Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.10.2018

Noch lange nicht am Ende

Schnee in Amsterdam
0

sind Stella und Gerry, ein in Glasgow lebendes irisches Ehepaar, auch wenn beide längst das Rentenalter erreicht haben. Doch haben beide noch Wünsche und Vorstellungen, die ihr noch bevorstehendes Leben ...

sind Stella und Gerry, ein in Glasgow lebendes irisches Ehepaar, auch wenn beide längst das Rentenalter erreicht haben. Doch haben beide noch Wünsche und Vorstellungen, die ihr noch bevorstehendes Leben betreffen.

Und wie es sich auf einer Kurzreise nach Amsterdam herausstellt, driften diese ganz schön weit auseinander, was vor allem mit einem Gelübde zusammenhängt, das die gläubige Stella vor vielen Jahren geleistet hat und von dem ihr Mann bisher nichts ahnte.

Es ist ein verlängertes Wochenende, das beide - jeden auf seine Art - an ihre Grenzen führt und damit endet, dass auch Gerry ein Gelübde ablegt, allerdings ein ganz anders geartetes.

Ein Roman über den Herbst, nicht jedoch über das Ende des Lebens. Neuorientierung und andere Perspektiven - das kann es tatsächlich in jedem Alter geben, wie der Autor Bernard MacLaverty in seinem ruhigen, doch weder stillen noch ereignislosen Roman aufzeigt. Nein, im Gegenteil, hier wird deutlich, dass gerade das Innenleben der Menschen voller Aufruhr sein kann und dass sich Ehepaare auch nach langen Jahren noch überraschen können. Beziehungsweise einander dann erst richtig kennenlernen.

Oder auch dann erst bereit sind, ihre eigenen Wünsche zu kommunizieren und in Verbindung damit die des anderen anzuhören.

Ein Roman, der polarisieren kann, wenn man sich wie ich besonders gut in einen der beiden Partner hineinversetzen kann. Was aus meiner Sicht aber nicht schadet, denn es ist dennoch eine vollkommen andere Welt, in der Stella und Gerry leben. Gottseidank, muss man sagen, denn das, was hinter ihnen liegt, möchte ich nicht erlebt haben.

Ein Roman, in einer schönen, einfühlsamen Sprache geschrieben, versehen mit zahlreichen - ja, beinahe zahllosen - Literaturverweisen, die sich wunderbar in den Text hineinfügen. Wäre der Inhalt nicht so schmerzhaft - und stellenweise auch ein bisschen langatmig - könnte man durchaus von einem Lesegenuss sprechen.

Veröffentlicht am 15.10.2018

In den Fängen des Vogelgottes

Der Vogelgott
0

Ein eigenartiger Roman, über den ich lange nachdenken musste. Die Mitglieder der Familie Weyde - ein Vater und seine drei Kinder - begegnen auf unterschiedlichste Art und auch zu verschiedenen Zeiten dem ...

Ein eigenartiger Roman, über den ich lange nachdenken musste. Die Mitglieder der Familie Weyde - ein Vater und seine drei Kinder - begegnen auf unterschiedlichste Art und auch zu verschiedenen Zeiten dem Vogelgott beziehungsweise dessen Wirkung. Man könnte diese auch als eine Art düsteren Kult bezeichnen.

Der Vater, als Vogelsammler bekannt, hat eine Begegnung mit diesem riesigen Greifen auf einer merkwürdigen Reise, die ihn in eine einerseits märchenhafte, andererseits bedrohliche Umgebung führt und die in seinen Tagebüchern dokumentiert ist - über dieses Format wird sie auch dem Leser in einem Prolog vermittelt.

Es folgen die "Vogel-Geschichten" seiner drei Kinder: die des ziel-, vielleicht auch haltlosen Thedor, der während seiner Tätigkeit in der Entwicklungshilfe in Afrika auf eine extreme, eskalierende Weise in Berührung gerät. Die feinsinnige Dora stößt während ihrer Doktorarbeit auf ein übermaltes Bild zu dem Sujet und der Journalist Lorenz bekommt es mit Träumen der besonderen Art zu tun, denen er auf den Grund gehen will, nein, muss.

Denn den Fängen des Vogelgottes kann keiner entrinnen - es ist wie ein Fluch, der sich nach und nach über Familie Weyde - eine Familie von Einzelgängern, die nur wenig miteinander kommuniziert - ausbreitet. Eine Art fataler Zwang, auf der anderen Seite spielt jedoch stets auch eine gewisse Faszination eine Rolle.

Die Autorin Susanne Röckel hat einen komplett außergewöhnlichen Roman geschaffen, der auf eine subtile Art und Weise von einer bedrohlichen Atmosphäre durchdrungen ist. Dabei wird der Leser mithilfe sprachlicher Mittel - die über enorme Kraft verfügen - auf merkwürdige Weise auf Distanz gehalten. Ich konnte mich der Bedrohung, die vom Vogelgott ausging, nicht entziehen, habe jedoch andererseits die Sogwirkung, die eine Beschäftigung mit diesem Sujet trotz möglicher davon ausgehender Gefahren zwingend machte, nicht nachvollziehen können.

