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Veröffentlicht am 19.03.2019

Düstere Schatten mit einem Funken Licht

1793
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Noch ein Histo-Krimi? Gähn! Und dann auch noch außerhalb der Jahrhunderte, die mich sonst begeistern? Dann lass ich das mal links liegen. Außerdem wird er so gehyped und förmlich auf Teufel komm raus beworben? ...

Noch ein Histo-Krimi? Gähn! Und dann auch noch außerhalb der Jahrhunderte, die mich sonst begeistern? Dann lass ich das mal links liegen. Außerdem wird er so gehyped und förmlich auf Teufel komm raus beworben? Da kann doch nur Marketing-Interesse dahinter stecken! Ph…
So oder ähnlich waren meine Gedanken, als Werbung, Leserunden, Leseexemplarangebote und so weiter förmlich aus dem Boden ploppten und mich an jeder virtuellen Ecke ansprangen. Ich wollte das Buch nicht lesen. Na gut, vielleicht mal einen kurzen Blick … vielleicht hat es ja unsere Bibliothek … Schließlich hielt ich das Buch in den Händen. Das, was mir die Hypewelle in die Hände geschwemmt hatte und von dem ich kaum eine schlechtes Wort las.

Und am Ende sitze ich hier, aufgelöst – im Jahre 1793 gefangen – und spüre einen buchigen Hangover kommen, der sich gewaschen hat. Das war – mit Abstand – das beste historische Werk, das ich in der letzten Zeit in den Händen hatte. Ich hab es gesuchtet – blieb bis spät Nachts wach, um die Abenteuer von Cecil und Michael zu lesen. Ich entwickelte förmlich ein Suchtverhalten nach dem Ermittlerduo, das sich tief durch Stockholm wühlt.
Aber warum hat mir das Buch so gut gefallen?
War es leicht zu lesen? Nein, das würde ich nicht so unterschreiben. Niklas Natt och Dag legt eine recht erzählende Schreibweise an den Tag, durchsetzt von detaillierten Beschreibungen und keineswegs einfach gebauten Sätzen. Ich dachte, das würde mir Probleme bereiten. Aber nein, es zog mich an, fesselte mich an die Seiten und ließ mich tief in das Stockholm des ausgehenden 18. Jahrhunderts versinken. Die Recherche des Autors wirkte auf mich exzellent. Er erzählt erstens eine Geschichte – eine Geschichte voller Brutalität und Ekel, aber auch mit einem Fünkchen Menschlichkeit und Hoffnung. Diese Menschlichkeit erzeugt mitnichten Gleichgewicht, aber lässt den Leser mithoffen, mitbangen – nimmt ihn bei der Hand und geleitet ihn durch all die Hoffnungslosigkeit, lässt gleichzeitig hoffen auf Gerechtigkeit. Zweitens legt der Autor aber auch ein Stück Sozialanalyse – er schreibt sich durch die Lokale, durch die Polizei der damaligen Zeit, den Bestrafungs- und Erheiterungsmethoden des 18. Jahrhunderts und geht dabei vor wie ein rationaler Analytiker – lässt seinen Figuren aber Raum zum Empfinden.

Ich glaube, das war es, was mich so gepackt und fasziniert hat. Der Stil ist einfach nur außergewöhnlich, schwierig – göttlich.
Und so ganz nebenbei habe ich mein Herz verloren – nicht auf die schwülstige romantische Art und Weise (nebenbei bemerkt gibt’s in der Geschichte kaum Raum für Romanzen) – sondern einfach für die Charaktere. Cardell hat mein Herz erobert im Sturmschritt (und mit der Holzfaust), Cecil mit seinem unerschütterlichen aufklärerischen Glauben an das Recht und an die Gerechtigkeit.
Ah! Ja! Der Kriminalfall – nun, der wird von verschiedenen Seiten beleuchtet und er ist nichts für schwache Gemüter. Wirklich nicht.

Natürlich gab es auch Passagen, in denen ich dachte, es könne schneller voran gehen. Die gibt es in jedem Buch. Aber für alle, die ein wohl gezeichnetes Sozialgeflecht schätzen und düstere, vielschichtige Charaktere, die vor der eigentlichen Handlung schon etwas erlebt haben, denen sei 1793 wärmstens ans Herz gelegt. Ich war unglaublich enttäuscht – als ich merkte, dass nur noch 40 Seiten vom Buch übrig waren. Well done. Niklas hat den Krimipreis wirklich verdient! Er sprengt die Krimiketten und schafft etwas neues.

