Profilbild von Sanne

Sanne

Lesejury Star
offline

Sanne ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Sanne über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.05.2020

Eine unbedarfte Frau

Das Netz
0

Unbestritten ist, dass die Bankenkrise 2010 viele Opfer forderte. Auch in Island. Aber Sonja gehört definitiv nicht dazu. Wer ist Sonja? Eine unbedarfte Frau, die, als sie beim Liebesspiel mit einer anderen ...

Unbestritten ist, dass die Bankenkrise 2010 viele Opfer forderte. Auch in Island. Aber Sonja gehört definitiv nicht dazu. Wer ist Sonja? Eine unbedarfte Frau, die, als sie beim Liebesspiel mit einer anderen gesehen wurde, sofort in die Scheidung einwilligt, auf Haus, Geld und Sorgerecht für den Sohn verzichtet und zum Geld verdienen in den Drogenschmuggel einsteigt. Das allerdings zieht sie raffiniert durch und bringt kiloweise(!) Rauschgift über die Grenze. Skrupel? Nein. Ziel: Geld für ein Leben mit zurückgeholtem Sohn. Wenigstens den liebt sie. Ach ja, zweitweise auch Agla, einst erfolgreiche Bankmanagerin. Erfolgreich, weil sie durch Ausnutzung ihrer Marktkenntnisse viel Geld verdient, aber andere um ihr Guthaben gebracht hat. Skrupel? Reue?Auch hier nicht. Bei Vernehmungen durch Polizei und Untersuchungskommissionen sorgt sie sich nur darum, dass ihr lesbisches Verhältnis auffliegt. DAFÜR schämt sie sich.
Dann ist da noch Bragi, Zollbeamter kurz vor der schlecht vergüteten Pensionierung. Er fasst Sonja ins Auge, verdächtigt sie. Kann er sie überführen? Hier wurde es ein wenig spannend. Ob seine Motivation das Buch von Lilja Sigurdardottir verbessert? Das zu beurteilen, überlasse ich anderen Lesern. Meins war es nicht.
Aus dem Isländischen übersetzt von Anika Wolff, Dumont Verlag.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.03.2019

Gemächlichkeit

Mozarts Friseur
0

Ein Friseursalon in Wien, eingerichtet wie ein Basar. „Wer hier eintritt, betritt ein Zauberreich.“ Der Friseur selbst kommt aus der Wüste, arm, Eltern unbekannt, von Matrosen aufgegriffen, mitgenommen. ...

Ein Friseursalon in Wien, eingerichtet wie ein Basar. „Wer hier eintritt, betritt ein Zauberreich.“ Der Friseur selbst kommt aus der Wüste, arm, Eltern unbekannt, von Matrosen aufgegriffen, mitgenommen. Das Geld seiner Frau bringt den Laden. Skurrile Dekostücke, ein Stuhl unter Palmen, Grafitti, kaputte Uhren. Hier erlebt man Zeitgeschichte, Hippies, merkwürdige Styles, Glatzen, die witzigerweise Zero Zero heißen, eigenartige Lebensgeschichten. Die Erzählung spiegelt die „Gemütsruhe, mit der der Friseur dem Weltuntergang eine Pause verordnet.“ Endlose Tiraden über die Farbe Schwarz, die drei Sperrmülluhren oder ausgewalzte kleine Ereignisse der Besucher bestimmen das Tempo.
Selten blitzen interessante Begebenheiten auf: Karottes Kamera, die Prüfung von Mozarts Perücke haben Potenzial.
Wolf Wondratschek hat es nicht geschafft, mich für dieses Buch zu begeistern. Zu langatmig, zu ausgeleiert. Die witzigen Gespräche, die unterhaltsamen Anekdoten, die ich erwartet hatte, fand ich nicht.

Veröffentlicht am 13.10.2018

Es dauert und dauert

Eine dieser Nächte
0

Passagiere auf einem Nachtflug von Bangkok nach Zürich. Da sind Michael und Stefan, ein schwules Paar; Emma, nach einer entmutigenden Autorenreise; Walter, verlassen von seiner plötzlich lesbischen Frau; ...

