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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.02.2019

Viele gute Ansätze, viel verschenktes Potential

Vox
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Spoilerfreie Rezension!


Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: S. FISCHER
Seitenzahl: 400
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens (selten auch Präteritum)
Perspektive: aus weiblicher Sicht ...

Spoilerfreie Rezension!


Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: S. FISCHER
Seitenzahl: 400
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens (selten auch Präteritum)
Perspektive: aus weiblicher Sicht geschrieben
Kapitellänge: angenehm kurz
Tiere im Buch: -! Obwohl die Protagonistin wenigstens von ein wenig schlechtem Gewissen gequält wird und obwohl ihr die Tiere leidtun, ändert das nichts an der Tatsache, dass in diesem Buch unzählige Tiere in Tierversuchen leiden und sterben müssen. Hier auch wieder meine Empfehlung: Wenn ihr ebenfalls gegen sinnlose, oft grausame Tierversuche seid, schaut bitte beim Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei, der schon jahrelang engagiert und teilweise sogar schon erfolgreich für Alternativen und für eine tierversuchsfreie Forschung kämpft.

Warum dieses Buch?

Ich liebe Dystopien, ich liebe feministische Literatur, und ich fand Margaret Atwoods Roman „Der Report der Magd“ (im Original „The Handmaid’s Tale“) sehr gut. Aus all diesen Gründen führte für mich an diesem Werk, das mich mit seinem interessanten Klappentext sofort um den Finger gewickelt hat, kein Weg vorbei.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht. Der einfache Schreibstil und die kurzen Kapitel machten den Beginn sehr angenehm. Ich habe schnell in die Geschichte gefunden.

„Ich habe VOX als Warnung geschrieben, als Warnruf gegen eine Politik der Geschlechtertrennung, aber auch um zu zeigen, wie sehr unsere Persönlichkeit und Menschlichkeit von unserer Sprache abhängt.“ E-Book, Vorwort der Autorin, Position 49

Schreibstil (-)

Christina Dalcher schreibt flüssig und einfach, was mir auf den ersten Seiten sehr gefallen hat. Nach einer Weile bemerkt man aber, dass die Sprache zwar angenehm lesbar ist, leider aber auch sehr oberflächlich und etwas lieblos wirkt. Ich hätte mir hier mehr Komplexität, mehr Abwechslung und einen höheren ästhetischen Wert des Buches gewünscht, vor allem, da es sich hier ja nicht um einen Jugendroman handelt (was man leicht vergessen könnte, wenn uns die teilweise irritierend direkten Ausführungen der Protagonistin über ihr Liebesleben nicht immer wieder daran erinnern würden). Auch der Wortschatz scheint sehr begrenzt, wodurch es zu Wiederholungen und immer wieder auch zu gleichen Formulierungen kommt. Ob das an der Übersetzung liegt, kann ich leider nicht beurteilen. Auch die Vergleiche fand ich leider häufig lahm oder sogar schlecht. Sprachlich konnte mich Christina Dalcher also leider nicht wirklich abholen, obwohl es ihr durchaus gelingt, punktuell Spannung zu erzeugen und die Emotionen ihrer Figuren glaubwürdig und intensiv zu beschreiben.

„‘Die Frau hat keinen Anlass, zur Wahl zu gehen, aber sie hat ihren eigenen Bereich, einen mit erstaunlicher Verantwortung und Wichtigkeit. Sie ist die gottgewollte Bewahrerin des Heims … Sie sollte voll und ganz erkennen, dass ihre Stellung als Ehefrau, Mutter und Engel des Heims die heiligste, verantwortungsvollste und königlichste ist, die Sterblichen zuteilwerden kann; und sie sollte alle Ambitionen nach Höherem abweisen, da es für Sterbliche nichts Höheres gibt.“ E-Book, Position 893

Inhalt, Themen & Botschaften (+/-)

„Und wir haben es nicht kommen sehen.“ E-Book, Position 365

Ja, ich gebe zu, die Erwartungen waren sehr hoch. Nicht nur weil ich Dystopien liebe, sondern auch, weil ich feministische Literatur, die uns vor Augen hält, wie schnell es gehen kann, dass wir als Frauen unsere hart erkämpften Rechte wieder verlieren, sehr wichtig finde. Über Christina Dalchers Debüt habe ich im Vorfeld viel Gutes, aber auch viel Negatives gehört, ihr Buch wurde auch mit Margaret Atwoods Werk „Der Report der Magd“ (engl. „The Handmaid’s Tale) verglichen – einem feministischen Klassiker, der schockierender nicht sein könnte. Dennoch habe ich mich bemüht, möglichst unvoreingenommen an die Lektüre heranzugehen.

Die Prämisse ist erschreckend: Statt der 16.000 Wörter, die ein Durchschnittsmensch pro Tag von sich gibt, dürfen Frauen in der Zukunft nur noch 100 Worte benutzen (das ist fast gar nichts!) – ein Wortzähler am Handgelenk überwacht dies streng. Wer das Limit überschreitet, wird mit immer heftiger werdenden Stromstößen bestraft. Frauen wird so nach und nach ihre Stimme genommen, Religion gewinnt wieder die Oberhand, die entstandene Diktatur hat die Todesstrafe wieder eingeführt und schickt ihre Gegner in Lager oder Gefängnisse. Diese Ausgangssituation erinnert tatsächlich stark an Margaret Atwoods Roman. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Frauenrechte, Unterdrückung, Rebellion, Liebe, Familie und eine Frau, die innerlich zerrissen ist zwischen Liebe zu und Hass auf die Männer in ihrem nächsten Umfeld.

