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Veröffentlicht am 05.12.2018

Beeindruckender biografischer Roman

Hanna
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"Hanna - Kriegsjahre einer Krankenschwester" ist keine Geschichte, die diese Zeit beschönigt. Sandra Jungen hat in ihrem biografischen Roman die Erinnerungen ihrer Großmutter festgehalten und dabei ein ...

"Hanna - Kriegsjahre einer Krankenschwester" ist keine Geschichte, die diese Zeit beschönigt. Sandra Jungen hat in ihrem biografischen Roman die Erinnerungen ihrer Großmutter festgehalten und dabei ein sehr bewegendes Bild dieser Zeit wiedergegeben.

Deutsches Reich 1942: Hanna hat eben erst ihre Krankenschwesterausbildung abgeschlossen, als sie ihren Einberufungsbefehl erhält. Das Ziel ist ihr nicht bekannt und so begleiten wir sie auf ihren Weg ins Ungewisse. Zu Beginn merkt man noch mit welcher Ahnungslosigkeit die jungen Krankenschwestern gegen Osten fahren. Wir begleiten die jungen Frauen auf ihrer tagelangen Zugreise, bis sie zuerst in Polen und später in der Ukraine ankommen...immer Richtung Front. Das Grauen des Krieges hat sie in den provisorischen Feldlazaretten bald eingeholt. Trotzdem bleibt Hanna in einigen Dingen unwissend. Die Viehwaggons, die bei ihrer Reise ganz hinten am Zug angehängt werden, erscheinen ihr zwar seltsam, aber Hanna hinterfragt dies nicht. Auch der grauenhafte Gestank in einer Station fällt ihr zwar auf, kann ihn aber nicht zuordenen. Hier ist der Leser allwissend und kann diese für uns augenscheinlichen Momente erfassen. Obwohl Hanna mitten im Krieg steht, gehört sie doch zur deutschen Wehrmacht und nur einige Bemerkungen ihrer deutschtreuen Kollegin Gerda, lassen sie öfters nachdenklich zurück. Doch Hanna wird schnell erwachsen und beginnt sich ihre eigene Meinung zu bilden. Ihr Leben besteht aus überfüllten Lazaretten, fünfzig Stunden Arbeitstagen und immer mehr Schwerverletzten. Oftmals können weder die Ärzte, noch die Sanitäter und Krankenschwestern ihre Augen offenhalten. Völlig übermüdet und am Ende ihrer Kräfte versuchen sie Leben zu retten. Ungeschönt beschreibt die Autorin das Leben im Lazarett, in dem Hanna - wegen Personalmangel - bald selbst Operationen durchführen muss, während sie von feindlichen Fliegern bombardiert werden. Erst als die junge Frau selbst erkrankt, kommt sie zur Genesung nach München und arbeitet dort im Hospital weiter. Doch die Bombardierungen durch die Allierten werden immer schlimmer und München gleicht immer mehr einer Häuserruine.

Sehr nahe ging mir die Bedrohung durch die großangelegten Bombardierungen Münchens. Der immer wiederkehrende Fliegeralarm und die Angst, die Hanna dabei ausstand, als sie verschüttet wird, sind so bewegend und lebendig erzählt, dass es einem dabei selbst die Luft abschnürt. Wie oft das Glück und das Schicksal willkürlich um sich greift, ist besonders aus diesen Abschnitten herauszulesen. Doch selbst in Nächten der Angst und inmitten von Leid und Hunger, wollen die Menschen leben, lieben und lachen und sich an kleinen Dingen erfreuen. Man braucht diese Hoffnungsträger, um zu überleben. So fand ich es berührend, wie Hanna ihre große Liebe findet, ins Theater geht oder sie sich den Traum von roten Stöckelschuhen erfüllt, die sie eigentlich zu dieser Zeit kaum tragen kann.