Veröffentlicht am 30.12.2018

Demokratie am Abgrund

Red Rising - Asche zu Asche
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Asche zu Asche – Red Rising von Pierce Brown

Zehn Jahre herrscht nun Demokratie. Doch statt dem Frieden, den Darrow eigentlich bringen wollte, hat er die Welten mit Krieg überzogen. Darrow muss sein ...

Asche zu Asche – Red Rising von Pierce Brown

Zehn Jahre herrscht nun Demokratie. Doch statt dem Frieden, den Darrow eigentlich bringen wollte, hat er die Welten mit Krieg überzogen. Darrow muss sein Leben und seine Familie in einer letzten großen Mission riskieren. Er glaubt nach wie vor, er könne jeden retten. Doch kann er auch sich selbst retten?

Die ersten drei Bände habe ich atemlos verschlungen. So schonungslos sie waren, so grandios stellten sie auch die Freundschaften, die Ehre und den Hass dar. Ich war gefesselt und fasziniert von der Message, die die Trilogie vermittelte. Für mich war es definitiv ein großes Highlight.
Jetzt habe ich den vierten Band vor mir liegen – und ich gebe zu, ich war skeptisch. Kann Brown an den famosen Erfolg von der ersten Trilogie anschließen oder verliert er sich in martialischen Schlachten im All und hitzigen Diskussionen im Senat?
Nun … wir erinnern uns, dass die letzten drei Bücher allesamt aus Darrows Sicht erzählt wurden. Eine Sicht. Ein Weltbild. Und eine Überzeugung. Das hat Brown in „Asche zu Asche“ verkehrt. Er führt mehrere Perspektiven ein und schaut aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die brodelnde, kaum zehn Jahre alte Republik. Und es ist ihm gelungen. Der Schritt war mutig wie grandios. Es wird Zeit für neue Ansichten, die er uns mit den nicht immer mit Darrows Handlungen oder Mustangs Politik zufriedenen Charakteren konfrontieren. Oh wie habe ich sie genossen!
Natürlich sticht Darrows Perspektive heraus. Brown setzt ihn jedoch nicht als verehrbaren Helden in Szene, sondern so, dass sich der Leser mit seiner Liebe zu Darrow konfrontiert. War sie in der ersten Trilogie noch stark, wird sie hier durch einige Handlungen von Darrow auf den Prüfstand gestellt. Brown beschreibt nicht nur bei ihm eine spürbare Entwicklung der Figur, sondern auch bei allen anderen. Ephraim, ein Dieb, der noch immer unter dem Verlust einer geliebten Person aus dem Krieg leidet, oder Cassius und Lysander, die sich in den Randgebieten verborgen halten. Eine kleine Rote, die zwar aus den Erdlöchern hervorgezerrt wurde, doch nicht so frei ist, wie es den unterjochten Farben anfangs versprochen wurde.
Mit der Charakterkaskade arbeitet Brown wirklich grandios. Besonders Lysander und Eph haben mich begeistert. Generell ist ihm der Wechsel hin zu der Multi-POV sehr gut gelungen. Es verleiht einer Geschichte, die zuvor packend erzählt wurde, eine bisher ungeahnte Komplexität und Nähe zu den einzelnen Figuren. Ich habe jeden einzelnen verstanden, geliebt – und das ist für mich immer die halbe Miete. Er hat mit seinem Schachzug ein neues Level von Spannung erzeugt – nicht zuletzt dadurch, dass ich an jedem Kapitelende in ein Mini-Cliff hineinschlitterte und unbedingt wissen musste, wie es weitergeht.
Dass Brown Geschichten erzählen kann, weiß wohl jeder, der einmal ein paar Seiten von Red Rising gelesen hat. Dass er eine solch grandiose Geschichte jedoch auch fortsetzen kann, das ist eine Kunst, die nur wenige Autoren beherrschen. Pierce Brown ist es gelungen, eine Geschichte vom Willen nach Freiheit in eine Story über die Erhaltung brüchiger Demokratie zu verwandeln – die genauso atemberaubend ist, wie die ersten drei Bücher. Ich konnte das Buch schlicht und einfach nicht aus der Hand legen. Die Geschichte beschäftigte mich auch noch, wenn mir das Buch (okey, der Reader) schon längst vor Müdigkeit aus der Hand geglitten war und folgte mir in meine Träume.
Denn es geht nicht nur Weltraumschlachten und Krieg, sondern um Ehre, Freundschaft und das, was zwischenmenschliche Beziehungen alles ertragen, ohne zu zerbrechen. Eindrücklich, erschütternd und kraftvoll erzählt. Vielen Dank dafür, Brown.
Das ist übrigens nicht nur einer Empfehlung für alle Sci-Fi-Fans. Ich bin selbst nur bedingt einer. Jeder, der fantastischen Romanen etwas abgewinnen kann, sollte einen Blick in Browns Romane werfen und sich auf die Suche nach Freiheit und nach dem Sinn der Existenz begeben.