Hier enden aber auch schon die Parallelen. Die Geschichte hat viel Potential – man hätte sie zu einer unvergesslichen, schockierenden und wachrüttelnden Dystopie verarbeiten können. Leider verschenkt die Autorin einen großen Teil dieses Potentials: Obwohl der Beginn des Romans gut gelingt, merkt man schnell, dass hier viel zu sehr an der Oberfläche gekratzt und viel zu wenig in die Tiefe gegangen wird. Zudem wirkt konstruiert, Erklärungen fehlen. Statt auf drastische Weise das weibliche Leben in dieser düsteren Zukunft zu schildern und diese Welt detailliert auszugestalten, driftet die Dystopie immer mehr in einen herkömmlichen Thriller ab. Auch die mittelprächtige Liebesgeschichte nimmt (zu viel) wertvollen Platz in der Geschichte ein.

Dennoch handelt es sich bei „Vox“ sicher nicht um ein rundum schlechtes Buch – wenn die Erwartungen hoch sind, enttäuscht aber auch ein unterdurchschnittliches, das den Hype nicht wert zu sein scheint. Der Roman hat aber durchaus auch seine guten Seiten: Einige Szenen sind sehr atmosphärisch und stark geschrieben, außerdem schafft das Buch mit Sicherheit Bewusstsein für aktuelle anti-feministische Strömungen und die Gefahren, die von ihnen ausgehen. Alleine schon für die Themenwahl und ihre Botschaft ist die Autorin also zu loben. Eines gelingt dem Buch auch ohne Zweifel: Man beginnt ganz unbewusst, die Wörter der Figuren (und teilweise sogar die eigenen im realen Leben) mitzuzählen, jedes davon scheint kostbar – wie schnell sie verbraucht sind, wird schmerzhaft bewusst. Aufzuzeigen, wie wichtig Sprache und Kommunikation in unserem täglichen Leben sind – auch das gelingt Christina Dalcher. Man merkt zudem, dass die Linguistin für das Thema brennt – nebenbei gibt es viele interessante Informationen zu linguistischem Grundwissen, die mit Sicherheit sehr interessant sind, wenn man nicht (wie ich) im Studium bereits damit zu tun hatte. Teilweise verkommen die Einschübe leider aber auch zu Info-Dumping.

Protagonistin und Figuren (+/-)

Prinzipiell mochte ich die Protagonistin von Anfang an gerne. Sie ist intelligent und lässt sich trotz der schwierigen Zeiten nichts gefallen. Ihre Gedankengänge und Emotionen waren meist glaubwürdig und für mich nachvollziehbar. Ihre Wut auf das System und auch auf die Männer in ihrer Familie, die sich mehr und mehr mit der Unterdrückung der Frauen und den traditionellen Geschlechterrollen anzufreunden scheinen, wurden greifbar und ich habe stark mit ihr mitgefühlt. Mir hat gefallen, dass diese gesellschaftlich nicht akzeptierten Gefühle unverblümt und ehrlich geschildert wurden.

Dann gab es aber auch wieder Momente, in denen ich die Protagonistin nicht verstehen konnte: Als zum Beispiel ein Mensch ums Leben kommt, macht sie nur Minuten später einen absolut geschmacklosen, makabren Witz darüber – aufgrund der Situation und ihren Lebenserfahrungen meiner Meinung nach absolut unglaubwürdig und übertrieben. Ein weiteres Beispiel: Jean betrügt ihren Mann – aber ihre Nachbarin, die dasselbe tut, bezeichnet sie herablassend als „Schla+++“. Da Slut shaming absolut schädliches Verhalten Frauen gegenüber ist, nur dafür gemacht, sie kleinzuhalten, finde ich das absolut unpassend – dafür und für Jeans sexistische Einteilung der Welt in „typisch Frau“ und „typisch Mann“ (wolltest du dagegen nicht eigentlich kämpfen, Jean?) gibt es auch ordentlich Punkteabzug!

Die anderen Figuren bleiben bis auf wenige Ausnahmen meiner Meinung nach seltsam farblos und blass, sie werden mir nicht in Erinnerung bleiben. Es gab (außer Jean) niemanden, mit dem ich wirklich mitgefiebert habe oder der mir ans Herz gewachsen ist – sehr schade! Die Figuren wirken konstruiert, nicht lebendig oder dreidimensional.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Obwohl sich das Buch im Verlauf der Lektüre nicht ganz so entwickelt hat wie erhofft, so gelingt es der Autorin doch immer wieder, Spannung aufzubauen. Auch wenn diese zwischendurch immer wieder kurzzeitig einbricht, wollte ich doch immer wissen, wie es weitergeht. Es gibt zudem einige unerwartete Wendungen, die mich zwar nicht vollends begeistern, aber doch überraschen konnten. Vor allem im letzten Drittel wird die Spannung dann noch einmal ordentlich angehoben. Jedoch – hier stimme ich einigen Kritiker*innen zu - erscheinen sowohl das Hinarbeiten auf den Höhepunkt, als auch das Ende selbst sehr überhastet. Viel zu viel passiert auf einmal, viele Fragen bleiben offen. Es wirkt tatsächlich, als wäre die Autorin unter Zeitdruck geraten und hätte nicht mehr genug Zeit gehabt, die Geschichte zu einem runden, gut ausgestalteten Ende zu führen. Das ist schade, das Buch hätte es eigentlich verdient.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Jeans in ihrem Kopf verfestigte Geschlechterstereotypen und ihre unhinterfragte Misogynie (Nachbarin!) finde ich sehr ärgerlich. Die Protagonistin müsste es nämlich eigentlich besser wissen, wohin solche starren Geschlechterrollen führen können. Dennoch darf hier auch nicht vergessen werden, dass es sich hier prinzipiell um feministische Literatur handelt, die wachrütteln und vor gefährlichen anti-feministischen Strömungen in unserer heutigen Gesellschaft warnen soll. Das ist natürlich ein großer Pluspunkt!

