgt. Es geht um Jonas, ein Student, der in den 90er Jahren nach New York darf um dort einen Sexfilm drehen soll. Und klar, so abgefahren wie das Projekt und die Stadt ist das Figurenkabinett was diesen Roman bevölkert.
Der Autor Chris Kraus schafft es ein rundes, wenn auch abgefahren Bild von New York der 90er zu zeichnen. Und überhaupt merkte ich wie sehr diese „Epoche“ dem Autor am Herzen liegt, eine Zeit, die nicht fern ist, aber in der die Hoffnung auf eine bessere Welt groß war und die Freiheit grenzenlos schien.

Nicht nur die Geschichte, auch besonders das Schreibtalent des Autors macht es so lesenswert. Die Dialoge sind herrlich erfrischend. Und dann kloppt er Sätze hinein, die großartig sind. Wie dies: (S.35):
“Auch Sorgen werden natürlich überschätzt, Schatz. Sie sind die Zukunft, die hoffentlich nie passiert. Sorgen sind die düstere Variante der Hoffnung.”
Oder auf S. 100: “Gekenterte Visionen kondensieren wie Schwitzwasser in seiner Seele, können nicht mehr heraus, so dass er innerlich verfault. Ein hedonistischer, unpolitischer Linker, der nicht akzeptieren kann, dass seine Zeit vorbei ist.”
Und dann sind da diese originellen Beschreibungen wie „Brennt mit Zigaretten Löcher in mein Gewissen“(S 219)
„...wie aus einem riesigen Flacon has schwarzen Wolken...“(S 252)

Fazit: Carpe diem - abgefahren und skurril mitten in NY! Genau meins! Sicher unter meinen Top 5 dieses Jahr (2018)!

Veröffentlicht am 02.10.2018

Viel Wissenswertes und sehr amüsant

Ein Keim kommt selten allein
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Nach ‚Darm mit Charme‘, ‚Hautnah‘, ‚Viva la Vagina‘ und vielen anderen Körperteilen die den Buchmarkt erobert haben, kommt nun auch ‚Ein Keim kommt selten allein‘ (nicht zu verwechseln mit ‚Keim daheim‘)! ...

Nach ‚Darm mit Charme‘, ‚Hautnah‘, ‚Viva la Vagina‘ und vielen anderen Körperteilen die den Buchmarkt erobert haben, kommt nun auch ‚Ein Keim kommt selten allein‘ (nicht zu verwechseln mit ‚Keim daheim‘)! Als Nicht-Mediziner lass ich mich gerne mal von Fachpersonal mit kuriosen Fakten versorgen für gute Small Talk Gespräche und vor allem mein Wissen über das jeweilige Gebiet erweitern.
Und bei unseren (für das Auge) unsichtbaren Mitbewohnern war ich besonders überrascht was ich alles nicht wußte....na ja, ob ich wirklich wissen wollte wieviel Männer ihre Hände nicht waschen nach einem Toilettengang...nun gut.

Das Buch ist erfrischend locker geschrieben, auch wenn bei längerer Lektüre am Stück einige Wiederholungen erkennbar sind. Daher gut als Ubahn-Lektüre geeignet, Unterbrechung bringen einen nicht sonderlich aus dem Lesefluss.
Sicherlich eine gute Idee, dass Markus Egert sich von einem Journalisten Frank Thadeusz hat unterstützen lassen.
Zu Beginn hätte ich mir mehr Zeichnungen gewünscht, gerne auch Comichaft, dem Stil des Textes entsprechend. Das war in der Einführung schon recht trocken. Und ich hatte LK Chemie und Bio Grundkurs, ja lange her, aber mein Grundverständnis der Materie ist noch vorhanden. Wer sich mit Grundbegrifflichkeiten schwer tut, könnte auch Visualisierung gut finden. Aber um die Kritik abzumildern, dass Buch ist selbst schon für höhere Mittelstufenklasse geeignet...bei Interesse.

Viel Wissenswertes was sich auch umsetzen lässt für die Haushaltshygiene und Mythenaufklärung a la nicht jeder Keim ist schlimm. Und ja, ein wenig Angst bekam auch ich als ich von Staphylococcus aureus hörte. Aber das gehört dazu.
Fazit: Jetzt weiß ich wieder warum ich meine Kinder ständig nerve die Hände zu waschen!