Veröffentlicht am 14.09.2018

Komplex und genial

Zerrissene Erde
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Hugo-Award Gewinnerin? Eine vielköpfige Fangemeinde? Auf der anderen Seite des großen Teiches stellt Jemisin eine Größe in der fantastischen Literatur dar, die nicht mehr wegzudenken ist. Bei uns ist ...



Hugo-Award Gewinnerin? Eine vielköpfige Fangemeinde? Auf der anderen Seite des großen Teiches stellt Jemisin eine Größe in der fantastischen Literatur dar, die nicht mehr wegzudenken ist. Bei uns ist sie weitestgehend unbekannt. Wegen dieser großen amerikanischen Popularität schlug ich die erste Seite mit Spannung und hoher Erwartung um.

War ich begeistert? Nein. Ich war viel eher erschlagen von dem ganzen neuen Input, der dieser erste Band liefert. Ich fahnde gerade nach Adjektiven um dieses Buch zu beschreiben, und doch tue ich mich schwer mit dieser Aufgabe. Sperrig? Komplex? Ausladend? Genial? Kompliziert? Das stimmt alles mit meiner Gefühlslage überein, wenn ich an das Buch zurückdenke. Auch eine Empfehlung auszusprechen, ob positiv oder negativ, fällt mir sehr schwer. Ich kann es schlicht und einfach nicht – da sich jeder mit Jemisins Werk selbst auseinandersetzen und für sich selbst ein Urteil fällen sollte. Der Auftakt der Trilogie ist sehr speziell, auf seine Art aber auch wunderbar und faszinierend – für mich. Letztendlich ist es dem Buch gelungen mich zu packen und mitzunehmen und mich etappenweise wirklich zu begeistern.


Wodrum geht’s eigentlich? Grob gesagt: Der Kontinent hat ein paar kleinere tektonische Problemchen, die immer wieder dazu führen, dass Städte wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzen und mit Magma gefüllte, aschespuckende Krater sich in der Erde auftun. Kein Wunder, dass die Menschen dort ein wenig anders denken als in unseren Kulturkreisen. Die Kultur hat sich eigentlich rund um die Tektonik strukturiert und ist auf das Überleben ausgerichtet. Einerseits war es spannend, die Andersartigkeiten zu entdecken und mit der westlichen abzugleichen. Andererseits ermüdete es auch bisweilen, wenn ein kompliziertes Detail in den Raum geworfen wurde, dass erst später von Bedeutung war und auch erst an dem Punkt erklärt wurde. Genauso verhielt es sich mit dem Magiesystem. Plattentektonik beeinflussen? Erdbeben verursachen? Kein Problem. Schicken wir mal ein paar Orogenen aus dem Fulchrum hin. Die werden es schon richten. Mir standen zunächst einige Fragezeichen im Gesicht, die so schnell nicht weichen wollten – vergleichbar mit einem komplizierten Puzzle, bei dem der Kopf schon beim Rand anfängt zu rauchen, der Spieler aber in hohem Maße stolz auf sich ist, je mehr Teile aneinanderpassen. Ich begann in etwa in der Mitte, diesen Stolz zu spüren.