Mein Fazit

„Vox“ ist eine feministische Dystopie, die leider viel Potential verschenkt. Der Schreibstil ist zwar flüssig, aber ästhetisch leider nicht überzeugend und bietet nur wenig Abwechslung. Die meisten Personen bleiben seltsam blass und austauschbar, was es mir unmöglich gemacht hat, mir ihnen mitzufühlen und mitzuleiden. Zur Protagonistin habe ich ein gespaltenes Verhältnis: Die von ihr verinnerlichten Geschlechterstereotypen werden leider nur selten hinterfragt, ihre Gefühle werden dafür aber meist sehr anschaulich und greifbar geschildert. Ihre gelungene, interessante negative Zukunftsvision gestaltet Christina Dalcher nicht ausreichend aus –hier geht die Autorin leider nicht genug in die Tiefe, sondern kratzt nur an der Oberfläche. Der Roman, der immer mehr zu einem Thriller mit mittelprächtiger Liebesgeschichte wird, hat zwar durchaus seine gelungenen, spannenden Momente, wird aber dann zu einem überhastet wirkenden Höhepunkt geführt, der viel zu viele Fragen offen lässt. „Vox“ ist somit ein Buch, das viele gute Ansätze, aber leider auch große Schwächen hat und das mich daher leider enttäuscht hat.

Leseempfehlung: Lieber gleich Margaret Atwoods "Der Report der Magd" / "Handmaid's Tale" lesen!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 2,5 Sterne
Protagonistin: 3,5 Sterne
(Neben)Figuren: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 2 Sterne
Ende: 1,5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3,5 Sterne
Geschlechterrollen: + / -

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2,5 Lilien!

Veröffentlicht am 20.09.2018

Eine Geschichte mit viel Potenzial, das aber leider nicht genutzt werden konnte

Wild Games - In einer heißen Nacht
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Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun ...

Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun soll sie jedoch plötzlich im Rampenlicht stehen, und ihre Chefin macht deutlich, dass sie keine Wahl hat. Entweder sie wird Teilnehmerin bei der Reality-Show Endurance Island, recherchiert dort verdeckt und erhält dafür unter anderem einen wertvollen Buchvertrag, oder sie wird keine Aufträge mehr bekommen. Zähneknirschend und nur sehr widerwillig stimmt Abby schließlich zu. Und das Schicksal scheint es leider nicht gut mit ihr zu meinen, denn sie hat das Pech, ausgerechnet mit dem arrogantesten, unsympathischsten Teilnehmer in einem Team zu landen. Tagelang alleine mit ihm in einem provisorischen, selbst gebauten Camp, ohne richtiges Essen und nur in Gesellschaft von nervigen Sandflöhen. Einfach furchtbar, dieser Kerl! Oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Liebesroman
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 240
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Fische werden getötet, um sie zu essen, jedoch wird das nicht näher beschrieben.

Warum dieses Buch?

Zwischendurch darf es auch einmal eine (leichte) Liebesgeschichte sein. Obwohl ich eigentlich zurzeit nur selten Liebesromane lese (oft sind sie mir zu langweilig), habe ich hier nur allzu gerne eine Ausnahme gemacht, weil Reality-TV ein Guilty Pleasure von mir ist.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Die Geschichte beginnt direkt, hat nur eine sehr kurze Einleitung, und auch danach verliert die Autorin keine Zeit: Nach wenigen Seiten befindet sich die Hauptfigur bereits mit ihren KonkurrentInnen auf der Insel. Kleine Interviewausschnitte sind jedem Kapitel vorangestellt, die uns Deans Sicht der Dinge mitteilen.

"'Ich freue mich auf den Wettbewerb. Gegen die Kräfte der Natur anzutreten... und gegen die Mitspieler. Ob ich mit den Frauen flirten werde? Wenn es mich dem Sieg näher bringt, ja, aber ich bin nicht darauf aus, eine kennenzulernen. Ich bin darauf aus zu gewinnen.' - Vorabinterview mit Dean Woodall" E-Book, Position 32

Schreibstil (+/-)