Veröffentlicht am 11.09.2018

Grandios gute Dystopie

Die Hochhausspringerin
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Dieser Roman packt uns genau da wo unsere "pain points" der Gesellschaft momentan sind! Wahnsinn wie die Autorin Julia von Lucadou mit ihrem Debüt "Die Hochhausspringerin" mit einem scheinbar einfachen ...

Dieser Roman packt uns genau da wo unsere "pain points" der Gesellschaft momentan sind! Wahnsinn wie die Autorin Julia von Lucadou mit ihrem Debüt "Die Hochhausspringerin" mit einem scheinbar einfachen Thema in der Zukunft so viele brandaktuelle Baustellen aufgreift.

Sie spinnt weiter was in der Gegenwart Fahrt aufnimmt und uns in der Tat als Gesellschaft stark beeinflussen wird. Der Roman zeigt uns was passiert, wenn wir alle nach Perfektion streben und uns ständig optimieren um dem perfidem Leistungsdruck standhalten zu können.

Und das gepaart mit einem Überwachungsstaat in dem wir uns mittels Digitalisierung fast gläsern in eine totale Transparenz begeben. So ist natürlich auch einfach die Spreu vom Weizen zu trennen, eine elitäre Verstädterung mit Zugangsrechten steht einer kloakenhaften Peripherie gegenüber. Die Schere zwischen Arm und Reich ist unüberwindbar groß und nur der leistungsfähigen Elite ist die Stadt vorbehalten. Nur hier kann man den Folgen der Naturkatastrophen entfliehen, nur hier in der Stadt merkt man die Klimaerwärmung nicht wie in der Peripherie.

Entfremdung vom natürlichen Menschsein, hier werden Kinder nicht mehr in ihren "Biofamilie" großgezogen sondern in entsprechenden Unterbringungen, natürlich optimierte Erziehung.

Das erschreckende an diesem ganzen Roman ist, dass es gar nicht so surreal wirkt und dass ich nach der Lektüre das Gefühl hatte: "Im Hier und Jetzt muss sich was ändern sonst haben die folgenden Generationen kein schönes Leben mehr auf diesem Planeten."

Viele viele Themen habe ich bereits genannt und es könnte der Eindruck entstehen es ist ein dunkler Roman ohne richtige Geschichte, aber ganz im Gegenteil. Ich konnte mich leicht mit der Protagonistin identifizieren und es ist neben der vielen aktuellen Themen ein leicht lesbarer guter Roman.



Auch auf der sprachlichen Eben, neben der angenehmen guten Prosa werden uns Veränderungen im Sprachgebrauch vor Augen geführt. Viele Anglizismen, geschützte Marken auch auf Aussprüche, optimierte Kommunikation und bei der Datenfülle auch Fake News.

Hier ein Zitat, dass mir besonders gut gefallen hat: “Perfektionismus ist kein Kompliment. Keiner will das zugeben, aber es stimmt. Was zählt, ist Kreation.” (S. 156)



Ich muss auch den Klappentext sehr loben, hier passt er wahrlich wie die Faust aufs Auge (was ich selten finde!): Die Hochhausspringerin führt in eine brillante neue Welt, in der innere Ausgeglichenheit obligatorisch ist und Anpassung ultimativ begehrenswert. Eine Welt, fast wie unsere.



Fazit: Lebe und lass das Chaos in deinem Leben zu! Hier wird uns vor Augen geführt was passiert, wenn wir weiterhin an das Mantra "höher, schneller & weiter" glauben und unsere Natur missachten.

Veröffentlicht am 07.09.2018

“The Americans” cross over with “Tatort”!

Die Tote im Wannsee
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Ich bin begeistert von diesem Krimi „Die Tote im Wannsee“ und dass nicht nur, aber natürlich auch, weil er im West-Berlin der 68er Jahre spielt. Müsste ich auseinander dividieren wieviel Raum West-Berlin, ...