Gleich zu Beginn ist auffällig, dass Jemisin eine sehr ungewöhnliche Kombination von Perspektiven wählt. Sie hat drei unterschiedliche Protagonisten, deren Schritte verfolgt. Zum einen die Damaya, die ihre Kräfte lernen muss zu zügeln, zum anderen Syenit, die ihre Zeit im Fulchrum schon hinter sich hat und nun Aufträge erfüllt. Und dann haben wir noch eine Protagonistin, die ein übergeordneter Erzähler direkt anspricht – es ist beinahe so, als würde der Erzähler in einem Fotoalbum blättern und sich gemeinsam mit der Figur an alte Tage erinnern. Für mich war die Erzählstruktur neu und gewöhnungsbedürftig, aber auch eine völlig andere Art, in eine Story einzusteigen. „Hey du, lass uns vom Ende der Welt reden.“ – verwirrend, aber nach einiger Zeit fand ich das auch sehr gut gemacht vom Storytelling her.


Dadurch, dass immer wieder zwischen den drei Protagonisten hin und her geswitchet wird, wird ein hohes Maß an Komplexität aufgebaut und ich für meinen Teil merkte auch nach einigen Seiten, dass ich gespannt auf das nächste Kapitel war. Was mag Essun in der Zwischenzeit geschehen sein? Und was ist mit Damaya? Zu Beginn hatte ich wirklich meine Probleme mit dem Buch, vor allen Dingen da der Stil von N.K. Jemisin gewollt sperrig ist. Er wirkt durchdacht, aber ich habe meine Zeit gebraucht, ehe ich wirklich drin war und Querverbindungen knüpfen konnte und ehe ich meine Verbindung zu den Charakteren aufgebaut hatte. Dafür ist nämlich auch Geduld vonnöten.

Im Stil bleiben vor allen Dingen die tiefgehenden Erklärungen von Jemisin im Bereich Plattentektonik und das darin verwobene magische System hängen. Man spürt, dass dahinter wirklich tiefgründige Recherche steckt. Und dass sie die Magie, die ohne Zauberei und Lichteffekte auskommt, so gekonnt darin verankert, finde ich wirklich genial. Sie stellt jedoch solchen Erklärungen auch eine geballte Ladung Action entgegen. Manchmal kam es mir so vor, dass eine Passage ihre Längen hatte, und dann wurde ich gefangen genommen von einem Erdbeben oder von einem Kampf – vollkommen überrumpelt wäre wohl der bessere Ausdruck. Auch an Geheimnissen sparte die Autorin nicht – ich sehe sie in meinem Geist händereibend vorm PC sitzen.


Jemisin schafft in „Zerrissene Erde“ eine düstere Welt – aber je weiter ich in dem Buch vorgedrungen bin, desto mehr wurde ich emotional mitgerissen. Sie spielt mit einer zunächst kühlen Betrachtung der Charaktere – deshalb kommen die Emotionen auch nur durch eine Eiswand beim Leser an. Aber irgendwann durchbricht er diese und ich fand mich plötzlich ganz verwirrt wieder, wie ich weinte, lachte und anfeuerte – und bei mir dachte: „Moment – fandest du das Buch nicht emotionslos?“.


Eine Beurteilung fällt mir unglaublich schwer. Der erste Teil der Trilogie stieg in meiner Achtung während des Lesens von „mies“ über „faszinierend“ zu „genial“ – und ich glaube, dass wollte N.K. Jemisin erreichen. Ich gebe keine Empfehlung. Mit dem Buch muss sich jeder Leser selbst auseinandersetzen – da es eben kein Mainstream ist, in keiner Art der Betrachtung – und zudem jede Art von Schreibregel bricht.

Ich betrachte es nunmehr als stark geschrieben, unheimlich kraftvoll und auf eine andere, entrückte Art emotional.

Veröffentlicht am 29.08.2018

Stimmlos

Vox
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Vox von Christina Dalcher

Dr. Jean McClellan ist außer sich, als sie die neue Verordnung der amerikanischen Regierung selbst zu spüren bekommt. 100 Worte darf jede Frau nur noch sprechen pro Tag. Für ...

