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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.09.2019

Hat mich leider enttäuscht

Römische Tage
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im neuen Buch von Simon Strauß geht es um einen jungen Mann, der einige intensive Wochen in Rom verbringt und ganz in diese Stadt und ihre Magie eintaucht.

Übersicht

Einzelband ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Im neuen Buch von Simon Strauß geht es um einen jungen Mann, der einige intensive Wochen in Rom verbringt und ganz in diese Stadt und ihre Magie eintaucht.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Tropen
Seitenzahl: 142
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: -! Dieses Buch ist für TierliebhaberInnen absolut schwer zu ertragen. Es gibt Schilderungen von überfahrenen Hunden und leidenden Katzen, die in der Hitze verdursten und denen niemand hilft. Beim Lesen ist mir die Wut in den Bauch geschossen, als ich die detaillierten Beschreibungen der sterbenden Tiere lesen musste. Der Protagonist kommt nicht auf die Idee, ihnen Wasser anzubieten, sondern schaut ihnen mit einer widerlichen, empathielosen Distanz beim Leiden zu. Das hat ihn mir absolut unsympathisch gemacht, vor allem, da es sich ja sehr wahrscheinlich um wahre Beschreibungen der Zustände dort handelt! Außerdem tritt eine Frau nach Stadttauben (die es ohnehin schon schwer genug haben!), Hundekämpfe werden erwähnt und es wird Zirkusdirektoren, die immer noch Wildtiere im Programm haben, und deren unangebrachtem Selbstmitleid eine Bühne geboten – Wildtiere haben im Zirkus nichts verloren!

Warum dieses Buch?

Ich war bisher noch nicht in Rom, aber da die Stadt ja sehr faszinierend sein soll, dachte ich mir, dass „Römische Tage“ von Simon Strauß die richtige Lektüre für mich sein könnte. Außerdem konnte mich das mitreißende, erfrischende, kraftvolle Debüt des Autors absolut begeistern! Die Lesung, bei der ich zugegen war, war zudem großartig und der Vortrag des Autors sehr charismatisch und fesselnd. Ein tolles Erlebnis! Für mich stand fest, dass ich Simon Strauß‘ neues Buch auf jeden Fall wieder lesen muss.

Meine Meinung

Einstieg (-)

"Ankunft in Rom. Am ersten Juli. Zweihunderteinunddreißig Jahre und acht Monate nach Goethe." E-Book, Position 16

Schon beim Einstieg folgte leider Ernüchterung. „Sieben Nächte“ vermochte es, mich schon auf den ersten Seiten absolut zu fesseln, „Römische Tage“ präsentiert sich da leider weniger zugänglich. Es dauerte lange, bis ich ins Buch gefunden habe, richtig in die Geschichte eintauchen konnte ich nie.

Schreibstil (+/-)

„Wenn man aufs Herz zu sprechen kommt, nur in die Richtung zeigt, schauen die Menschen gleich so betrübt. Nichts mehr zu machen, denken sie mit heimlicher Erleichterung darüber, dass es sie nicht selbst getroffen hat.“ E-Book, Position 29

Was den Schreibstil betrifft, bin ich zwiegespalten. Die kraftvolle, intensive und mitreißende Sprache des Manifests „Sieben Nächte“ sucht man im neuen Buch vergeblich; wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkt die neue Erzählung auf mich eher altmodisch und rückwärtsgewandt. Der Essaystil ist insgesamt trotzdem wieder gut gelungen, auch wenn er hinter meinen hohen Erwartungen zurückblieb. Simon Strauß schreibt anspruchsvoll und schön, gleichzeitig lassen sich seine Bücher aber auch sehr flüssig und angenehm lesen, was mir ebenso gut gefällt wie der gelegentliche ironische Unterton.

Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. (Auch Anspielungen auf moderne Lieder und Bands wie „Annenmaykantereit“ finden sich übrigens im Buch.) Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und geschichtlichen Informationen stellenweise auch sehr gewollt, prätentiös und ermüdend. Es wirkt, als hätte der Autor um jeden Preis zeigen wollen, wie extrem gebildet und kultiviert er ist (und das ist er mit Sicherheit!). Das ging jedoch, was mich betrifft, manchmal nach hinten los. „Römische Tage“ ist deswegen teilweise anstrengend zu lesen. Manchmal hätte ich mir mehr Empfinden, mehr Erleben und weniger Verweise gewünscht.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Der Protagonist lebt ein sehr privilegiertes Leben, besucht Sehenswürdigkeiten, Friedhöfe und Partys, trifft sich mit Historikern, Generälen, Schauspielern und Kardinälen und wandelt auf den Spuren Goethes und anderer berühmter Persönlichkeiten. Dabei wirkten sein Verhalten und sein Leben auf mich meist sehr elitär und weit weg von dem einer Durchschnittsperson. Das muss man mögen, mich hat es nur selten gestört.

Thematisch stehen der Tod, Vergänglichkeit, die Flüchtlingskrise, die aktuelle Enttäuschung der RömerInnen vom Staat, die Vermischung der alten und der modernen Welt und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Mittelpunkt. Eine Themenwahl, die ich eigentlich sehr gelungen fand. Im Buch kommen jedoch leider viele erzkonservative und sogar rechte Menschen zu Wort, was ich etwas problematisch fand, besonders nach den Reaktionen der Öffentlichkeit auf Simon Strauß‘ Debüt. Stellenweise enthält das Buch wunderbar treffende und berührende Beobachtungen, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Erfahrene Romreisende werden vielleicht mit diesem Buch ihre Freude haben, weil jede Beschreibung einer Sehenswürdigkeit eigene Erinnerungen weckt. Auf mich hat das Buch leider (im Gegensatz zu „Sieben Nächte“) überhaupt keinen Sog ausgeübt, es gab keinen Drang, weiterzulesen. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. Schade, dass es „Römische Tage“ nicht geschafft hat, etwas in mir zum Klingen zu bringen. Es war wohl einfach nicht mein Buch.

Protagonist (+/-)

Auch dieses Mal verwischen wieder absichtlich die Grenzen zwischen Autor und Hauptfigur. Simon Strauß verbrachte nämlich selbst einige Wochen in Rom. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach leiden lässt, eigentlich sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent, empfindsam und zeigt Zivilcourage, wenn jemand Hilfe benötigt. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht so recht greifbar. Manche seiner Reflexionen, Selbstfindungsversuche und kritischen Gedanken werden mir ohne Frage länger in Erinnerung bleiben, er als Figur wird aber schnell wieder vergessen sein.