Ein irritierender, dennoch kraftvoller Roman - so empfinde ich es. Was mich besonders merkwürdig stimmte, war ein gewisser sachlicher Stil, der mich trotz aufwühlender innerer Entwicklungen der Charaktere stets auf Distanz hielt. Was auf gewisse Weise aber auch beruhigend war, konnte ich mir doch sicher sein, dass der Vogelgott und seine Sogwirkung zwar ihren Einfluss auf Familie Weyde ausüben, diesen jedoch nicht auf mich ausweiten können - als Leserin fühlte ich mich in einen sicheren Kokon eingewoben, was mir allerdings auch zeitweilig ein wenig die Spannung raubte.

Ich kann mir aber gut vorstellen, dass dieser Roman für jeden Leser eine ganz eigene, individuelle Botschaft beinhaltet, die ebenso facettenreich und vielschichtig sein kann wie die Begegnungen der Familie Weyde mit dem Vogelgott!

Veröffentlicht am 29.09.2018

Wohnort: Beifahrersitz

Gun Love
0

Kaum zu glauben, aber so wächst das Mädchen Pearl auf, nicht gerade in der besten Gegend von Florida in einem Trailerpark. Zusammen mit ihrer Mutter, die ihretwegen von zu Hause - aus einem durchaus gutsituierten ...

Kaum zu glauben, aber so wächst das Mädchen Pearl auf, nicht gerade in der besten Gegend von Florida in einem Trailerpark. Zusammen mit ihrer Mutter, die ihretwegen von zu Hause - aus einem durchaus gutsituierten Elternhaus - ausriss und nie mehr zurückkam und seitdem ein abgewracktes Auto, das seit Jahren nicht mehr bewegt wurde, mit ihrer Tochter teilt. Das ist alles, was ihnen als Wohnraum zur Verfügung steht.

Es gibt auch Nachbarn, die allerdings in Trailern leben - die Bewohner des Platzes halten Kontakt zueiander. Gestrandete Existenzen allesamt, sind sie aus vielerlei Gründen dort gelandet. Und leben vollkommen unterschiedliche Leben, in denen z.B. auch Waffenschmuggel und Drogen eine Rolle spielen.

Pearls Leben mag trostlos sein, aber sie kennt kein anderes. In soweit ist sie mit dem zufrieden, was sie hat - bis Eli auftaucht, mit dem ihre Mutter anbändelt. Dadurch lernt sie, was es heißt, ausgeschlossen zu sein, da sie länger und länger aus dem Auto ausgesperrt ist, wenn Eli bei ihrer Mutter ist.

Kann es etwas Schlimmeres geben? Ja, vollkommene Einsamkeit - und auch diese muss Pear erfahren, als sie ihre Mutter verliert.

Bald kommt sie kurzzeitig in eine Pflegefamilie und zwar eine der besonderen Art. Alles andere als eine normale Familie, aber eine, in der Kinder die Chance auf eine normale Entwicklung haben, kurzzeitig zumindest in Pearls Fall.

Dieses kleine Schnuppern an der Chance zu einem normalen Leben, erfährt Pearl zum ersten Mal in ihrem Leben. Doch es sieht nicht gut aus für sie und ihre Zukunft, denn die hat anderes mit ihr vor.

In seiner Extremität hat mich der Roman an "Winters Knochen" von Daniel Woodrell erinnert, kam aus meiner Sicht aber nicht an dessen darstellerische Kraft und Sprachgewalt heran. Ich lege es aus der Hand als ein trauriges kleines Buch, das gerade in Trump-Zeiten bittere Realitäten spiegelt, die sich noch verstärken könnten. Ein guter Roman, der uns das wahre Amerika (über die U.S.A. hinaus) zeigt, bzw. einen kleinen Teilaspekt davon.

Doch es gibt andere Romane, die mich tiefer getroffen, stärker beeinflusst haben, wie der oben genannte und mehr noch die Werke von Louise Erdrich. Dennoch ein lesenswertes Buch, das andere Leser möglicherweise stärker beeindrucken und prägen wird als mich.

Veröffentlicht am 28.09.2018

Weihnachtsleckereien aus Schweden

Julgodis - Weihnachtsbäckerei aus Schweden
0

Das Schweden ein oder sogar DAS Weihnachtsland ist, das ist bekannt. Nicht umsonst haben sie viele eigene, damit verbundene Rituale, die anders sind als überall sonst. So zum Beispiel das Lucia-Fest, das ...

Das Schweden ein oder sogar DAS Weihnachtsland ist, das ist bekannt. Nicht umsonst haben sie viele eigene, damit verbundene Rituale, die anders sind als überall sonst. So zum Beispiel das Lucia-Fest, das Lichterfest am 13. Dezember: dann wird in der dunklen Jahreszeit dem Licht gehuldigt. Mit speziellen Liedern und mit ganz viel Licht vor allem in Form von Kerzen, die die zur Lucia ernannte Maid - blond muss sie sein - sogar auf ihrem Haupte trägt.