Charaktere:
Hanna hat Herz und Verstand. Sie ist selbstlos, setzt sich für andere Menschen ein und geht in ihrem Beruf auf. Sie bleibt immer menschlich. Ihr Gegenpart ist Gerda. Ein Nazi durch und durch, der vor keiner Denunzierung zurückschreckt. Immer wieder neidet sie Hanna ihre Stellung, einen Soldaten oder einfach ihre Beliebtheit im Lazarett. Sie ist die typische Antagonistin, der nicht über den Weg zu trauen ist.
Die anderen Krankenschwestern, die Hanna bereits auf der Reise an die Ostfront begleiten, sind liebenswerte junge Frauen, die bei der Rückkehr nach München befreundet bleiben und einige Schicksalschläge teilen. Clemens, Hannas Freund, ist mir ebenfalls sehr ans Herz gewachsen.
Auch die anderen Charaktere sind sehr lebensnah und authentisch gezeichnet. Ärzte und Krankenpfleger, Soldaten in allen Rangstufen geben einen Querschnitt durch die Bevölkerung. Dabei lernen wir auch historisch belegte Personen, wie Graf von Stauffenberg, der im Widerstand tätig war oder den Münchner Humoristen Ferdl Weiß kennen, der bei seinen Auftritten stets das Regime kritisierte und von Polizisten bei der Vorstellung auf der Theaterbühne überwacht wurde.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Sandra Jungen hat mir sehr gefallen. Er ist gefühlvoll und gibt tiefe Einblicke in Hannas Leben. Ich bin in die Geschichte abgetaucht und obwohl es viele wirklich grausame und erschütternde Kapitel gab, verstand es die Autorin den Leser nicht hinabzuziehen, sondern mit ihrer Art zu schreiben zu fesseln. Mit liebenswerten Figuren und ebensolchen Episoden wird die Lebensgeschichte aufgelockert. Man begibt sich auf eine Zeitreise, die mit fundiertem Grundwissen und zusätzlichen Recherchen eine perfekt abgerundete Erzählung ergeben.

Im Anhang gibt es ein Nachwort, eine Geschichte hinter der Geschichte, sowie ein Verzeichnis von historischen Personen, die im Roman eine Rolle spielten.

Fazit:
Ungeschönt und trotzdem mit einer Spur Hoffnung, Lebenswillen und Lebenslust, erzählt Sandra Jungen aus dem Leben ihrer Großmutter bzw. aus dieser Zeit, die wir und unsere Kinder hoffentlich nie wieder erleben müssen. Eine Lebensgeschichte, die mit viel Einfühlungsvermögen erzählt wird. Von mir gibt es fünf Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 08.11.2018

Eine Leseempfehlung - gegen das Vergessen!

Überleben
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Dieser biografischer Roman und Tatsachenbericht eines Zeitzeugens fiel mir alleine durch das Thema und Cover auf. Als ich jedoch in der Buchbeschreibung las, dass Hauptprotagonist Walter Fantl seine Kindheit ...

Dieser biografischer Roman und Tatsachenbericht eines Zeitzeugens fiel mir alleine durch das Thema und Cover auf. Als ich jedoch in der Buchbeschreibung las, dass Hauptprotagonist Walter Fantl seine Kindheit in unserem Nachbarort Bischofstetten verbracht hat, musste ich dieses Buch einfach lesen!
Der anerkannte Historiker Gerhard Zeilinger erzählt die Geschichte basierend auf jahrelanger Gespräche und Aufzeichnungen. Ich muss vorab sagen, dass ich schon viele Bücher zum Thema gelesen habe, aber dieses musste ich in "kleinen Happen" konsumieren, da es einem wirklich mitnimmt und verstört. Die sehr intensive Erzählung, besonders die Auszüge aus Ausschwitz, sind einfach nur schockierend.

Vorallem zu Beginn war es für mich überaus interessant zu lesen, da Orte genannt wurden, die sowohl mein Geburtsort, als auch mein jetziger Heimatort sind. Die anderen Nachbardörfer kenne ich natürlich ebenfalls und auch einige bekannte Namen sind aufgetaucht. Man liest automatisch anders, wenn man die Location kennt. Und man fragt sich zur selben Zeit, ob man heute noch einen Juden kennt...ich nicht....sagt doch schon viel aus....