„Oft fühle ich mich wie ein Befallener, zerfressen von vergangenen Idealen, getrieben von unbefriedigtem Ehrgeiz. Wer zu spät auf die Welt gekommen ist, wird seine Zeit nie finden, sagt man.“ E-Book, Position 65

Figuren (-)

Alle anderen Figuren kommen nur ganz kurz im Buch vor, niemanden davon lernen wir näher kennen. Die meisten Charaktere zogen an meinem inneren Auge vorbei ohne einen bleibenden Abdruck zu hinterlassen. Manche der Geschichten über einzelne Nebenfiguren muss sich der Autor wohl in seiner Fantasie ausgemalt haben – wissen kann er diese intimen Details eher nicht. Manchmal erschien es mir so, als wurde die Ich-Erzählsituation mit einer allwissenden vermischt. Interessant, es hatte einen gewissen Charme. Mir hat es gefallen.

Spannung & Atmosphäre (-)

Immer wieder gibt es höchst atmosphärische Beobachtungen und Beschreibungen Roms, die mich absolut überzeugen konnten. Oft verkommen die vielen Erlebnisse aber auch zu einer etwas substanzlosen Aneinanderreihung von oberflächlichen Eindrücken. Spannung war zu keinem Zeitpunkt vorhanden, dafür sind die einzelnen geschilderten Episoden zu kurz und unzusammenhängend. Stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen; ich wollte nicht wissen wie es weitergeht, sondern war oft gelangweilt und enttäuscht, dass mich dieses Buch nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Vieles hat mir gefallen: dass oft gegendert wurde, dass auch auch LGBT-Figuren im Buch vorkommen, dass Machtmissbrauch mächtiger Männer thematisiert wird, dass gezeigt wird, dass AbtreibungsgegnerInnen kritisiert werden. Nicht gefallen hat mir, dass einmal angedeutet wird, dass es normal sei, dass die Frau für den Abwasch zuständig ist und dass der Mann sich in der Zwischenzeit schon ein Bier gönnt und dass eine Jugendliche anscheinend schon verheiratet ist und von ihrem Ehemann ziemlich unterdrück wird (das wird jedoch immerhin kritisiert, was gut ist). Sehr gestört hat mich, dass fast alle wesentlichen Gesprächspartner Männer waren und Frauen kaum zu Wort kamen – hier hätte ich mir ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis gewünscht. Den Bechdel-Test (sprechen zwei Frauen über etwas anderes als einen Mann?) besteht dieses Buch (was keine Überraschung ist) ebenfalls nicht.

Mein Fazit

Nach Simon Strauß‘ mitreißendem, kraftvollem und fesselndem Debüt bin ich an sein neues Buch mit hohen Erwartungen herangegangen, die leider enttäuscht wurden. Der Einstieg verlief schleppend, ganz in die Geschichte eintauchen konnte ich nie. Das lag bestimmt am Essaystil, der zwar anspruchsvoll, schön und angenehm zu lesen ist, dem aber dieses Mal diese erfrischende, kraftvolle Intensität fehlte. Wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkte die neue Erzählung auf mich altmodisch und rückwärtsgewandt. Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und Informationen auch gewollt, prätentiös und ermüdend. „Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken eines privilegierten, elitären jungen Mannes und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Thematisch stehen der Tod, die Vermischung von Alt und Neu und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Vordergrund. Stellenweise enthält das Buch wunderbar atmosphärische, treffende und berührende Beobachtungen und Beschreibungen Roms, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke substanzlos, oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach vor sich leiden lässt, sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent und empfindsam. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht greifbar. Spannung oder ein Sog waren zu keinem Zeitpunkt vorhanden, stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen und war sehr enttäuscht, dass es mich nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir (bis auf einige interessante Reflexionen) wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. „Römische Tage“ war wohl einfach nicht das richtige Buch für mich, weswegen ich es nicht weiterempfehlen kann. Eine Empfehlung möchte ich trotzdem aussprechen, und zwar für „Sieben Nächte“, das großartige Debüt des Autors. Dem nächsten Roman werde ich sicher wieder eine Chance geben.

Bewertung

Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 2 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonist: 3,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 1 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Ende / Auflösung: 2 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt zweieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 03.09.2019

2,5*: Gute Ansätze & viel verschenktes Potenzial: Habe von einer kulinarischen Dystopie mehr erwartet

Hysteria
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Bei diesem Buch handelt es sich um etwas ganz Ungewöhnliches: nämlich um eine "kulinarische Dystopie", in der das Künstliche das Natürliche bereits ersetzt hat. Und die ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Bei diesem Buch handelt es sich um etwas ganz Ungewöhnliches: nämlich um eine "kulinarische Dystopie", in der das Künstliche das Natürliche bereits ersetzt hat. Und die ganze Geschichte beginnt mit ungewöhnlichen Himbeeren. Die fallen Bergheim nämlich beim Einkauf auf, als er sie genauer betrachtet. Sofort beschließt er, dem Rätsel nachzugehen und landet schließlich im Kulinarischen Institut. Eine fieberhafte Suche nach der Wahrheit beginnt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Piper
Seitenzahl: 240
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive (Bergheim)
Kapitellänge: kurz bis lang
Tiere im Buch: + An sich lautet das Ziel der Gesellschaft im Buch, sich möglichst wenig in die Natur einzumischen. Zusätzlich gibt es an mehreren Tagen der Woche ein Fleischverbot – hier entwickelt sich ohne Frage einiges in die richtige Richtung. Auch handelt es sich bei den „Nutztieren“ teilweise nicht mehr um „echte Tiere“ (mehr kann ich nicht verraten, ohne zu spoilern). Bergheim fordert jedoch, dass die Jagd verherrlicht und der Mensch dem Tier wieder gleichgesetzt wird. Zudem verletzt sich ein Tier selbst.

Warum dieses Buch?

Dieses Buch war im letzten Jahr für den „Deutschen Buchpreis“ nominiert, was natürlich sofort mein Interesse geweckt hat. Zudem liebe ich Dystopien – und eine kulinarische Dystopie kannte ich bisher noch nicht. Ich erwartete also etwas Erfrischendes, Neuartiges – und wollte deshalb das Buch unbedingt lesen.

Meine Meinung

Einstieg (+)

"Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht." E-Book, Position 31

Die Geschichte beginnt sehr mysteriös und rätselhaft, wodurch sofort meine Neugier geweckt wurde. Dennoch fiel es mir schwer, nach den ersten, interessanten Kapiteln wirklich in die Geschichte zu finden und ganz darin einzutauchen.