Passagiere auf einem Nachtflug von Bangkok nach Zürich. Da sind Michael und Stefan, ein schwules Paar; Emma, nach einer entmutigenden Autorenreise; Walter, verlassen von seiner plötzlich lesbischen Frau; ein junger Blogger; eine japanische Familie und Bill. Bill, der nervtötend und immer betrunkener werdend den Mitreisenden Geschichten erzählt. Sehr ausführlich, öfter abschweifend. Er spricht laut, die Passagiere müssen zuhören und versinken in eigenen Erinnerungen.
In den langatmigen Texten erkennt man viele rhetorische und echte Fragen. Allerdings gehen die unter in einem Textbrei ohne Fragezeichen. Ermüdend. Selten blitzen unterhaltsame Geschichten, kleinen Diamanten gleich, auf. Originell ist Bills Idee, alle Getränke „Martha“ zu nennen und sich mit ihnen zu unterhalten. Das war es aber auch, die Erzählungen ziehen sich genau wie der stundenlange Nachtflug wie Kaugummi. Schade, denn der Grundgedanke in Christina Viraghs Roman, herausgegeben vom Dörlemann Verlag, hat viel Potential.

Veröffentlicht am 12.09.2018

Gork, das Weichei

Gork der Schreckliche
0

Gork ist ein eigenartiger Drache, ins Leben gerufen von Gabe Hudson. Da dieser auf Englisch schreibt, waren Wieland Freund und Andrea Wandel so nett, eine Übersetzung für die deutschen Leser zu verfassen. ...

Gork ist ein eigenartiger Drache, ins Leben gerufen von Gabe Hudson. Da dieser auf Englisch schreibt, waren Wieland Freund und Andrea Wandel so nett, eine Übersetzung für die deutschen Leser zu verfassen. Erschienen ist das Buch bei Klett-Cotta.
Wir lernen Gork als Baby kennen, hübsch grün, schuppig, kein Vegetarier. Unwissend bringt er sich in gefährliche Situationen. Großvater wird zu Hilfe gerufen. Nach seinem Vorbild soll Gork ein brutaler, rücksichtsloser Eroberer werden, kommt dazu in eine Militärakademie. Nur: Gorks Herz ist zu groß, er hat den Status Kuschelbär, den Spitznamen Weichei und viel zu kleine Hörner, um einen weiblichen Drachen zu motivieren, seine Königin zu werden, seine Eier zu legen und einen Planeten zu erobern. Aber da ist noch Runcita, eine attraktive Drakette, seine Traumpartnerin, die er hartnäckig zu erobern sucht.
Eine nette Idee, die jedoch derartig ausgewalzt wird, durch ständige Wiederholungen nervt, ins Vulgäre abrutscht, so dass auch originelle Wortschöpfungen nichts mehr reißen. Weniger wäre mehr.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Hilfreiche Geschichten?

Das Leben und Schlimmeres
0

Behördenspitzfindigkeiten, Ökogase, Hunde, Krankenhäuser, Taschentücher, Schlagersänger... alles wird betrachtet, kein Thema - mag es noch so skurril klingen (nordische Hexen, Fledermäuslhäusl) wird ausgelassen. ...

Behördenspitzfindigkeiten, Ökogase, Hunde, Krankenhäuser, Taschentücher, Schlagersänger... alles wird betrachtet, kein Thema - mag es noch so skurril klingen (nordische Hexen, Fledermäuslhäusl) wird ausgelassen. Jedoch hat Herr Ringsgwandl ein Problem: er leidet an sich und an chronischer Übertreibung. Zuerst unterhaltsam und durchaus witzig, langweilen sie nach kurzer Zeit.

"Alltagssituationen" machen neugierig auf seine Geschichten, anschauliche Wortwahl verleiht Lebendigkeit. Manchmal sogar zu viel (Nachhaltig schnäuzen). Schade, dass das Niveau teilweise unter die Gürtellinie rutscht. Warum eigentlich "Hilfreiche Geschichten" (so der Untertitel) ?

Gut ausgewählt das kalte Blau und das entsetzte Gesicht des Autors auf dem Cover. Passt hervorragend zum Buch.

Nicht so mein Fall, aber für derben Humor liebende und schmerzresistente Leser sicher gute Unterhaltung.