Walter Fantl lebt mit seinen Eltern und der älteren Schwester in Bischofstetten im niederösterreichischen Mostviertel. Der Vater betreibt einen Gemischtwarenladebn und die Fantls sind im Dorf gut integriert. Das ändert sich als Hitler in Österreich einmarschiert. Walter ist zu dieser Zeit 14 Jahre alt. Die Ausgrenzung beginnt schleichend und die Lebensgrundlage der Fantls, das Geschäft, soll arisiert werden. Die gesamte Familie wird nach Wien in die jüdische Gemeinde umgesiedelt. Walters Vater wehrt sich lange dagegen und versucht durch den Widerstand Zeit zu gewinnen, um für seine Familie eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Die Fantls und alle anderen Juden bekommen allerdings kaum Geld für ihre ehemalige Lebensgrundlage und nur mit diesem und einem Bekannten im Ausland bekommt man eine bessere Chance eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. 1942 wird die Familie nach Theresienstadt (im heutigen Tschechien) und 1944 werden Walter und sein Vater nach Ausschwitz, (im heutigen Polen) deportiert. Gleich bei der Ankunft werden sie getrennt....die berühmt berüchtigten Worte "links" oder "rechts" entscheiden zu diesem Zeitpunk über Leben und Tod. Walter bleibt nur sein Gürtel, der für ihn zum Symbol und Hoffnungsträger wird. Alles andere wurde ihm genommen.
Bereits im Prolog erfahren wir, dass Walter überlebt (er ist ja Zeitzeuge, also spoilere ich hier nicht) und nachdem er aus Ausschwitz entkommen und der Krieg beendet ist, nach Wien zurückkehrt. Wie verloren diejenigen waren, die überlebt haben, hat mich zutiefst bedrückt. Immer wieder liest man vom Roten Kreuz, das Menschen unterstützt und letzendlich auch die Überlebenden wieder zusammengeführt hat, aber Wien ist wohl doch anders...es gab für Walter Fantl keinerlei Hilfe oder Entgegenkommen....das machte mich wirklich sprachlos!

Die Fotos im Buch sind nicht wie oftmals üblich in der Buchmitte zu finden, sondern wurden perfekt zum jeweiligen Abschnitt platziert. Dass sie überhaupt gezeigt werden können verdankt Walter der damaligen (katholischen) Haushälterin, die übrigens aus meinem jetzigen Heimatort kam und 2016 mit 102 Jahren verstorben ist. Sie hat alles aufbewahrt und ich sage ihr dafür ein großes Dankeschön....auch wenn sie es nicht mehr hören kann.

Fazit:
Was soll man noch über einen biografischen Roman sagen, der die Abgründe der Menschen zeigt? Normaler Weise bewerte ich Biografien und Bücher dieser Art nicht, aber hier kann ich mit gutem Gewissen ganze fünf Sterne vergeben und eine absolute Leseempfehlung aussprechen!

Veröffentlicht am 19.10.2018

Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist

Grenzgänger
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Liest euch den Klappentext vorher bitte NICHT durch!

"Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist"...mit diesem Satz wirbt der Verlag für dieses Buch und ich kann dem zu 100% zustimmen. Was für eine Geschichte! ...

Liest euch den Klappentext vorher bitte NICHT durch!

"Wenn Recht nicht Gerechtigkeit ist"...mit diesem Satz wirbt der Verlag für dieses Buch und ich kann dem zu 100% zustimmen. Was für eine Geschichte! Wow!

Mechthild Borrmann hat ihren neuen Roman in zwei Zeitebenen angelegt. 1970 steht Hanni wegen Mord und Brandstiftung vor Gericht. Sie schweigt jedoch zu den Vorwürfen. Einzig ihre Jugendfreundin Elsa besucht sie jeden Tag während des Prozesses in Aaachen. Sie ist nicht überzeugt von Hennis Schuld und verfolgt den Ablauf gespannt. Dabei wird sie von einem jungen Mann angesprochen, einem Jurastudenten, der sich für den Fall interessiert und auch eine Arbeit darüber schreibt. Er möchte mehr über die Hintergründe der Verurteilung und über Hennis Leben wissen.....