Schreibstil (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten. Einerseits schätze ich Nickels anspruchsvollen, ästhetischen Schreibstil und mochte den gelegentlichen satirischen Unterton, andererseits erschien er mir auch oft (vor allem bei den Dialogen) etwas angestaubt, altmodisch, zu umständlich oder sogar prätentiös. Das lag daran, dass es der Autor an manchen Stellen meiner Meinung nach mit den langen Schachtelsätzen übertrieben hat. Teilweise gibt es Einschübe an seltsamen Stellen, so dass ich aus dem Lesefluss geraten bin und manche Abschnitte noch einmal lesen musste. Zudem wirkte es manchmal auch ein wenig gewollt, als hätte der Autor unbedingt zeigen wollen, wie anspruchsvoll er schreiben kann – auch wenn das durch die Verwendung von manchem Fachausdruck, der nicht erklärt wurde, zulasten des Verständnisses geht. Die Beschreibungen waren manchmal sehr gut gelungen und anschaulich, an anderen Stellen musste ich mir das Geschriebene bewusst und mit Mühe vorstellen.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

„Bergheim kam der Verdacht, dass sie gar keine wirklichen Wanderer seien, sondern eine als getarnt arbeitende Spezialeinheit der Tierzüchter vom Markt, die auf der Suche nach ihm war, weil er zufällig etwas gesehen hatte, das niemand jemals zu Gesicht bekommen hätte sollen.“ E-Book, Position 221

Insgesamt hat mich „Hysteria“ leider enttäuscht, da ich mir von einer kulinarischen Dystopie einfach mehr erhofft habe – mehr Innovation, mehr Spannung, mehr Hintergrundwissen, mehr Tiefe, mehr Worldbuilding und ein erschreckenderes Zukunftsszenario. Die Geschichte hat sehr spannend und mysteriös begonnen, verliert sich dann aber streckenweise leider in zahlreichen Rückblenden (die einen aus dem Lesefluss reißen), hölzernen, uninteressanten Dialogen und in langatmigen Beschreibungen von alltäglichen Begebenheiten.

Es gibt zwar durchaus einige sehr interessante Informationen, die eingewoben werden, gute Ansätze (Kritik an der Lebensmittelindustrie, an allem Künstlichen) und gelungene Passagen, aber insgesamt ist der Inhalt dünn. Der rote Faden ging leider (wie viele andere RezensentInnen schon geschrieben haben) in der Mitte des Buches ein wenig verloren, die Handlung wirkte oft verworren und undurchsichtig. Zwischendurch fragte ich mich sogar, warum eine Szene nun wichtig war, worauf der Autor überhaupt hinauswill, was seine Botschaft und sein Inhalt sind. Insgesamt blieb mir einfach zu viel offen, es gab viele gute Ansätze, aber bei der Umsetzung wurde leider viel Potential verschenkt. Nach dem gruseligen Ende ließ mich das Buch leider mit vielen Fragezeichen und eher unbefriedigt zurück - meiner Meinung nach lohnt es sich nicht wirklich, sich „durchzuquälen“ – denn das musste ich abschnittsweise leider tun. „Hysteria“ war für den Deutschen Buchpreis 2018 nominiert, aber ich kann damit nur wenig anfangen. Darum kann ich es euch leider nicht weiterempfehlen.

Protagonist (+/-)

Bergheim war mir zwar in gewisser Weise sympathisch, und er erschien mir auch mit seinen zahlreichen Ängste und seiner Hochsensibilität gut ausgearbeitet, dennoch blieb immer eine gewisse Distanz zu ihm. Ich habe keinen Zugang zu ihm gefunden; ich konnte nicht richtig mitfühlen und mitfiebern, sein Schicksal berührte mich nicht.

Figuren (-!)

Die anderen Figuren fand ich hingegen, bis auf Charlotte aus der Vergangenheit, sehr farblos und blass. Man erfährt fast nichts über sie, sie bleiben absolut ungreifbar und austauschbar. Hier konnte mich der Autor leider gar nicht überzeugen.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Auch wenn die Spannung leider über weite Teile der Geschichte nicht vorhanden war und sie sich für mich vor allem im Mittelteil sehr gezogen hat, gab es auch einige Dinge, die mir sehr gut gefallen haben: Großartig fand ich die Horror-Elemente und die unheimliche, kafkaeske Grundstimmung der Geschichte. Ständig liegt so eine herrlich ungreifbare Bedrohung über allem. Nie weiß man, ob der Protagonist nur paranoid ist, oder ob er wirklich einer Verschwörung auf der Spur ist. Überhaupt fand ich die Handlung in der Gegenwart im kulinarischen Institut sehr atmosphärisch, spannend und gelungen. Ich wollte dieses seltsame, kunstvolle, faszinierende und kalte Gebäude erforschen und mehr über seine dunklen Geheimnisse erfahren! Leider wurde mir das verwehrt, weil die Handlung in der Vergangenheit so viel Raum einnimmt.

Feministischer Blickwinkel (+)

Hier ist mir nichts Negatives aufgefallen. Charlotte und auch Kirsten sind starke weibliche Figuren, und da Bergheim sehr sensibel ist, bricht er mit Stereotypen und repräsentiert keine toxische Maskulinität. Den Bechdel-Test besteht das Buch trotzdem nicht, da niemals zwei weibliche Figuren über etwas anderes sprechen als einen Mann.

Mein Fazit

„Hysteria“ ist ein Buch, das mich insgesamt leider enttäuscht hat, da ich mir von einer kulinarischen Dystopie einfach mehr erwartet habe – mehr Innovation, mehr Tiefe, mehr Spannung, mehr Hintergrundwissen und ein erschreckenderes Zukunftsszenario. Was den Schreibstil betrifft, bin ich zwiegespalten: Einerseits schätze ich Nickels anspruchsvollen, ästhetischen Schreibstil, andererseits erschien er mir manchmal auch etwas angestaubt, altmodisch, zu umständlich, zu gewollt oder sogar prätentiös. Während mir Bergheim mit seinen Ängsten und seiner Hochsensibilität durchaus sympathisch war und gut ausgearbeitet wurde, blieb trotzdem immer eine gewisse Distanz zu ihm. Die anderen Figuren fand ich großteils sehr farblos, ungreifbar und austauschbar. Der Einstieg war noch sehr mysteriös und spannend, doch danach wurde die Geschichte verworren und verlor ihren roten Faden. Sie verlor sich dann streckenweise leider in zahlreichen Rückblenden (die einen aus dem Lesefluss reißen), hölzernen, künstlichen, uninteressanten Dialogen und in langatmigen Beschreibungen von alltäglichen Begebenheiten. Es gibt zwar durchaus einige sehr gelungene Passagen und gute Ansätze, aber insgesamt ist der Inhalt dünn, viel Potenzial wird verschenkt. Zwischendurch fragte ich mich sogar, worauf das Buch überhaupt hinauswill, was seine Botschaft ist. Auch wenn die Spannung leider über weite Teile der Geschichte nicht vorhanden war und sie sich für mich vor allem im Mittelteil sehr gezogen hat, gab es auch etwas, das mir sehr gut gefallen hat: Großartig fand ich die Horror-Elemente und die unheimliche, kafkaeske Grundstimmung der Geschichte. Ständig liegt so eine herrlich ungreifbare Bedrohung über allem. Nie weiß man, ob der Protagonist nur paranoid ist, oder ob er wirklich einer Verschwörung auf der Spur ist. Nach dem gruseligen Ende ließ mich das Buch jedoch leider mit vielen Fragezeichen und eher unbefriedigt zurück - meiner Meinung nach lohnt es sich nicht, sich durchzuquälen – denn das musste ich abschnittsweise leider tun. „Hysteria“ war für den deutschen Buchpreis nominiert, aber ich konnte damit nur wenig anfangen. Darum kann ich es euch leider nicht weiterempfehlen.

