Liebe, Musik und die Vergangenheit
Taktgefühle„...Seine Stärken waren eingängige Melodien und eine grandiose Show. Taktgefühl im wahren Leben gehörte nicht dazu...“
Elke kommt zurück in ihren Heimatort, um zusammen mit ihrem Bruder das Haus der Mutter ...
„...Seine Stärken waren eingängige Melodien und eine grandiose Show. Taktgefühl im wahren Leben gehörte nicht dazu...“
Elke kommt zurück in ihren Heimatort, um zusammen mit ihrem Bruder das Haus der Mutter zu verkaufen. Nebenan befindet sich eine Musikschule. Dort tritt plötzlich Walter aus der Tür. Elke entscheidet sich, für einige Tage in ihr Elternhaus zu ziehen.
Die Autorin hat einen abwechslungsreichen Gegenwartsroman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Von Anfang an ist klar, dass es für alle Beteiligten offen Fragen aus der Vergangenheit gibt. Erst nach und nach erfahre ich als Leser, was damals passiert ist.
Die Personen werden gut charakterisiert. Obiges Zitat bringt Walters Charakter ziemlich genau auf den Punkt. Das wirkt sich auch auf sein Tun in der Musikschule aus. Er bestimmt, wo es lang geht.
Schnell zeigen sich die Gegensätze zwischen Elke und Walter. Das alte Kribbeln ist noch da, aber jeder von beiden scheut die Aussprache.
Im Mittelpunkt der Handlung aber stehen nicht nur die Protagonisten, sondern die Musik und der Umgang mit ihr. Zwei pädagogische Konzepte prallen aufeinander. Walter plant einen Songcontest für seine Schüler. Dazu fordert er vollen Einsatz und absolute Unterordnung. Dabei bleibt der Spaß und die Freude an der Musik auf der Strecke. Im Buch klingen Walters Gedanken so:
„...Er ließ sich nicht von einer Sechzehnjährigen seine Entscheidungen diktieren, und er kannte die Showbranche. Plattenfirmen wollten junge Leute, die sich formen ließen und einen Song interpretierten, wie es erwartet wurde...“
Elke nimmt sich der Jugendlichen an, die mit Walter nicht zurecht kommen. Sie versteht es, sie so zu motivieren, dass sie ihr Können abrufen können und mit Begeisterung dabei sind. Sie macht ihnen auch klar, dass Niederlagen dazugehören und überwunden werden können.
Missverständnisse und ein zu langes Schweigen gibt es aber nicht nur zwischen Elke und Walter. Andere Wunden der Vergangenheit wurden ebenfalls nie aufgearbeitet.
Bei den Musikschülern hat die Autorin sehr unterschiedliche Charaktere kreiert. Da ist Marie, die gern singt und sich dabei vom harten Alltag ablenkt; Louisa, die aus lauter Ehrgeiz andere herabsetzt und vor Selbstbewusstsein strotzt und Valerie, die die Ansprüche der Eltern befriedigen möchte. Walter fehlt das Händchen, um hier ausgleichend zu wirken. Ab und an gießt er zusätzlich Öl ins Feuer.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, dass Ehrgeiz nicht alles ist, und fehlende Gesprächsbereitschaft offene Wunden hinterlassen kann. Ein versöhnliches Ende, dass die Wogen glättet, alle Fragen beantwortet, aber den Protagonisten Zeit für weitere Entscheidungen lässt, macht die Geschichte rund.