Die Autorin wechselt zwischen verschiedenen Zeitebenen, Personen und Orten. Das erfordert anfangs etwas Konzentration und Aufmerksamkeit, jedoch sollte man dran bleiben, denn schon nach kurzer Zeit kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Der Einstig ist eher ruhig, denn Borrmann hat ihre Geschichte so angelegt, dass man zuerst mit Ennie in ihren Erzählungen in die Vergangenheit zurückreist.
Wir begeben uns in das Dorf Velda nahe der deutsch-belgischen Grenze. Elsa lebt im Nachbarhaus, wo einst Hennis Familie, die Schönings gelebt haben.
Henni ist erst 12 Jahre, als ihr Vater aus dem Krieg zurückkehrt. Der gelernte Uhrmacher ist zum Kriegzitterer geworden und wird arbeitslos. Er wird immer depressiver und wendet sich schlussendlich der Kirche zu. Henni und ihre Mutter beginnen für den Lebensunterhalt zu sorgen, doch es reicht einfach nicht aus. Als auch noch plötzlich die Mutter stirbt, wollen ihr Vater und der Pastor, Henni und ihre Geschwister Matthias, Fried und Johanna ins Heim stecken. Doch Henni hat ihrer Mutter kurz vor ihrem Tod versprochen für ihre Brüder und die Schwester zu sorgen und übernimmt mit ihren 17 Jahren die ganze Verantwortung, während ihr Vater sich dieser entzieht und sich zu einem bigotten, faulen und kalten Menschen entwickelt.
Bald bleibt den Kindern nicht mehr wirklich viel zum Leben und Henni entschließt sich den "Grenzgängern" anzuschließen. Viele aus dem Dorf, das zwischen der Eifel und der belgischen Grenze liegt, schmuggeln Kaffee, den sie gegen Lebensmitteln tauschen. So kommen die Meisten über die Runden. Henni schließt sich den Dörflern an. Einige Zeit geht alles gut, doch nach einem kleinen Zwischenfall wird die gängige Route stärker bewacht und Henni entschließt sich über das Moor zu gehen. Eiinge Wagemutige schließen sich ihr an, doch letztendlich kommt es zu einem tragischen Vorfall. Henni wird daraufhin in die Besserungsanstalt gesteckt und ihre Brüder kommen ins Waisenhaus...und hier fängt erst das richtige Grauen für die Kinder an...

In einem weiteren Erzählstrang in der Gegenwart, die im Roman 1970 spielt, lernen wir den Künstler Thomas kennen. Hennis Bruder Fried bittet ihn als Zeuge auszusagen. Eine Ordensschwester aus dem Kinderheim in dem Matthias, Fried und Thomas waren und deren Willkür sie ausgesetzt waren, ist angeklagt. Durch die Erinnerungen von Thomas an seine schlimme Kindheit, erfährt der Leser mehr über die Zeit im Heim, die Thomas noch heute in seinem Träumen quält.
Auch Elsas Leben wird beleuchtet. Obwohl sie eine wichtige Funktion hat, bleibt sie doch eher eine Nebenfigur.

Mechthild Borrmann hat mit einigen ehemaligen Waisen geprochen, die in diesen meist kirchlichen Institutionen untergebracht waren. Die Zustände waren großteils unbeschrieblich. Grausamkeiten im Namen der Moral und des Glaubens, jedoch jenseits genau dieser Werte. Sogar Folterungen der Kinder waren an der Tagesordnung. Obwohl die Autorin eher sachlich und nüchtern erzählt, sind viele Begebenheiten teilweise so unmenschlich und grausam, dass man es sich gar nicht vorstellen kann.

Auch über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und dem allgegenwärtigen Hunger, der den Schmuggel und Schwarzhandel förderte, erzählt die Autorin näher.