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2 Sterne
Umsetzung: 2,5 Sterne
Worldbuilding: 2 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonist: 3,5 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 2 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Ende / Auflösung: 2,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2,5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir insgesamt zweieinhalb Lilien!

Veröffentlicht am 21.02.2019

Viele gute Ansätze, viel verschenktes Potential

Vox
0

Spoilerfreie Rezension!


Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: S. FISCHER
Seitenzahl: 400
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens (selten auch Präteritum)
Perspektive: aus weiblicher Sicht ...

Spoilerfreie Rezension!


Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: S. FISCHER
Seitenzahl: 400
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens (selten auch Präteritum)
Perspektive: aus weiblicher Sicht geschrieben
Kapitellänge: angenehm kurz
Tiere im Buch: -! Obwohl die Protagonistin wenigstens von ein wenig schlechtem Gewissen gequält wird und obwohl ihr die Tiere leidtun, ändert das nichts an der Tatsache, dass in diesem Buch unzählige Tiere in Tierversuchen leiden und sterben müssen. Hier auch wieder meine Empfehlung: Wenn ihr ebenfalls gegen sinnlose, oft grausame Tierversuche seid, schaut bitte beim Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei, der schon jahrelang engagiert und teilweise sogar schon erfolgreich für Alternativen und für eine tierversuchsfreie Forschung kämpft.

Warum dieses Buch?

Ich liebe Dystopien, ich liebe feministische Literatur, und ich fand Margaret Atwoods Roman „Der Report der Magd“ (im Original „The Handmaid’s Tale“) sehr gut. Aus all diesen Gründen führte für mich an diesem Werk, das mich mit seinem interessanten Klappentext sofort um den Finger gewickelt hat, kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht. Der einfache Schreibstil und die kurzen Kapitel machten den Beginn sehr angenehm. Ich habe schnell in die Geschichte gefunden.

„Ich habe VOX als Warnung geschrieben, als Warnruf gegen eine Politik der Geschlechtertrennung, aber auch um zu zeigen, wie sehr unsere Persönlichkeit und Menschlichkeit von unserer Sprache abhängt.“ E-Book, Vorwort der Autorin, Position 49

Schreibstil (-)

Christina Dalcher schreibt flüssig und einfach, was mir auf den ersten Seiten sehr gefallen hat. Nach einer Weile bemerkt man aber, dass die Sprache zwar angenehm lesbar ist, leider aber auch sehr oberflächlich und etwas lieblos wirkt. Ich hätte mir hier mehr Komplexität, mehr Abwechslung und einen höheren ästhetischen Wert des Buches gewünscht, vor allem, da es sich hier ja nicht um einen Jugendroman handelt (was man leicht vergessen könnte, wenn uns die teilweise irritierend direkten Ausführungen der Protagonistin über ihr Liebesleben nicht immer wieder daran erinnern würden). Auch der Wortschatz scheint sehr begrenzt, wodurch es zu Wiederholungen und immer wieder auch zu gleichen Formulierungen kommt. Ob das an der Übersetzung liegt, kann ich leider nicht beurteilen. Auch die Vergleiche fand ich leider häufig lahm oder sogar schlecht. Sprachlich konnte mich Christina Dalcher also leider nicht wirklich abholen, obwohl es ihr durchaus gelingt, punktuell Spannung zu erzeugen und die Emotionen ihrer Figuren glaubwürdig und intensiv zu beschreiben.

„‘Die Frau hat keinen Anlass, zur Wahl zu gehen, aber sie hat ihren eigenen Bereich, einen mit erstaunlicher Verantwortung und Wichtigkeit. Sie ist die gottgewollte Bewahrerin des Heims … Sie sollte voll und ganz erkennen, dass ihre Stellung als Ehefrau, Mutter und Engel des Heims die heiligste, verantwortungsvollste und königlichste ist, die Sterblichen zuteilwerden kann; und sie sollte alle Ambitionen nach Höherem abweisen, da es für Sterbliche nichts Höheres gibt.“ E-Book, Position 893

Inhalt, Themen & Botschaften (+/-)

„Und wir haben es nicht kommen sehen.“ E-Book, Position 365

Ja, ich gebe zu, die Erwartungen waren sehr hoch. Nicht nur weil ich Dystopien liebe, sondern auch, weil ich feministische Literatur, die uns vor Augen hält, wie schnell es gehen kann, dass wir als Frauen unsere hart erkämpften Rechte wieder verlieren, sehr wichtig finde. Über Christina Dalchers Debüt habe ich im Vorfeld viel Gutes, aber auch viel Negatives gehört, ihr Buch wurde auch mit Margaret Atwoods Werk „Der Report der Magd“ (engl. „The Handmaid’s Tale) verglichen – einem feministischen Klassiker, der schockierender nicht sein könnte. Dennoch habe ich mich bemüht, möglichst unvoreingenommen an die Lektüre heranzugehen.

Die Prämisse ist erschreckend: Statt der 16.000 Wörter, die ein Durchschnittsmensch pro Tag von sich gibt, dürfen Frauen in der Zukunft nur noch 100 Worte benutzen (das ist fast gar nichts!) – ein Wortzähler am Handgelenk überwacht dies streng. Wer das Limit überschreitet, wird mit immer heftiger werdenden Stromstößen bestraft. Frauen wird so nach und nach ihre Stimme genommen, Religion gewinnt wieder die Oberhand, die entstandene Diktatur hat die Todesstrafe wieder eingeführt und schickt ihre Gegner in Lager oder Gefängnisse. Diese Ausgangssituation erinnert tatsächlich stark an Margaret Atwoods Roman. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Frauenrechte, Unterdrückung, Rebellion, Liebe, Familie und eine Frau, die innerlich zerrissen ist zwischen Liebe zu und Hass auf die Männer in ihrem nächsten Umfeld.