Meine Eltern hatten schwedische Freunde und wir wurden jedes Jahr in der Weihnachtszeit zu ihnen eingeladen. Uns erwartete ein üppig gedeckter Tisch, auf dem klassischerweise sieben Sorten Plätzchen nicht fehlen durften. Natürlich neben Unmengen von herzhaften Gerichten - hungrig musste niemand nach Hause gehen.

In diesem prallen und bunten Buch liegt der Akzent definitiv auf den süßen Weihnachtsleckereien und ich kann gar nicht sagen, ob nun die Rezepte oder die Ausstattung im Vordergrund stehen. Verlockend Süßes und verlockend Buntes in verführerischen Fotografien gibt es jedenfalls zuhauf! Ich glaube, ich habe schon vom Anschauen allein mindestens fünf Kilo zugenommen, aber da es ja um Weihnachten geht, ist das unwichtig.

Gottseidank - denn Kalorienzähler sollten dieses Buch gleich wegpacken. Zu groß die Auswahl an süßen Pralinen, Kuchen und Kleingebäck. Die von mir erwarteten Rezepte für klassische schwedische Weihnachtsbäckerei nehmen allerdings nur einen kleinen Teil ein - zu meiner Enttäuschung, muss ich sagen! Nach langem Suchen habe ich Finnische Weihnachtssterne und Safrankuchen gefunden - das passte so in etwa in mein Beuteschema. Aber mehr auch nicht, nicht einmal klassische Pfefferkuchen werden angeboten, sondern nur aus fertigen Pfefferkuchen zubereitete Leckereien.

Diese sind allerdings ungewöhnlich und innovativ und mit solch besonderen Zutaten wie Dulce de Leche und Himbeerpulver - für die es auch Anleitungen gibt - zubereitet. Der Fokus liegt auf Pralinen und opulenten Nachtischen wie Eisbomben - das alles ist zwar wirklich schick, gehört für mich aber nicht unbedingt zu Weihnachten.

Dennoch ein tolles Buch - vor allem für Leute, die ein Faible für Optik haben und gerne Neues ausprobieren. Davon ist für die nächsten Jahre auf jeden Fall genug vorhanden!

Veröffentlicht am 22.09.2018

Carol Jordan und Tony Hill - die Zehnte!

Rachgier
0

Alleinstehende Frauen sind hier die Opfer und in recht kurzer Zeit kann das Muster eines offensichtlichen Serientäters ermittelt werden: Er findet seine Opfer stets auf Hochzeiten, zu denen er keineswegs ...

Alleinstehende Frauen sind hier die Opfer und in recht kurzer Zeit kann das Muster eines offensichtlichen Serientäters ermittelt werden: Er findet seine Opfer stets auf Hochzeiten, zu denen er keineswegs eingeladen ist. Warum dies dennoch möglich ist und wie er diese Frauen dazu bringt, ihm zu vertrauen - das ist die Frage, die sich ein neu konstruiertes Team um Carol Jordan zu stellen hat. Ein Haufen unterschiedlichster Experten ist es, die sie um sich gesammelt hat und es ist fesselnd zu lesen, wie sie - jeder auf seine Art - an den Fall herangehend.

Ein toll geschriebenes, eindringliches Buch mit intensiv und wirkungsvoll dargestellten Charakteren. Vor allem das Ermittlerteam um Carol Jordan wird so plastisch dargestellt, dass ich mich als Leserin streckenweise wie ein Teil dieses Teams fühlte. Keine
Frage, dass die seit Jahren erfolgreiche Autorin Val McDermid schreiben kann wie sonst kaum eine und nicht nur im Vergleich zu Kollegen aus dem Krimi-Genre die Nase ganz weit vorne hat. Und gerade Personenbeschreibungen sind ihre Stärke, das wird hier noch einmal sehr deutlich.

Dennoch erlebte ich diesmal eine kleine Enttäuschung, obwohl ich das Buch bis zum Ende mit Genuss gelesen habe. Sagen wir mal: fast bis zum Ende. Denn gerade das Ende war es, das aufgrund von Tonys und CarolsDer Hauptgrund - die Auflösung mit all ihren Facetten war zu absehbar und deutete sich für mich im großen und ganzen ab dem letzten Drittel des Buches an.

Ein bisschen erinnert mich dieser Krimi an die letzten Werke ihrer Landsmännin Barbara Vine, wo das aufgebaute Konstrukt von "Suspense" - um einmal den berühmten, von Hitchcock geprägten Begriff zu bemühen - und Spannung nicht ganz bis zum Schluss. aufrecht erhalten werden kann. Aber das ist Meckern auf hohem, wenn nicht höchsten Niveau und dieser Band fügt sich durchaus würdig in die Jordan-Hill-Reihe ein. Wobei es am Ende durchaus Überraschungen gibt - halt in einem anderen Sinne als dem klassischen Showdown. Seien Sie also gespannt, denn Val McDermid ist eine Zitrone, in der noch sehr viel Saft ist. Was sich in diesem Krimi in einer etwas unerwarteten, doch durchaus stimmigen Form offenbart. Typisch Val McDermid eben!