Am Schreibstil gibt es eigentlich nichts auszusetzen, wenn man weiß, worauf man sich bei dieser Art von Literatur einlässt. Er ist einfach (dabei nicht ZU einfach), flüssig, anschaulich und enthält nur in sehr seltenen Fällen Wiederholungen (diese haben mich aber niemals gestört). Die Emotionen der Hauptfigur und die Anziehungskraft zwischen Abby und Dean werden gelungen beschrieben und beim Lesen spürbar. Jedoch sollte man sich keine poetischen Hochleistungen oder viel Anspruch erwarten. Dass die Sprache jedoch oberflächlich bleibt, sowohl bei Gedanken und Gefühlen der Figuren als auch bei den Schilderungen verschiedener Entwicklungen nicht genug in die Tiefe geht, ist schade, ich hätte mir hier etwas mehr erhofft, da ich viel Potential in der Geschichte erkannt habe. Mehr Worte hätten der Geschichte definitiv gutgetan. Erfrischend fand ich jedoch, dass die Geschichte nur aus einer Perspektive erzählt wird. Zum einen wird so das Buch nicht unnötig aufgebläht, zum anderen bleibt es spannender, weil man nicht weiß, was Dean genau denkt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Wenn man zu solch einem Buch greift, bei dem schon alles von Cover bis Klappentext „leichte Liebesgeschichte“ für zwischendurch schreit, weiß man eigentlich, was einen erwartet und worauf man sich einlässt. Ich lese solche Geschichten mittlerweile nur noch ganz selten, aber manchmal tun ein bisschen unkomplizierte Liebe und eher anspruchslose Unterhaltung ja auch ganz gut. Dennoch hätte ich mir hier mehr Tiefe gewünscht, vor allem da die Geschichte so viel Potential hat: Ein harter Wettkampf mitten im Paradies, eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen auf engstem Raum. Das, was auch bei den TV-Formaten lockt - Drama, ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, hochkochende Emotionen –, wollte ich auch hier erleben, vielleicht sogar - weil es sich ja um ein Buch handelt und man so zumindest ganz nah an den Figuren und der Heldin ist und mehr Nuancen wahrnimmt - noch intensiver und emotionaler. Leider wurden meine Hoffnungen enttäuscht. Viel Potential wird nach einem starken Anfang verschwendet: Die Geschichte ist sehr dünn und handlungsarm, oft oberflächlich (die Beziehungen zwischen den Figuren werden kaum thematisiert) und absolut vorhersehbar. Es ist leider eine dieser Geschichten, bei denen der Schauplatz nur den Handlungsrahmen für die alles dominierende Liebesgeschichte bildet, um die es eigentlich WIRKLICH geht. Sowohl die Geschichte als auch das Ende enthalten leider auch das eine oder andere Klischee und kleinere Logikfehler (diese haben mich aber meist nicht wirklich gestört).

Wenn man die Erwartungen jedoch zurückschraubt, wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht und wenn man im Vorhinein weiß, dass die Reality-Tdee nur ein Vorwand ist und nicht wirklich ausgebaut wird, glaube ich, dass man mit dieser Geschichten dennoch einige unterhaltsame Stunden haben kann. So mochte ich den Anfang beispielsweise sehr, Abby lässt sich hier von Dean absolut nichts gefallen und die Wortgefechte der beiden sind manchmal wirklich amüsant zu lesen. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, gibt es kribbelnde, vor gegenseitiger Anziehung nur so sprühende Stellen und gelungene Momente, in denen die Zuneigung füreinander deutlich wird. Jedoch ging mir das das Ganze insgesamt – und das liegt mit Sicherheit an der Kürze des Romans – alles zu schnell (teilweise werden Tage übersprungen und in nur wenigen Worten zusammengefasst). Diese amüsante Phase voller Hassliebe war zu bald vorbei, glühende Abneigung wandelte sich viel zu schnell in Anziehung und schlussendlich in Verliebtheit.

Protagonistin (+/-)

Eigentlich mochte ich Abby, auch wenn sie keine besonders komplexe Figur ist, und fand sie am Anfang wirklich sympathisch. Sie scheint intelligent zu sein, schreibt Rezensionen wie ich – ich konnte mich schnell mit ihr identifizieren. Am Beginn ist sie eine starke weibliche Hauptfigur, beobachtet genau, bevor sie handelt, ist impulsiv und lässt sich absolut nichts gefallen. Doch sobald sich die Geschichte mit Dean vertieft, scheint sie sich total zu verändern. Bei jeder seiner Bewegungen, bei jeder Gesichtsregung vermutet sie, dass er das Interesse verliert oder auf sie böse ist. Sie wird auf einmal unsicher, bekommt Selbstzweifel, ihre Gedanken kreisen ständig um Dean. Was mich am meisten gestört hat: Er wird zunehmend als perfekt und sogar „Gott“ (jedes Mal habe ich hier mit den Augen gerollt) bezeichnet und Abby fragt sich ständig, ob sie gut genug für ihn ist. Das Schlimmste: Alle ihre Zweifel beziehen sich nur auf ihr Äußeres, als wäre das alles, was bei einer Frau zählt. Was mit ihrer Intelligenz, ihrer starken Persönlichkeit und ihrem Selbstbewusstsein ist? Tja, darauf hat Abby wohl ganz vergessen…

Nebenfiguren (-!)

Die Nebenfiguren konnten mich leider nicht überzeugen. Sie sind durchgehend viel zu blass gezeichnet und absolut austauschbar. Ich weiß, dass Abby nicht viele davon näher kennenlernt, aber dennoch hätten die Nebenfiguren mehr Persönlichkeit erhalten müssen. Dean ist zwar minimal besser ausgearbeitet, aber auch über ihn erfährt man so gut wie nichts. Er ist so austauschbar wie alle anderen Figuren, entspricht dem Prototyp des arroganten, harten Kerls mit der weichen Schale und wird wohl schnell vergessen sein.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Durch den flüssigen Schreibstil lässt sich die Geschichte sehr schnell und angenehm lesen. Langweilig wurde mir meist trotz der großen Vorhersehbarkeit nicht, spannend fand ich vor allem die Streitereien zwischen Abby und Dean und natürlich die Wettkämpfe. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist, was Spannung und Insel-Atmosphäre betrifft, ein nettes Leseerlebnis ohne große Überraschungen oder Innovationen – aber auch nicht mehr.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Am Beginn zeigt sich Abby noch selbstbewusst, frech und stark, kritisiert sogar machohaftes Verhalten. Aber eine Frau, die sich später selbst nur aufs Aussehen reduziert, einen Mann ständig als Gott bezeichnet und sich durchgehend fragt, ob sie gut genug für ihren perfekten Schwarm ist, ist natürlich alles andere als feministisch. Generell werden Frauen (und teilweise auch Männer) in der Show oft aufs Äußere reduziert, müssen extrem viel Haut zeigen – Dinge, die in solchen Shows leider auch in der Realität immer noch häufig passieren (und auch kritisiert gehören!). Am wenigsten hat mir gefallen, dass die Medien Abby den Beinamen „die Bücherbitch“ gegeben haben und das sie das nicht im Geringsten stört, sondern dass sie auch noch irgendwie stolz darauf zu sein scheint. Sexistische Sprache ist niemals cool - sie diskriminiert, fördert Rollenstereotypen und ist hinderlich für die Gleichberechtigung. Solche Dinge sollten in Medien wie Büchern reflektiert und kritisiert und nicht als lustig dargestellt werden.