Hier enden aber auch schon die Parallelen. Die Geschichte hat viel Potential – man hätte sie zu einer unvergesslichen, schockierenden und wachrüttelnden Dystopie verarbeiten können. Leider verschenkt die Autorin einen großen Teil dieses Potentials: Obwohl der Beginn des Romans gut gelingt, merkt man schnell, dass hier viel zu sehr an der Oberfläche gekratzt und viel zu wenig in die Tiefe gegangen wird. Zudem wirkt konstruiert, Erklärungen fehlen. Statt auf drastische Weise das weibliche Leben in dieser düsteren Zukunft zu schildern und diese Welt detailliert auszugestalten, driftet die Dystopie immer mehr in einen herkömmlichen Thriller ab. Auch die mittelprächtige Liebesgeschichte nimmt (zu viel) wertvollen Platz in der Geschichte ein.

Dennoch handelt es sich bei „Vox“ sicher nicht um ein rundum schlechtes Buch – wenn die Erwartungen hoch sind, enttäuscht aber auch ein unterdurchschnittliches, das den Hype nicht wert zu sein scheint. Der Roman hat aber durchaus auch seine guten Seiten: Einige Szenen sind sehr atmosphärisch und stark geschrieben, außerdem schafft das Buch mit Sicherheit Bewusstsein für aktuelle anti-feministische Strömungen und die Gefahren, die von ihnen ausgehen. Alleine schon für die Themenwahl und ihre Botschaft ist die Autorin also zu loben. Eines gelingt dem Buch auch ohne Zweifel: Man beginnt ganz unbewusst, die Wörter der Figuren (und teilweise sogar die eigenen im realen Leben) mitzuzählen, jedes davon scheint kostbar – wie schnell sie verbraucht sind, wird schmerzhaft bewusst. Aufzuzeigen, wie wichtig Sprache und Kommunikation in unserem täglichen Leben sind – auch das gelingt Christina Dalcher. Man merkt zudem, dass die Linguistin für das Thema brennt – nebenbei gibt es viele interessante Informationen zu linguistischem Grundwissen, die mit Sicherheit sehr interessant sind, wenn man nicht (wie ich) im Studium bereits damit zu tun hatte. Teilweise verkommen die Einschübe leider aber auch zu Info-Dumping.

Protagonistin und Figuren (+/-)

Prinzipiell mochte ich die Protagonistin von Anfang an gerne. Sie ist intelligent und lässt sich trotz der schwierigen Zeiten nichts gefallen. Ihre Gedankengänge und Emotionen waren meist glaubwürdig und für mich nachvollziehbar. Ihre Wut auf das System und auch auf die Männer in ihrer Familie, die sich mehr und mehr mit der Unterdrückung der Frauen und den traditionellen Geschlechterrollen anzufreunden scheinen, wurden greifbar und ich habe stark mit ihr mitgefühlt. Mir hat gefallen, dass diese gesellschaftlich nicht akzeptierten Gefühle unverblümt und ehrlich geschildert wurden.

Dann gab es aber auch wieder Momente, in denen ich die Protagonistin nicht verstehen konnte: Als zum Beispiel ein Mensch ums Leben kommt, macht sie nur Minuten später einen absolut geschmacklosen, makabren Witz darüber – aufgrund der Situation und ihren Lebenserfahrungen meiner Meinung nach absolut unglaubwürdig und übertrieben. Ein weiteres Beispiel: Jean betrügt ihren Mann – aber ihre Nachbarin, die dasselbe tut, bezeichnet sie herablassend als „Schla+++“. Da Slut shaming absolut schädliches Verhalten Frauen gegenüber ist, nur dafür gemacht, sie kleinzuhalten, finde ich das absolut unpassend – dafür und für Jeans sexistische Einteilung der Welt in „typisch Frau“ und „typisch Mann“ (wolltest du dagegen nicht eigentlich kämpfen, Jean?) gibt es auch ordentlich Punkteabzug!

Die anderen Figuren bleiben bis auf wenige Ausnahmen meiner Meinung nach seltsam farblos und blass, sie werden mir nicht in Erinnerung bleiben. Es gab (außer Jean) niemanden, mit dem ich wirklich mitgefiebert habe oder der mir ans Herz gewachsen ist – sehr schade! Die Figuren wirken konstruiert, nicht lebendig oder dreidimensional.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Obwohl sich das Buch im Verlauf der Lektüre nicht ganz so entwickelt hat wie erhofft, so gelingt es der Autorin doch immer wieder, Spannung aufzubauen. Auch wenn diese zwischendurch immer wieder kurzzeitig einbricht, wollte ich doch immer wissen, wie es weitergeht. Es gibt zudem einige unerwartete Wendungen, die mich zwar nicht vollends begeistern, aber doch überraschen konnten. Vor allem im letzten Drittel wird die Spannung dann noch einmal ordentlich angehoben. Jedoch – hier stimme ich einigen Kritiker*innen zu - erscheinen sowohl das Hinarbeiten auf den Höhepunkt, als auch das Ende selbst sehr überhastet. Viel zu viel passiert auf einmal, viele Fragen bleiben offen. Es wirkt tatsächlich, als wäre die Autorin unter Zeitdruck geraten und hätte nicht mehr genug Zeit gehabt, die Geschichte zu einem runden, gut ausgestalteten Ende zu führen. Das ist schade, das Buch hätte es eigentlich verdient.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Jeans in ihrem Kopf verfestigte Geschlechterstereotypen und ihre unhinterfragte Misogynie (Nachbarin!) finde ich sehr ärgerlich. Die Protagonistin müsste es nämlich eigentlich besser wissen, wohin solche starren Geschlechterrollen führen können. Dennoch darf hier auch nicht vergessen werden, dass es sich hier prinzipiell um feministische Literatur handelt, die wachrütteln und vor gefährlichen anti-feministischen Strömungen in unserer heutigen Gesellschaft warnen soll. Das ist natürlich ein großer Pluspunkt!