Vox von Christina Dalcher

Dr. Jean McClellan ist außer sich, als sie die neue Verordnung der amerikanischen Regierung selbst zu spüren bekommt. 100 Worte darf jede Frau nur noch sprechen pro Tag. Für jedes weitere Wort setzt es Bestrafungen mittels einer Handgelenksschelle – Ein Stromschlag für jedes zusätzliche Wort. Jean kann ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht mehr ausüben und sie sieht, wie ihre kleine Tochter Sonia mehr und mehr in der gewünschten Linie der Regierung geht. Und das ist erst der Anfang, Jean begehrt auf.

Allein bei der Lektüre des Klappentextes standen mir die Haare zu Berge (Zugegeben, meine Ausflüge in dieses Sub-Genre sind selten. Ich habe weder „The Handmaides Tale“ noch ähnliche Bücher in meinem Regal stehen, deshalb ist die Grundgeschichte für mich auch noch relativ neu).
Schon der Beginn des Buches hat sich sehr gut lesen lassen. Man spürt, dass die Autorin fundiertes Linguistisches Hintergrundwissen besitzt, welches sie in diesem Roman erschreckend gut verarbeitet hat. Jean als Protagonistin ist ein bisschen stereotypisch aufgebaut. Eine Wissenschaftlerin, auf Vernunft fokussiert, beobachtet mit Schrecken was im Amerika des 21. Jahrhunderts um sie herum geschieht, nur weil Menschen wie sie (Sie wird im Buch als Prototyp herangezogen) zum falschen Zeitpunkt ihre politische Stimme nicht genutzt haben, die Füße still gehalten und geschwiegen haben, als es an der Zeit war, Farbe zu bekennen. Jean kann glaubhaft ihren Schrecken und ihre Wut vermitteln, sodass der Leser die Emotionen, die sie überschwemmen, spürt.
Natürlich muss es eine Liebesgeschichte geben. Sonst wäre es ja langweilig. Wobei ich finde, dass in „Vox“ das richtige Maß getroffen wurde. Keine schwülstigen Ergüsse, sondern eher ein paar sarkastische Einwürfe von Jeans Seite.
Insofern richtet der Leser seine Aufmerksamkeit auf die Aphasie-Forschungen, die in diesem Roman fiktiv angestellt werden, und auf den politischen Hintergrund – und der ist wahrhaft erschreckend, wenn man darüber nachdenkt. Dalcher hat die Entmündigung am Beispiel der Frauen durchdekliniert. Redeverbot, Bildungsverbot, Meinungsverbot. Doch diesen Szenarioschlüssel kann man an jede beliebige Gruppierung anlegen. Farbige, LGTB+, Flüchtlinge und so fort. Und wenn man sich die aktuelle Politik betrachtet, kann man Tendenzen zur Radikalisierung erkennen – und genau dieser Punkt ist einfach nur erschreckend – und macht das Buch so real.

Über das Ende kann man sich streiten. Ich hatte ein wenig das Gefühl, dass hier ein Happy-End herbeigeführt werden musste, um den Ernst des Buches zu entschärfen. Gut und schön, damit kann ich für meinen Teil leben, auch wenn das Heldentum der Geschichte praktisch aufgeteilt wurde. Dafür hatte das Buch kaum Längen und ich tauchte gerne in Jeans sprach- und zeichenlose Welt ab. Die Emotionen, die sie hegte, konnte ich gut nachvollziehen.

Ein Schreckensszenario, das auf leisen Sohlen daherkommt. Politisch und in das tiefste Innere von Familienbanden eingreifend. Und das ist der eigentliche Punkt für meine sehr gute Bewertung. In diesem Buch ist es erschreckend einfach, das herrschende System auf den Kopf zu stellen und eine totalitäre Struktur zu etablieren, die auf Überwachung und Unterdrückung fußt. Deshalb vergebe ich für „Vox“ 5 Sterne.

Veröffentlicht am 26.12.2017

Tad Williams at his best

Die Hexenholzkrone 2
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Tad Wiliams - Die Hexenholzkrone 2

Der Norden erhebt sich. Die Nornen dringen immer weiter in das Königreich von König Simon und Königin Miriamel vor und das Königspaar entschließt sich, ihren Thronerben ...