„Da konnte er keine Romanze gebrauchen – vor allem nicht mit einer wie mir, die eindeutig nicht der Playboy-Bunny-Typ war. Für einen Gott wie Dean war ich zu normal.“ Position 968

Mein Fazit

„Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist eine nette, vorhersehbare Geschichte, die ihr Potenzial und ihren Schauplatz leider nicht nutzen kann und die mich daher leider enttäuscht hat. Schließlich war es gerade dieser Handlungsrahmen, der mich interessiert hat - ich wollte (wie bei den TV-Sendungen) Drama, hochkochende Emotionen, interessante Gruppendynamiken und ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den TeilnehmerInnen sehen. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig lesbar, die Liebesgeschichte entwickelt sich zwar zu schnell, bietet aber trotzdem einige kribbelnde, gelungene Momente. Die Hauptfigur zeigt sich am Beginn des Buches stark und frech, zweifelt im Laufe der Geschichte aber zunehmend an sich selbst (bzw. ob sie für ihren angeblich perfekten Schwarm gut genug ist). Eine große Schwäche hat die Geschichte leider: ihre Oberflächlichkeit. Die Figuren sind blass und austauschbar, bei den Beziehungen der TeilnehmerInnen, Gedanken und Gefühlen geht die Autorin nicht in die Tiefe (deshalb konnte ich auch nicht richtig mitfühlen und mitfiebern) und die Geschichte hält kaum Überraschungen, aber dafür einige Klischees bereit. Ohne Frage hätten dem Buch hundert Seiten mehr gutgetan, weil die Autorin dann mehr Zeit gehabt hätte, ihre Geschichte besser auszubauen. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ soll eine leichte Liebesgeschichte sein – mir war sie leider etwas zu leicht. Wenn man die Erwartungen aber zurückschraubt und wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht, kann man mit dieser Geschichte aber mit Sicherheit trotzdem einige unterhaltsame Stunden erleben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Ausführung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Nebenfiguren: 1 Sterne
Liebesgeschichte: 3 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Ende: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2,5 leider enttäuschte Lilien!

Veröffentlicht am 23.08.2024

Das geht besser! Außerdem: Warum fast nur Zitate von Männern?

Niksen
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Inhalt

„Niksen“ ist ein kleines Geschenkbuch zu den Themen Nichtstun, Entschleunigung und Achtsamkeit…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: ---
Erzählweise: Zitate, Sprüche ...

Inhalt

„Niksen“ ist ein kleines Geschenkbuch zu den Themen Nichtstun, Entschleunigung und Achtsamkeit…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: ---
Erzählweise: Zitate, Sprüche und Fotos
Inhaltswarnungen: ---

Dieses Buch solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge gut gefallen:

- Entschleunigung
- Nichtstun als Chance
- Leben genießen
- Achtsamkeit
- inspirierende Zitate
- ästhetische Bilder
- gemütliche Vibes
- Geschenkbücher mit Botschaft

Lieblingszitate

„Der Schlüssel zum Glück steckt von innen.“ Anonym, E-Book, Seite 12

„Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.“ Elizabeth Barrett Browning, E-Book, Seite 38

Meine Rezension

Als Lehrerin ist man eigentlich ständig auf dem Sprung, dauernd im Stress, hat permanent eine Liste mit gefühlt 1000 Dingen im Kopf, die man erledigen muss. Abschalten und längere Zeit einfach einmal nichts tun – Fehlanzeige (zumindest während des laufenden Schuljahrs)! Nur in den Sommerferien ist das wirklich möglich, weswegen genau jetzt der perfekte Moment für das Geschenkbuch „Niksen – Die Kunst des Nichtstun“ gekommen war.

Viel gibt es über das dünne Büchlein mit den inspirierenden Sprüchen und optisch ansprechenden Bildern eigentlich nicht zu sagen. Für mich ist es eben ein typisches Geschenkbuch! Darin geht es um das niederländische „Niksen“, die Kunst des Nichtstun – um Entschleunigung, Achtsamkeit und darum, sich der Kostbarkeit des Lebens bewusst zu werden und seine Zeit auf Erden so gut es geht zu genießen. „Niksen“ will uns ermuntern, das Nichtstun als etwas Wertvolles, Schönes, als Chance und nicht als bloße Faulheit zu begreifen. Daher ist das kleine Buch als Geschenk für alle, denen ihr mal durch die Blume sagen möchtet, dass sie mal mehr auf SICH schauen und ein paar Gänge zurückschalten sollten, mit Sicherheit gut geeignet. ;)

Begeisterungsstürme bleiben aber leider aus, denn ich habe schon viele ähnliche Bücher gelesen und bei den meisten fand ich die Zusammenstellung der Fotos und die Auswahl der Zitate deutlich liebevoller, inspirierender und schöner. Es gab hier zumindest keinen Satz, den ich mir ausdrucken, auf den Kühlschrank kleben und an den ich mich für immer erinnern wollte. Das geht besser!