Mein Fazit

„Vox“ ist eine feministische Dystopie, die leider viel Potential verschenkt. Der Schreibstil ist zwar flüssig, aber ästhetisch leider nicht überzeugend und bietet nur wenig Abwechslung. Die meisten Personen bleiben seltsam blass und austauschbar, was es mir unmöglich gemacht hat, mir ihnen mitzufühlen und mitzuleiden. Zur Protagonistin habe ich ein gespaltenes Verhältnis: Die von ihr verinnerlichten Geschlechterstereotypen werden leider nur selten hinterfragt, ihre Gefühle werden dafür aber meist sehr anschaulich und greifbar geschildert. Ihre gelungene, interessante negative Zukunftsvision gestaltet Christina Dalcher nicht ausreichend aus –hier geht die Autorin leider nicht genug in die Tiefe, sondern kratzt nur an der Oberfläche. Der Roman, der immer mehr zu einem Thriller mit mittelprächtiger Liebesgeschichte wird, hat zwar durchaus seine gelungenen, spannenden Momente, wird aber dann zu einem überhastet wirkenden Höhepunkt geführt, der viel zu viele Fragen offen lässt. „Vox“ ist somit ein Buch, das viele gute Ansätze, aber leider auch große Schwächen hat und das mich daher leider enttäuscht hat.

Leseempfehlung: Lieber gleich Margaret Atwoods "Der Report der Magd" / "Handmaid's Tale" lesen!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 2,5 Sterne
Protagonistin: 3,5 Sterne
(Neben)Figuren: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Ende: 1,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Geschlechterrollen: + / -

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2,5 Lilien!

Veröffentlicht am 20.09.2018

Eine Geschichte mit viel Potenzial, das aber leider nicht genutzt werden konnte

Wild Games - In einer heißen Nacht
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Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun ...

Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun soll sie jedoch plötzlich im Rampenlicht stehen, und ihre Chefin macht deutlich, dass sie keine Wahl hat. Entweder sie wird Teilnehmerin bei der Reality-Show Endurance Island, recherchiert dort verdeckt und erhält dafür unter anderem einen wertvollen Buchvertrag, oder sie wird keine Aufträge mehr bekommen. Zähneknirschend und nur sehr widerwillig stimmt Abby schließlich zu. Und das Schicksal scheint es leider nicht gut mit ihr zu meinen, denn sie hat das Pech, ausgerechnet mit dem arrogantesten, unsympathischsten Teilnehmer in einem Team zu landen. Tagelang alleine mit ihm in einem provisorischen, selbst gebauten Camp, ohne richtiges Essen und nur in Gesellschaft von nervigen Sandflöhen. Einfach furchtbar, dieser Kerl! Oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Liebesroman
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 240
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Fische werden getötet, um sie zu essen, jedoch wird das nicht näher beschrieben.

Warum dieses Buch?

Zwischendurch darf es auch einmal eine (leichte) Liebesgeschichte sein. Obwohl ich eigentlich zurzeit nur selten Liebesromane lese (oft sind sie mir zu langweilig), habe ich hier nur allzu gerne eine Ausnahme gemacht, weil Reality-TV ein Guilty Pleasure von mir ist.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Die Geschichte beginnt direkt, hat nur eine sehr kurze Einleitung, und auch danach verliert die Autorin keine Zeit: Nach wenigen Seiten befindet sich die Hauptfigur bereits mit ihren KonkurrentInnen auf der Insel. Kleine Interviewausschnitte sind jedem Kapitel vorangestellt, die uns Deans Sicht der Dinge mitteilen.

"'Ich freue mich auf den Wettbewerb. Gegen die Kräfte der Natur anzutreten... und gegen die Mitspieler. Ob ich mit den Frauen flirten werde? Wenn es mich dem Sieg näher bringt, ja, aber ich bin nicht darauf aus, eine kennenzulernen. Ich bin darauf aus zu gewinnen.' - Vorabinterview mit Dean Woodall" E-Book, Position 32

Schreibstil (+/-)

Am Schreibstil gibt es eigentlich nichts auszusetzen, wenn man weiß, worauf man sich bei dieser Art von Literatur einlässt. Er ist einfach (dabei nicht ZU einfach), flüssig, anschaulich und enthält nur in sehr seltenen Fällen Wiederholungen (diese haben mich aber niemals gestört). Die Emotionen der Hauptfigur und die Anziehungskraft zwischen Abby und Dean werden gelungen beschrieben und beim Lesen spürbar. Jedoch sollte man sich keine poetischen Hochleistungen oder viel Anspruch erwarten. Dass die Sprache jedoch oberflächlich bleibt, sowohl bei Gedanken und Gefühlen der Figuren als auch bei den Schilderungen verschiedener Entwicklungen nicht genug in die Tiefe geht, ist schade, ich hätte mir hier etwas mehr erhofft, da ich viel Potential in der Geschichte erkannt habe. Mehr Worte hätten der Geschichte definitiv gutgetan. Erfrischend fand ich jedoch, dass die Geschichte nur aus einer Perspektive erzählt wird. Zum einen wird so das Buch nicht unnötig aufgebläht, zum anderen bleibt es spannender, weil man nicht weiß, was Dean genau denkt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Wenn man zu solch einem Buch greift, bei dem schon alles von Cover bis Klappentext „leichte Liebesgeschichte“ für zwischendurch schreit, weiß man eigentlich, was einen erwartet und worauf man sich einlässt. Ich lese solche Geschichten mittlerweile nur noch ganz selten, aber manchmal tun ein bisschen unkomplizierte Liebe und eher anspruchslose Unterhaltung ja auch ganz gut. Dennoch hätte ich mir hier mehr Tiefe gewünscht, vor allem da die Geschichte so viel Potential hat: Ein harter Wettkampf mitten im Paradies, eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen auf engstem Raum. Das, was auch bei den TV-Formaten lockt - Drama, ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, hochkochende Emotionen –, wollte ich auch hier erleben, vielleicht sogar - weil es sich ja um ein Buch handelt und man so zumindest ganz nah an den Figuren und der Heldin ist und mehr Nuancen wahrnimmt - noch intensiver und emotionaler. Leider wurden meine Hoffnungen enttäuscht. Viel Potential wird nach einem starken Anfang verschwendet: Die Geschichte ist sehr dünn und handlungsarm, oft oberflächlich (die Beziehungen zwischen den Figuren werden kaum thematisiert) und absolut vorhersehbar. Es ist leider eine dieser Geschichten, bei denen der Schauplatz nur den Handlungsrahmen für die alles dominierende Liebesgeschichte bildet, um die es eigentlich WIRKLICH geht. Sowohl die Geschichte als auch das Ende enthalten leider auch das eine oder andere Klischee und kleinere Logikfehler (diese haben mich aber meist nicht wirklich gestört).