Tad Wiliams - Die Hexenholzkrone 2

Der Norden erhebt sich. Die Nornen dringen immer weiter in das Königreich von König Simon und Königin Miriamel vor und das Königspaar entschließt sich, ihren Thronerben Morgan auf eine Mission zu entsenden, um das alte Volk der Sithi um Unterstützung zu bitten. Doch die beiden rechnen nicht mit den politischen Intrigen, die im Inneren des Reiches gären … Unterdessen geht die Suche nach den verschollen rechtmäßigen Königskindern weiter …

Zum Glück mussten Fans und Anhänger der Osten Ard Reihe nicht allzu lange auf eine Fortsetzung von Williams Neustem Werk warten. Das ist auch keine Kunst, da das Buch schon vorlag. „The Witchwood Crown“ wurde aufgrund des Umfangs im Deutschen geteilt und konnte so recht rasch nacheinander erscheinen - Deshalb ist es auch ratsam, die Hexenholzkrone eins vor der Lektüre des zweiten Bandes zu genießen.
Was habe ich mich auch dieses Buch gefreut, genoss ich doch schon den ersten Band und das Wiedersehen mit all den bekannten und geliebten Figuren so sehr. Zu sehen wie Simon und Miri noch immer vom Hochhorst aus über das Reich herrschen und Simon dabei zu beobachten, wie er mit weiser, manchmal auch impulsiver oder gutgläubiger Art die Geschicke des Reiches lenkt, bereitete mir die größte Freude. Schlicht und einfach deswegen, weil ich unter der Königsmaske immer wieder das Mondkalb von einst hindurchblinzeln sah. Das Mondkalb, in das Miri sich verliebt hat und dem ich in der ersten Reihe auf all seine Abenteuer gefolgt bin. Williams behielt also die altbekannten Charakterzüge bei, lies aber trotzdem nicht außer Acht, dass einige Jahre zwischen dem Mondkalb und der Person des Königs liegen. Und so blitzte seine Handschrift durch viele Figuren hindurch. Begegnet einem zuerst nur die Oberfläche eines Charakters wie ein See, lohnt es sich den Kopf ins Wasser zu stecken, die Oberfläche zu durchbrechen und in die Untiefen der Unterwasserwelt zu blicken. Manchmal kommen vollkommen überraschende Details zu Tage. Genau so verhält es sich beispielsweise mit Morgan, der scheinbar noch nichts durchstehen musste außer dem Verlust einiger Münzen beim Kneipenspiel. Wenn man jedoch tiefer blickt, während man ihm auf seinem Abenteuer zu den Sithis folgt …

Besonders froh war ich auch, dass Eloair an Morgans Seite stand. Ich mochte ihn schon in den ersten Bänden! Generell gestaltete sich die Handlung abwechslungsreich. Der Leser wird mit mehreren Blickwinkeln konfrontiert wie auch im ersten Band und erhält dadurch einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt der einzelnen Protagonisten - seien es nun rachsüchtige Menschen oder Nornen, die den Platz in dieser Welt fordern. Im Gegensatz zum ersten Teil der Saga rund um Osten Ard fand ich toll, dass die Seite des Feindes so eingehend beleuchtet wurde!
Hielt Williams die Spannungskurve in den ersten zwei Dritteln des Buches zwar konstant, doch unterschwellig, schnellte diese im letzten Drittel steil nach oben (ebenso wie mein Herzschlag!) und lies mich an einigen Stellen vollkommen verblüfft zurück. Einige Enthüllungen hab ich erahnt, bei anderen mir wiederum vor den Kopf geschlagen, was für gewaltige Scheuklappen ich doch vor den Augen hatte …

Der Stil von Williams ist und bleibt ein Juwel. Er erzählt so dicht, lässt sich Zeit, um vor dem Leser eine Welt auszubreiten, die seines gleichen sucht und bei der einem so manches Mal der Atem stockt. Insbesondere im Wald der Sithi hatte ich persönlich meinen Spaß ;)

Was bleibt mir zu sagen, als das ich schon sehnsüchtig auf den zweiten Band (bzw 2.1 und 2.2 in Deutsch) warte und fünf wohlverdiente Sterne für eine Welt vergebe, die mich immer wieder in ehrfürchtiges Erstaunen versetzt.