Mein größter Kritikpunkt kommt aber erst jetzt: Aus feministischer Sicht fand ich die „Kuration“ mehr als fragwürdig – denn obwohl sich das Buch scheinbar (durch die vielen auf den Fotos abgebildeten Frauen und die „Vibes“) an ein weibliches Publikum richtet, stammen NUR 2 der 16 abgedruckten Zitate von berühmten Frauen (Lucy Maud Montgomery, Elizabeth Barrett Browning), der Rest kommt von Männern wie Oscar Wilde, J. R. R. Tolkien und Wolfgang Amadeus Mozart. (Ja, ich habe mir die Mühe gemacht, das genau zu zählen und auszurechnen.) Das entspricht einer Frauenquote von 12,5 % und zeigt, wie schnell Frauen übersehen werden, wenn man sich das Geschlechterverhältnis nicht bewusst anschaut – was man auch hier tun hätte sollen, um genau so ein Ergebnis zu vermeiden. Auch das muss bei zukünftigen Geschenkbüchern des Verlags (die Person, die das Buch zusammengestellt hat, wird leider nicht namentlich genannt) besser werden!

Mein Fazit

Um ehrlich zu sein, habe ich schon bessere und liebevoller zusammengestellte Geschenkbücher gesehen, die länger in Erinnerung blieben und die ich mir auch gerne mehrmals angesehen habe – dieses Potential sehe ich hier leider nicht. Außerdem wurde bei der Auswahl der Zitate fast vergessen, dass die Menschheit nicht nur aus Männern besteht –enttäuschend, das geht besser! Von mir gibt es deshalb leider keine Empfehlung.

Bewertung (in Schulnoten)

Idee: 2
Ausführung: 4 Sterne
Fotos: 3 Sterne
Rollenbilder/Feminismus: 4

Insgesamt:

Note 4

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2023

Enttäuschend, konnte mich leider weder fesseln noch berühren…

Das Mädchen, das in den Wellen verschwand
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit vielen Jahren erschüttern heftige Unwetter Minas Heimat und fordern viele Tote. Schuld ist der Meeresgott, der die Gebete der Menschen nicht mehr erhört. Jedes Jahr ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit vielen Jahren erschüttern heftige Unwetter Minas Heimat und fordern viele Tote. Schuld ist der Meeresgott, der die Gebete der Menschen nicht mehr erhört. Jedes Jahr wird deshalb ein Mädchen dem Meer geopfert – in der Hoffnung, den Meeresgott zu besänftigen und die Menschenwelt zu retten. In diesem Jahr soll die große Liebe ihres Bruders in die Fluten geworfen werden, doch das kann Mina nicht zulassen. Sie opfert sich selbst. In der Geisterwelt unter dem Meer angekommen, muss sie feststellen, dass auf dem Meeresgott ein Fluch liegt und sie nur 30 Tage Zeit hat, ihn zu brechen, bevor sie selbst stirbt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, Trauer, Tod, nicht-vegane Ernährung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Märchen-Neuerzählungen
- SEHR langsames, ruhiges Erzähltempo
- stellenweise kitschiger und pathetischer Ton
- Unterwasser-Setting
- Geister und Gottheiten
- Flüche
- ein Mädchen muss die Welt retten

Meine Rezension

„‘Der Meergott ist nicht wütend, Mina. Er ist verloren. Er wartet, in seinem weit entfernten Palast jenseits dieser Welt. Auf jemanden, der den Mut hat, ihn zu finden.“ E-Book, Position 191

Wenn es um Göttinnen und Götter geht, bin ich normalerweise raus – zu wenig interessiere ich mich für diese unmenschlich starken, unsterblichen Wesen ohne richtige Probleme (don’t @ me! 😉). In diesem Fall habe ich mich dann aber doch vom Klappentext (asiatische Märchen-Neuerzählungen findet man dann doch nicht so oft auf dem deutschen und österreichischen Buchmarkt) und Cover neugierig machen und von den begeisterten Rezensionen aus dem englischsprachigen Raum mitreißen lassen. Doch war das vielleicht ein Fehler? Diese Frage kann ich im Nachhinein leider nur bejahen, denn es stellte sich schon nach wenigen Seiten heraus: Dieses Buch und ich – wir passen nicht zusammen. Deshalb habe ich heute mal wieder eine „unpopular opinion“ für euch…

Ich wünschte, ich könnte mich an dieser Stelle über Spannungseinbrüche im Mittelteil oder Ähnliches beschweren, aber die Wahrheit ist, dass für mich dieses ganze Buch ein einziger Spannungseinbruch war, ein spannungs- und druckfreier Raum, ein Vakuum. Die Wahrheit ist, dass mich die Geschichte überhaupt nie richtig fesseln und mitreißen konnte, dass ich bis zum Ende nicht richtig darin angekommen bin. Der Schreibstil ist verträumt, das Erzähltempo ist extrem behäbig und langsam (was wohl typisch für asiatische Märchen-Retellings sein soll, wie mir gesagt wurde) und die Story plätschert die ganze Zeit ohne große Höhepunkte vor sich hin. Es gab so viele Momente, die mich emotional aufwühlen hätten sollen, mich aber durch den distanzierten Schreibstil kaltließ. Bei Vorkommnissen, die mir eigentlich ein „O mein Gott!“ entlocken hätten sollen, kam von mir innerlich nur ein müdes: „Okay – und weiter?“

Ich empfand die Erzählweise als unglaublich mühsam, es gab so viele Wiederholungen und es passierte so wenig. Dazu kam der immergleiche Ablauf in der ersten Hälfte: Umgebungsbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Naturbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Umgebungsbeschreibungen, plötzlich wie aus dem Nichts extrem feindselige Dialoge, die eher zu Eniemies-to-lovers-NA-Romantasy-Geschichten gepasst hätten (?), dann wieder Beschreibungen, dann wieder die Oma und so weiter und so fort… Vor allem in der ersten Hälfte musste ich mich förmlich zwingen, Seite um Seite umzublättern – trotzdem dauerte es TAGE, bis ich einen nennenswerten Fortschritt erzielte. Ich habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen, habe mich selten so gelangweilt.