Wenn man die Erwartungen jedoch zurückschraubt, wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht und wenn man im Vorhinein weiß, dass die Reality-Tdee nur ein Vorwand ist und nicht wirklich ausgebaut wird, glaube ich, dass man mit dieser Geschichten dennoch einige unterhaltsame Stunden haben kann. So mochte ich den Anfang beispielsweise sehr, Abby lässt sich hier von Dean absolut nichts gefallen und die Wortgefechte der beiden sind manchmal wirklich amüsant zu lesen. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, gibt es kribbelnde, vor gegenseitiger Anziehung nur so sprühende Stellen und gelungene Momente, in denen die Zuneigung füreinander deutlich wird. Jedoch ging mir das das Ganze insgesamt – und das liegt mit Sicherheit an der Kürze des Romans – alles zu schnell (teilweise werden Tage übersprungen und in nur wenigen Worten zusammengefasst). Diese amüsante Phase voller Hassliebe war zu bald vorbei, glühende Abneigung wandelte sich viel zu schnell in Anziehung und schlussendlich in Verliebtheit.

Protagonistin (+/-)

Eigentlich mochte ich Abby, auch wenn sie keine besonders komplexe Figur ist, und fand sie am Anfang wirklich sympathisch. Sie scheint intelligent zu sein, schreibt Rezensionen wie ich – ich konnte mich schnell mit ihr identifizieren. Am Beginn ist sie eine starke weibliche Hauptfigur, beobachtet genau, bevor sie handelt, ist impulsiv und lässt sich absolut nichts gefallen. Doch sobald sich die Geschichte mit Dean vertieft, scheint sie sich total zu verändern. Bei jeder seiner Bewegungen, bei jeder Gesichtsregung vermutet sie, dass er das Interesse verliert oder auf sie böse ist. Sie wird auf einmal unsicher, bekommt Selbstzweifel, ihre Gedanken kreisen ständig um Dean. Was mich am meisten gestört hat: Er wird zunehmend als perfekt und sogar „Gott“ (jedes Mal habe ich hier mit den Augen gerollt) bezeichnet und Abby fragt sich ständig, ob sie gut genug für ihn ist. Das Schlimmste: Alle ihre Zweifel beziehen sich nur auf ihr Äußeres, als wäre das alles, was bei einer Frau zählt. Was mit ihrer Intelligenz, ihrer starken Persönlichkeit und ihrem Selbstbewusstsein ist? Tja, darauf hat Abby wohl ganz vergessen…

Nebenfiguren (-!)

Die Nebenfiguren konnten mich leider nicht überzeugen. Sie sind durchgehend viel zu blass gezeichnet und absolut austauschbar. Ich weiß, dass Abby nicht viele davon näher kennenlernt, aber dennoch hätten die Nebenfiguren mehr Persönlichkeit erhalten müssen. Dean ist zwar minimal besser ausgearbeitet, aber auch über ihn erfährt man so gut wie nichts. Er ist so austauschbar wie alle anderen Figuren, entspricht dem Prototyp des arroganten, harten Kerls mit der weichen Schale und wird wohl schnell vergessen sein.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Durch den flüssigen Schreibstil lässt sich die Geschichte sehr schnell und angenehm lesen. Langweilig wurde mir meist trotz der großen Vorhersehbarkeit nicht, spannend fand ich vor allem die Streitereien zwischen Abby und Dean und natürlich die Wettkämpfe. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist, was Spannung und Insel-Atmosphäre betrifft, ein nettes Leseerlebnis ohne große Überraschungen oder Innovationen – aber auch nicht mehr.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Am Beginn zeigt sich Abby noch selbstbewusst, frech und stark, kritisiert sogar machohaftes Verhalten. Aber eine Frau, die sich später selbst nur aufs Aussehen reduziert, einen Mann ständig als Gott bezeichnet und sich durchgehend fragt, ob sie gut genug für ihren perfekten Schwarm ist, ist natürlich alles andere als feministisch. Generell werden Frauen (und teilweise auch Männer) in der Show oft aufs Äußere reduziert, müssen extrem viel Haut zeigen – Dinge, die in solchen Shows leider auch in der Realität immer noch häufig passieren (und auch kritisiert gehören!). Am wenigsten hat mir gefallen, dass die Medien Abby den Beinamen „die Bücherbitch“ gegeben haben und das sie das nicht im Geringsten stört, sondern dass sie auch noch irgendwie stolz darauf zu sein scheint. Sexistische Sprache ist niemals cool - sie diskriminiert, fördert Rollenstereotypen und ist hinderlich für die Gleichberechtigung. Solche Dinge sollten in Medien wie Büchern reflektiert und kritisiert und nicht als lustig dargestellt werden.

„Da konnte er keine Romanze gebrauchen – vor allem nicht mit einer wie mir, die eindeutig nicht der Playboy-Bunny-Typ war. Für einen Gott wie Dean war ich zu normal.“ Position 968

Mein Fazit

„Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist eine nette, vorhersehbare Geschichte, die ihr Potenzial und ihren Schauplatz leider nicht nutzen kann und die mich daher leider enttäuscht hat. Schließlich war es gerade dieser Handlungsrahmen, der mich interessiert hat - ich wollte (wie bei den TV-Sendungen) Drama, hochkochende Emotionen, interessante Gruppendynamiken und ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den TeilnehmerInnen sehen. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig lesbar, die Liebesgeschichte entwickelt sich zwar zu schnell, bietet aber trotzdem einige kribbelnde, gelungene Momente. Die Hauptfigur zeigt sich am Beginn des Buches stark und frech, zweifelt im Laufe der Geschichte aber zunehmend an sich selbst (bzw. ob sie für ihren angeblich perfekten Schwarm gut genug ist). Eine große Schwäche hat die Geschichte leider: ihre Oberflächlichkeit. Die Figuren sind blass und austauschbar, bei den Beziehungen der TeilnehmerInnen, Gedanken und Gefühlen geht die Autorin nicht in die Tiefe (deshalb konnte ich auch nicht richtig mitfühlen und mitfiebern) und die Geschichte hält kaum Überraschungen, aber dafür einige Klischees bereit. Ohne Frage hätten dem Buch hundert Seiten mehr gutgetan, weil die Autorin dann mehr Zeit gehabt hätte, ihre Geschichte besser auszubauen. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ soll eine leichte Liebesgeschichte sein – mir war sie leider etwas zu leicht. Wenn man die Erwartungen aber zurückschraubt und wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht, kann man mit dieser Geschichte aber mit Sicherheit trotzdem einige unterhaltsame Stunden erleben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Ausführung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Nebenfiguren: 1 Sterne
Liebesgeschichte: 3 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Ende: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2,5 leider enttäuschte Lilien!

Veröffentlicht am 15.12.2024

Leider eine große Enttäuschung – spannungsarm und kaum Handlung!