Ich bin begeistert von diesem Krimi „Die Tote im Wannsee“ und dass nicht nur, aber natürlich auch, weil er im West-Berlin der 68er Jahre spielt. Müsste ich auseinander dividieren wieviel Raum West-Berlin, die historischen Gegenheiten und der Fall in diesem Buch einnehmen, würde ich vom Gefühl her: jeweils ein Drittel. Und genau das macht es für mich lesenswert.
West-Berlin. Der Roman geht auf viele viele Straßen, Firmen, Lokalitäten und Orte ein, herrlich, wenn man das alles kennt aus und sich fast bildlich mitbewegen kann.
Historischer Abriss. Sehr gelungen wird hier alltäglich aufgerollt was damals in West-Berlin unf überhaupt in der BRD abging, wie die revolutionären linken Kräfte gewütet haben, wie sie diskutierten und selbst von einer sozialistischen Utopie überzeugt waren. Ich spürte förmlich wie die angewiderte Abwendung von der Nazi-Vergangenheit überdreht in die sozialistisch utopische Welt. Und wie durch diese Radikalität aber uns heute normale Veränderungen ihren Ursprung nahmen, wie Gleichberechtigung oder Nicht-Vervolgung von Homosexuellen oder Abtreibungsmöglichkeiten.
Der Fall. Spannend, auch wenn es ein wenig abgesehbar ist warum die Dame im Wannsee landetete ist der Fall gut ge- und beschrieben. Vor allem macht dieser Fall in seiner politischen Komplexität mit dem kantigen und reflektierten Kommissar Heller den page turner aus.

Die Sprache ist rau und auch ruppig, aber sehr passend zu der damaligen Zeit. Da der Roman von drei Herren, Lutz/Wilhelm/Kellerhoff, in einer gemeinsamen Schreibübung zu Papier gebracht wurde, war ich erst skeptisch ob es Brüche gibt beim Lesen, aber nach 80 Seiten meinte ich keine mehr zu bemerken. Auch der cineastische Hintergrund zweier der Autoren ist klar erkennbar, aber aus meiner Sicht wunderbar umgesetzt. Was mir fällt, war an der ein oder anderen Stelle ein wenig Berliner Zunge, es gab da schon Charaktere, die ein wenig „ick“, „wat“ und „dit“ vertragen hätten.

Fazit: Ein Muss für alle ehemaligen West-Berliner und für Krimi-Fans, die es mögen, wenn das Buch mehr zu bieten hat als einen Fall zu lösen.

Veröffentlicht am 27.08.2018

Venedig und seine Bewohner gut getroffen

Heimliche Versuchung
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Eigentlich bedarf keiner der Donna Leon Krimis um Commissario Brunettt noch eines Lobes und einer weiteren Rezension. Jeder kennt ihn! Leser, wie mich, die Donna Leons Werke immer sofort lesen müssen bei ...

Eigentlich bedarf keiner der Donna Leon Krimis um Commissario Brunettt noch eines Lobes und einer weiteren Rezension. Jeder kennt ihn! Leser, wie mich, die Donna Leons Werke immer sofort lesen müssen bei Erscheinen schert es nicht, wenn mal eine Rezension schlecht ausfällt. Man muss einfach den nächstne Fall inhalieren. Und in der Tat gab es auch schon Fälle unter den bisher 27 erschienen, die ich weniger gut fanf bis schlecht. Aber dieser hier "Heimliche Versuchung", der ist wieder mal ein richtig guter aus der Brunetti-Reihe. Es bleibt spannend und gemächlich zugleich bis zur letzten Seite, wie man es gewohnt ist und lieben lernte! Was mir über die letzten Fälle hinweg aufgefallen ist, die grischischen Klassiker mit denen sich Brunetti in seiner Freizeit befasst, nehmen von Fall zu Fall gefühlt mehr Raum ein und verdrängen das voher beschriebene Familienleben. Keine Sorge, das gibt es noch, aber ehen die Gewichtung scheint sich mir zu verändern.
Dann hab ich mich mal gefragt, warum lese ich diese Brunetti-Fälle eigentlich so gern? Es ist gut geschrieben (und übersetzt), Brunetti hat ein aufgeräumtes, ja fast beneidenswert schönes Leben in Venedig mit seiner Familie und ist kein von problemenzersetzter Kommissar dem es dreckig geht. Tja, und dann sind da die tollen Beschreibungen der Stadt, des leckeren Essens und die Fälle selbst! Reicht als Begründung, oder?

Fazit: Wer es gern gemütlich hat beim Lesen - nur zu!