Schreibstil:
Mechthild Borrmann schreibt hier eher nüchtern, jedoch hätte wohl kein Leser einen sehr bildhaften und emotionalen Schreibstil bei all den Grausamkeiten ausgehalten. Trotzdem ist der Roman atmosphärisch sehr dicht und stimmungsvoll. Mein Kopfkino war immerzu am Laufen....
Besonders entwickelte ich aber eine immer stärkere Abneigung gegen den Vater, die sich beim Lesen zum Hass entwickelte. Dies zeigt von der grandiosen Charakterdarstellung und der Schreibskunst der Autorin.
Die kurzen Kapitel lassen sich angenehm lesen und man fliegt förmlich durch den Roman und bangt um Hennis Zukunft.

Fazit:
Ein Roman, der zwar fiktiv ist, bei dem die Autorin jedoch Missstände in Waisenhäusern aufgreift, die tatsächlich stattgefunden haben. Bewegend und emotional wird hier vom Schicksal einer Familie und ein Stück Zeitgeschichte erzählt. Eine Lektüre auf hohem Niveau! Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 19.09.2018

Wieder absolut TOP!

Liebe und Verderben
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Es sind die Siebziger Jahre des letztesn Jahrhunderts. Hippiekultur und Vietnamkrieg sind vorüber, aber die 12jährige Leni erlebt jeden Tag dieses Lebensgefühl aufs Neue. Seit ihrer Geburt ziehen ihre ...

Es sind die Siebziger Jahre des letztesn Jahrhunderts. Hippiekultur und Vietnamkrieg sind vorüber, aber die 12jährige Leni erlebt jeden Tag dieses Lebensgefühl aufs Neue. Seit ihrer Geburt ziehen ihre Eltern Cora und Ernt Allbright von Ort zu Ort. So findet sie schwer Anschluss und hat keine gleichaltrigen Freunde. Ernt leidet seit seiner Rückkehr aus dem Vietnamkrieg an einer posttraumatischen Störung. Er trinkt zu viel, wird gewalttätig und jobmäßig hält er es nie länger an ein und demselben Arbeitsplatz. Als er von einem befreundeten Vietnamveteran ein Stück Land in Alaska erbt, ist er erstmals voller Tatendrang. Er beschließt mit Frau und Tochter nach Alaska zu ziehen, um nochmals einen Neuanfang zu wagen. Als sie in Kaneq ankommen, werden die Allbrights herzlich aufgenommen. Gemeinschaft wird großgeschrieben und alle packen tatkräftig mit an, um ihre Blockhütte wintersicher zu machen. Hier hilft jeder jeden, denn nur gemeinsam kann man in der Wildnis überleben. Die Gastfreundschaft und die wunderbare Natur geben Leni Hoffnung, dass ihre Eltern endlich einen Platz gefunden haben, wo sie zusammen glücklich werden können. In Matthew findet sie endlich einen gleichaltrigen Freund. Doch die Familie ist nicht auf den langen und rauhen Winter vorbereitet. Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser und der Weg in die Schule ist weit. Bald werden die Tage kürzer und während die Drei auf engen Raum zusammenleben, kehren die Depressionen und die schrecklichen Dämonen von Ernt zurück. Cora liebt Ernt und wie jede Frau, die geschlagen wird, sucht sie die Schuld bei sich selbst. Doch Ernts Aussetzer und Wahnvorstellungen werden immer schlimmer...