The Hollow Places
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach ihrer Scheidung fühlt sich „Karotte“ (Mitte 30) orientierungslos – da passt es perfekt, dass ihr kauziger Onkel ein Zimmer in seinem Kuriositäten-Museum für sie ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Nach ihrer Scheidung fühlt sich „Karotte“ (Mitte 30) orientierungslos – da passt es perfekt, dass ihr kauziger Onkel ein Zimmer in seinem Kuriositäten-Museum für sie frei hat. Dort hat sie genügend Zeit, sich selbst neu zu finden und gleichzeitig Ordnung in Earls chaotische Sammlung zu bringen. Doch da hat sie Rechnung ohne den Riss in der Wand gemacht, der plötzlich auftaucht und in eine andere, gefährlichere Welt führt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: M+rd, Tod, Blut, Gewalt, Scheidung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Tussi, hysterisch

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- cozy Vibes mit wenigen (aber sehr intensiven!) Horrormomenten
- Kuriositätenmuseum als Schauplatz
- wenig Handlung, wenig Spannung
- Paralleluniversen
- Humor
- Hauptfigur über 30
- Freundschaft, Umgang mit einer Scheidung, Selbstfindung als zentrale Themen
- kauzige Charaktere

Lieblingszitate

„An die Katalogisierungsarbeit zu denken, fühlte sich an, wie am Fuße des Mount Everest zu stehen und in die Höhe zu blicken.“ Seite 26

„Kennen Sie die Fotos von den zwei Hirschen, deren Geweihe sich im Kampf verhaken und die einander durch die Gegend ziehen, bis sie beide verhungern? Das ist ein ziemlich gutes Bild für unser Verhältnis.“ Seite 14

„‘Komm, wir gehen zurück ins Café. Ich mache uns einen Irish Coffee und wir besprechen das Ganze wie zwei Leute, die NICHT in den ersten fünf Minuten des Horrorfilms sterben.‘“ Seite 53

Meine Rezension

Ich weiß nicht, wie T. Kingfisher es anstellt, dass alle ihre Bücher so wunderschöne Cover haben! Was ist ihr Geheimnis? Es funktioniert jedenfalls sehr gut, denn jede ihrer Geschichten ist ein echter Blickfang im Regal - was gerade bei Horror leider selten der Fall ist. Für mich war "The Hollow Places", das ich auf Englisch schon jahrelang auf der Wunschliste hatte, bereits das vierte Buch der Autorin. Da ich „Wie man einen Prinzen tötet“ von ihr so geliebt hatte, musste ich es natürlich lesen!

Doch hält „The Hollow Places” auch, was sein wunderschönes Cover verspricht? Tja, meiner Meinung nach leider nicht, denn der Horrorroman (ab 16 Jahren) war für mich leider eine große Enttäuschung! Warum, das erfahrt ihr gleich…

Zuerst möchte ich jedoch auf die Aspekte näher eingehen, die mir gut gefallen haben. Tipp an dieser Stelle: nebenbei den „Coraline“-Soundtrack laufen lassen. Dankt mir später! Zu den größten Stärken der Geschichte gehören auch dieses Mal wieder (wie bei der Autorin üblich) der flüssige, sehr angenehm lesbare Schreibstil, durch den man nur so durch die Seiten fliegt, die vielen originellen Ideen (alleine der Spitzname „Karotte“ – ich meine, wie cool ist das denn?!) und der ungewöhnliche, atmosphärische Schauplatz (= ein Kuriositäten-Museum). Auch die kauzigen Figuren (besonders Onkel Earl) und die gemütlichen/cozy Vibes, die das Buch verströmt (durch die Besuche im Café nebenan, die entschleunigende Arbeit des Katalogisierens, das Katzenstreicheln und die sich langsam entwickelnde Freundschaft zu Simon), mochte ich sehr! Aus feministischer Sicht gibt es durch die intelligente, starke weibliche Hauptfigur (erfrischenderweise wieder über 30!) und die LGBTQAI+-Themen zum Glück auch nichts auszusetzen.

Hinten im Nachwort erzählt T. Kingfisher, welches literarische Werk sie zu diesem Buch inspiriert hat (wer möchte, kann das ja gerne nachlesen) – beziehungsweise war es eigentlich nur ein einziger Satz. Mein Problem damit: Genau das merkt man! Man spürt, dass hier versucht wurde, aus einem einzigen Gedanken ein ganzes Buch zu machen. Die Grundidee gibt nicht viel her, es gibt kaum Handlung, aber dafür zwischen den vereinzelten (immerhin) extrem gruseligen/intensiven Stellen ganz viel Leerlauf und lange, lange, laaange Durststrecken. Man könnte auch sagen, da war ganz viel Füllmaterial dazwischen – fast wie bei einem ausgestopften Tier. Eigentlich ist das fast schon wieder poetisch und ironisch zugleich… :D

Gerade die Szenen in der anderen Welt hätte man SO viel spannender und atmosphärischer beschreiben können! Sie waren für mich fad, zäh und eintönig zu lesen. Das kann die Autorin eigentlich deutlich besser. Direkt nach einem spannenden Moment wird nämlich ewig alles be-, fast schon ZERredet – das empfand ich als sehr mühsam… Nicht überzeugen konnten mich auch die Dialoge, denn ihnen fehlt irgendwie gleichzeitig der "Drive", dieses Zielgerichtete und das Lebendige, Authentische zum Eintauchen. Auch hier gibt es leider viel Füllmaterial und viele Wiederholungen, was sehr schade ist.

Mein Fazit

Mich hat „The Hollow Places”, auf das ich mich sehr gefreut hatte, leider sehr enttäuscht. Ich bin von T. Kingfisher einfach anderes gewohnt und gerade von ihrem „Prinzen“ ist dieser Horrorroman qualitativ (Schreibstil, Dialoge, Worldbuilding, Spannungsaufbau, Erzähltempo) leider meilenweit entfernt, finde ich. Wer cozy Vibes und handlungsarme Geschichten mag, könnte trotzdem seine:ihre Freude an diesem Buch haben, allen anderen möchte ich eher die anderen (teilweise wirklich großartigen) Werke der Autorin ans Herz legen („Wie man einen Prinzen tötet“ für Fantasy-Fans, „Was die Toten bewegt“ für Horror-Liebhaber:innen). ♥

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung (altes Cover): 1+ ♥
Idee: 3
Inhalt, Themen, Botschaft: 3
Tiefe: 3
Umsetzung: 4
Worldbuilding: 4
Einstieg: 2
Ende: 4
Schreibstil: 2
Protagonistin: 2
Figuren: 2
Spannung: 5
Pacing/Tempo: 5
Wendungen: 3-4
Atmosphäre: 3
Emotionale Involviertheit: 3
Feministischer Blickwinkel: 1+ ♥
Einzigartigkeit: 2-3

Insgesamt:

Note 4

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  • Fantasie