Phantombuch
Delphine ist das geglückt, wovon jeder Schriftsteller träumen dürfte: Ihr letzter Roman wurde zu einem Bestseller und sie über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt. Nun tingelt sie zwischen Buchmessen, ...
Delphine ist das geglückt, wovon jeder Schriftsteller träumen dürfte: Ihr letzter Roman wurde zu einem Bestseller und sie über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt. Nun tingelt sie zwischen Buchmessen, Autorenlesungen und Signierstunden hin und her, und fürchtet sich schon jedes Mal vor der Frage nach dem "danach" - was wird sie danach schreiben? Sie ist der Meinung, dass ihr ein solch großer Wurf kein zweites Mal gelingen wird, kämpft mit ihren Selbstzweifeln und der neuen Prominenz.
In dieser schwierigen Gefühlslage lernt sie L. kennen. L. verdient ihr Geld ebenfalls mit dem Schreiben, sie ist jedoch Ghostwriterin und schreibt hauptsächlich Biografien berühmter Schauspieler, Models oder anderer Prominenter - sie hat sich der Wahrheit verschrieben. Die beiden freunden sich unglaublich schnell an, schon nach kurzer Zeit ist L. nicht mehr aus Delphines Leben wegzudenken. Obwohl sie so viele Gemeinsamkeiten haben, geraten sie über ein Thema immer wieder in Streit: Soll die Literatur der Wahrheit verpflichtet sein, oder darf sie sich auch der Fiktion hingeben? Mit ihrer radikalen Haltung zu diesem Thema erschüttert L. Delphine in ihren Grundfesten, und bald schon ist es für Delphine undenkbar zu schreiben, also unmöglich sich wieder an die Arbeit zu setzen, die Steuererklärung auszufüllen oder auch nur den Einkaufszettel zu notieren...
Mit dem Titel "Nach einer wahren Geschichte", einer Protagonistin mit dem Namen "Delphine" und dem immer wiederkehrenden Motiv über die Wahrheit in der Literatur, gelingt es Delphine de Vigan, dass die Überlegungen des Lesers ständig um die Frage kreisen, wie viel Wahrheit denn nun in diesem Roman steckt, oder ob er am Ende doch komplett fiktiv ist. Kann denn überhaupt ein Schriftsteller etwas verfassen und dabei seine Persönlichkeit, seine eigenen Erfahrungen, seine Sicht auf die Dinge außen vor lassen?
Der Roman ist in drei Abschnitte gegliedert, "Verführung", "Depression" und "Verrat".
Der erste Abschnitt machte es mir schwer, in die Geschichte hineinzufinden, er widmet sich dem Kennenlernen der beiden Frauen, es werden die ersten Treffen geschildert, ihre Gemeinsamkeiten, und wie schnell Delphine dadurch eine so innige Beziehung zu L. aufbaut. Man spricht viel über Filme, Bücher und Musik. Da ich selten französische Autoren lese, und mit französischen Filmen und Musik nur wenig anfangen kann, gab es für mich kaum Aha-Momente, die mich bei der Stange gehalten hätten. Lange Gespräche werden in indirekter Rede wiedergegeben, was das Lesen anstrengend machte. Dialoge in direkter Rede wirken lebendiger, fesselnder. Die indirekte Rede dagegen vermittelt das Gefühl als würde man einen Polizeibericht oder einen Zeitungsartikel lesen.
Im zweiten Abschnitt nimmt die Handlung an Tempo auf, und hier war ich endlich in der Geschichte angekommen.
Im dritten und letzten Teil kommt es tatsächlich zu einer Art Showdown, bevor dem Leser dann das "Ende" präsentiert wird.
Jeder neue Abschnitt wird mit einem Zitat aus einem Stephen-King-Buch eingeleitet, der erste und letzte mit einem aus "Sie", der mittlere mit einem aus "Stark - The Dark Half". Mir hat das sehr gut gefallen, als King-Fan kenne ich natürlich beide Bücher - in beiden ist der Protagonist ein bekannter Schriftsteller, wodurch die Zitate sich sehr gut in die Handlung einfügen, und jeweils auch einen Ausblick auf die kommenden Ereignisse liefern.
Obwohl ich auf den ersten hundert Seiten ein wenig gekämpft habe, hat sich das Durchhalten letztendlich doch gelohnt. "Nach einer wahren Geschichte" entwickelte sich zu einem sehr lesenswerten Roman, der mir nun schon seit ein paar Tagen nicht aus dem Kopf gehen will, der tatsächlich noch nachhallt.