Kristin Hannah begeistert mich immer wieder aufs Neue! Nicht alle ihre Romane konnten mich überzeugen, aber diejenigen, die von mir 5 Sterne bekommen haben ("Die Nachtigall" und "Wie Blüten im Wind") sind Bücher, die mir immer im Gedächtnis bleiben werden und einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal haben. "Liebe und Verderben" gehört nun definitiv dazu!
Der Roman ist jedoch nicht einfach zu lesen, denn Leni muss so einiges in ihrem Leben verkraften. Wir begleiten sie über eine Zeitspanne von ungefähr fünfzehn Jahren und erleben so ihre Entwicklung hautnah mit. Dabei gewinnt sie an Stärke und verliebt sich in das rauhe Alaska. Sie findet endlich so etwas wie Heimat. Ihre einzige Stütze ist Matthew, doch sein Vater Tom ist Ernt's größter Feind. Es hat mir in der Seele weh getan, wie Leni sich nichts sehnlicher wünscht, als eine normale Familie, Liebe und Geborgenheit. Sie versucht so wenig wie möglich aufzufallen, um nicht den Ärger ihres Vaters heraufzubeschwören, während dieser immer verrücktere Wahnvorstellungen hat.

Die Charaktere sind sehr authentisch dargestellt. Cora ist eine eher schwache Frau, die ihren Mann abgöttisch liebt und ihm immer wieder verzeiht. Doch mit der Zeit entdeckt man, dass sie nicht so schwach ist, wie sie erscheint und vorallem ihre Tochter schützen will. Trotzdem konnte ich ihre Handlungen oft nicht verstehen.
Versöhnlich stimmen hingegen die einzigartigen Landschaftsbeschreibungen von Alaska. Die Autorin fängt die Atmosphäre wundervoll ein. Die ausdrucksstarken Beschreibungen der Umgebung, der Wildnis und der Tierwelt, sowie die Unterwerfung der Menschen an die Natur und die Jahreszeiten, werden hervoragend dargestellt. Der intensive und emotionale Schreibstil lassen einem in der Geschichte versinken. Meine Gefühle spielten verrückt, während ich darauf hoffte, dass Leni und Cora endlich nicht mehr leiden müssen. Der Roman ist tiefgründig und spricht einige Themen wie häusliche Gewalt, Eifersucht, das Schicksal der Kriegsveteranen, die unberührte Natur und Traumabewältigung an.Dieses Familiendrama fesselte mich so sehr, dass sich einige Thrillerautoren ein Beispiel nehmen könnten!

Mein einziger kleiner Kritikpunkt an diesem wundervollen Roman ist eine etwas unglaubwürdige Wandlung einer Figur am Ende des Buches. Mehr kann ich nicht dazu sagen, sonst würde ich spoilern.

Schreibstil:
Der emotionale Schreibstil von Kristin Hannah hat mich wieder sofort gepackt und an die Geschichte gefesselt. Die Autorin schreibt intensiv und ausdrucksstark. Die Spannung ist dauerhaft greifbar, lässt aber auch immer wieder nach, um den Leser verschnaufen zu lassen. Keine andere Autorin hat es bis jetzt geschafft mich emotional so zu packen!

Fazit:
Was für eine Achterbahn der Gefühle! Ein grandioses Buch mit unglaublicher Spannung und wunderbarer Landschaftsbeschreibung. Ein Familiendrama, das alles bietet, was man sich von einem 5 Sterne Buch erwartet. Kristin Hannah hat hier wieder ein Meisterwerk abgeliefert. Eine Leseempfehlung!

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  • Cover
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  • Erzähstil
  • Charaktere
  • Gefühl
Veröffentlicht am 27.08.2018

Tiefer Fall

Adlerschanze
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Ich liebe Krimis, die sich mit dem Wintersport befassen. Als Österreicherin wächst man praktisch mit dem Skisport auf und schon als Kind habe ich alle Skirennen verfolgt. Skispringen nicht so oft, da es ...

Ich liebe Krimis, die sich mit dem Wintersport befassen. Als Österreicherin wächst man praktisch mit dem Skisport auf und schon als Kind habe ich alle Skirennen verfolgt. Skispringen nicht so oft, da es mir meistens zu lange dauerte...;) Aber unsere eigenen Skisprung-Legenden kenne ich natürlich auch. In "Adlerschanze" befinden wir uns jedoch im Schwarzwald.

Im deutschen Hinterzarten, wo sich die titelgebende Adlerschanze befindet, wimmelt es ebenso von ehemaligen Skisprunglegenden: Georg Thoma, Dieter Thoma und Sven Hannawald. Zur Zeit des Skisprung-Sommer-Grand-Prix befindet sich der indischstämmige, aber in Deutschland geborene Kommissar Surendra Sinha im Schwarzwald. Seine Mutter Zenobia hält sich im Moment zur Kur in Hinterzarten auf. Sinha hat sich Urlaub genommen, um ein paar Tage in ihrer Nähe zu verbringen und sie zu besuchen. Doch dieser wird bald getrübt, denn vor dem großen Sportevent wird die Leiche eines junges Mädchen gefunden. Die englischen Walker-Zwillinge, die im selben Appartment wie Surendra untergebracht sind und große Skisprungfans sind, finden die Tote. Es ist Moira, die Freundin von Skisprung-Jungstar Daniel Schobinger, der seinerseits der Sohn des hiesigen Kommissars, Josef Schobinger ist. Eigentlich sind ja die Freiburger Kollegen für die Aufklärung des Falles zuständig, doch Schobinger fällt für einige Tage aus und seine Kollegin Michaela Lux ist alleine auf sich gestellt und völlig überarbeitet. Eigentlich will sich Surendra ja erholen und nicht ermitteln, aber seine Neugierde und ein Gespräch mit dem Trainer der Nachwuchsspringer verleitet ihn der Sache mehr auf den Grund zu gehen. Er erfährt von einem ungeklärten Unfall, der dem damals größten Talent der Mannschaft, Marc Wegener, galt. Seitdem ist dessen Karriere zerstört. Und es dauert nicht lange bis weitere Vorfälle den Skisprung-Wettkampf trüben....

Die Autorin versteht es sehr gut auch Lesern, die sich nicht mit dem Wintersport oder dem Skispringen befassen, diese Sportart näher zu bringen. Doch in "Adlerschanze" geht es nicht nur um das Skispringen, sondern wir genießen auch die indischen Küche, sowie die bildhaften Beschreibungen der wunderschönen Landschaft rund um Hinterzarten. Man rätselt fleißig mit, wer als Mörder von Moira in Frage kommt, die nicht gerade beliebt war. Doch auch in der Nachwuchsmannschaft gibt es weitere Vorkommnisse, die Sinha und seine Freiburger Kollegin Michaela Lux nicht zur Ruhe kommen lassen. Die falschen Fährten und überraschenden Wendungen, die Ingrid Zeller dabei legt, führen den Leser in die Irre und lassen den Spannungsbogen weiter ansteigen. Auch Skisprunglegende Georg Thoma durfte im Buch nicht fehlen und gab der Autorin die Erlaubnis, ihn als Figur miteinzubeziehen.....cool! Genaueres kann man im Nachsatz am Ende des Buches dazu lesen.

Ein Regionalkrimi, der nicht nur Wintersportfans überzeugen wird. Ein sympathischer Kommissar, ein interessanter und abwechslungsreicher Plot, Spannung, eine Prise Humor und Exotik runden das Gesamtbild hier ab.

Schreibstil:
Die lebendige und fesselnde Erzählweise der Autorin hat mich durch das Buch fliegen lassen. Ich wollte es gar nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe mitgerätselt, mitgefühlt und bei den humorvollen Dialogen zwischen Sinha und seiner Mutter geschmunzelt. Die Charaktere sind authentisch dargestellt. Mein Kopfkino war immer am Laufen und hatte seine wahre Freude.
Kommissar Surendra Sinha ist eine sehr interessante und sympathischer Figur von ich gerne noch mehr lesen möchte.

Fazit:
Dieser Krimi hat alle Zutaten, die ein spannender und logisch aufgebauter Kriminalfall braucht. Nicht zu blutig, perfekt zum miträtseln, nicht konstruiert und das Ende schlüssig. Dazu eine kleine Portion Humor, wenn es um die Dialoge zwischen Sinha und seiner Mutter geht und einige überraschende Wendungen. Ein perfekter Mix für spannende Stunden! Bitte mehr davon!