Vieles blieb mir hier auch einfach zu oberflächlich: Die ständigen Umgebungsbeschreibungen waren so nichtssagend und wenig atmosphärisch, dass das Kopfkino nicht ansprang. Die Figuren wirkten auf mich (mit wenigen Ausnahmen) so flach und unecht und uninteressant wie Pappaufsteller. Die Protagonistin, die als bester und tollster und mitfühlendster Mensch der Welt dargestellt wurde (es nervte irgendwann!) und ansonsten keine nennenswerte Persönlichkeit, keine Ecken und Kanten besitzt, war mir vollkommen egal. Dazu kamen die Liebesgeschichte, die sich zu schnell entwickelt, und die Liebesbekundungen, die sich überstürzt anfühlten, sodass ich Minas Gefühle nicht nachvollziehen und auch nicht nachempfinden konnte (auch wenn der Love Interest Potential hatte und ganz nett war). Themen wie Erwachsenwerden, Familie, Glaube, Emanzipation von gesellschaftlichen Erwartungen, Trauer und Liebe werden nicht mit der notwendigen Tiefe behandelt. Auf keiner Seite konnte ich je vergessen, dass ich hier einen konstruierten, erfundenen Roman vor mir habe – denn genau so fühlt sich dieser Text auch an. Vor allem gegen Ende wurde es mir stellenweise auch deutlich zu pathetisch und kitschig im Ton.

Besonders feministisch fand ich die Geschichte übrigens auch nicht. Ich kann nur dem zustimmen, was ich auf Goodreads in einer Rezension gelesen habe: Frauen und Mädchen treten in dieser Welt hauptsächlich als Ehefrauen, fürsorgliche Mütter und Großmütter und Bräute (eher Spielbälle) der mächtigen, kämpferischen Männer auf – auch wenn es durchaus den einen oder anderen starken Moment und ein paar coole Göttinnen gibt und wenn Geschlechterstereotype hin und wieder gebrochen werden. Aber auch hier habe ich einfach mehr erwartet.

„Ich ‚fühle‘, wie mein Wille bröckelt. Ich bin nicht wie Joon, der ein weiches Herz hat. Ich kann trotzig und grausam sein. Grimmig und nachtragend. Und all das will ich jetzt sein, damit ich den Mut nicht verliere.“ E-Book, Position 304

Doch nicht alles war an diesem Jugend-Fantasy-Roman von Axie Oh schlecht, versteht mich bitte nicht falsch – es gab sie durchaus, die kreativen Ideen (z. B. Fische, die am Himmel ihre Bahnen ziehen), die schönen, die berührenden und gelungenen Momente und magischen Formulierungen. Manche Stellen habe ich mir sogar markiert. Leider können meiner Meinung nach dadurch die gravierenden Schwächen dieses Buches in den Bereichen Spannung, Figurenzeichnung, Plot und Tiefe nicht aufgewogen werden. Deshalb gibt es von mir auch nur 2 Sterne. Ich bin durchaus bereit, dem Genre (asiatische Neuerzählungen von Sagen oder Märchen) noch eine Chance zu geben, der Autorin hingegen eher nicht. Wir zwei passen einfach nicht zusammen.

„In mir steigt sengende Wut auf, von meinem Bauch aus krallt sie sich einen Weg in die Höhe, um mir die Kehle zuzuschnüren.“ E-Book, Position 124

Mein Fazit

Das Jugendbuch „Das Mädchen, das in den Wellen verschwand“ hat leider überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen. Es konnte mich weder fesseln noch mitreißen, noch berühren und ich konnte die Lektüre leider nicht genießen, sondern habe mich gelangweilt und durchgequält. Die guten Momente, die es durchaus gab, können für mich die großen Schwächen (Plot, Tiefe, Figurenzeichnung, Spannung) leider nicht aufwiegen. Deshalb gibt es von mir leider keine Leseempfehlung.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Sterne
Umsetzung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 1 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 1 Stern
Tempo: 1 Stern
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zwei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 17.09.2022

Leider spannungsarm und enttäuschend – und für mich KEIN Thriller!

Willkommen in Wisewood
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Kein Handy, kein Alkohol, kein Make-up, keine Berührungen – das sind die strengen Regeln auf Wisewood, einem „Retreat“ auf einer abgeschiedenen Insel, bei dem man seine ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Kein Handy, kein Alkohol, kein Make-up, keine Berührungen – das sind die strengen Regeln auf Wisewood, einem „Retreat“ auf einer abgeschiedenen Insel, bei dem man seine Ängste bekämpfen kann und dadurch absolute Freiheit erlangen soll. Als Nathalie in einer beunruhigenden E-Mail unter Druck gesetzt wird, ihrer Schwester Kit, die schon seit 6 Monaten auf Wisewood ist, eine schlimme Tat zu beichten, macht sie sich sofort auf den Weg. Wer hat die Mail geschrieben? Woher weiß die Person, was sie getan hat? Und was geht in dieser seltsamen Gemeinschaft wirklich vor sich?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens und Präteritum im Wechsel
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Tiere im Buch: - Spinnen werden lebendig geschluckt.
Content Note / Inhaltswarnung: Tod von Menschen, Feuer, Gewalt gegen Kinder und Frauen, Blut, Depression, Krankheit, Suizid, Suizidgedanken, Alkoholmissbrauch, Gaslighting, toxische Männlichkeit, emotionale Erpressung, selbstverletzendes Verhalten
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Weib, N+tte,

Rezension

„Furcht ist nicht real“, verkündet sie, „nur wenn wir es zulassen.“ Seite 9

Bei diesem Thriller haben mich tatsächlich die Leseprobe (besonders der düstere, atmosphärische Prolog), das vielversprechende Setting (eine abgeschiedene, verregnete Insel) und die beruflich erfolgreiche, selbstbewusste Protagonistin, die sich auf den ersten Seiten gleich in einem männlich dominierten Arbeitsumfeld durchsetzt, neugierig gemacht.

Vor der Lektüre hatte ich gesehen, dass dieser Thriller bereits einige negative Rezensionen erhalten hatte, aber davon wollte ich mich natürlich nicht abhalten lassen, denn unter polarisierenden Büchern habe ich schon einige Male richtige Perlen entdeckt (wie zum Beispiel „Fische“ von Melissa Broder, bitte lest es alle! ♥). Jetzt jedoch, nachdem die letzte Seite gelesen ist, muss ich den kritischen Leser·innen leider zustimmen: Auch mich hat „Willkommen in Wisewood“ leider sehr enttäuscht!

Was der gelungene, düstere Prolog und die ersten starken Seiten versprechen, kann der Rest des Buches nämlich leider nicht halten. Seine schwierige Entstehungsgeschichte (bis zur Veröffentlichung wurden insgesamt 7 verschiedene Fassungen von der Autorin erstellt) merkt man diesem Werk leider an; es schafft es überhaupt nicht, das Potential seiner guten Grundidee und seines großartigen Settings zu nutzen.

Nach den ersten, überzeugenden Seiten begann für mich das große Warten: darauf, dass mich die Geschichte endlich fesselt, darauf, dass endlich etwas passiert, darauf, dass es endlich spannend wird. Nun ist die letzte Seite bereits gelesen – und ich warte immer noch! Es gelingt der Autorin einfach nicht, einen Spannungsbogen aufzubauen. Sie verliert sich in langweiligen Alltagsbeschreibungen, die zahlreichen, sich inhaltlich wiederholenden Rückblenden (sie machen ungefähr die Hälfte dieses Buches aus) nehmen zusätzlich Tempo raus – und wenn Geheimnisse enthüllt werden, geschieht das auf eine unglaublich lahme, uninteressante Weise. Ein Thriller ist das in meinen Augen auf gar keinen Fall! Sehr schade finde ich auch, dass das tolle Setting nicht besser genutzt und atmosphärischer und detaillierter beschrieben wurde – hier hätte man so viel mehr herausholen können! Immer wieder habe ich mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen – und im Nachhinein hat sich das Durchhalten leider nicht gelohnt.

Thematisch geht es in „Willkommen in Wisewood“ um Schuld, Familie, Selbstliebe, Trauer, Angst und gesellschaftliche Erwartungen. Leider behandelt die Autorin die meisten Themen nur oberflächlich und konnte mich mit ihrer kühlen Erzählweise emotional nicht erreichen. Auch die Figuren haben mich enttäuscht: Die Protagonistinnen wurden mir mit jeder Seite unsympathischer, ihr Verhalten war für mich oft unglaubwürdig und nicht nachvollziehbar. Ich konnte mit ihnen auch nicht mitfühlen und ihr Schicksal war mit dementsprechend egal. Die anderen Figuren bleiben großteils (mit wenigen Ausnahmen) auch eher blass.

Keine Beschwerden gib es dafür aus feministischer Sicht, da im Buch viele starke und intelligente Frauenfiguren vorkommen, Sexismus angesprochen wird und es den Bechdel-Test besteht. Das eine oder andere Geschlechterstereotyp kann ich da verzeihen, allerdings hätte ich mir von der Übersetzerin, Marie Rahn, noch gewünscht, dass sie bei weiblichen Charakteren auch konsequent die weibliche Form verwendet (MentalistIN statt Mentalist, FreundIN statt Freund). Den Schreibstil habe ich übrigens – auch wenn er mir etwas zu distanziert und kühl war – als sehr angenehm und flüssig empfunden. Aus diesem Grund könnte ich mir durchaus vorstellen, der Autorin irgendwann noch einmal eine zweite Chance zu geben!

„Wir sind viel zu vernünftig. […] Unsere gesamte Zeit verschwenden wir an das Falsche. Wir tun so, als würden wir ewig leben.“ Seite 13

Mein Fazit

Ein Thriller ist „Willkommen in Wisewood“ für mich definitiv nicht, denn es fehlen die Grundzutaten: Spannung, eine dichte Atmosphäre, überraschende Wendungen. Das Potential ihrer guten Grundidee und ihres großartigen Settings kann Stephanie Wrobel leider nicht nutzen. Auch die unsympathischen Protagonistinnen und die fehlende Tiefe haben mich enttäuscht. Ich kann dieses Buch daher leider nicht weiterempfehlen! Da draußen auf dem Buchmarkt gibt es so viele großartige Thriller (wie zum Beispiel „Ragdoll“ von Daniel Cole und „Orphan X“ von Gregg Hurwitz ♥) – lest lieber die!

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2 Sterne
Umsetzung: 2 Sterne
Worldbuilding: 2 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Ende: 2 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistinnen: 2 Sterne
Figuren: 2,5 Sterne
Spannung: 1 Stern
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 1 Stern
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 2 Sterne

Insgesamt:

❀❀ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zwei Sterne!

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere